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OLG Koblenz, Urteil vom 15. Oktober 2002, AZ.: 4 U 239/02 - Preis zzgl. Überführungskosten

Leitsätzliches

Die Pflicht, Endpreise im Handel mit dem Verbraucher anzugeben, schließt die Angabe eines Preises "zzgl. Überführungskosten" aus. Gleichwohl ist ein solches Verhalten regelmäßig nur durch den unmittelbaren Konkurrenten abmahnfähig, als Bagatellverstoß in diesem Fall jedoch nicht durch einen "Abmahnverein" oder einen grundsätzlich zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zugelassenen Verband.

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 4 U 239/02

Entscheidung vom 15. Oktober 2002

 

In dem Rechtsstreit

 

 

wegen wettbewerbsrechtlicher Ansprüche.

 

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... auf die mündliche Verhandlung vom 24. September 2002

 

für Recht erkannt:

 

 

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 7. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Trier vom 7. Februar 2002 wird zurückgewiesen.

 

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

 

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 3.300 € abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Kläger kann die Sicherheit in Form einer unbedingten, unbefristeten und selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder eines öffentlich-rechtlichen Kreditinstituts leisten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Gründe:

 

I.

Die Beklagte warb in einer Zeitungsanzeige im Mai 2001 für einen Pkw, wobei mit einem neben der Preisangabe angebrachten Sternsymbol auf den Zusatz "zzgl. Überführungskosten" hingewiesen wurde ( GA Bl. 13 ).

 

Das Landgericht hat mit Urteil vom 7.02.2002, auf das zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstands Bezug genommen wird, die auf Verurteilung zur Unterlassung einer solchen Werbung sowie Zahlung der Abmahnpauschale gerichtete Klage abgewiesen ( GA Bl. 94 ff ).

 

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung, mit der er die Abänderung des Urteils sowie die Verurteilung gemäß den Anträgen erster Instanz begehrt. Zur näheren Darstellung des Berufungsvorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteien verwiesen.

 

 

II.

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

 

Das Landgericht hat die Klage des Wettbewerbsverbandes zu Recht abgewiesen.

 

Auch die Berufungsangriffe führen nicht zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage.

 

1.) Die von Amts wegen zu prüfende Prozessführungsbefugnis gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist seit Erlass der Unterlassungsklageverordnung vom 3. Juli 2002 dem Streit der Parteien entzogen.

 

2.) Der Einwand des Klägers, das Landgericht stelle zu Unrecht auf die Sachbefugnis gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG ab, greift nicht durch. Die Beklagte bestreitet den - im Übrigen unsubstantiierten - Vortrag des Klägers, er handele "ganz konkret als Beauftragter der einzelnen Mitbewerber der Beklagten".

 

In erster Instanz hat der Kläger dazu vorgetragen (GA Bl. 5):

 

"Der Hersteller M.... hat seine Vertragshändler darauf hingewiesen, dass sich diese aufgrund des mit dem Kläger abgeschlossenen und heute noch gültigen Mitgliedschaftsvertrags in seinem Namen an den Kläger wenden könnten, um u.a. gegen Wettbewerbsverstöße von Wettbewerbern vorzugehen. Dem hat keiner der Vertragshändler widersprochen, so dass auch eine entsprechende Beauftragung vorliegt, ihre wettbewerbsrechtlichen Interessen wahrzunehmen."

 

Zu Recht hat die Beklagte die rechtliche Relevanz dieses - von ihr bestrittenen - Vorbringens in Frage gestellt (GA Bl. 30, 149).

 

3.) Mit der streitgegenständlichen Anzeige wirbt die Beklagte unter Preisnennung für den Absatz eines Fahrzeugs, so dass sie grundsätzlich gehalten ist, die Endpreise anzugeben.

 

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative PAngV hat der Kaufmann den Endpreis anzugeben, wenn er für Waren oder Leistungen unter Angabe von Preisen wirbt. Durch die Endpreisangabe soll verhindert werden, dass der Verbraucher seine Preisvorstellung anhand irgendwelcher untereinander nicht vergleichbarer Preise, anhand von Teilpreisen oder Preisbeispielen bilden muss. Wird der Verbraucher durch die Werbung mit Preisangaben zu Vorstellungen über die Preiswürdigkeit einer Ware oder zu Preisvergleichen mit Konkurrenzerzeugnissen veranlasst, soll ihm durch die Angabe des tatsächlich geforderten Endpreises auch ein tauglicher Vergleichsmaßstab zur Verfügung stehen. Sinn und Zweck der Preisangabenverordnung ist es deshalb, unter Beachtung der Grundsätze von Preiswahrheit und Preisklarheit Preisvergleiche zu gestatten und es dem Verbraucher zu ermöglichen, sich schnell und zuverlässig über das auf dem Markt befindliche Warenangebot näher zu informieren.

 

Maßgebend für die Frage, welche Einzelleistungen in den Endpreis einzubeziehen sind, ist die Verkehrsauffassung. Diese geht grundsätzlich von einer Einbeziehung der Kfz-Überführungskosten in den Endpreis des Händlers für ein Kraftfahrzeug aus (BGH: GRUR 83, 443 (445) - Kfz-Endpreis; 83, 658 (661) - Hersteller-Preisempfehlung in Kfz-Händlerwerbung; 86, 606 (608) - unverbindliche Preisempfehlung). Insoweit stimmt der erkennende Senat also auch mit der Rechtsansicht des Oberlandesgerichts Stuttgart in dem Beschluss vom 30. Juli 2001 (2 W 49/01) überein (vgl. GA Bl. 134, 139).

 

Im Streitfall ist zu beachten, dass sich zwar unmittelbar neben der Preisangabe jeweils ein Sternsymbol und damit ein Hinweis auf eine Fußnote befindet, die die Bedeutung des Symbols klarstellt und vom übrigen Werbetext durch grafische Gestaltung abgesetzt ist. Allerdings ist weder die Überführung des beworbenen Fahrzeugs nur fakultativ angeboten worden, noch sind die zusätzlichen Kosten der Höhe nach angegeben. Insoweit liegt also ein formeller Verstoß gegen die Preisangabenverordnung vor.

 

Ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV bedeutet jedoch nicht sogleich, dass das entsprechende Verhalten auch wettbewerbswidrig ist. Wie der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden hat, handelt es sich bei der vorgenannten Bestimmung um eine wertneutrale Ordnungsvorschrift, deren Verletzung erst dann einen Wettbewerbsverstoß darstellt, wenn sich ein Wettbewerber bewusst und planmäßig über sie hinwegsetzt, obwohl für ihn erkennbar ist, dass er dadurch einen Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern erlangen kann (BGH GRUR 83, 443 (446) - Kfz-Endpreis).

 

Vorliegend dürfte nach den Gesamtumständen davon auszugehen sein, dass sich die Beklagte bewusst und gewollt über die Verpflichtung zur Angabe des Endpreises hinweggesetzt hat. Ob der dann gegebene Verstoß gegen die Preisangabenverordnung die Wettbewerbslage in relevanter Weise berührt und damit ein Verstoß gegen § 1 UWG vorliegt, erscheint allerdings fraglich.

 

Fraglich erscheint auch, ob eine Irreführung durch einen Blickfang im Sinne des § 3 UWG vorliegt. Für die Frage, ob der Hinweis durch das Sternsymbol für den Verbraucher deutlich erkennbar ist, ob also für ihn hinreichend deutlich ist, dass die Überführungskosten beim Kauf hinzutreten, ist abzustellen auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (EuGH GRUR Int. 1999, 345).

 

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Frage, ob eine Anzeigenwerbung einen irreführenden Eindruck vermittelt, jedenfalls dann nicht auf den flüchtigen Leser abzustellen, wenn es sich um Waren von nicht ganz unerheblichem Wert und einer nicht nur kurzen Lebensdauer handelt. Nach Ansicht des Senats fallen Kraftfahrzeuge unter diese Artikel.

 

Der BGH führt zu dieser Problematik aus:

 

 

"Der Grad der Aufmerksamkeit des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers, auf dessen Verständnis es ankommt, ist abhängig von der jeweiligen Situation. Er wird vor allem von der Bedeutung der beworbenen Waren oder Dienstleistungen für den angesprochenen Verbraucher abhängen und wird beispielsweise dort eher gering, d.h. flüchtig sein, wo es um den Erwerb geringwertiger Gegenstände des täglichen Bedarfs geht. Auch das erste Durchblättern von Werbebeilagen oder Zeitungsanzeigen wird regelmäßig flüchtig erfolgen, wobei sich die Begriffe "flüchtig" und "verständig" nicht gegenseitig ausschließen. Erst im Falle eines am Angebot einer bestimmten - nicht völlig geringwertigen - Ware oder Dienstleistung entweder von vornherein bestehenden oder bei flüchtiger Durchsicht geweckten Interesses wird die Werbung mit größerer Aufmerksamkeit wahrgenommen. Diese situationsadäquate Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers ist für die Ermittlung des Verkehrsverständnisses maßgebend. Mögliche Missverständnisse flüchtiger oder uninteressierter Leser haben dabei zurückzutreten" (BGH WRP 2000, 517 (520) m.w.N. - Orient-Teppichmuster; BGH WRP 2002, 81 ( 84 ) -Anwalts- und Steuerkanzlei).

 

Davon ist auch vorliegend auszugehen. Bei der angebotenen Ware handelt es sich um eine von nicht unerheblichem Preis und einer nicht nur kurzen Lebensdauer. Der über Kraftfahrzeuge durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, der an einem Erwerb interessiert ist, wird eine entsprechende Werbung in der Regel nicht nur flüchtig betrachten, sondern sich ihr mit normaler Aufmerksamkeit zuwenden. Er wird einer Kaufentscheidung erfahrungsgemäß erst dann näher treten, wenn er sich weiter informiert hat (siehe auch Dr. Weiler "Psychischer Kaufzwang - ein Abschiedsplädoyer" in WRP 2002, 871 (875); BGH WRP 2002, 81 (84) - Anwalts- und Steuerkanzlei).

 

Der Senat kann jedoch die vorstehend aufgeworfenen Fragen betreffend das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 1, 3 UWG letztlich dahingestellt sein lassen, denn der Kläger kann als Verband nur solche Verstöße gegen §§ 1, 3 UWG verfolgen, die geeignet sind, den Wettbewerb auf dem hier einschlägigen Markt für Autos wesentlich zu beeinträchtigen. Im Falle von Verstößen gegen die Preisangabenverordnung folgt daraus, dass nur solche Verstöße sittenwidrige Wettbewerbshandlungen darstellen, die den Wettbewerb überhaupt beeinträchtigen können, also wettbewerbsrechtlich erhebliche Verletzungshandlungen sind, und dass derartige wettbewerbsrechtlich erheblichen Verstöße nur dann von klagebefugten Verbänden verfolgt werden können, wenn diese Verstöße darüber hinaus den Wettbewerb auf dem betroffenen Markt wesentlich beeinträchtigen (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG).

 

Für die Wesentlichkeit eines Wettbewerbsverstoßes im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG kommt es maßgeblich auf Art und Schwere der Verletzungshandlung und auf ihre Auswirkungen auf das Marktgeschehen an, wobei alle objektiven und subjektiven Gesichtspunkte, einschließlich der Interessen der Mitbewerber, der Allgemeinheit und der berührten Verbraucherkreise an der Unterbindung des angegriffenen Wettbewerbsverstoßes zu berücksichtigen sind. Da sich die in der angegriffenen Werbung genannten Preise für den verständigen Betrachter im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung zuzüglich der Überführungskosten verstehen, die ausgewiesenen Preise daher als Endpreise ohne Überführungskosten gekennzeichnet sind, stellt der angegriffene Verstoß nach Ansicht des Senats in Übereinstimmung mit dem Landgericht weder einen gravierenden Verstoß noch einen Verstoß mit erheblicher Anreizwirkung auch im Hinblick auf eine Nachahmung durch Mitbewerber dar. Bei den Kosten für die Überführung handelt es sich um echte Nebenkosten, deren Nichtberücksichtigung in den ausgewiesenen Preisen nicht den Eindruck eines besonders günstigen Angebots erweckt und auch den Preisvergleich durch den angesprochenen Verkehr nur unwesentlich erschwert. Insoweit ist auch die Zielsetzung der Änderung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG zu berücksichtigen.

 

Die UWG-Novelle 1994 hat das Erfordernis der wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs als Voraussetzung für die Klagebefugnis von Wettbewerbern, die mit dem Antragsgegner nicht in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen, eingeführt, um die wettbewerbsrechtliche Verfolgung von Bagatellverstößen, die für das Wettbewerbsgeschehen insgesamt oder für einzelne Wettbewerbe allenfalls eine marginale Bedeutung haben, zu unterbinden (BGH WRP 2001, 146 (148) - Immobilienpreisangaben).

 

Daher kann im Streitfall dahingestellt bleiben, ob unter den genannten Gesichtspunkten ein Verstoß gegen § 1 UWG oder gegen § 3 UWG vorliegt, denn jedenfalls ist der angegriffene Verstoß im Bereich der Bagatellverstöße anzusiedeln, die nicht von Verbänden im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG verfolgt werden können.

 

Auch wenn also unterstellt wird, dass der beanstandete Verstoß gegen die Preisangabenverordnung geeignet ist, dem Werbenden einen gewissen Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen, so ist dieser vorliegend nach Auffassung des Senats jedenfalls so geringfügig, dass die Verfolgung des Verstoßes durch den klagenden Verband nicht mehr im Interesse der Allgemeinheit liegt. Der mögliche Kaufinteressent wird durch die beanstandete Preisangabe nicht irregeführt, sondern "lediglich" nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise über den Endpreis informiert. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass Pkw's in der in der Anzeige genannten Preisklasse nicht allein aufgrund von Zeitungsanzeigen, sondern - jedenfalls von einem verständigen Autokäufer - nur nach sorgfältiger Prüfung der Vor- und Nachteile gekauft werden.

 

Dem Interesse der Allgemeinheit an der wettbewerbsrechtlichen Verfolgung eines Verstoßes gegen die Preisangabenverordnung, wie er Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, ist dadurch genügt, dass die zuständigen Behörden eine solche fehlerhafte Preisangabe nach pflichtgemäßem Ermessen gegebenenfalls auch als Ordnungswidrigkeit ahnden können (BGH WRP 2001, 146 (148) - Immobilienpreisangaben).

 

Die Berufung ist somit mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

 

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

 

Der Streitwert wird auf 20.148,27 € festgesetzt. Dem entspricht die Beschwer des Klägers.

 

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat hat seine Bewertung der streitgegenständlichen Anzeige auf der Grundlage der höchstrichterlich anerkannten Rechtsgrundsätze vorgenommen.

 

Soweit der Kläger auf andere obergerichtliche Urteile ( OLG Stuttgart, OLG Oldenburg) verweist, handelt es sich stets um Einzelfallentscheidungen, in deren Rahmen jeweils anders lautende und auf individuelle Weise gestaltete Werbeanzeigen zu beurteilen waren.

 

 

(Unterschriften)