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Umfang der Haftung bei unzureichend gesichertem WLAN - LG Düsseldorf, Urteil vom 29.09.2010, Az.: 12 O 51/10

Leitsätzliches

Der Inhaber eines Internetanschlusses haftet grundsätzlich für Rechtsverletzungen, wenn er sein WLAN nur unzureichend gesichert hat. Allerdings haftet der Anschlussinhaber nicht zwingend als Täter auf Unterlassung des öffentlichen Verfügbarmachens, sondern lediglich auf Unterlassung, keine ausreichenden Sicherungsvorkehrungen zu treffen, sodass hier zwingend eine Differenzierung zwischen Täter- und Störerhaftung geboten ist.

 LANDGERICHT DÜSSELDORF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

 Aktenzeichen: 12 O 51/10

Entscheidung vom 29. September 2010

 

In dem Rechtsstreit

...

für Recht erkannt:


Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 17.02.2010 wird mit der Maßgabe bestätigt, dass den Antragsgegnern untersagt wird, durch unzureichende Sicherungsmaßnahmen ihres W-LAN-Anschlusses außenstehenden Dritten zu ermöglichen, das Werk "X" (Text und Komposition) im Internet über dezentrale Computernetzwerke (sog. Filesharingnetzwerke bzw. Tauschbörsen) öffentlich verfügbar zu machen.

Die Antragsgegner tragen auch die weiteren Kosten des Verfahrens.


Tatbestand

Die Antragsteller nehmen die Antragsgegner auf Unterlassung des öffentlichen Zugänglichmachens pp. des Musikwerks "X", dessen Rechte an Text und Komposition bei den Antragstellern liegen, in Anspruch.

Auf Antrag der Antragsteller hat die Kammer den Antragsgegnern durch Beschluss vom 17.02.2010 im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung der im einzelnen bezeichneten gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel untersagt, das Werk "X” (Text und Komposition) im Internet über dezentrale Computernetzwerke (sog. Filesharingnetzwerke bzw. Tauschbörsen) öffentlich verfügbar zu machen und/oder machen zu lassen.

Die Antragsgegner, denen der Beschluss am 01.03.2010 zugestellt worden ist, haben mit Schriftsatz vom 06.04.2010 Widerspruch eingelegt.

Die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 17.02.2010 mit der Maßgabe zu bestätigen, dass den Antragsgegnern untersagt wird, durch unzureichende Sicherungsmaßnahmen ihres W-LAN-Anschlusses außenstehenden Dritten zu ermöglichen, das Werk ‚X‘ (Text und Komposition) im Internet über dezentrale Computernetzwerke (sog. Filesharingnetzwerke bzw. Tauschbörsen) öffentlich verfügbar zu machen.

Die Antragsgegner beantragen,

die einstweilige Verfügung aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegner sind der Auffassung, für einen etwaigen "Download" nicht zu haften, da nach ihrer Behauptung die Einstellungen des von ihnen genutzten W-LAN-Routers gegen unbefugten Zugriff im Zeitpunkt der Inbetriebnahme dem Stand der Technik entsprachen. Sie behaupten weiter, sich wegen eines Titels des Künstlers X alias "X", der in derselben Dateisammlung (sog. "Chart-Container") enthalten war, diesem gegenüber strafbewehrt zur Unterlassung verpflichtet zu haben. Im übrigen sind sie der Ansicht, es fehle an der Dringlichkeit, denn es sei davon auszugehen, dass die Schlüsseldaten des Providers den Antragstellern bereits vor dem quittierten Eingang vorgelegen haben müssen. Sie behaupten, der Eingangsstempel auf der Anlage entspreche nicht dem üblichen Eingangsstempel der Antragstellervertreter.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die einstweilige Verfügung ist mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe zu bestätigen, da nach Durchführung der mündlichen Verhandlung weiterhin glaubhaft, d. h. überwiegend wahrscheinlich ist, dass den Antragstellern der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegenüber den Antragsgegnern zusteht, den sie zur Vermeidung weiterer Rechtsverletzungen im Wege der einstweiligen Verfügung geltend machen kann.

Die Antragsteller haben gegenüber den Antragsgegnern einen Anspruch aus § 97 Abs. 1 Urhebergesetz auf Unterlassung des öffentlichen Zugänglichmachens des streitgegenständlichen Musikwerkes. Ihre Rechte haben sie ohne zögerliches Verhalten geltend gemacht.

I.

Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ist gegeben, § 32 ZPO, §§ 104, 105 UrhG in Verbindung mit der Verordnung über die Zusammenfassung von Geschmacksmusterstreitsachen, Kennzeichenstreitsachen und Urheberrechtsstreitsachen vom 02.06.2004 (GV. NRW. S. 291 / SGV. NRW. 301) und §§ 23, 71, 72 GVG. Am besonderen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß § 32 ZPO können auch Klagen aus Verletzung sonstiger absoluter Rechte, vor allem gewerblicher Schutzrechte wie das Urheberrecht, erhoben werden (Zöller/Vollkommer, 27. Aufl. 2009, § 32 ZPO Rn 9 mwN). Tatort im Sinne des § 32 ZPO ist jeder Ort, an dem auch nur eines der wesentlichen Tatbestandsmerkmale verwirklicht worden ist. Bei Begehungsdelikten ist das entweder der Ort, an dem der Täter gehandelt hat, oder der Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen worden ist. Der Anspruchsteller kann also auch bei Urheberrechtsverletzungen wählen zwischen dem Gerichtsstand des Handlungsortes und demjenigen des Erfolgsortes. Für Rechtsverletzungen im Internet durch Verfügbarmachen über Peer-to-Peer-Netzwerke geht die Kammer in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Erfolgsort in jedem Gerichtsbezirk der Bundesrepublik Deutschland liegt, da die Seiten bundesweit abrufbar sind. Mithin ist auch das Musikwerk der Antragsteller bestimmungsgemäß im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Düsseldorf abrufbar gewesen.

II.

Die einstweilige Verfügung ist zur Abwendung wesentlicher Nachteile der Antragsteller erforderlich (§ 940 ZPO). Die Urheberrechte der Antragsteller sind durch das öffentliche Zugänglichmachen - wie noch dargelegt wird - durch die Antragsgegner gefährdet. Der von den Antragstellern dargelegte Sachverhalt lässt nicht die Annahme zu, dass sie bei der Verfolgung ihrer Rechte zögerlich gehandelt haben. Nach Feststellung der Rechtsverletzung am 04.11.2009 ist den Antragstellern nach Gestattung durch Beschluss des Landgerichts Köln vom 30.11.2009 mit Schreiben vom 15.01.2010 mitgeteilt worden, dass die für die Rechtsverletzungen genutzte IP-Adresse dem Internetzugang der Antragsgegner zugeordnet war. Daraufhin sind die Antragsgegner mit anwaltlichem Schreiben vom 29.01.2010 unter Fristsetzung bis zum 10.02.2010 abgemahnt worden. Nach Zurückweisung der geltend gemachten Ansprüche ist der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung beim Landgericht Düsseldorf am 15.02.2010 eingegangen. Bei diesem Zeitablauf ist das Erfordernis der Dringlichkeit gewahrt und der am 15.02.2010 eingegangene Verfügungsantrag unter Berücksichtigung einer gewissen Vorbereitungszeit rechtzeitig erfolgt.

Auf die weiteren Ausführungen der Antragsgegner zur Dringlichkeit ist nicht näher einzugehen, da die Dringlichkeit nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer, von der abzuweichen der zu beurteilende Sachverhalt keine Veranlassung gibt, bis zu zwei Monaten nach Kenntnis von den erforderlichen Umständen der Rechtsverletzung gegeben ist. Ein derart langes Zuwarten behaupten die Antragsgegner nicht; ihre Argumentation bezieht sich auf eine (geringfügige) Überschreitung des Zeitraums von einem Monat. Soweit sie behaupten, der Eingangsstempel der Antragsteller-Vertreter ("EINGANG 15. JAN. 2010") auf dem Schreiben des Access-Providers X sei unüblich, ist dies unerheblich und insofern schon nicht nachvollziehbar, als das Schreiben der X selbst ein zwei Tage früheres Datum trägt ("Frankfurt/M., 13. Jan. 2010"). Angesichts dessen handelt es sich um einen unter Berücksichtigung des üblichen Postlaufes in jeder Hinsicht plausiblen Geschehensablauf.

III.

Die Antragsteller haben gegen die Antragsgegner einen Anspruch auf Unterlassung des öffentlichen Zugänglichmachens des streitgegenständlichen Musikwerkes gemäß §§ 97 Abs. 1, 19 UrhG. Die Antragsgegner stellen nicht in Abrede, dass den Antragstellern die Rechte am Text und der Komposition des streitgegenständlichen Titels zustehen. Im Übrigen folgt dies aus der als Anlage Ast 1 (Bl. 16 d. A.) vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Antragsteller.

Die Antragsgegner werden zu Recht gemäß § 97 UrhG auf Unterlassung in Anspruch genommen. Sie sind aufgrund ihrer Eigenschaft als Inhaber des Internet-Zuganges, über den die unstreitige Urheberrechtsverletzung stattgefunden hat, und der im Zeitpunkt der Verletzungshandlung nicht hinreichend gesichert war, nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen passivlegitimiert. Passivlegitimiert gemäß § 97 UrhG ist als Störer jeder, der - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - einen adäquat kausalen Beitrag zur Rechtsverletzung gesetzt hat, dadurch in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines absolut geschützten Rechts beiträgt und zumutbare Sicherungsmaßnahmen unterlassen hat.

Hierfür genügt es, dass die Antragsgegner den objektiv für Dritte nutzbaren Internet-Zugang vorgehalten und damit einem unmittelbaren Verletzer zur Verfügung gestellt haben (OLG Düsseldorf MMR 2008, 256 [256f.]). Ihr hiergegen gerichtetes Vorbringen bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Denn es kann zwar als Störer nur in Anspruch genommen werden, wer, ohne selbst Verletzer zu sein, an der Verletzungshandlung mitwirkt, obwohl es ihm zumutbar und möglich ist, diese zu verhindern. Damit die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt wird, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (OLG Düsseldorf MMR 2008, 675 [676f.]). Dies gilt auch für die Verpflichtung, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, durch welche die Rechtsverletzungen soweit wie möglich verhindert werden. Auch diese besteht nur im Rahmen des Zumutbaren und Erforderlichen (BGH GRUR 2010, 633 [635f.] - Sommer unseres Lebens; 1984, 54 [55f.] - Kopierläden). Maßgeblich sind insoweit die Funktion und Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch Genommenen sowie die Eigenverantwortung des unmittelbar Handelnden (BGH GRUR 2001, 1038 [1039f. ] - ambiente.de).

Dass der W-LAN-Anschluss der Antragsgegner im Zeitpunkt der Verletzungshandlung hinreichend gesichert war, ergibt sich aus dem Vortrag der Antragsgegner und insbesondere der eidesstattlichen Versicherung der Antragsgegnerin zu 2.) vom 25.08.2010 nicht. Soweit es in dieser eidesstattlichen Versicherung heißt, dass der Router mit der standardmäßigenVoreinstellung betrieben worden ist, genügt dies auch unter Berücksichtigung des von den Antragsgegnern vorgetragenen Umstandes, dass das werksseitig eingerichtete Kennwort 11 Ziffern umfasste, nicht. Die Antragsgegner hätten zumindest ein persönliches Kennwort von hinreichender Sicherheit vergeben müssen (vgl. BGH GRUR 2010, 633 [636] - Sommer unseres Lebens).

Die Wiederholungsgefahr ist nicht dadurch entfallen, dass die Antragsgegner - wie sie durch eidesstattliche Versicherung ihres Verfahrensbevollmächtigten glaubhaft machen - gegenüber Herrn X eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben haben. Die wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung zur Drittunterwerfung ist im Urheberrecht allenfalls bei Rechtsverletzungen in der Nutzerkette anwendbar (vgl. Schricker/Wild, UrhR, 3. Aufl. 2006, § 97 UrhG Rn 42a). Dies ist hier nicht der Fall, da Anlass der Unterlassungserklärung gegenüber Herrn X keine Rechte am verfahrensgegenständlichen Werk, sondern einem anderen Musikwerk waren. Dass dieses Werk zusammen mit anderen Werken in einem sog. "Chart-Container" zum Download angeboten wurde, ändert daran nichts. Ob dies möglicherweise anders zu beurteilen wäre, wenn die Antragsgegner sich gegenüber den Inhabern anderer Rechte an demselben Werk strafbewehrt zur Unterlassung verpflichtet hätten, bedarf hier keiner Entscheidung.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. In der Bestätigung der einstweiligen Verfügung mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe liegt kein Teilunterliegen der Antragsteller; vielmehr handelt es sich um eine Konkretisierung des Antrags vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH aaO. Tz. 35ff. - Sommer unseres Lebens) bei im wesentlichen unverändertem Lebenssachverhalt.

Einer Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht.

Streitwert: 10.000,-- €

Unterschriften