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OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 23. Mai 2002, AZ: 6 U 9/02, - wettbewerbswidrige Ärztesoftware

Leitsätzliches

Gute Software kann Ärzten viel Arbeit ersparen - zuviel darf es dann aber auch nicht werden. Hier wurden dem Arzt bei der Erstellung der Rezepte neben dem eingegebenen Medikament noch Ersatzmedikamente angeboten. Soweit noch zulässig, unzulässig wird es allerdings, wenn abweichend von dem sonstigen Programmablauf das Klicken auf "OK" nicht zu Detailinformationen führt, sondern das Ersatzmedikament gleich in das Rezept übernommen wird.

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT a.M.

BESCHLUSS

Aktenzeichen: 6 U 9/02

Verkündet am 23. Mai 2002

In dem Rechtsstreit

...

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2002 beschlossen:

 

Nach übereinstimmender Erledigungserklärung werden die erstinstanzlichen Kosten des Eilverfahrens gegeneinander aufgehoben; von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Antragstellerin ¾ und die Antragsgegnerin ¼ zu tragen.

Gründe:

Nachdem die Parteien das Eilverfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, entsprach es billigem Ermessen (§ 91 a ZPO), die Kosten wie aus dem Tenor ersichtlich zu verteilen.

Der Eilantrag war ursprünglich teilweise begründet. Der Antragstellerin stand aus §§ 1, 3 UWG ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der konkreten, in Anlagen AST 2 und AST 5 zur Antragsschrift wiedergegebenen Gestaltung des beanstandeten Ersetzungsprogramms zu. Bei dieser Gestaltung konnte der "ver6 U 9/02 - 2 -" schreibende Arzt fälschlicherweise davon ausgehen, durch Anklicken von „OK“ auf dem geöffneten Fenster gemäß Anlage AST 5 erhalte er weitere Informationen über das Medikament „A...“, insbesondere die bisher noch nicht eingeblendeten, gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtangaben. Ein Hinweis darauf, dass stattdessen durch diese Operation bereits die Ersetzungsentscheidung getroffen und „A...“ in die Verschreibungsmaske anstelle des ursprünglich gewählten Medikaments eingefügt wurde, war zwar in dem fraglichen Fenster vorhanden; der Hinweis war jedoch so klein gehalten, dass er vom Anwender übersehen werden konnte.

Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs im vorliegenden Verfahren war nicht deswegen missbräuchlich (§ 13 Abs. 5 UWG), weil die Antragstellerin parallel dazu vor dem Landgericht München die beanstandete Werbung unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verstoßes gegen das Heilmittelwerbegesetz angegriffen hat. Es bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Entscheidung, beide Ansprüche in unterschiedlichen Verfahren zu verfolgen, auf sachwidrigen Erwägungen, insbesondere der Absicht beruhte, Kostenerstattungsansprüche in unnötiger Höhe entstehen zu lassen. Der im genannten Umfang ursprünglich bestehende Unterlassungsanspruch ist nach Erlass des angefochtenen Urteils durch die von der Antragsgegnerin im Parallelverfahren abgegebene Abschlusserklärung vom 21.12.2001 entfallen, da hierdurch die Wiederholungsgefahr für die konkrete Verletzungshandlung – die Verwendung der Programmgestaltung gemäß Anlagen AST 2 und AST 5 – tatsächlich beseitigt worden ist (zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr durch eine Abschlusserklärung allgemein vergleiche Senat WRP 97, 44 ff.); dass der Abgabe der Abschlusserklärung ein anderer rechtlicher Gesichtspunkt zugrunde lag, ändert nichts daran, dass die Wiederholungsgefahr für die konkrete Verletzungsform insgesamt entfallen ist.

Wegen des weitergehenden Eilbegehrens war der Antrag dagegen von Anfang an unbegründet. Wie der Vollstreckungsantrag der Antragstellerin vom 14.08.2001 zeigt, war das Unterlassungsbegehren der Antragstellerin jedenfalls auch darauf gerichtet, Programmgestaltungen der angegriffenen Art auch dann zu untersagen, wenn im Fenster gemäß Anlage AST 5 bereits die Pflichtangaben enthalten sind. Unter dieser Voraussetzung liegt jedoch nach Auffassung des erkennenden Senats ein Wettbewerbsverstoß nicht vor. Wenn der Arzt die - durch Anklicken des kleinen Fensters gemäß Anlage AST 6 U 9/02 - 3 - 2 gewünschten – näheren Informationen über das beworbene Arzneimittel im großen Fenster gemäß Anlage AST 5 bereits erhalten hat, rechnet er jedenfalls damit, dass er nunmehr vor die Entscheidungsalternative gestellt wird, entweder durch Anklicken von „OK“ eine Ersetzung des ursprünglich ausgewählten Mittels durch „A...“ vorzunehmen oder durch Anklicken von „Abbrechen“ den bezüglich „A...“ aufgerufenen Vorgang nicht fortzusetzen und mit der Verschreibung wie zunächst beabsichtigt fortzufahren.
Soweit beim Anwender hierüber Zweifel bestehen sollten, wird er sich mit dem weiteren Inhalt des Fensters näher befassen und den Hinweis zur Kenntnis nehmen, der die genannte Entscheidungsalternative hinreichend deutlich macht. Unter den genannten Voraussetzungen ist das Ersetzungsprogramm auch mit dem vom Senat in der Entscheidung OLG Report Frankfurt 2000, 185 entwickelten Grundsätzen vereinbar, da im vorliegenden Fall eine Ersetzung des Arzneimittels nur stattfindet, wenn der verschreibende Arzt sich hierfür frei und von sachfremden Erwägungen unbeeinflusst entschlossen hat. Bei der vorzunehmenden Kostenverteilung ist der Senat davon ausgegangen, dass auf den ursprünglich begründeten weil des Verfügungsantrages etwa die Hälfte des Gesamtstreitwertes entfällt. Daher waren die Kosten des erstinstanzlichen Eilverfahrens gegeneinander aufzuheben. Bei der Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren war einerseits zu berücksichtigen, dass das Eilbegehren nach Erlass des angefochtenen Urteils insgesamt unbegründet geworden ist. Andererseits entspräche es nicht der Billigkeit, die Antragstellerin mit den gesamten Kosten des Berufungsverfahrens zu belasten; denn die Antragstellerin hätte erst nach Einlegung der Berufung durch die Gegenseite Anlass und Gelegenheit gehabt, auf den Wegfall der Wiederholungsgefahr für den begangenen Wettbewerbsverstoß – etwa durch Teilerledigungserklärung und Rücknahme des weitergehenden Eilantrages – zu reagieren. Dies rechtfertigt die vom Senat vorgenommene Kostenquotelung für das Berufungsverfahren.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO n.F.) liegen nicht vor.

(Unterschriften)