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Weitergabe von hinter IP Adressen stehenden Adressen durch die Staatsanwaltschaft auf einfachen Hinweis der Musikindustrie ist unzulässig - AG Hamburg-Altona, Urteil vom 11.12.2007, Az.: 316 C 127/07

Leitsätzliches

Der Staatsanwaltschaft ist es nicht gestattet ohne weitere Ermittlungen auf einfachen Hinweis eines Tonträgerherstellers auf eine angebliche Urheberrechtsverletzung nach Weiterleitung der IP-Nummer an den Provider Namen und Anschrift des Anschlussinhabers an den vom Tonträgerhersteller beauftragten Rechtsanwalt weiterzueiten. Denn das Aufrechterhalten des Vorwurfs, Urheberrechte verletzt zu haben, stellt eine erhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzung dar. Der Urheberrechtsinhaber, der einen Anwalt damit betraut, Urheberrechtsverletzungen nicht nur im Einzelfall zu verfolgen, haftet für vom Anwalt als Verrichtungsgehilfen begangene Persönlichkeitsrechtsverletzungen oder wegen Organisationsverschuldens.

AMTSGERICHT HAMBURG-ALTONA

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 316 C 127/07

Entscheidung vom 11. Dezember 2007

 

In dem Rechtsstreit

 

...
gegen
...

 

hat das Amtsgericht Hamburg-Altona durch den Richter ... für Recht erkannt:

 

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner – gegebenenfalls auch als Gesamtschuldner neben der … GmbH & Co. KG, der … GmbH, der … GmbH und der … GmbH – verurteilt, an die Klägerin € 4 063,95 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. März 2007 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von den Beklagten im Wege des Schadensersatzes Bezahlung der für die Beauftragung ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten entstandenen Kosten wegen ungerechtfertigter Inanspruchnahme als angebliche Verletzerin von Urheberrechten.

Die Klägerin verfügt über einen Internetanschluss. Die Beklagten sind – nach ihrer eigenen, bestrittenen, Behauptung: zwei der führenden deutschen – Tonträgerhersteller.

Am 7.11.06 erstatteten die Beklagten neben anderen Tonträgerherstellern über die von ihnen eingeschalteten Rechtsanwälte (und jetzigen Prozessbevollmächtigten) Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Dortmund, weil am 22.10.06 eine große Anzahl von MP3-Dateien über die IP-Nummer … illegal zum Herunterladen verfügbar gemacht worden sei.

In derartigen Fällen fragt die jeweilige Staatsanwaltschaft, sofern sie Anlass für ein solches Vorgehen sieht, unter Vorlage von IP-Nummer und Zeitpunkt der Rechtsverletzung bei der … an und von dieser wird die Benutzerkennung des … AG-Kunden mitgeteilt. Nachfolgend fragt die Staatsanwaltschaft mit der erhaltenen Benutzerkennung bei der … AG an und erhält von dieser Namen und Adresse des Internetanschlussinhabers.

Mit Schreiben vom 17.1.07 (Anlage Ag 1, Bl. 43 d.A.) teilte die Staatsanwaltschaft Dortmund den Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit, dass nach Auskunft des Providers … AG die Klägerin Inhaberin der genannten IP-Nummer sei und dass das Verfahren an die Staatsanwaltschaft Lüneburg abgegeben worden sei.

Am 2.2.07 erhielt die Klägerin ein Schreiben der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 1.2.07 (Anlage K1, Bl. 8ff d.A.), in dem ihr vorgeworfen wurde, illegal MP3-Dateien zum Herunterladen verfügbar gemacht zu haben. Das Angebot habe 696 Dateien, davon 515 Audio-Dateien, umfasst. Es sei festgestellt worden, dass die IP-Adresse … am 22.10.06 um 19.21 Uhr von ihr genutzt worden sei. Sie wurde aufgefordert, es zu unterlassen, geschütztes Musikrepertoire zum Abruf durch andere Teilnehmer von Filesharing-Systemen zugänglich zu machen und Auskunft zu erteilen über vertriebene und ausgewertete Tonaufnahmen. Ihr wurde mitgeteilt, dass die Kosten der Inanspruchnahme der Rechtsanwälte der Beklagten zu ihren Lasten gehe und in Fällen wie dem vorliegenden der gerichtlich angenommene Gegenstandswert pro Titel € 10 000,– betrage, so dass sie mit erheblichen Kosten zu rechnen habe. Zugleich wurde sie aufgefordert, einem Vergleichsangebot zu einer pauschalen Schadensersatzzahlung von € 4 000,– zuzustimmen.

Tatsächlich hatte die Klägerin weder Titel heruntergeladen, noch hatte sie dies einem Anderen ermöglicht.

Am Tag des Zugangs des Schreibens rief der Ehemann der Klägerin Herrn Rechtsanwalt …, einen der Prozessbevollmächtigten der Beklagten, an und stellte den Sachverhalt richtig; Rechtsanwalt hielt jedoch das Begehren in vollem Umfang aufrecht.

Die Klägerin beauftragte nunmehr ihrerseits ihre jetzige Prozessbevollmächtigte mit der Abwehr sämtlicher Ansprüche der Beklagten. Diese wiesen mit Schreiben vom 5.2.2007 (Anlage K2, Bl. 20 d.A.) die Ansprüche der Beklagten zurück und teilten mit, nach Einsicht in die Ermittlungsakten auf die Angelegenheit zurückzukommen. Mit Anwaltsschreiben vom gleichen Tage (Anlage K3, Bl. 21 d.A.) wurde Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft Lüneburg beantragt.

Am 8.2.07 kam es zu einem Telefonat zwischen den beteiligten Verfahrensbevollmächtigten … und …. Für die Beklagten wurde die Beantragung einer einstweiligen Verfügung für den Fall angedroht, dass die Klägerin keine Unterlassungserklärung abgäbe. In dem Telefonat wurde auch angesprochen, dass der von den zuständigen Kammern der Landgerichte normalerweise angenommene Gegenstandswert pro Musiktitel € 10 000,– betrage.

Daraufhin reichte die Klägerin durch ihre jetzige Prozessbevollmächtigte am 8.2.07 eine Schutzschrift beim Landgericht Lüneburg ein (Anlage K4, Bl. 22f d.A.).

Gegenüber der Staatsanwaltschaft Lüneburg bat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin nach erfolgter Akteneinsicht um erneute Überprüfung der IP-Adressen.

Mit Anwaltsschreiben vom 15.2.07 (Anlage K5, Bl. 24f d.A.) forderte die Klägerin die Beklagte auf, bis zum 19.2.07 zu bestätigen, keinerlei Ansprüche gegen die Klägerin herzuleiten und die Kosten der Inanspruchnahme ihrer Rechtsanwältin zu tragen.

Mit Schreiben vom 19.2.07 (Anlage Ag 2, Bl. 44 d.A.) teilte die Staatsanwaltschaft Lüneburg den Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit, dass ein Täter nicht mehr habe ermittelt werden können, weil nach einer zunächst erteilten falschen Auskunft der … „eine falsche Personalsverantwortliche“ ermittelt worden sei und nunmehr die Daten wegen Löschungsfrist von 90 Tagen bei der … nicht mehr vorlägen.

Mit Anwaltsschreiben vom 22.2.07 (Anlage K6, Bl. 26 d.A.) nahmen die Beklagten die Vorwürfe zurück und teilten mit, es habe sich herausgestellt, dass die behördlichen Ermittlungen fehlerhaft gewesen seien; wegen entstandener Anwaltskosten möge sich die Klägerin an die Staatsanwaltschaft Lüneburg wenden.

Mit Anwaltsschreiben vom 28.2.07 machte die Klägerin gegenüber den Beklagten Anwaltskosten in Höhe von € 66 941,40 nach einem Gegenstandswert von € 6 960 000,– geltend. Die Beklagten wiesen alle Ansprüche endgültig mit Anwaltsschreiben vom 6.3.07 (Anlage K7, Bl. 27f d.A.) zurück.

Unter dem 19.3.07 (Anlage K8, Bl. 31 d.A,) übermittelte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Beklagten eine korrigierte Rechnung über € 4 063,95. Dieser Betrag ist Gegenstand der vorliegenden Klage.

Die Klägerin meint, es greife der Grundsatz der Trennung des Strafrechts vom Zivilrecht, so dass es für die Inanspruchnahme unerheblich sei, woher die Beklagten ihre Informationen hätten. Das Verschulden der Beklagten sei indiziert und könne nicht dadurch entkräftet werden, dass sie den Angaben einer Staatsanwaltschaft „blind“ vertraut hätten.

Es sei zu berücksichtigen, dass der Ehemann der Klägerin bereits vor der Einschaltung der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten nach Zugang des ersten Aufforderungsschreibens die Störerqualität gerügt habe.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie stehen auf dem Standpunkt, ein Anspruch aus § 678 BGB sei nicht gegeben, weil zum Zeitpunkt der Geltendmachung der Ansprüche aus ihrer, der Beklagten, Sicht eine berechtigte Inanspruchnahme der Klägerin vorgelegen habe und die Ansprüche unverzüglich nach Kenntnis von der falschen Auskunft der … an die Staatsanwaltschaft Dortmund zurückgezogen worden seien. Fahrlässigkeit sei ihnen nicht vorzuwerfen.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe weder mit Schreiben vom 5.2.07 noch im Telefonat vom 8.2.07 verlauten lassen, dass die Klägerin aufgrund einer fehlerhaften Providerauskunft als Anschlussinhaberin ermittelt wurde. Damit habe die Klägerin selbst eine zügige außergerichtliche Klärung verhindert.

Zivilrechtlich hafte der Anschlussinhaber nach den Grundsätzen der Störerhaftung auch dann für über seinen Anschluss begangene Urheberrechtsverletzungen, wenn er diese nicht eigenhändig begangen habe. Es bestehe eine gefestigte Rechtsprechung zur Störerhaftung. Der Internetanschlussinhaber hafte insoweit, ohne dass es auf die Nutzung von einem bestimmten Rechner aus ankomme.

In dem Telefonat vom 2.2.2007 habe Rechtsanwalt … ebensowenig wie in den vorangegangenen Schreiben den Vorwurf einer Begehung einer Straftat nach § 106 UrhG geäußert. Es sei lediglich um zivilrechtliche Ansprüche gegen die Klägerin aufgrund der Rechtsprechung zur Störerhaftung gegangen.

Ein Unterlassungsanspruch gegen das der Rechtsverfolgung dienende Vorbringen einer Partei oder ihres Rechtsanwalts sei nicht statthaft.

Ergänzend wird für das Vorbringen der Parteien auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 823 Abs. 1, 249ff BGB wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu.

Die Klägerin hatte einen Anspruch darauf, dass die Beklagten den gegen die Klägerin gerichteten Vorwurf einer Urheberrechtsverletzung unterlassen, weil schon in der Erhebung, jedenfalls aber in der Aufrechterhaltung dieses Vorwurfs eine erhebliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin lag (I.). Diese Rechtsverletzung war rechtswidrig; den Prozessbevollmächtigten der Beklagten standen keine Rechtfertigungsgründe zur Seite (II.). Sie erfolgte auch schuldhaft, nämlich jedenfalls fahrlässig (III.). Das schuldhafte Verhalten der von ihnen beauftragten Rechtsanwälte müssen sich die Beklagten gemäß § 831 BGB oder aus dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens zurechnen lassen (IV.). Gründe, die einen von den allgemeinen Regeln abweichenden Verschuldensmaßstab anwendbar erscheinen lassen oder die Klagbarkeit des Anspruchs ausschließen würden, liegen nicht vor (V.). Der Klägerin stand damit ein Unterlassungsanspruch zu, zu dessen Durchsetzung sie sich anwaltlicher Hilfe bedienen durfte (VI.). Hinsichtlich der hierdurch entstandenen Kosten steht der Klägerin ein Schadensersatzanspruch zu (VII). Schließlich stellte die Beauftragung von Rechtsanwälten durch die Klägerin eine i.S.v. § 249 BGB erforderliche Maßnahme zur Rechtsverfolgung dar (VIII.). Der geltend gemachte Anspruch ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden (IX).

I.
Wird jemand unberechtigt als angeblicher Schuldner mit einer Forderung konfrontiert und entstehen ihm bei der Abwehr dieser Forderung Kosten, dann kommen als Anspruchsgrundlage für einen Ersatzanspruch regelmäßig culpa in contrahendo, positive Vertragsverletzung (jetzt §§ 280, 311 BGB) oder die deliktischen Vorschriften (§§ 823, 826 BGB) in Betracht (BGH, Urt.v. 12.12.2006, NJW 2007, S. 1458, 1459; OLG Düsseldorf, Urt.v. 1.2.2002, NJW-RR 2003, S. 566, 567; OLG Braunschweig, Urt.v. 19.3.2001, OLGR 2001, S.196, zitiert nach juris). Vorliegend sind die Voraussetzungen für einen deliktischen Anspruch gegeben.

Bereits die Aufrechterhaltung eines unerwünschten Kontakts gegen den ausdrücklich erklärten Willen des Adressaten stellt eine Persönlichkeitsrechtsverletzung dar (1.). Eine noch erheblichere Beeinträchtigung, die mit einer Rechtsverletzung einhergeht, liegt in der unbegründeten Erhebung eines strafrechtlichen Vorwurfs (2.). Um so mehr ist eine Persönlichkeitsrechtsverletzung zu bejahen, wenn dieser strafrechtliche Vorwurf gegen den ausdrücklichen Willen des Betroffenen aufrechterhalten wird (3.).

1.
Noch vor wenigen Jahren wurde angenommen, dass die Zustellung unerwünschter Postwurfsendungen den Werbeadressaten in seiner persönlichen Sphäre nur in geringem Maße beeinträchtige (so BGH, Urt.v. 5.12.1991, NJW 1992, S. 1109, 1110). Dies wurde damit begründet, dass dem Kunden der Werbecharakter der Postwurfsendung ohne weiteres erkennbar ist und er sich der Werbung ohne Mühe dadurch entziehen kann, dass er sich ihrer durch Wegwerfen entledigt (BGH, Urt.v. 5.12.1991, a.a.O.). Es wurde gleichwohl schon damals auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die Zustellung unerwünschten Prospektmaterials als belästigend empfunden werden könne. Die – im Vergleich beispielsweise zur telefonischen Werbung – nur relativ geringe Beeinträchtigung des persönlichen Bereichs wurde allein damit begründet, dass der werbende Inhalt des Prospekts vom Verbraucher sofort erkannt würde, so dass er sich dessen auch ohne weiteres entledigen könne (so BGH, Urt.v. 30.4.1992, NJW 1992, S. 1958, 1959).

Inzwischen ist anerkannt, dass beispielsweise die Versendung von Werbung per E-Mail eine unzumutbare Belästigung der angesprochenen Verkehrskreise darstellt (so ausdrücklich BGH, Urt.v. 11.3.2004, NJW 2004, S. 1655, 1656; für SMS-Nachrichten: LG Berlin, Urt.v. 14.1.2003, MMR 2003, S. 419, 420; für Telefonate im Privatbereich: LG Hamburg, Urt.v. 30.6.2006, NJW-RR 2007, S. 45).

Auch Werbesendungen, die sich in ihrer äußeren Aufmachung völlig als Privatbriefe tarnen und deren Werbecharakter erst nach näherem Befassen erkennbar ist, können schon nach der älteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes durchaus eine unzumutbare Belästigung des Adressaten darstellen (vgl. Urt.v. 16.2.1973, NJW 1973, S. 1119, 1120). Es ist daher, soweit ersichtlich, inzwischen einhellige Auffassung, dass dann, wenn der Angesprochene dieser Werbung ausdrücklich widerspricht, in der Missachtung seiner Willensäußerung eine Persönlichkeitsrechtsverletzung liegen kann. Grundsätzlich ist in einem solchen Falle eine Fortsetzung dieser Werbung unzulässig (BGH, Urt.v. 16.2.1973, NJW 1973, S. 1119, 1120).

2.
Weit stärker als eine Werbebotschaft – mag sie konkret auf den Adressaten zugeschnitten sein, wie im Falle des „getarnten Privatbriefes“, oder sich in genereller Weise an Personen wenden, die als Kunden gewonnen werden sollen – wird die persönliche Sphäre durch den konkreten, individuell auf den Adressaten zugeschnittenen Vorwurf beeinträchtigt, eine Urheberrechtsverletzung begangen oder ihr Vorschub geleistet zu haben.

Der Vorwurf, eine Straftat begangen zu haben, stellt bereits ohne weitere Begleitumstände eine das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigende Ehrkränkung dar. Grundsätzlich wird eine Person durch den Vorwurf eines moralisch verwerflichen Handelns erheblich in ihrem Persönlichkeitsrecht betroffen (so BVerfG, B.v. 24.5.2006, NJW 2006, S. 3769, 3773; vgl. auch OLG Karlsruhe, Urt.v. 17.5.2002, NJW-RR 2003, S. 688ff für Betrugsvorwurf; LG Mannheim, Urt.v. 24.11.2006, PStR 2007, S. 145, zitiert nach juris,für Vorwurf der Untreue). Der Vorwurf erfüllt zudem objektiv den Tatbestand der üblen Nachrede gemäß § 186 StGB (vgl. BayObLG NJW 2001, B.v. 18.1.2001, S. 1511, 1512 für den Vorwurf des Prozessbetruges; AG Mainz, Urt.v. 13.9.1993, NStZ 1995, S. 347, 348 für den Vorwurf der Steuerhinterziehung) sowie der Beleidigung gemäß § 185 StGB (vgl. BayObLG NJW 2001, B.v. 18.1.2001, S. 1511, 1512).

Der objektive Tatbestand der Beleidigung kann anerkanntermaßen auch dadurch erfüllt werden, dass die entsprechende Äußerung allein dem Adressaten gegenüber aufgestellt wird (vgl. etwa den der Entscheidung BVerfG, B.v. 16.10.1998, NJW 1999, S. 2262 zugrunde liegenden Sachverhalt; vgl. auch OLG Koblenz, Urt.v. 23.1.1986, DWW 1986, 178; OLG Frankfurt, Urt.v. 28.11.1979, 17 U 62/79, beide zitiert nach juris).

Wesentlicher noch als die mit dem Vorwurf strafrechtlich relevanten Verhaltens verbundene Ehrkränkung wird der Adressat eines solchen Schreibens, wie ihn die Prozessbevollmächtigten der Beklagten verfasst haben, in seinem Persönlichkeitsrecht dadurch beeinträchtigt, dass ausdrücklich die unmittelbar auf den Vorwurf bezogene Forderung aufgestellt worden ist, pauschal € 4 000,– „vergleichsweise“ zu zahlen, also einen Betrag, der dem Mehrfachen des Nettomonatslohnes eines abhängig Beschäftigten

2007: € 1 410,– monatlich lt. Angaben des Bundesfinanzministeriums „Verfügbares Einkommen von Arbeitnehmern mit Durchscnittseinkommen in den Jahren 1960 bis 2010“, Stand Juni 2006
entspricht. Ohne Einwilligung in den Abschluss eines Vergleichs stand gar eine Forderung in Höhe von ca. € 30 000,– (1,3 Anwaltsgebühren berechnet nach einem Gegenstandswert von € 6,96 Mio) im Raum.

Angesichts der mit einem „offiziellen Anstrich“ versehenen Forderung (durch einen Rechtsanwalt) ist es für den Adressaten bei dieser Sachlage gerade nicht damit getan, das Schreiben wie eine beliebige Werbebotschaft in den Papierkorb zu werfen.

Der Empfänger eines derartigen Schreibens, wie ihn die Klägerin erhalten hat, muss statt dessen damit rechnen, dass die darin geltend gemachten Forderungen weiterverfolgt werden, ohne zu wissen, auf welche Weise der unbegründete Verdacht aus der Welt geräumt werden kann. Da er sich nichts weiter vorzuwerfen hat, als – wie Millionen anderer Bürger auch – über einen Internetzugang zu verfügen, ist er gezwungen, darüber zu spekulieren, auf welche Weise es zum ungerechtfertigten Vorwurf gekommen ist. Er wird gezwungen, etwaige andere Benutzer des Computers entweder zu verdächtigen oder sie vom Verdacht auszuschließen. Er wird gezwungen, alle Möglichkeiten entweder einer Verwechslung oder gar einer rechtswidrigen Attacke von Außen („Hacker-Angriff“) zu durchdenken – kurz, sich gedanklich mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen und Strategien der Verteidigung zu erarbeiten.

Unter der Geltung des im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. BVerfG, B.v. 25.7.2003, NJW 2003, S. 2897) ist es schlichtweg ausgeschlossen, dem Willen, keine unerwünschte Werbung zu erhalten, stärkeres Gewicht im Hinblick auf die auf die Missachtung dieses Willens folgende Verletzung des Persönlichkeitsrechts beizumessen als dem Willen, nicht mit unberechtigten strafrechtlichen Vorwürfen verfolgt zu werden. Jede andere Gewichtung wäre vielmehr willkürlich und verstieße gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Diese Grundrechtsnorm gebietet es, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet dem Gesetzgeber einerseits, Sachverhalte ungleich zu behandeln, wenn sich die Differenzierung sachbereichsbezogen nicht auf einen vernünftigen oder sonst einleuchtenden Grund zurückführen lässt, und andererseits, Art und Ausmaß tatsächlicher Unterschiede sachwidrig außer Acht zu lassen. Dabei müssen, sofern eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt, für die Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (BVerfG, B.v. 9.4.2003, NJW 2003, S. 2733). Differenzierungen, die dem Gesetzgeber verboten sind, dürfen auch von den Gerichten im Wege der Auslegung oder Fortbildung gesetzlicher Vorschriften nicht für Recht erkannt werden (BVerfG, B.v. 11.1.2005, NJW 2005, S. 1923, 1924).

3.
Die in der Rechtsprechung vereinzelt vertretene Auffassung, Rechtsanwaltskosten, die jemandem bei der Abwehr unberechtigter strafrechtlicher Vorwürfe entstanden sind, seien nicht erstattungsfähig, weil die Voraussetzungen einer unerlaubten Handlung nicht vorlägen (so AG Hamburg, Urt.v. 7.7.1994, MDR 1995, S. 27 ohne weitere Begründung; ebenso ohne jede Begründung AG München im von den Beklagten vorgelegten Beschluss vom 5.9.2007, 161 C 202711/07 sowie diesem – wiederum begründungslos – folgend LG München I, B.v. 18.10.07, 21 T 19287/07 (Anlage B5. Bl. 158ff d.A.)), geht daher schon im Ansatz fehl. Sie wäre lediglich unter dem Gesichtspunkt berücksichtigungsfähig, dass derjenige, der sich eines staatlichen, gesetzlich geregelten Verfahrens zur Durchsetzung seiner Ansprüche oder berechtigten Interessen bedient, nicht rechtswidrig handelt. Dieser Grundsatz lässt sich jedoch auf den vorliegenden Fall nicht anwenden (vgl. unten II.2.b).

4.
Soweit die Beklagten vortragen, ihre Prozessbevollmächtigten hätten der Klägerin gegenüber nicht behauptet, dass diese eine Straftat nach § 106 UrhG begangen habe (so deren Schriftsatz vom 31.10.2007, Bl. 156 d.A.), geht ihr Einwand fehl. Zwar enthält das Schreiben vom 1.2.2007 weder das Wort „Straftat“ noch den Hinweis auf die einschlägigen strafrechtlichen Normen. Bereits im zweiten Satz heißt es jedoch: „nehmen wir Sie in Anspruch wegen unerlaubter Verwertung von geschützten Tonaufnahmen im Internet gemäß §§ 97, 77, 78 Nr. 1, 85, 16, 19a UrhG“). Dadurch, dass der Klägerin ausdrücklich vorgeworfen wurde, eine Urheberrechtsverletzung gemäß § 97 UrhG begangen zu haben, ist auch der Vorwurf einer strafrechtlich relevanten Urheberrechtsverletzung nach § 106 UrhG erhoben worden. Wer einem anderen vorwirft, er habe rechtswidrig eine fremde Sache weggenommen, erhebt damit den Vorwurf des Diebstahls. Nicht anders verhält es sich hier.

5.
Gleichwohl kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob – wofür angesichts der obigen Ausführungen vieles spricht – allein die ungerechtfertigte Erhebung des Vorwurfs, eine Urheberrechtsverletzung begangen zu haben, tatbestandlich eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt. Denn die Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben sich nicht damit begnügt, diesen Vorwurf zu erheben. Sie haben ihn vielmehr ausdrücklich gegen den Willen der Klägerin aufrechterhalten.

Die Belästigung eines anderen in dessen Privatsphäre gegen dessen erklärten Willen stellt in jedem Falle eine Persönlichkeitsrechtsverletzung dar. Dies ist anerkannt etwa für den Einwurf von Werbeprospekten in Briefkästen von Verbrauchern, die durch einen Hinweis an ihrem Briefkasten kenntlich gemacht haben, dass der Einwurf von Werbesendungen unerwünscht oder untersagt sei (vgl. OLG Köln, Urt.v. 7.8.1991, OLGR 1992, S. 57ff, zitiert nach juris; KG, Urt.v. 21.9.2001, NJW 2002, S. 379).

In der Missachtung des erklärten Willens der Werbeadressaten liegt in diesen Fällen eine Persönlichkeitsrechtsverletzung (OLG Stuttgart, Urt.v. 21.8.1987, NJW-RR 1987, S. 1422). Der Empfänger unerwünschter Wurfwerbung ist kraft seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des diesem innewohnenden Selbstbestimmungsrechts berechtigt, sich gegen die Konfrontation mit der Suggestivwirkung derartiger Werbeaktionen zur Wehr zu setzen (OLG Frankfurt, Urt.v. 1.6.1995, NJW 1996, S. 934). Der Wille des Bürgers, insoweit seinen Lebensbereich von jedem Zwang zur Auseinandersetzung mit Werbung nach Möglichkeit freizuhalten, ist als Ausfluss seines personalen Selbstbestimmungsrechts schutzwürdig (BGH, Urt.v. 20.12.1988, NJW 1989, S. 902, 903).

Bei Anlegung dieser anerkannten Maßstäbe kann nicht ernstlich zweifelhaft sein, dass die anwaltlich vermittelte Aufrechterhaltung des unbegründeten Vorwurfs, eine Urheberrechtsverletzung begangen zu haben, erst recht eine Persönlichkeitsrechtsverletzung begründet. Denn verglichen mit der doch eher belanglosen Beeinträchtigung durch eine meist auf den ersten Blick erkennbare Werbesendung, stellt die Erhebung von Vorwürfen, aus denen zudem Schadensersatzforderungen in der Größenordnung von mehreren Tausend Euro abgeleitet werden, eine weit erheblichere Beeinträchtigung nicht nur der Privatsphäre, sondern sogar des seelischen, je nach Konstitution des Adressaten sogar körperlichen Wohlbefindens dar. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen unter I.2. Bezug genommen.

Die einzige Möglichkeit, die die Klägerin in ihrer konkreten Situation zunächst gehabt hat, war, sich mit den Prozessbevollmächtigten der Beklagten in Verbindung zu setzen, um den – aus ihrer Sicht bestehenden – Irrtum aufzuklären. Diesen Versuch hat die Klägerin unter Einschaltung ihres Ehemannes auch unternommen. Nachdem Rechtsanwalt hierauf in der Weise reagiert hat, den Vorwurf ausdrücklich aufrechtzuerhalten, ohne auch nur irgendeine Überprüfung des Sachverhalts vorzunehmen oder wenigstens die Möglichkeit eines Irrtums einzuräumen und eine Überprüfung zuzusichern, war der Klägerin jede Chance zur Aufklärung der Angelegenheit auf kurzem Wege verbaut. Dass die hieraus erwachsene Beeinträchtigung ihres Selbstbestimmungsrechts eine konkrete und erhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt, ist bereits ausgeführt worden.

6.
Bei dieser Sachlage kann im Ergebnis dahinstehen, ob die Prozessbevollmächtigten der Beklagten berechtigt gewesen sind, aus der ihnen mitgeteilten IP-Nummer, die nach ihren Informationen der Klägerin zugeteilt gewesen sein soll, den Schluss zu ziehen, es sei dann auch die Klägerin gewesen, die die Dateien mittels eines Filesharing-Systems anderen Internetteilnehmern zur Verfügung gestellt habe. Diese Behauptung haben die Prozessbevollmächtigten jedoch aufgestellt. Es heißt im Schreiben vom 1.2.2007, das sich direkt an die Klägerin wendet, die IP-Adresse sei am 22.10.2006, 19.21 Uhr „von Ihnen genutzt“ worden. Es heißt weiter, zum Zwecke der Beweissicherung hätten „von Ihrem Rechner mp3-Daten heruntergeladen werden“ können. Sie haben von „auf Ihrem Rechner angefertigten Vervielfältigungen“ geschrieben. Insbesondere das Unterlassungsverlangen ging dahin, „es zu unterlassen, geschütztes Musikrepertoire unserer Mandantschaft auf einem Computer zum Abruf durch andere Teilnehmer von Filesharing-Systemen bereitzustellen“. Unmittelbar anschließend an die Fristsetzung heißt es schließlich noch: „Des weiteren stehen unseren Mandanten Schadensersatzansprüche gem. § 97 Abs. 1 Satz 1 3. Hs. UrhG zu“.

Da es sich bei den Prozessbevollmächtigten der Beklagten um erfahrene Rechtsanwälte handelt, die – wie die von ihnen als Anlagen eingereichten Urteile verschiedener Gerichte zeigen – insbesondere auf Urheberrechtsangelegenheiten spezialisiert sind, muss ihnen auch bekannt sein, dass Schadensersatzansprüche nur gegen den Urheberrechtsverletzer selbst, Teilnehmer oder Beihelfer, durchsetzbar sind. Denn gegen den Störer, der selbst nicht schuldhaft gehandelt hat, besteht nach gefestigter und zutreffender Rechtsprechung der Obergerichte kein Schadensersatzanspruch, sondern lediglich ein Unterlassungsanspruch (vgl. BGH, Urt.v. 11.3.2004, NJW 2004, S. 3102, 3105; Urt.v. 12.6.1997, NJW-RR 1998, S. 250, 251; OLG Hamburg, B.v. 10.5.2006, 5 W 61/06, S. 2 (Anlage, Bl. 102 d.A.)). Die Prozessbevollmächtigten können sich daher nicht darauf berufen, mit der Inanspruchnahme der Klägerin als Anschlussinhaberin habe sie nur als Störer in Anspruch genommen werden sollen. Soweit sie im Schriftsatz vom 31.10.2007 (Bl. 157 d.A.) auf den gerichtlichen Hinweisbeschluss vom 28.9.2007 (Bl. 147ff d.A.) ausgeführt haben, die Störerhaftung sei mit der Internetanschlussinhaberschaft verbunden und es gehe nicht darum, dass der Internetanschluss von einem bestimmten Rechner aus zur Begehung von Rechtsverletzungen genutzt worden sei, wird dies durch den Inhalt des Schreibens vom 1.2.2007, das ausdrücklich auf die Person der Klägerin und ihren Rechner abzielt, widerlegt.

7.
Aus den oben dargelegten Gründen muss auch die Frage nicht weiterverfolgt werden, ob der Inhaber eines Anschlusses allein aufgrund dieser Eigenschaft als Störer im Hinblick auf etwaige Urheberrechtsverletzungen des Computernutzers in Betracht kommt (bejahend: LG Hamburg, Urt.v. 2.8.2006, CR 2006, S. 780, zitiert nach juris; a.A.: LG Mannheim, Urt.v. 29.9.2006, MMR 2007, S. 267f). Diese Rechtsprechung kann sich jedenfalls im Grundsatz auf die nicht zu beanstandende Prämisse des BGH stützen, dass unabhängig von der Haftung für Täterschaft und Teilnahme auch im Urheberrecht derjenige als Störer zur Unterlassung verpflichtet sein kann, der in irgendeiner Weise – sei es auch ohne Verschulden – willentlich und adäquat kausal zu einer Urheberrechtsverletzung beigetragen hat (so BGH, Urt.v. 15.10.1998, NJW 1999, S. 1960, 1961). Für die Beantwortung dieser Frage ist letztlich entscheidend, welche Kriterien man an die Zumutbarkeit der Kontrolle anlegt (vgl. dazu etwa BGH, Urt.v. 3.11.05, NJW-RR 2006, S. 1132, 1134 – Philotax; Urt.v. 11.3.2004, NJW 2004, S. 3102, 3105 – Internetauktion; Urt.v. 9.6.1983, NJW 1984, S. 1106, 1107 – Kopierladen; OLG Hamburg, Urt.v. 22.8.2006, MMR 2006, S. 745 – Forumsbetreiber).

Im vorliegenden Fall ist hingegen entscheidend, dass strikt zu trennen ist zwischen der erstmaligen Kontaktaufnahme durch die Prozessbevollmächtigten der Beklagten und der Aufrechterhaltung der erweislich unwahren Vorwürfe. Während erstere im Ergebnis jedenfalls dann nicht zu beanstanden ist, wenn man der Rechtsprechung folgt, wonach der Anschlussinhaber Störer ist, unterliegt die Aufrechterhaltung der Vorwürfe trotz der Abwehr durch die Klägerin einer anderen Beurteilung.

Wie dargelegt, stellt schon der Einwurf von Werbematerial gegen den geäußerten Willen des Adressaten einen Eingriff in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht dar (vgl. BGH, Urt.v. 30.4.1992, NJW 1992, S. 1958, 1959; Urt.v. 20.12.1989, NJW 1989, S.902, 903; ebenso ausdrücklich LG Hamburg, Urt.v. 30.6.2006, NJW-RR 2007, S. 45, 46). Dies ist jedoch keine Besonderheit der Verbreitung von Werbematerial, sondern Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens. Das Recht zur Selbstbestimmung der persönlichen Lebenssphäre umfasst die Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang der Einzelne in Kontakt mit anderen Menschen treten möchte. Der ausdrücklich geäußerte Wille des Adressaten, in Ruhe gelassen zu werden, ist als Ausfluss des personalen Selbstbestimmungsrechts schutzwürdig (LG Oldenburg, Urt.v. 24.8.1995, NJW 1996, S. 62, 63, ebenso BAG, Urt.v. 26.8.1997, NZA, S. 712, 713 m.w. Nachw.). Dabei kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, in welcher Weise zuvor Kontakte stattgefunden und ob sie verletzenden Charakter gehabt haben. Entscheidend ist allein die Nichtbeachtung des Willens Die Missachtung dieses Verbotes löst einen Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB aus (LG Oldenburg, Urt.v.24.8.1995, NJW 1996, S. 62, 63).

Dass der Vorwurf der Urheberrechtsverletzung schon deshalb keine andere Bewertung erfahren kann, weil er einen weit über die Versendung von Werbebotschaften hinaus gehenden Eingriff darstellt, wurde oben (I.2.) ausgeführt.

Der vorliegende Sachverhalt lässt sich auch nicht vergleichen mit solchen Fällen, in denen ein Teilnehmer des Rechtsverkehrs (berechtigte oder unberechtigte) Forderungen gegen einen Adressaten verfolgt. Grundsätzlich hat ein Schuldner keinen Anspruch darauf, von seinem Gläubiger in Ruhe gelassen zu werden (vgl. AG Hamburg-Altona, B.v. 10.10.2002, 314a C 272/02). Das zeigt sich schon daran, dass das Gesetz selbst die Mahnung durch den Gläubiger regelmäßig zur Voraussetzung für den Verzugseintritt macht (vgl. § 286 Abs. 1 BGB). Dies betrifft jedoch nur Fälle, in denen aus einem bestimmten Lebenssachverhalt Forderungen hergeleitet werden. Im vorliegenden Fall hingegen hatte Herr Rechtsanwalt … keinen Anlass, die Klägerin auf die Art und Weise, wie im Schreiben vom 1.2.2007 geschehen, mit Vorwürfen zu überziehen. Denn zwischen den Parteien bestand zuvor kein Kontakt.

Angesichts dieser krassen Persönlichkeitsrechtsverletzung seitens der Beklagten gegenüber der Klägerin ist es ohne Bedeutung, dass entsprechend der zutreffenden Rechtsprechung des BGH allein die unberechtigte Geltendmachung einer Forderung keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt (vgl. Urt.v. 12.12.2006, NJW 2007, S. 1458, 1459; ebenso AG Freiburg, Urt.v. 18.12.2003, NZV 2004, S. 418, 419). Entscheidend ist hier das Wort „allein“.

II.
Die Persönlichkeitsrechtsverletzung war auch rechtswidrig.

1.
Bei einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann eine Haftung nicht schon damit begründet werden, dass das Handeln des Täters zu dem missbilligten Erfolg geführt hat. Hier kann die Rechtswidrigkeit seines Handelns erst aus der zu missbilligenden Art der Schädigung abgeleitet werden, wobei es für dieses Urteil entscheidend auf die Abwägung der widerstreitenden Belange ankommt (BGH, Urt.v. 20.6.78, NJW 1978, S. 2151 vgl. auch LG Hamburg, Urt.v. 30.6.2006, NJW-RR 2007, S. 45 m.w. Nachw.).

Eine solche Abwägung lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass der unbegründete schriftliche und mit der Forderung erheblicher Geldbeträge verbundene Vorwurf der Urheberrechtsverletzung nicht rechtmäßig ist, sofern keine besonderen Rechtfertigungsgründe zum Tragen kommen. Schon bei der Abwägung im Zusammenhang mit unverlangter Telefonwerbung ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass diese nach gefestigter Rechtsprechung eine besonders schwerwiegende Beeinträchtigung der verfassungsrechtlich geschützten Privatsphäre des Angerufenen darstellt (LG Hamburg, Urt.v. 30.6.2006, a.a.O.). Dass die Beeinträchtigung durch die Prozessbevollmächtigten der Beklagten im vorliegenden Fall weit erheblicher war, ist unter I.2. ausgeführt worden. Hierauf wird verwiesen.

2.
Die Beklagten können sich nicht auf Rechtfertigungsgründe berufen, insbesondere nicht auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen (a) oder auf die Inanspruchnahme eines staatlichen gesetzlich geregelten Verfahrens (b).

a)
Derjenige, der sich in der Öffentlichkeit oder gegenüber anderen äußert, kann sich je nach den Umständen des Einzelfalles möglicherweise auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 193 StGB berufen. Dies kommt im vorliegenden Fall jedoch nicht in Betracht.

Für die Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen gibt es in der Regel keinen rechtfertigenden Grund. Grundsätzlich tritt die Meinungsfreiheit bei unwahren Tatsachenbehauptungen hinter das Persönlichkeitsrecht zurück (BVerfG, B.v. 10.11.1998, NJW 1999, S. 1322, 1324; OLG Karlsruhe, Urt.v. 17.5.2002, NJW-RR 2003, S. 688, 690). Dabei ist auch unter Berücksichtigung dessen, dass die Wahrheit im Zeitpunkt der Äußerung oft ungewiss ist und sich erst als Ergebnis eines Diskussionsprozesses oder auch einer gerichtlichen Klärung herausstellt (vgl. BVerfG, B.v. 10.11.1998, a.a.O.), den Interessen der Klägerin der Vorzug zu geben. Denn die Abwägung zwischen ihren Interessen und denjenigen der Beklagten hängt von der Beachtung der Letztere treffenden Sorgfaltspflichten ab. Die Beklagten bzw. die in ihrem Auftrag tätig gewordenen Rechtsanwälte sind ihren Sorgfaltspflichten aber nicht gerecht geworden.

Nachdem sie vom Ehemann der Klägerin darauf hingewiesen worden waren, dass die Klägerin die gegen sie gerichteten ehrenrührigen Vorwürfe ernsthaft bestreitet – und nur auf diesen Zeitpunkt kommt es an (vgl. zum Äußerungszeitpunkt BVerfG, B.v. 16.3.1999, NJW 2000, S. 199, 200) –, waren die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten zumindest gehalten, die Zuverlässigkeit der ihnen seitens der Staatsanwaltschaft Dortmund überbrachten Information über die Anschlussinhaberschaft zu überprüfen. Das schlichte Beharren darauf, dass die Klägerin als Urheberrechtsverletzerin anzusehen sei, ist angesichts der Schwere des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin nicht nur als sorgfaltswidrig, sondern als leichtfertig zu beurteilen. Denn aus Sicht von Rechtsanwalt …, auf die es hier entscheidend ankommt, stand schlicht Aussage (der Staatsanwaltschaft) gegen Aussage (der Klägerin, vermittelt durch ihren Ehemann). Zumindest eine Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft wäre bei dieser Sachlage dringend geboten gewesen.

Kann eine Äußerung als „leichtfertig“ eingestuft werden, hat dies zur Folge, dass eine Rechtfertigung der Äußerung durch § 193 StGB von vornherein ausscheidet (BVerfG, B.v. 16.3.1999, NJW 2000, S. 199, 200). Vielmehr kann ein leichtfertiges Handeln zugleich einen Verstoß gegen die guten Sitten darstellen, die sogar eine Haftung nach § 826 BGB begründet. Dies kommt insbesondere in solchen Fällen in Betracht, in denen sich ein Anspruchsteller der fehlenden zivilrechtlichen Verantwortlichkeit des in Anspruch Genommenen bewusst verschließt (vgl. OLG Düsseldorf, Urt.v. 1.2.2002, NJW-RR 2003, S. 566, 568).

b)
Ansprüche der Klägerin sind entgegen der von den Beklagten geäußerten Auffassung auch nicht unter dem Gesichtspunkt ausgeschlossen, dass Unterlassungs- und andere Abwehransprüche gegen ehrverletzende Äußerungen in gerichtlichen Verfahren nur in Ausnahmefällen gegeben sind. Zwar ist zivilrechtlicher Ehrenschutz gegen solche Äußerungen in einem rechtsförmigen Verfahren nicht gegeben (AG Bochum, Urt.v. 19.4.2007, 44 C 235/06 für Äußerungen im Strafverfahren und Betreuungsverfahren, zitiert nach juris; vgl. auch OLG Celle, Urt.v. 3.4.2003, OLGR 2003, S. 256, zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, Urt.v. 21.9.1999, 26 U 10/99, zitiert nach juris; OLG Hamm, Urt.v. 3.2.2006, VersR 2007, S. 512, zitiert nach juris; OLG München, Urt.v. 2.8.2002, NJW-RR 2002, S. 1473; OLG Köln, Urt.v. 10.12.03, 11 U 188/01, zitiert nach juris; BVerfG, B.v. 25.2.1987, NJW 1987, S. 1929; B.v. 11.12.90, NJW 1991, S. 1285, 1286). Es ist anerkannt, dass derjenige, der sich eines staatlichen, gesetzlich geregelten Verfahrens zur Durchsetzung seiner Ansprüche oder berechtigten Interessen bedient, von Ausnahmefällen abgesehen, grundsätzlich nicht rechtswidrig handelt und dass dies auch dann gilt, wenn sich das Begehren nachträglich als sachlich nicht gerechtfertigt erweist und dem anderen Teil Nachteile entstanden sind (vgl. BGH, Urt.v. 13.3.1979, BGHZ 74, S. 9, 14; Urt.v. 23.5.85, NJW 1985, S. 1959, 1961). Die unberechtigte Klage als solche ist nicht pflichtwidrig; der Prozess ist nicht nur ein Mittel zur Durchsetzung von Rechten, er dient auch der Klärung, ob sie überhaupt bestehen (BGH, Urt.v. 4.11.1987, NJW 1988, S. 2032, 2033).

Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben ihre persönlichkeitsverletzenden Behauptungen jedoch nicht im Rahmen eines gesetzlich geregelten Verfahrens aufgestellt. Sie haben vielmehr, anstatt ein solches Verfahren in Gang zu setzen, die Klägerin ohne Einschaltung des Gerichts mit objektiv unberechtigten Forderungen überzogen. Grundlage der Rechtsprechung zur Rechtmäßigkeit des Handelns im Gerichtsverfahren ist, dass der Schutz des Prozessgegners in diesen Fällen regelmäßig durch das gerichtliche Verfahren nach Maßgabe seiner gesetzlichen Ausgestaltung gewährleistet wird. Der Gegner muss im kontradiktorischen Verfahren die Rechtsgutsbeeinträchtigung ohne deliktsrechtlichen Schutz hinnehmen, weil die Prüfung der Rechtslage durch das Gericht erfolgt und er sich gegen eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme in dem Rechtspflegeverfahren selbst hinreichend wehren kann. Wo dies allerdings nicht der Fall ist, bleibt es beim uneingeschränkten Rechtsgüterschutz, den die §§ 823 Abs. 1, 826 BGB gewähren (BGH, B.v. 15.7.2005, NJW 2005, S. 3141, 3142; Urt.v. 11.11.2003, NJW 2004, S. 446, 447; Urt.v. 12.5.1992, NJW 1992, S. 2014, 2015; vgl. auch BGH, Urt.v. 3.10.1961, BGHZ 38, S. 18, 22). So verhält es sich hier.

Dies ist auch vom Ergebnis her nicht nur nicht zu beanstanden, sondern geboten: Hätten die Beklagten sogleich Klage gegen die Klägerin eingereicht, so bestünde kein Zweifel, dass die Klägerin sämtliche ihr entstandenen Kosten, insbesondere die notwendigen Anwaltskosten, von den Beklagten hätte erstattet verlangen können (§ 91 Abs. 1 ZPO).

Im Übrigen findet selbst die Berufung auf das Betreiben eines gesetzlich geregelten Verfahrens schon dort eine Grenze, wo eine Behinderung der prozessualen Entschluss- und Handlungsfreiheit durch ein Haftungsrisiko nicht unzumutbar beeinträchtigt wird (BGH, Urt.v. 13.3.1979, NJW 1979, S. 1351, 1353). Diese Grenze wäre dann überschritten, wenn der Schädiger das Ansinnen, einem leicht zu überprüfenden Hinweis auf die fehlende Berechtigung seiner Forderung nachzugehen, zurückweist (so BGH, Urt.v. 13.3.1979, a.a.O.). Gerade dies ist aber vorliegend geschehen: Rechtsanwalt hat trotz der Zurückweisung des Vorwurfs der Urheberrechtsverletzung durch den Ehemann der Klägerin die Forderungen für die Beklagten ausdrücklich aufrechterhalten, ohne – wie es rechtlich geboten gewesen wäre – die Richtigkeit der Angabe der Staatsanwaltschaft Dortmund zu überprüfen.

Soweit die Beklagten in diesem Zusammenhang an die Klägerin den Vorwurf richten, deren Prozessbevollmächtigte habe weder mit Schreiben vom 5.2.2007 noch im Telefonat vom 8.2.2007 verlauten lassen, dass sie aufgrund einer fehlerhaften Providerauskunft als Anschlussinhaberin ermittelt worden sei und sie somit „eine zügige außergerichtliche Klärung verhindert“ habe, können sie damit nicht gehört werden. Die Klägerin, die in keiner Weise mit Urheberrechtsverletzungen durch Verwendung von Filesharing-Systemen in Verbindung zu bringen ist, war nicht gehalten, von sich aus Tatsachen oder gar Beweise dafür vorzulegen, dass die gegen sie gerichteten Vorwürfe nicht zutrafen. Diese Prüfungspflichten trafen ausschließlich die Beklagten bzw. die für sie handelnden Rechtsanwälte.

Es kommt hinzu, dass die Klägerin von sich aus ohne Einsicht in die Unterlagen der Staatsanwaltschaft nicht einmal in der Lage war, konkret auf die Vorwürfe zu reagieren. Um überhaupt Akteneinsicht zu nehmen zu können, war sie aber gehalten, sich anwaltlichen Beistands zu bedienen (vgl. § 147 StPO). Denn nur der Verteidiger hat ein Akteneinsichtsrecht. Dieser darf die Akten selbst dem Beschuldigten oder Dritten nicht zur Verfügung stellen (Laufhütte, in: Karlsruher Kommentar, 5. Aufl. 2003, Rn 3 zu § 147 StPO).

Auch auf die Einleitung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft können sich die Beklagten nicht berufen. Denn die von ihnen beauftragten Rechtsanwälte haben keine Äußerungen in einem Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin abgegeben, sondern lediglich das laufende Ermittlungsverfahren zum Anlass genommen, sich an die Klägerin zu wenden. Damit scheidet jede Berufung der Beklagten auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren aus. Die Privilegierung gilt nämlich nur für Äußerungen im Ermittlungsverfahren selbst (OLG München, Urt.v. 2.8.2002, NJW-RR 2002, S. 1473, 1474 m.w. Nachw.).

III.
An der Aufrechterhaltung des Vorwurfs ohne sorgfältige Prüfung der vorhandenen Beweismittel traf die Prozessbevollmächtigten der Beklagten, insbesondere Rechtsanwalt …, auch ein Verschulden. Er handelte jedenfalls fahrlässig.

Weder war er berechtigt, der Auskunft der Staatsanwaltschaft nach Kenntnis der Einlassung der Klägerin ohne weitere Prüfung zu vertrauen (1.), noch hatte er selbst ohne Kenntnis dieser Einlassung hinreichenden Grund zu der Annahme, dass die Klägerin eine Urheberrechtsverletzung begangen hat (2.).

1.
Die Beklagten können sich nicht darauf berufen, dass die von ihnen beauftragten Rechtsanwälte sich auf Angaben bezogen haben, die ihnen seitens der Staatsanwaltschaft übermittelt worden sind Denn zum einen ist offensichtlich, dass auch den Ermittlungsbehörden Fehler unterlaufen, so dass es nicht zulässig ist, ohne weitere eigene Prüfung deren Ermittlungsergebnisse zugrunde zu legen (a). Zum anderen war die Staatsanwaltschaft nicht befugt, den Prozessbevollmächtigten der Beklagten die persönlichen Daten der Klägerin zur Verfügung zu stellen (b).

a)
Die Einlassung, man habe Angaben der Staatsanwaltschaft vertraut, wäre nur dann zur Entschuldigung des rechtwidrigen Verhaltens der Prozessbevollmächtigten der Beklagten geeignet, wenn es einen Rechtsgrundsatz gäbe, wonach die Staatsanwaltschaft von vornherein fehlerfrei handelt. Dass ein solcher Grundsatz nicht existiert, ist jedoch offenkundig und muss auch den Prozessbevollmächtigten der Beklagten bekannt sein.

Die Rechtsprechung hat sich auseinandersetzen müssen mit amtspflichtwidrigen Haftbefehlsanträgen wegen Unvertretbarkeit der Annahme dringenden Tatverdachts (vgl. BGH, Urt.v. 16.10.1997, NJW 1998, S. 751, 752; B.v. 27.9.1990, BGHR BGB § 839 Abs 1 S 1 Staatsanwalt 3, zitiert nach juris), der amtspflichtwidrigen Erwirkung von Haftbefehlen, weil dem Richter nicht alle erforderlichen Beweismittel vorgelegt wurden (vgl. BGH, Urt.v. 23.10.2003, NJW 2003, S. 3693, 3694), amtspflichtwidrigen Anklageerhebungen, weil die Staatsanwaltschaft nicht mit einer Verurteilung rechnen konnte (vgl. BGH, Urt.v. 18.5.2000, NJW 2000, S. 2672, 2674); der amtspflichtwidrigen Fortsetzung von Ermittlungsverfahren, obgleich das Verfahren einstellungsreif war (vgl. BGH, Urt.v. 21.4.1989, NJW 1989, S. 96, 98).

Sollte Rechtsanwalt … rechtsirrtümlich angenommen haben, er dürfe sich auf Angaben der Staatsanwaltschaft ohne weitere Nachprüfung verlassen, so würde ihn dies ebenfalls nicht entlasten. Denn ein entsprechender Rechtsirrtum wäre keinesfalls unvermeidbar gewesen. Als Rechtsanwalt durfte er nicht davon ausgehen, dass die Aufrechterhaltung eines ehrkränkenden Vorwurfs allein deswegen zulässig ist, weil die Staatsanwaltschaft in einem weitgehend standardisierten und gerade deswegen fehlerträchtigen Verfahren (siehe nur die dem vorliegenden Fall vergleichbaren Sachverhalte, die den Entscheidungen AG München, B.v. 5.9.2007, 161 C 20711/07 (Anlage B5, Bl. 160f d.A.) und LG Stuttgart, Urt.v. 11.7.2007, 17 O 243/07 (Anlage, Bl. 164ff d.A.) zugrunde lagen) den Namen der Klägerin als Inhaberin eines Anschlusses angegeben hat, der über die IP-Nummer ermittelt worden ist (vgl. zu den hohen Anforderungen an einen unvermeidbaren Rechtsirrtum bei Rechtsanwälten auch BGH, Urt.v. 12.5.1992, NJW 1992, S. 2014ff).

Angesichts dieser Tatsachen- und Rechtslage ist ein Sorgfaltsverstoß von Rechtsanwalt … jedenfalls von dem Zeitpunkt an, in dem die Klägerin den Feststellungen der Staatsanwaltschaft ausdrücklich widersprochen hat, zu bejahen. Denn dieser Widerspruch hätte zumindest Anlass für ihn sein müssen, vor der Aufrechterhaltung ungerechtfertigter strafrechtlich relevanter Vorwürfe Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft zu halten.

Selbst im Hinblick auf journalistische Sorgfaltspflichten ist anerkannt, dass leichtfertig handelt, wer den Vorwurf einer Straftat erhebt und seine Information lediglich durch ein Fernschreiben erhalten hat, ohne nähere Nachprüfungen vorzunehmen (vgl. AG Mainz, Urt.v. 13.9.1993, NStZ 1995, S. 347, 348). Journalisten kommt jedoch, anders als den die Beklagten vertretenden Rechtsanwälten, zugute, dass diese i.d.R. unter Zeitdruck arbeiten und arbeiten müssen (vgl. AG Mainz, a.a.O.).

Ganz allgemein gilt, dass derjenige, der über eine andere Person nachteilige Behauptungen aufstellt oder verbreitet, dieser Person Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben hat, um auch deren Standpunkt zu erfahren und gegebenenfalls zum Ausdruck bringen zu können (BGH, Urt.v. 30.1.1996, NJW 1996, S. 1131, 1134).

Die Rechtsanwälte der Beklagten haben jedoch nach eigenem Bekunden überhaupt keine Prüfung vorgenommen, sondern trotz der Kontaktaufnahme seitens des Ehemannes der Klägerin stur auf die Angaben der Staatsanwaltschaft vertraut, ohne dass es auch nur den geringsten Anhaltspunkt für die Unglaubwürdigkeit der Einlassung der Klägerin gegeben hat. Eine solche Prüfung war nicht nur zumutbar, sondern geboten. Sie wäre auch – wie die Tatsache zeigt, dass die Staatsanwaltschaft Lüneburg unmittelbar nach Einschaltung der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine Überprüfung veranlasste und die Unrichtigkeit der seitens der Staatsanwaltschaft Dortmund feststellte – ohne weiteres erfolgreich gewesen und hätte die weitere Beeinträchtigung der Klägerin abwenden können.

b)
Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben darüber hinaus rechtswidrig erlangte Informationen verwendet. Die Staatsanwaltschaft Dortmund war nicht befugt, ihnen Namen und Anschrift der Klägerin zur Verfügung zu stellen. Denn die Erteilung dieser Auskunft war nach § 406e Abs. 2, Abs. 5 StPO zu versagen.

Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat mit Schreiben vom 17.1.2007 (Anlage K7, Bl. 86 d.A.) die Prozessbevollmächtigten der Beklagten über Anschrift, Namen, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der Klägerin informiert. Grund zu der Annahme, dass die Klägerin selbst für die unerlaubte Weiterverbreitung urheberrechtlich geschützter Musiktitel verantwortlich gewesen wäre, bestand zu diesem Zeitpunkt nicht. Es bestanden allenfalls Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin mit einiger Aussicht auf Erfolg zivilrechtlich als Störerin in Anspruch genommen werden konnte (dazu unten III.2.). Ohne die Durchführung weiterer Ermittlungen, aus denen sich hätte ergeben können, welche Personen Zugriff auf den Anschluss und/oder den Rechner der Klägerin hatten, bestand aus strafrechtlicher Sicht gegen die Klägerin nicht einmal ein hinreichender Anfangsverdacht. Dass die Staatsanwaltschaft ihrer Amtspflicht, die Interessen der Anzeigeerstatter und der Beschuldigten gegeneinander abzuwägen, auch nur im Ansatz nachgekommen wäre, kann demnach nicht festgestellt werden.

Bei der Bewertung des schutzwürdigen Interesses des Beschuldigen an der Versagung der Akteneinsicht ist im Rahmen der Interessenabwägung insbesondere zu berücksichtigen, dass die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind und somit noch keinen genügenden Anlass zur Erhebung der Klage bieten; insoweit gebietet die Unschuldsvermutung grundsätzlich eine vertrauliche Behandlung des Tatvorwurfs (LG Dresden, B.v. 6.10.2005, SV 2006, S. 11, zitiert nach juris). Gründe, die dafür gesprochen hätten, ohne jede eigene Ermittlung des zugrundeliegenden Sachverhalts Namen und Anschrift der Klägerin herauszugeben, sind nicht ersichtlich. Die Gewährung von Akteneinsicht oder Auskünften nach § 406e StPO setzt, weil sie in das Grundrecht des Beschuldigten auf informationelle Selbstbestimmung eingreift, eine sorgfältige Abwägung aller entscheidungserheblichen Umstände voraus (BVerfG, B.v. 24.9.2002, NJW 2003, S. 501, 503). Daran fehlt es im vorliegenden Fall völlig. Dies war den jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten auch bekannt, weil sie aus dem Schreiben vom 17.1.2007 entnehmen konnten, dass die Staatsanwaltschaft Dortmund keine eigenen Ermittlungen angestellt, sondern das Verfahren lediglich an eine andere Staatsanwaltschaft abgegeben hatte.

Da § 406e StPO ein Schutzgesetz i.S.v. §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB darstellt (vgl. LG Mannheim, Urt.v. 24.11.2006, PStR 2007, S. 145, zitiert nach juris), stellte schon die Übermittlung der Angaben an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten eine unerlaubte Handlung dar. Dies hätten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt auch erkennen können.

2.
Ein weiterer Schuldvorwurf ist den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu machen, weil sie selbst ihre Vorwürfe ohne jede hinreichende Tatsachenbasis aufgestellt haben und allein aus dem Umstand, dass die Klägerin Inhaberin eines Anschlusses war, den Schluss gezogen haben, sie sei auch verantwortlich für die von diesem Anschluss ausgehenden Urheberrechtsverletzungen.

Die Auskunft der Staatsanwaltschaft bezog sich lediglich darauf, dass die Klägerin angeblich Inhaberin eines Internetzugangs gewesen ist, unter dessen IP-Adresse ein Computer am Datenverkehr im Internet teilgenommen hat. Berechtigten Grund zu der Annahme, dass gerade die Klägerin die Dateien über ein Filesharing-System eingestellt hat, hatte Rechtsanwalt … allein aufgrund dieses Umstands nicht. Denn in vielen Fällen haben mehrere Personen, nicht nur der Inhaber der IP-Adresse, Zugriff auf einen Computer und könnten diesen genutzt haben (so zutreffend OLG Düsseldorf, Urt.v. 26.4.2006, MMR 2006, S. 553, 556). Dies ist den Prozessbevollmächtigten der Beklagten auch kraft eigenen Erfahrungswissens bekannt. Denn ausweislich der von ihnen eingereichten Urteile haben sie in vielen Zivilprozessen (etwa den Verfahren, die den Entscheidungen OLG Hamburg, B.v. 10.5.2006, 5 W 61/06, LG Frankfurt/Main, B.v. 26.10.2006, 2-03 O 494/06, LG Köln, Urt.v. 28.2.2007, 28 O 10/07, LG Düsseldorf, Urt.v. 30.8.2006, 12 O 206/06 (Anlage Ag 4, Bl. 94ff d.A.) zugrunde lagen), ausweislich der Tatbestände entscheidend dahingehend argumentiert, dass der jeweilige Anschlussinhaber trotz fehlender Beteiligung an der Urheberrechtsverletzung als Störer auf Unterlassung hafte. Ob dies in rechtlicher Hinsicht überzeugend ist, mag auf sich beruhen (vgl. oben I.7.). Entscheidend ist, dass die Prozessbevollmächtigten der Beklagten trotz positiver Kenntnis des Umstandes, dass der Schluss von der Inhaberschaft des Anschlusses auf die täterschaftliche Urheberrechtsverletzung nicht gerechtfertigt ist, die Klägerin ausdrücklich als Urheberrechtsverletzerin in Anspruch genommen haben.

Den Schluss von der Haltereigenschaft für ein Kraftfahrzeug auf die Eigenschaft als Fahrer zu einem bestimmten Zeitpunkt hat das Bundesverfassungsgericht zutreffend als „willkürlich“ bezeichnet (vgl. BVerfG, B.v. 31.8.1993, NJW 1994, S. 847). Als ebenso willkürlich stellt sich im Ergebnis das Verhalten der Prozessbevollmächtigten der Beklagten dar.

Dass deren Äußerungen im Schreiben vom 1.2.2007 nicht nur darauf gerichtet waren, den gegen einen Störer gegebenen Unterlassungsanspruch durchzusetzen, sondern darauf abzielten, die Klägerin als originäre Urheberrechtsverletzerin in Anspruch zu nehmen, ist oben (I.4., I.6.) dargelegt worden. Darauf wird Bezug genommen.

IV.
Die Beklagten haften für das Verhalten der von ihnen beauftragten Rechtsanwälte nach § 831 BGB. Verrichtungsgehilfe i.S. von § 831 BGB ist, wer von den Weisungen seines Geschäftsherrn abhängig ist. Ihm muss von einem anderen, in dessen Einflussbereich er allgemein oder im konkreten Fall und zu dem er in einer gewissen Abhängigkeit steht, eine Tätigkeit übertragen worden sein. Das dabei vorausgesetzte Weisungsrecht braucht nicht ins einzelne zu gehen. Es genügt, dass der Geschäftsherr die Tätigkeit des Handelnden jederzeit beschränken oder entziehen oder nach Zeit und Umfang bestimmen kann (BGH, Urt.v. 12.6.1997, NJW-RR 1998, 250, 252). Auch die Partei haftet für ein deliktisches Verhalten ihres Anwalts im Rahmen des § 831 BGB (vgl. BGH, Urt.v. 15.2.1957, BB 1957, S. 306, zitiert nach juris), selbst im Rahmen eines Zivilverfahrens (vgl. BGH, Urt.v. 25.5.1962, NJW 1962, S. 1390, 1391). Der Anwendung dieser Vorschrift, die den „Geschäftsherrn“ für das schädigende Verhalten seines „Verrichtungsgehilfen“ einstehen lässt, steht nicht schon die Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Rechtspflegeorgan entgegen. Ein Abhängigkeitsverhältnis, wie es § 831 Abs. 1 BGB voraussetzt, liegt bereits dann vor, wenn der „Geschäftsherr“ demjenigen, den er zu einer Verrichtung bestellt hat, das Recht zur Tätigkeit jederzeit beschränken oder entziehen kann; das trifft auch auf die Beziehung zwischen Mandant und Rechtsanwalt zu (OLG Koblenz, Urt.v. 8.11.1988, NJW-RR 1989, S. 363).

Die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Vorschrift sind im Verhältnis zwischen den Beklagten und deren Prozessbevollmächtigten erfüllt. Denn letztere sind nicht nur von den Beklagten allgemein mit der Interessenwahrnehmung beauftragt worden, sondern sie sind gerade deshalb beauftragt worden, um tatsächlichen oder vermeintlichen Urheberrechtsverletzungen im Internet nachzuspüren und gegebenenfalls die Verursacher ausfindig zu machen und zur Rechenschaft zu ziehen. In diesem Rahmen bewegt sich das Handeln der Prozessbevollmächtigten der Beklagten auch dann, wenn im Einzelfall – wie hier – eine Urheberrechtsverletzung tatsächlich nicht vorliegt.

Dafür, dass die Beklagten ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten sorgfältig ausgewacht und überwacht hätten (§ 831 Abs. 1 Satz 2 BGB) haben sie nichts vorgetragen. Auf den gerichtlichen Hinweis im Beschluss vom 28.9.2007, dass eine Haftung nach § 831 BGB in Betracht komme (Bl. 148 d.A.), haben sie lediglich pauschal ausgeführt, es sei nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage eine solche Haftung angenommen werde.

Die Beklagten können sich auch nicht darauf berufen, dass sie allein dadurch, dass die Rechtsanwälte mit der Verfolgung tatsächlicher und angeblicher Urheberrechtsverstöße beauftragt haben, ihre Sorgfalts- und Überwachungspflichten erfüllt haben.

Zwar kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ein Mandant, der sich einem Rechtsanwalt anvertraut, nicht gehalten ist, dessen Eignung zu kontrollieren, weil dies sein Beurteilungsvermögen übersteigen würde. Er darf sich darauf verlassen, dass der Rechtsanwalt im Hinblick auf seine akademische Ausbildung und staatliche Zulassung über eine hinreichende Qualifikation verfügt und der ihm übertragenen Aufgabe eigenverantwortlich gerecht werden kann. Dementsprechend ist der Klient in der Regel auch nicht verpflichtet, den Rechtsanwalt bei der Ausübung seiner Tätigkeit zu beaufsichtigen (so zutreffend OLG Koblenz, Urt.v. 8.11.1988, NJW-RR 1989, S. 363).

Anders ist es jedoch zu beurteilen, wenn ein Mandant seinem Rechtsanwalt nicht mit der Vertretung in einem konkreten Rechtsfall beauftragt, sondern ihn allgemein damit betraut, im Wesentlichen eigenverantwortlich Sachverhalte zu ermitteln, aus denen sich mögliche Ansprüche ergeben könnten. In einem solchen Fall wird der Rechtsanwalt, nicht anders als beispielsweise ein fester Mitarbeiter einer Rechtsabteilung, derart in die Gesamtorganisation des Mandanten eingebettet, dass seine Stellung als Organ der Rechtspflege in den Hintergrund tritt. In derartigen Fällen kann sich der Mandant nicht darauf berufen, nicht zur Überwachung seines Rechtsanwalts verpflichtet zu sein. Denn es liegt einerseits auf der Hand, dass bei der flächendeckenden Recherche im Internet das Risiko besteht, dass Unbeteiligten Schäden in erheblicher Höhe zugefügt werden können. Andererseits besteht kein schützenswertes Interesse des Auftraggebers daran, sich seinem eigenen Haftungsrisiko durch Einschaltung eines Rechtsanwalts zu entziehen.

Drohen gerade wegen des „Massengeschäfts“ der Verfolgung von Urheberrechtsverstößen erhebliche Schäden für Dritte, so berührt dies unmittelbar die Organisationspflichten des Mandanten. Aus diesem Grunde hat daher der Bundesgerichtshof den Grundsatz aufgestellt, dass derjenige, dessen Tätigkeit die Gefahr der Schädigung Dritter durch ehrverletzende und persönlichkeitsverletzende Eingriffe mit sich bringt, die erforderliche Kontrolle im Hinblick auf den gebotenen Rechtsschutz Dritter so organisieren muss, dass er sich für ein Verschulden der mit diesen Aufgaben betrauten Personen haftungsrechtlich nicht entlasten kann (vgl. BGH, Urt.v. 8.7.1980, GRUR 1980, S. 1099, zitiert nach juris). Herausgeber oder Verleger müssen daher einen besonders gefährlichen Beitrag entweder selbst überprüfen oder dem damit beauftragten Dritten Organstellung im Sinne von §§ 30, 31 BGB verschaffen, so dass er für sein Verschulden ohne Entlastungsmöglichkeit einzustehen hat. Ziehen sie zu dieser Aufgabe gleichwohl eigene Mitarbeiter ohne solche Organstellung oder einen seinem Unternehmen nicht angehörenden Rechtsanwalt hinzu, so können sie sich dadurch haftungsrechtlich von deren Verschulden nicht freizeichnen, sondern müssen sich so behandeln lassen, als hätten sie den Beauftragen Organstellung eingeräumt (BGH, Urt.v. 8.7.1980, .a.a.O.). Dieser Grundsatz kommt auch hier zur Anwendung.

V.
Ein anderer Verschuldensmaßstab ist nicht deshalb anwendbar, weil die Beklagten sich einer Verletzung des Urheberrechts berühmen und daher eine Abmahnung vorgenommen haben.

1.
Soweit in der Rechtsprechung vertreten wird, ein Übernahmeverschulden könne solange nicht bejaht werden, als der Abmahnende ungeachtet rechtlicher Ungewissheit nach vernünftiger Überlegung es als gerechtfertigt ansehen konnte, die Zweifelsfrage gegenüber dem Wettbewerber zur Sprache zu bringen (so OLG Hamburg, Urt.v. 20.1.1983, GRUR 1983, S. 200, zitiert nach juris; LG Hamburg, Urt.v. 9.1.2007, 312 S 1/06), betrifft dies allein wettbewerbsrechtliche Ansprüche.

2.
In dem Sonderfall der unberechtigten Abmahnung eines Wettbewerbsverstoßes wird auch vertreten, dass in der Regel kein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vorliege. Denn die Beeinträchtigungen einer solchen Abmahnung seien – etwa im Gegensatz zu den Folgen einer Schutzrechtsverwarnung – in der Regel zumutbar und im Hinblick auf das Recht der Meinungsfreiheit (GG Art. 5) hinzunehmen (OLG Stuttgart, Urt.v.26.7.1991, WRP 1992, S. 202). Anwaltskosten eines zu Unrecht Abgemahnten seien auch nicht gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG analog zu ersetzen, auch nicht die nicht auf die Verfahrenskosten anrechenbare halbe Geschäftsgebühr (LG Berlin, Urt.v. 1.6.2007, 103 O 246/06, Magazindienst 2007, S. 868, zitiert nach juris).

3.
Mit den vorgenannten Fällen ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar. Denn die Klägerin ist seitens der Beklagten nicht auf Unterlassung einer gegen das Recht verstoßenden Werbemaßnahme in Anspruch genommen worden. Der Vorwurf einer wettbewerbswidrigen Äußerung ist in der Regel weder ehrenrührig, noch drohen dem Wettbewerbsbeteiligten, dessen Verhalten beanstandet wird, aufgrund der Abmahnung ernsthafte Konsequenzen, schon gar keine, mit denen er nicht durch sein eigenes risikobehaftetes Verhalten und die Teilnahme am Wettbewerb hätte rechnen müssen. Die Klägerin hat hingegen keinerlei Anlass zur Inanspruchnahme gegeben; sie sah sich zudem einer für durchschnittliche Bürger existenzvernichtenden Forderung und dem Vorwurf strafbaren Verhaltens ausgesetzt.

4.
Ein Anspruchsausschluss lässt sich auch nicht unter Berufung auf das sogenannte „allgemeine Lebensrisiko“ begründen. Soweit sich in der Rechtsprechung hierauf bezogen wird, liegt dem häufig ein Missverständnis über den Gehalt dieses Kriteriums zugrunde. Der Begriff des allgemeinen Lebensrisikos wird richtigerweise dazu benutzt, um die Abgrenzung zwischen bestimmten Rechtssubjekten haftungsrechtlich zuzurechnenden Gefahren oder Störungen und denjenigen, die entschädigungslos hinzunehmen sind, zu markieren. So wird dieser Begriff z.B. im Zusammenhang damit verwendet, dass die von mit Feuer spielenden Kindern ausgehenden Gefahren nach dem Gedanken des § 832 BGB nicht zum allgemeinen Lebensrisiko gehören, sondern in erster Linie von den Eltern zu tragen sind (vgl. BGH, Urt.v. 29.5.1990, NJW 1990, S. 2553, 2554; Urt.v. 10.7.1984, NJW 1984, S. 2575, 2576), während etwa Gefahren, die ein freies Bewegen in der Natur mit sich bringen („wildes Baden“) entschädigungslos hinzunehmen sind (vgl. BGH, Urt.v. 18.10.1988, NJW-RR 1989, S. 219, 220).

Ein Rechtssatz, wonach die Folgen einer ungerechtfertigten Ehrverletzung oder der Berühmung mit einem nicht bestehenden Anspruch vom Verletzten oder in Anspruch Genommenen zu tragen sind, weil es im Normalfalle zum allgemeinen Lebensrisiko gehöre, dass derjenige, der sich im Rechtsverkehr betätigt, sich u.U. damit konfrontiert sehe, dass Ansprüche gegen ihn geltend gemacht würden, die u.U. auch unbegründet sein könnten, ist unserem Rechtssystem hingegen fremd (so aber LG Hamburg, Urt.v. 9.1.2007, 312 S 1/06, das davon ausgeht, dass nur ausnahmsweise eine andere Beurteilung gerechtfertigt sei).

Diese Rechtsprechung gibt dem Begriff „allgemeines Lebensrisiko“ insofern einen gänzlich anderen Inhalt, als sie von der Zuordnung zu verschiedenen Verantwortungssphären Abstand nimmt und (wenn auch meist unausgesprochen) davon ausgeht, eine Rechtsgüterbeeinträchtigung, die nahe liegt, die quasi „immer mal möglich“ ist, lasse sich hierunter subsumieren. Dass diese Herangehensweise verfehlt ist, zeigt schon die Haftung für Verkehrsunfälle. Selbstverständlich gehört es zum „allgemeinen Lebensrisiko“ im Sinne dieser Rechtsprechung, in einen Verkehrsunfall verwickelt zu werden. Gleichwohl wird zu Recht ausnahmslos vertreten, dass derjenige, der Opfer eines Verkehrsunfalls geworden ist, vom Schädiger Schadensersatz beanspruchen kann. Opfer eines Einbruchdiebstahls zu werden, gehört ebenfalls zum „allgemeinen Lebensrisiko“. Das ändert nichts daran, dass der Einbrecher auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann.

Zu Recht wird auch nirgends vertreten, nur deshalb, weil aufgrund der fortgeschrittenen technischen Möglichkeiten ein hohes Risiko besteht, dass Urheberrechte verletzt werden, führe dieses zu einem „allgemeinen Lebensrisiko“ der Beklagten, dessen Verwirklichung entschädigungslos hinzunehmen wäre.

Soweit der Bundesgerichtshof formuliert hat, mit unberechtigten Forderungen konfrontiert zu werden, gehöre zum allgemeinen Lebensrisiko (Urt.v. 12.12.2006, NJW 2007, S. 1458, 1459) steht dies der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen. Ganz im Gegenteil: Der BGH hat ausdrücklich die Einschränkung gemacht, dass dies nur gelte, soweit nicht die Voraussetzungen einer speziellen Haftungsnorm vorliegen (a.a.O). Solche Haftungsnormen bietet im hier zu entscheidenden Fall (und auch in den vorgenannten Beispielsfällen) das Deliktsrecht. Die floskelhafte Wendung vom „allgemeinen Lebensrisiko“ darf demnach nicht dazu verwendet werden, die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen trotz einer bestehenden Haftungsnorm zu verweigern.

Darüber hinaus hat der BGH ausgeführt, dass unabhängig vom deliktsrechtlichen Schutz dann Ausnahmen gelten mögen, wenn der in Anspruch Genommene im Einzelfall besonders schutzwürdig sei (a.a.O.). Auch diese Voraussetzung wäre im vorliegenden Fall, in dem mit der Klägerin eine Inhaberin eines Internetanschlusses ohne eigenes Zutun mit massiven Vorwürfen und existenzvernichtenden Forderungen überzogen worden ist, gegeben.

5.
Die das Wettbewerbsrecht bestimmenden Grundsätze, wonach der als Störer in Anspruch genommene regelmäßig keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten seiner „Gegenabmahnung“ hat, lassen sich auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwenden. Beim Wettbewerbsrecht handelt es sich um ein Sonderrecht, das sich dadurch auszeichnet, dass wettbewerbsrechtliche Sonderbeziehungen vorliegen, bei denen im Regelfall Interessenüberschneidungen aus der nach Treu und Glauben gebotenen Rücksichtnahme auf die Interessen auch des anderen Teils vorliegen. Allein hieraus ergibt sich die ständige wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung, wonach es einem Gläubiger zur Vermeidung des Prozessrisikos aus § 93 ZPO grundsätzlich obliegt, den Störer vor Erhebung einer wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage abzumahnen (vgl. BGH, Urt.v. 19.10.1989, NJW 1990, S. 1905f). Rechtsgrundsätze, die auf den Besonderheiten und Gepflogenheiten auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes beruhen, können jedoch nicht verallgemeinert werden (so ausdrücklich BGH, Urt.v. 12.12.2006, NJW 2007, S. 1458, 159).

Entsprechende Grundsätze lassen sich aber auch deshalb nicht anwenden, weil die Klägerin objektiv keine Störerin gewesen ist. Nur als Folge einer vom Abgemahnten tatsächlich begangenen oder von ihm als Störer (mit) zu vertretenden Verletzungshandlung und der darauf erklärten Abmahnung zwischen dem Verletzer und dem Unterlassungsgläubiger kommt eine wettbewerbsrechtliche Sonderbeziehung eigener Art zustande, die in besonderem Maß durch Treu und Glauben und das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme bestimmt wird (BGH, Urt.v. 1.12.1994, NJW 1995, S. 715, 716).

Im Übrigen gilt selbst für den Bereich des Wettbewerbsrechts, dass der Abgemahnte die Kosten seiner Gegenabmahnung dann ausnahmsweise erstattet verlangen kann, wenn die Abmahnung in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht auf offensichtlich unzutreffenden Annahmen beruht, bei deren Richtigstellung mit einer Änderung der Auffassung des vermeintlich Verletzten gerechnet werden kann (BGH, Urt.v. 29.4.2004, I ZR 233/01, zitiert nach juris). Jedenfalls diese Voraussetzung wäre hier erfüllt: Die Abmahnung seitens der Beklagten beruht auf einer in tatsächlicher Hinsicht offensichtlich unzutreffenden Annahme, nämlich derjenigen, dass die Klägerin unter der IP-Nummer … im Internet Musikdaten zum Tausch angeboten hat. Hieran ist buchstäblich nichts wahr. Dies wäre bei Überprüfung der entsprechenden Daten auch sofort bemerkt worden. Obgleich der Versuch seitens des Ehemanns des Klägers, Rechtsanwalt … von der Unschuld seiner Ehefrau zu überzeugen, fehlgeschlagen war, war doch zu erwarten, dass bei Einschaltung eines auf gleicher juristischer Augenhöhe befindlichen Rechtsanwalts mit einer Änderung der Auffassung jedenfalls nach Durchführung der gebotenen Überprüfung der vorhandenen Informationen gerechnet werden konnte.

Dass sich Rechtsanwalt im Ergebnis nicht als belehrbar erwiesen hat, muss bei der hier gebotenen ex ante-Beurteilung unberücksichtigt bleiben.

6.
Es ist auch kein Grund erkennbar, warum jemand, der sich eines Urheberrechts berühmt, besser gestellt sein sollte, als etwa eine Partei, die sich eines Schutzrechts berühmt. Für dieses Rechtsgebiet hat der Große Senat für Zivilsachen auf einen Vorlagebeschluss des 1. Zivilsenats des BGH erst vor etwas mehr als zwei Jahren ausdrücklich daran festgehalten, dass die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung untersagt ist und der schuldhafte Verstoß gegen dieses Verbot zum Schadensersatz verpflichtet (B.v. 15.7.05, NJW 2005, S. 3141, 3142). Diese Grundsatzentscheidung beruht auf denselben Kriterien, die im vorliegenden Fall anzuwenden sind.

VI.

1.
Der Klägerin stand, als sie ihre jetzige Prozessbevollmächtigte mit der Abwehr der seitens der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten erhobenen Vorwürfe beauftragte, ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog zu. Die Wiederholungsgefahr war, nachdem Rechtsanwalt … gegenüber dem Ehemann der Klägerin erklärte, an den Vorwürfen festhalten zu wollen, gegeben. Allgemein wird die konkrete Gefahr einer künftigen, das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzenden Äußerung vermutet, wenn eine solche Äußerung bereits erfolgt ist und Wiederholungsgefahr nicht durch das Verhalten des Verletzers ausgeräumt ist (OLG Karlsruhe, Urt.v. 17.5.2002, NJW-RR 2003, S. 688, 689).

2.
Die Klägerin wäre zudem berechtigt gewesen, auf die unberechtigten Vorwürfe der Beklagten sofort mit Erhebung einer negativen Feststellungsklage zu reagieren. Sie wäre damit auch erfolgreich gewesen. Denn selbst im Wettbewerbsrecht, in dem die Interessen des Abmahnenden in einer mit keinem anderen Rechtsgebiet vergleichbaren Weise geschützt werden, besteht grundsätzlich keine Obliegenheit des zu Unrecht Abgemahnten, seinerseits vor der Erhebung einer negativen Feststellungsklage eine Gegenabmahnung auszusprechen (BGH, B.v. 6.10.2005, NJW 2006, S. 775, 776).

In diesem Falle hätten sich die Beklagten selbst dann, wenn sie den Unterlassungsanspruch oder eine entsprechende negative Feststellungsklage sofort anerkannt hätten, nicht damit verteidigen können, dass sie keinen Anlass zur Klagerhebung gegeben haben (vgl. LG Hamburg, Urt.v. 28.8.1991, NJW-RR 1993, S. 173, 174; OLG Hamburg, B.v. 14.1.1994, Magazindienst 1994, S. 464, zitiert nach juris, vgl. auch LG Stuttgart, Urt.v. 11.7.2007, 17 O 243/07 (Anlage, Bl. 164ff d.A.) zu Fällen der behaupteten Urheberrechtsverletzung).

VII.

1.
Neben dem Unterlassungsanspruch steht der Klägerin auch ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004, 249ff BGB zu. Dies folgt aus der rechtswidrigen und schuldhaften Persönlichkeitsrechtsverletzung, die nach den obigen Ausführungen gegeben ist.

2.
Die Frage, ob die Beklagten zudem eine verschuldensunabhängige Verpflichtung trifft, die Anwaltskosten der Klägerin gemäß §§ 683 Satz 1, 677, 670 BGB zu tragen, kann nach allem dahin stehen. Allerdings wird die Anwendung der wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung, wonach die Abmahnung der Beseitigung einer rechtswidrigen Störung dient, zu der grundsätzlich der Störer selbst verpflichtet ist (§ 1004 BGB), auf vergleichbare Fälle ausdrücklich bejaht (vgl. OLG Düsseldorf, Urt.v.. v. 1.2.2002, NJW-RR 2003, S. 566, 568).

VIII.
Von dem Grundsatz, dass sich jeder, der in seinen Rechten verletzt wird, zur Durchsetzung seiner Ansprüche anwaltlicher Hilfe bedienen kann, ist auch in Fällen wie dem vorliegenden keine Ausnahme zu machen.

Anwaltskosten sind grundsätzlich dann zu ersetzen, wenn der Geschädigte die Heranziehung eines Rechtsanwalts für erforderlich halten durfte (BGH, Urt.v. 12.12.2006, NJW 2007, S. 1458, 1460). Daran kann unter den Umständen des Streitfalls kein Zweifel bestehen. Denn auf den Hinweis der Klägerin durch ihren Ehemann, dass ihr keine Urheberrechtsverletzung zur Last falle und sie auch keine Urheberrechtsverletzung adäquat kausal verursacht habe, hat Rechtsanwalt … lediglich mit einem Aufrechterhalten der Vorwürfe reagiert.

Auch dann, wenn dem Verletzten, wie hier, ein Unterlassungsanspruch zusteht, kann er vom Gegner die Erstattung der für eine Abmahnung aufgewendeten Anwaltskosten beanspruchen (so ausdrücklich OLG Düsseldorf, Urt.v. 26.4.2006, 15 U 180/05, zitiert nach juris, insoweit in MMR 2006, S. 553 nicht abgedruckt; ebenso AG Schwäbisch Gmünd, Urt.v. 22.11.1995, NJWE-WettbR 1996, S. 136, 137 bei unberechtigter Abmahnung aus angeblichem Urheberrecht). Es entspricht zudem der Lebenserfahrung, dass ein juristischer Laie, der von Rechtsanwälten, die im Auftrag der namentlich genannten „führenden deutschen Tonträgerhersteller“ zur Abgabe einer Unterlassungserklärung und zur Zahlung von pauschaliertem Schadensersatz in Höhe von € 4 000,– aufgefordert wird, anwaltlichen Rat zur weiteren Vorgehensweise zur Hilfe nimmt, der entsprechend den Gebührentatbeständen des RVG zu vergüten ist (ebenso OLG Düsseldorf, Urt.v. 1.2.2002, NJW-RR 2003, S. 566 für Inanspruchnahme seitens der Rechtsabteilung eines Versicherers).

IX.
Der Höhe nach steht der Klägerin ein Anspruch auf Ersatz der tatsächlich entstandenen Kosten zu. Diese sind mit € 4 063,95 nicht zu beanstanden. Ein Gegenstandswert von € 100 000,– ist deshalb zugrunde zu legen, weil Gegenstand des Anschreibens der Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht nur die Anwaltskosten, berechnet auf einen Gegenstandswert von € 6,96 Mio., gewesen sind, sondern die Unterlassung der Verbreitung selbst. Eine Bewertung mit € 100 000,– bewegt sich angesichts der üblichen Streitwertfestsetzung der Kammern des Landgerichts Hamburg demnach im untersten Bereich.

Die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin ist als weit überdurchschnittlich anzusehen. Sie musste, nachdem die Prozessbevollmächtigten der Beklagten an sie herangetreten waren, damit rechnen, dass diese sie auf eine Schadensersatzforderung von ca. € 30 000,– in Anspruch nehmen würden, wenn sie dem Vergleichsvorschlag nicht zugestimmt hätte. Da sie hierdurch in ihrer wirtschaftlichen Existenz erheblich beeinträchtigt worden wäre, hatte sie ein eminentes Interesse daran, die vermeintlichen Ansprüche schon im Vorfeld der außergerichtlichen Geltendmachung abzuwehren (vgl. zu diesem Kriterium bei Erhebung ungerechtfertigter Forderungen OLG Düsseldorf, Urt.v. 1.2.2002, NJW-RR 2003, S. 566, 568).

Dass die Klägerin die ihr gegenüber entstandenen Anwaltsgebühren noch nicht beglichen hat, steht ihrem Zahlungsanspruch nicht entgegen. Denn der ihr ursprünglich zustehende Freistellungsanspruch hat sich dadurch, dass die Beklagten ernsthaft und endgültig jegliche Verpflichtung zur Tragung der Anwaltskosten verweigert haben, in einen Zahlungsanspruch umgewandelt (vgl. dazu BGH, Urt.v. 13.1.2004, NJW 2004, S. 1868, 1869).

X.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.

XI.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

(Unterschrift)