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BG beim VG Mainz, Urteil vom 28. Oktober 2002, AZ: Kf 346/01.MZ - marktschreierische Werbung von Ärzten, Berufsrecht

Leitsätzliches

Marktschreierische Werbung von Ärzten kann zu Geldbuße wegen Berufspflichtverletzung führen! Im vorliegenden Fall wurden die Fenster einer Gemeinschaftspraxis in unzulässiger Weise werbend beschriftet. Nach Auffassung des Verwaltungsgericht Mainz (Berufsgericht für Heilberufe) verstoßen die Ärzte dadurch gegen ihre Berufspflichten und wurden deshalb zur Zahlung von Geldbußen verurteilt.

 

BERUFSGERICHT FÜR HEILBERUFE

BEI DEM VERWALTUNGSGERICHT MAINZ

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

 

Aktenzeichen: Kf 346/01.MZ

 

Entscheidung vom 28. Oktober 2002

 

 

 

In dem berufsgerichtlichen Verfahren

...

gegen

...

 

hat das Berufsgericht für Heilberufe bei dem Verwaltungsgericht Mainz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. September 2002 an der teilgenommen haben ...

 

für R e c h t erkannt:

 

1. Die Beschuldigten werden wegen Berufspflichtverletzung zu einer Geldbuße von jeweils 1.500,--EUR verurteilt.

 

2. Die Beschuldigten haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

 

GRÜNDE:

 

1. Die Beschuldigten betreiben in im Bereich des Gebäudekomplexes der Anlage des einer radiologische Gemeinschaftspraxis. Der Praxiseingang befindet sich in der Templerstraße. Circa 8 m vom Bürgersteig entfernt steht ein selbstständiges innenbeleuchtetes Praxisschild mit einer Gesamthöhe von 2,40 m und einer Breite von 60 cm. Das Praxisschild ist auf einem Sockel von 60 cm Höhe und 60 cm Breite errichtet. Es besteht aus Acrylglas und hat eine Innenbeleuchtung. Die Beschriftung des Schildes - beiderseitig einsehbar - hat den Hinweis "Radiologische Gemeinschaftspraxis im ... ", dann folgt ein Logo, darunter befinden sich die Namen der Beschuldigten. Unter der Namensangabe der Ärzte ist aufgeführt: „Röntgendiagnostik, Computertomografie, Kernspintomografie, Ultraschall, Nuklearmedizin, Positronen-Emmissions-Tomografie, Strahlentherapie". In einem gewissen Abstand folgt auf dem Schild ein Richtungspfeil, der auf den Praxiseingang hinweist.

 

Außerdem waren ursprünglich auf der gesamten Länge der Fensterfront etwa 75 m entlang der Templerstraße mit einem Abstand von etwa 12 m vom Bürgersteig in einzelnen Fenstern Beschriftungen mit den Bezeichnungen radiologische Gemeinschaftspraxis, Computertomografie, Kernspintomografie, Ultraschall, Nuklearmedizin, Positronen-Emmissions-Tomografie, Strahlentherapie sowie Röntgendiagnostik angebracht. Insgesamt handelte es sich um fünfzehn Beschriftungen. Die Beschriftungen hatten eine Größe von 12 cm Höhe und bis zu einem Meter Länge pro Zeile. Sie waren zusammen mit dem Logo farbig ausgelegt, die Schrift war weiß. Das Logo der Praxis fand sich in einer Größe von 30 mal 30 cm in rot über jeder Beschriftung.

 

Mit Schreiben vom 20. März 2000 forderte die Bezirksärztekammer die Beschuldigten vergeblich auf, innerhalb von 14 Tagen dieses - ihrer Auffassung nach unzulässige -Praxisschild und die Beschilderung in den Fenstern zu entfernen.

 

Der Vorstand der Landesärztekammern hat nach Anhörung der Beschuldigten mit Schriftsatz vom 04. April 2001, eingegangen bei Gericht am 05. April 2001, die Einleitung des berufsgerichtlichen Verfahrens beantragt und dazu die Auffassung vertreten, das Praxisschild sei zu groß und stelle sich schon deshalb als eine unzulässige Werbung dar; zu beanstanden seien auch die textlichen Ausführungen, da es sich um Darlegungen handele, die durch die Weiterbildungsordnung nicht abgedeckt seien.

 

Die Beschuldigten haben im Wesentlichen eingewandt, das Praxisschild füge sich in die Umgebung und die moderne Bauweise ein. Die Beschriftung sei sowohl von der Größe als auch von der Darstellungsweise her zurückhaltend. Auch die ausdrückliche Benennung der Praxisschwerpunkte auf Schild und Fenstern sei nicht zu beanstanden. Es würden nur Leistungen aufgeführt, die tatsächlich Praxisschwerpunkte seien. Auf die Benennung von Facharztbezeichnungen sei verzichtet worden. Der hilfesuchende Patient würde durch die hier gewählte Darstellungsweise weit mehr Orientierung erlangen. Der Patient könne zudem schon von außen einzelne Behandlungsbereiche lokalisieren und so Schwellenängste überwinden. Mit standeswidriger, marktschreierischer Werbung habe dies alles nichts zu tun. Man dürfe sich der Entwicklung des ärztlichen Berufsrechts nicht entgegenstellen. Vielmehr müsse dem Interesse der Patienten und der Ärzteschaft Rechnung getragen werden.

 

Mit Beschluss vom 18. 3uli 2001 hat das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen, In der Folge beseitigten die Beschuldigten die Inschriften - unter Belassung des Praxislogos - aus sämtlichen Praxisfenstern.

 

2. Die vorstehenden Sachverhaltsfeststellungen beruhen auf den Schriftsätzen der Beteiligten und den dazu gereichten Anlagen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.

 

3. Die Beschuldigten haben gemäß §§43 Abs. 1, 23 Abs. 1 Nr. 11 HeilBG ihre Berufspflichten dadurch verletzt, dass sie schuldhaft die nach den Besonderheiten ihres Berufes erforderlichen Einschränkungen der Werbung nicht beachtet haben.

 

Vorliegend richtet sich die berufsrechtliche Beurteilung des den Beschuldigten zur Last gelegten Verstoßes nach den einschlägigen Bestimmungen der Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Rheinland-Pfalz vom 24. Januar 2001 (BÖ). Denn bei den in Rede stehenden Werbemaßnahmen handelt es sich um die Herbeiführung eines dauerhaften Zustandes, sodass § 2 Abs. 2 StGB nach seinem Rechtsgedanken Anwendung findet. Bereits in seinem Eröffnungsbeschluss vom 18. Juli 2001 hat das Gericht in der Sache deshalb auf die einschlägigen Bestimmungen der vorgenannten Berufsordnung abgehoben.

 

 

Allerdings kann an der in diesem Beschluss zu Grunde gelegten rechtlichen Unbedenklichkeit der vorliegend einschlägigen Bestimmungen des § 27 Abs. 1 in Verbindung mit Kap. DI Nr. 2 Abs. 1 und Abs. 13 BÖ nicht uneingeschränkt festgehalten werden. Das Gericht geht vielmehr in Ansehung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes davon aus, dass die für Praxisschilder geltenden Beschränkungen gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Kap. D I Nr. 2 Abs. 1 und Abs. 13 BÖ mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren sind. Wie das Bundesverfassungsgericht zuletzt in seinem Beschluss vom 18. Februar 2002 -1BVR1644/01 - (DVBI. 2002, 767) nochmals hervorgehoben hat, ist den Angehörigen der freien Berufe nicht jede, sondern lediglich die berufswidrige Werbung verboten. Berufswidrig ist Werbung, die keine interessengerechte und sachangemessene Information darstellt. Von daher kann nur die Werbung als berufswidrig angesehen werden, die unmittelbar auf eine Gefährdung eines Gemeinwohlbelanges wie der Gesundheit der Bevölkerung oder mittelbar auf einen Schwund des Vertrauens der Öffentlichkeit in die berufliche Integrität des Arztes hinausläuft; nur übertriebene oder marktschreiende Werbung soll letztlich vermieden werden. Mit diesen Vorgaben ist eine Regelung nicht vereinbar, die bei Praxisschildern schlechthin jede umfassende Wiedergabe der in einer Praxis angebotenen Behandlungsmöglichkeiten ausschließt (Kap. DI Nr. 2 Abs. 1 BÖ) und zudem eine Beschränkung der Praxisschilder nach Größe und Anzahl vorschreibt (Kap. DI Nr. 2 Abs. 13 BÖ). Ausgestaltung, Anzahl und Anbringungsort von Praxisschildern sind deshalb allein danach zu beurteilen, ob sie eine berufswidrige Werbung im Sinne der den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes entsprechenden Bestimmung des § 27 Abs. l Satz 3 und 4 BÖ darstellen, es sich also insbesondere um anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung handelt.

 

Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist das Gericht davon überzeugt, dass die von dem eingangs beschriebenen Praxisschild der Beschuldigten unzweifelhaft ausgehende Werbewirkung nicht berufswidrig ist. Insbesondere ist die umfassende Auflistung der angebotenen Behandlungsmöglichkeiten nicht geeignet Patienten irre zu führen. Denn abgesehen davon, dass es für den Patienten belanglos ist, ob jeder der in einer Gemeinschaftspraxis tätigen Ärzte für jede der genannten Behandlungsmöglichkeiten fachlich zuständig ist, geht von dieser Auflistung ohnehin kein derartiger Irrtum aus. Denn ihr objektiver Erklärungsinhalt umschreibt ersichtlich ein „Gesamtangebot". Ob das Institut einer Gemeinschaftspraxis gleichwohl eine gesonderte Zuordnung der Behandlungsmöglichkeiten zum einzelnen angehörigen Arzt gebieten könnte, mag dahin stehen. Ein dahingehender Verstoß ist vom Eröffnungsbeschluss des Gerichtes nicht umgriffen (§ 82 Abs. 1 HeilBG) und von der Antragstellerin auch nicht ansatzweise gerügt worden.

 

Berufswidrig ist allerdings, dass die Beschuldigten die Werbewirkung ihres Praxisschildes gleichsam auf das Praxisgebäude projeziert haben, indem sie, wie ebenfalls eingangs beschrieben, die Fensterflächen ihrer Praxisräume neben einem Praxislogo mit jeweils einem großformatigen Hinweise auf eine der von ihnen angebotenen Behandlungsmöglichkeiten versehen hatten. Diese Werbemaßnahme lässt jede Zurückhaltung vermissen und nähert sich den Werbemethoden der gewerblichen Wirtschaft, insbesondere des Dienstleistungs- und Einzelhandelsgewerbes, an und leistet so dem Eindruck der Kommerzialisierung des Arztberufes und damit Zweifeln an der beruflichen Integrität des Arztes Vorschub. Eine derartige Werbung kann durchaus als anpreisend im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 4 BÖ bzw. als übertrieben oder marktschreierisch im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes angesehen werden.

 

Bei der nach alledem gebotenen berufsgerichtlichen Maßnahme gemäß § 44 HeilBG ist zugunsten der Beschuldigten zu berücksichtigen, dass nur ein Teil des ihnen von der Antragstellerin angelasteten Verhaltens den Tatbestand der berufswidrigen Werbung erfüllt. Dieser Teil ist jedoch so gewichtig, dass es insoweit einer spürbaren Geldbuße bedarf, wenngleich hier nicht außer Betracht bleiben kann, dass die Beschuldigten - allerdings ohne erkennbare Einsicht in ihr Fehlverhalten -zwischenzeitlich die Inschriften aus ihren Praxisfenstern entfernt haben. Das Gericht hält deshalb für jeden der Beschuldigten die Verhängung einer Geldbuße von 1.500,- EUR für schuldangemessen und erforderlich im Blick auf die künftige Beachtung ihrer Berufspflichten.

 

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 94 Abs. 1 HeilBG.

 

Unterschriften