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OLG Köln, Urteil vom 28. Juni 2002, 6 U 81/02 - Anlockwirkung von günstigem Preis

Leitsätzliches

Kein übertriebenes Anlocken allein durch besonders günstigen Preis. Die nur hiervon ausgehende "Anlockwirkung" ist ja gerade gewollte Folge des Leistungswettbewerbs und für sich nicht wettbewerbswidrig.

OBERLANDESGERICHT KÖLN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 6 U 81/02

Entscheidung vom 28. Juni 2002

 

 

 

In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

 

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 28.6.2002 unter Mitwirkung seiner Mitglieder ..., ... und ...

 

für Recht erkannt:

 

Tenor:

 

1.)

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 5.4.2002 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 33/02 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

 

Die am 30.1.2002 im Beschlusswege erlassene einstweilige Verfügung (31 O 59/02) wird unter Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrages aufgehoben.

 

2.) Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen hat die Antragstellerin zu tragen.

 

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs.1 Ziff.1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Antragstellers liegt ein Fall des übertriebenen und daher gemäß § 1 UWG unlauteren Anlockens nicht vor.

 

Eine Werbemaßnahme ist als übertriebenes Anlocken unlauter, wenn durch sie ein besonderer Vorteil angekündigt wird, der einen so starken Kaufanreiz schafft, dass der Verbraucher seine Entscheidung nicht mehr auf Grund einer Abwägung von Güte und Preiswürdigkeit trifft, sondern sich davon leiten lässt, wie er in den Genuss des Werbemittels gelangt (vgl. BGH WRP 98, 727 f - "Schmuck Set"; Köhler/Piper UWG, 2.Aufl. § 1 Rz 196; Lange/Spätgens Rz 125; Plaß in HK-WettbR § 1 RZ 124). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

 

Das übertriebene Anlocken im vorstehenden Sinne kommt in erster Linie im Rahmen der Wertreklame in Betracht: Die beschriebene Anlockwirkung geht dann nicht von der besonderen Attraktivität der Ware oder ihrem Preis, sondern von dem Wert der dem Kunden für den Fall des Erwerbs der Ware zusätzlich angebotenen Ware aus. Liegt demgegenüber die besondere Attraktivität des Angebotes gerade in einem günstigen Preis, so kann dieser Umstand allein nicht als unlauteres übertriebenes Anlocken bewertet werden. Denn die Werbung stellt sich dann als legitimer Hinweis auf den günstigen Preis der Leistung dar. Die von einem attraktiven Angebot ausgehende Anlockwirkung ist aber nicht wettbewerbswidrig, sondern gewollte Folge des Leistungswettbewerbs (BGH GRUR 99,261,266 - "Handy-Endpreis").

 

Die bloße Höhe des Rabatts scheidet jedenfalls im Streitfalle zur Begründung der Unlauterkeit aus. Es ist ausgeschlossen, dass allein ein Rabatt von 10 % eine Anlockwirkung auslösen könnte, die als übertrieben angesehen werden müsste. Nachdem bereits in der Vergangenheit gem. § 2 RabattG Rabatte von bis zu 3 % eingeräumt werden durften, lockt die Gewährung eines um 7 Prozentpunkte höheren Rabattes die Kunden nicht in unlauterer Weise an. Das gilt schon im täglichen Wirtschaftsleben, erst recht aber während der hier allein maßgeblichen Zeiträume der gem. § 7 Abs.3 Ziff.1 UWG erlaubten Saisonschlussverkäufe. Denn diese sind gerade davon geprägt, dass die Preise ganz drastisch reduziert werden. Dass - worauf das Landgericht abgestellt hat - der zehnprozentige Rabatt auf schon deutlich reduzierte Preise gewährt worden ist, ist nicht Gegenstand des Verfügungsantrags. Im übrigen wäre eine Reduzierung statt um bis zu 60 % generell um bis zu 70 % auch unter Berücksichtigung der zusätzlich angebotenen "Bonus-Coupons" im Rahmen des Winterschlussverkaufes, der als Ausverkauf gerade dem beschleunigten und vollständigen Absatz der betreffenden Ware auch zu deutlich reduzierten Preise dienen soll, zulässig gewesen und hätte sich nicht als übertriebenes Anlocken dargestellt.

 

Auch die Befristung des Rabattes auf die Zeit von 8 -10 Uhr des ersten Tages des Winterschlussverkaufes 2002, also auf - je nach dem Zeitpunkt der Ladenöffnung - höchstens die ersten zwei Stunden des Schlussverkaufes überhaupt, macht das Angebot nicht wettbewerbswidrig. Allerdings kann die zeitliche Begrenzung eines Angebotes als Fallgestaltung des übertriebenen Anlockens in Betracht kommen (vgl. Köhler/Piper a.a.O., Rz 196 mit Hinweis auf die Entscheidung BGH GRUR 92,620 - "Glücksball-Festival"). Das Unlautere kann in diesen Fällen darin liegen, dass es dem Verbraucher unmöglich gemacht wird, durch Preisvergleiche festzustellen, inwieweit es sich unter Berücksichtigung der Angebote von Wettbewerbern um einen günstigen Preis handelt. Auch unter diesem Aspekt stellt sich die Werbung indes nicht als wettbewerbswidrig dar. Es ist schon sehr zweifelhaft, ob außerhalb von Schlussverkäufen ein Rabatt von (lediglich) 10 % in relevanter Zahl Kunden davon abhalten kann, Vergleichsangebote auf dem Markt in die Kaufentscheidung einzubeziehen. Jedenfalls ist das aber in der hier maßgeblichen Situation der Eröffnung des Schlussverkaufes nicht der Fall. Denn es ist - wie die Antragsgegnerin in der Berufungsbegründung anschaulich beschrieben hat - üblich, dass Kunden gerade zu Beginn des Schlussverkaufes in der Hoffnung, noch die größte Auswahl an besonders günstigen Angeboten anzutreffen, die Läden "stürmen". In dieser Situation kann ein befristetes Angebot - zudem von nur 10 % Rabatt - den Kunden nicht von Preisvergleichen abhalten, weil es ohnehin unüblich ist, ausführlich die Preise zu vergleichen. Vielmehr wird der Kunde in der Sorge, das Produkt sei sonst vergriffen, sich nicht mit einem Preisvergleich aufhalten und seine Kaufentscheidung sogleich treffen.

Scheidet damit ein Verstoß gegen § 1 UWG unter dem Aspekt des übertriebenen Anlockens aus, so ist der Antrag zurückzuweisen, weil nicht ersichtlich ist, dass der Anwendungsbereich einer anderen Fallgruppe des § 1 UWG in Betracht käme. Dass der Verfügungsantrag nicht auf einen Verstoß gegen § 7 UWG gestützt wird, hat der Antragsteller erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 13.3.2002 ausdrücklich klargestellt.

 

Vor diesem Hintergrund ist unerheblich, dass der Antrag auch deutlich zu weit geht: Das Wesentliche des angenommenen Verstoßes liegt darin, dass der Rabatt gerade in den zwei ersten Stunden des WSV eingeräumt worden ist. Dies könnte indes nicht eine Wiederholungsgefahr für eine derartige Rabattgewährung auch zu anderen Zeiten begründen, wie sie aber Gegenstand des Antrags ist.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

 

Das Urteil ist gemäß § 542 Abs.2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.

 

Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 30.000 €

 

(Unterschriften)