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Panoramafreiheit gilt auch für von Drohnen angefertigte Fotos, LG Frankfurt a.M., Urt. v. 25.11.2020, Az.: 2-06 O 136/20

Leitsätzliches

Die urheberrechtliche Panoramafreiheit nach § 59 UrhG gilt auch für von Drohnen angefertigte Fotos.
Bei einer richtlinienkonformen Auslegung muss auch die technische Entwicklung der letzten Jahre berücksichtigt werden. Dafür spricht auch, dass das bis zum 30.06.1990 geregelte Verbot, von einem Luftfahrzeug aus außerhalb des Fluglinienverkehrs ohne behördlicher Erlaubnis Lichtbildaufnahmen zu fertigen, mit der Begründung aufgehoben wurde, dass angesichts der heutigen Satelliten- und Fototechnik der Grund für diese Vorschrift längst entfallen sei.

LANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

IM NAMEN DES VOLKES 

URTEIL

vom 25.11.2020
Aktenzeichen: 2-06 O 136/20

 

In dem Rechtsstreit

- Klägerin -

Prozessbevollmächtigte: […]

gegen […]

- Beklagter -

Prozessbevollmächtigte: […]

hat das Landgericht Frankfurt am Main — 6. Zivilkammer — durch Vorsitzenden Richter am Landgericht ... , Richterin am Landgericht ...  und Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.10.2020 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über urheberrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Fotos von einer Brücke im Internet.

Die Klägerin ist Konstrukteurin der im Jahr 2016 fertiggestellten „Lahntalbrücke Limburg“, an der […] als Architekten und […] als Ingenieur mitwirkten. Die drei genannten Personen gewährten mit gleichlautenden Verträgen vom 18.02.2020 (Anlage K 1, Bl. 14 d.A.), 03.03.2020 (Anlage K 2, Bl. 34 d.A.) und vom 05.05.2020 (Anlage K 3, BI. 35 d.A.) als Miturheber der Klägerin ausschließliche Nutzungsrechte. § 2 Abs. 1 lautet wie folgt:

„Hiermit überträgt der Miturheber dem Nutzungsberechtigten [= der Klägerin] sämtliche ausschließlichen Nutzungsrechte betreffend das Projekt „Lahntalbrücke Limburg“. Die Übertragung erfolgt zeitlich und räumlich unbeschränkt. Der Nutzungsberechtigte ist auch befugt, die Nutzungsrechte auf Dritte zu übertragen.“

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Anlagen K 1 bis K 3 Bezug genommen.

Der Beklagte ist professioneller Fotograf und Betreiber der Internetseite www.vonganzoben.de. Der Beklagte stellte folgende drei Aufnahmen von der — noch unfertigen — Brücke auf der von ihm betriebenen Internetseite ein:

 („Bild 1“)

(„Bild 2“)

(„Bild 3“)

Ferner konnte man auf der Internetseite den Beklagten kontaktieren, um ein Luftbild zu kaufen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Anlage K5 (Bl. 38 ff. d.A.) Bezug genommen.

Im Jahr 2017 informierte sich die Zeugin […] — die nach dem Vortrag der Klägerin zu diesem Zeitpunkt nicht bei ihr angestellt, sondern nur freiberuflich tätig gewesen sei - beim Beklagten per E-Mail über den Preis für ein Bild, das auf der Internetseite war, damit es für einen Wettbewerb sowie für die Webseite und Info-Broschüren verwendet werden könne. Außerdem wurde angefragt, ob der Beklagte weitere Fotos mit Drohnen für „einen Wettbewerb, sowie für unsere Webseite und Info-Broschüren“ (Bl. 97 d.A.) erstellen könne. Im Zuge der Korrespondenz teilte die Zeugin […] mit, sie habe mit ihrem „Chef gesprochen“, der gerne ein Bild hätte, das sich auf der Internetseite des Beklagten befindet (Bl. 97 d.A.). Auf die in Anlage B 1 (Bl. 97 ff. d.A.) eingereichte Korrespondenz zwischen dem 26.07. und 03.08.2017 wird Bezug genommen.

Der Beklagte bot mit Schreiben vom 03.08.2017 an, für einen Gesamtpreis von 1.000€ (netto) Luftbildfotografien zu erstellen (Anlage K 4, Bl. 36 f. d.A.). Auf S. 2 des Angebots heißt es unter Nutzungsrechte:

„Nutzungsrechte unbeschränkt

Einräumung von Nutzungsrechten der Fotos. Weltweite, zeitlich unbegrenzte Nutzung in allen Formaten, die Namensnennung des Fotografen erfolgt nach Möglichkeit und im Ermessen des Kunden“

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Anlage K 4 Bezug genommen.

Für die Aufnahmen machte das Mitglied des Vorstands der Klägerin, […], bestimmte Vorgaben (insb. zum Winkel) für den Beklagten, die die Zeugin […] dem Beklagten per E-Mail vom 04.08.2017 mitteilte (Anlage K 12, BlI. 27 d.A.). Der Beklagte fertigte am 10.08.2017 im Auftrag der Klägerin weitere Fotografien an und lieferte diese am 15.08.2017 an die Klägerin, für die die Klägerin 1.000 € zahlte. Darunter befanden sich u.a. folgende Fotografien:

  („Bild 4“)

 („Bild 5“)

(„Bild 6“)

Die Bilder 4 und 5 wurden von der […] in einer Firmen-Broschüre mit einer Auflagenstärke von 12.000 Stück und einem Firmenkalender mit einer Auflagenstärke von 14.500 Stück sowie auf verschiedenen Unterseiten ihrer Internetseite genutzt. Die Bilder 5 und 6 wurden auf Unterseiten der Internetseite des Architektenbüros […] hochgeladen.

Das Bild 5 wurde von der Klägerin wie folgt auf ihrer Homepage dargestellt:

[…]

[…]

Auf dem Bild auf der Internetseite der Klägerin ist die auf dem Bild 5 erkennbare alte Autobahnbrücke nicht mehr zu sehen.

Der Beklagte ließ wegen dieses Sachverhalts am 04.12.2019 die […] (Anlage B 2, Bl. 100 ff. d.A.) und die […] (Anlage B 3, Bl. 109 ff. d.A.) anwaltlich abmahnen und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auffordern. Die Unterlassungserklärungen wurden sodann abgegeben. […] zahlte die geltend gemachten Aufwendungs- und Schadensersatzansprüche in Höhe von 2.000 €. Die […] zahlte einen Teilbetrag vom geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruch.

Der Beklagte erzielte abgesehen von den genannten Aufwendungsersatzansprüchen keine weiteren Einnahmen durch die im Auftrag gefertigten Fotografien. Auch mit den Fotografien, die auf seiner Internetseite eingestellt waren, erzielte der Beklagte keine Einnahmen.

Am 09.03.2020 ließ die Klägerin den Beklagten wegen (angeblicher) Urheberrechtsverletzung abmahnen (Anlage K 6, BI. 41 d.A.). Gegenstand der Abmahnung war die Einstellung der Fotos von der Lahntalbrücke Limburg auf der oben genannten Internetseite. Der Beklagte gab mit anwaltlichen Schreiben vom 21.03.2020 (Anlage K 7, Bl. 47 ff. d.A.) im Interesse der Erledigung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab; weitere Ansprüche auf Auskunft, Schadensersatz und Abmahnkostenerstattung wies er zurück. Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.04.2020 (Anlage K 8, BI. 52 ff. d.A.) setzte die Klägerin dem Beklagten eine Frist bis zum 15.04.2020 zur Zahlung eines Schadensersatzanspruch in Höhe von 3.366,20 €, zur Zahlung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.809,75€ (1,6-fache Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 33.366,20 € nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer) und zur Auskunftserteilung.

Mit Vereinbarung vom 01.04.2020 übertrug […] an die Klägerin seine Miturheberrechte an den Luftbildaufnahmen, die der Beklagte im Auftrag der Klägerin anfertigte. Auf Anlage K 15 (Bl. 33 d.A.) wird Bezug genommen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 22.04.2020 mahnte der Beklagte die Klägerin ab (Anlage B 4, Bl. 120 ff. d.A.). Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe die von dem Beklagten erstellte Fotografie nach einer Bearbeitung ins Internet gestellt, ohne eine Einwilligung des Beklagten einzuholen; außerdem habe der Beklagte die Fotografie an die […] weitergegeben. Die Klägerin wies die Ansprüche zurück.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Lahntalbrücke Limburg sei ein Werk im Sinne von § 2 UrhG. Zur Begründung verweist sie auf die Beschreibung des Deutschen Ingenierbaupreises (Bl. 8 d.A. nebst Anlage K 10, Bl. 15 ff. d.A.). Auf diese Beschreibung wird Bezug genommen. Sie behauptet, für die Brücke bisher Preisgelder in Höhe von 33.662 € vereinnahmt zu haben. Für den zu schätzenden Mindestschaden seien hiervon 10 % angemessen. Außerdem seien die Beträge berücksichtigungsfähig, die der Beklagte — unstreitig — im Rahmen der Abmahnung der […] und des Architektenbüros […] vereinnahmt habe. Im Übrigen könne die Höhe des Schadensersatzanspruchs anhand der Kosten des Baus berechnet werden, der 45,1 Mio. Euro betragen habe.

Die Klägerin behauptet weiter, sie verlange für die Vergabe des Nutzungsrechts an Bildern 500 € pro Printwerk bzw. 250 € für je Bild für die Verwendung im Internet pro Jahr.

Die Panoramafreiheit komme dem Beklagten nicht zugute, zumal der Luftraum nicht allgemein zugänglich sei; für (bestimmte) Drohnennutzung bestehe zudem eine Erlaubnispflicht.

Sie bestreite mit Nichtwissen, dass der Beklagte bereits 2016 die Bilder 1-3 erstellt und online gestellt habe. Eine stillschweigende Duldung oder Gestattung der Nutzung der Bilder werde bestritten.

Die Klägerin hat zunächst neben den weiterhin gestellten Anträgen zu 1. und zu 2. beantragt, den Beklagten zu verurteilen, 3.a) Auskunft darüber zu erteilen, in welcher Höhe der Beklagte bereits Schadensersatzansprüche gegen Dritte aus der Geltendmachung von Urhebereigentumsrechten an den Fotografien, welche er von der Lahntalbrücke Limburg am 06.08.2017 und 09.08.2017 angefertigt hat, realisiert hat, sowie 3.b) für den Fall, dass sich hieraus aufgrund der Auskunft nach Ziff. 4a) [gemeint ist Ziff. 3a)] ein Anspruch ergibt, 50 % des hiernach realisierten Schadensersatzes an die Klägerin auszukehren. Nachdem der Beklagte in der Klageerwiderung erklärt hat, er habe keine weiteren Einnahmen gehabt, haben die Parteien diesen Auskunftsantrag in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Mit Schriftsatz vom 15.10.2020 hat die Klägerin den Antrag zu 3.b) beziffert.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Schadensersatzanspruch, der durch das Gericht nach § 287 ZPO zu schätzen ist, mind. jedoch 3.366,20 Euro, nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.04.2020 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Anwaltskosten i.H.v. 1.809,75 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.04.2020 zu erstatten;

3. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Schadensersatz in Höhe von 1.000,00 Euro zzgl. Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, die Fotos, die Gegenstand der Klageforderung sind, habe er im Jahr 2016 gemacht und auch im selben Jahr auf seiner Internetseite eingestellt. Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Der Klägerin sei es bekannt gewesen, dass die Luftbildaufnahmen (Bilder 1-3) seit 2016 online gewesen seien, sodass Ende 2019 Verjährung eingetreten sei. Im Übrigen liege eine Einwilligung vor, weil die Klägerin nichts eingewendet habe, obwohl sie die Internetseite des Beklagten gekannt habe. Die Brücke könne ferner keinen Urheberschutz beanspruchen, weil es an einer Darlegung fehle, inwieweit die Konstruktion über das technisch Notwendige hinausgehe. Schließlich sei sein Vorgehen durch die sog. Panoramafreiheit gedeckt. Insbesondere könne es keinen Unterschied machen, ob er die Brücke mit einem Teleobjektiv von den Hügeln des Westerwaldes bzw. des Taunus aus oder mit einer Drohne aus dem öffentlich zugänglichen Luftraum heraus fotografiere.

Hilfsweise erklärt der Beklagte die Aufrechnung mit einer behaupteten Gegenforderung in Höhe von 6.961,75 €. Wegen der unerlaubten Weitergabe der Fotos stehe dem Beklagten ein Schadensersatzanspruch im Wege der Lizenzanalogie (unter Heranziehung der MFM-Empfehlungen) in Höhe von 5.152 € zu. Außerdem stehe aufgrund der Inanspruchnahme des Prozessbevollmächtigten der Beklagten ein Anspruch auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.809,75 € (1,6-fache Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 33.862 € nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer) zu.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die geltend gemachten Ansprüche bestehen nicht; auf die hilfsweise geltend gemachte Aufrechnung kommt es nicht an. Denn die Handlung des Beklagten — die öffentlich Zugänglichmachung einer Luftbildaufnahme der Lahntalbrücke Limburg — ist durch § 59 Abs. 1 UrhG gedeckt.

1. Nach überkommener Auffassung ist eine Luftaufnahme eines Gebäudes nicht nach § 59 Abs. 1 UrhG privilegiert, weil dadurch Teile des Gebäudes aufgenommen werden, die von dem Weg, der Straße oder dem Platz aus nicht zu sehen sind (BGH, GRUR 2003, 1035, 1037 — Hundertwasser-Haus). Dabei betont der Bundesgerichtshof, dass bei Auslegung von Schrankenbestimmungen berücksichtigt werden müsse, dass die Ausschließlichkeitsrechte des Urhebers nicht übermäßig beschränkt werden dürfen (BGH, GRUR 2002, 605 f. - Verhüllter Reichstag; BGH, GRUR 2003, 1035, 1037 — Hundertwasser-Haus). § 59 Abs. 1 UrhG liege die Erwägung zugrunde, dass Werke, die sich dauernd an öffentlichen Straßen oder Plätzen befinden, in gewissem Sinne Gemeingut geworden seien und daher der Urheber, der der Aufstellung oder Errichtung seines Werkes an einem öffentlichen Ort zustimme, sein Werk damit in bestimmten Umfang der Allgemeinheit widme (BGH, GRUR 2002, 605, 606 – Verhüllter Reichstag; BGH, GRUR 2003, 1035, 1037 — Hundertwasser-Haus, m.w.N.). Dabei stützt sich der Bundesgerichtshof auch auf die Gesetzgebungsmaterialien zu § 20 KUG (BGH, GRUR 2002, 605, 606 —- Verhüllter Reichstag). Von diesem Zweck sei die gesetzliche Bestimmung nicht mehr gedeckt, wenn der Blick von einem für das allgemeine Publikum unzugänglichen Ort aus fixiert werde; es bestehe keine Notwendigkeit eine Darstellung oder Aufnahme vom urheberrechtlichen Ausschließlichkeitsrecht anzunehmen, die eine ganz andere Perspektive gelte (BGH, GRUR 2003, 1035, 1037 —- Hundertwasser-Haus).

2. Dem schließt sich das Gericht nicht an. Vielmehr ist die Vorschrift richtlinienkonform anhand des Art. 5 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte der Informationsgesellschaft (nachfolgend: „InfoSoc-RL“) auszulegen. Die richtlinienkonforme Auslegung ergibt, dass auch Luftbildaufnahmen von § 59 Abs. 1 UrhG gedeckt sind und auch der Einsatz von Hilfsmitteln nicht aus der Schutzschranke herausführt.

a) In methodischer Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsordnung keinen Rechtssatz kennt, wonach Ausnahmevorschriften stets restriktiv interpretiert werden müssten (BVerfG, NJW 1978, 1149, 1150). Für jede Vorschrift, auch für eine Ausnahmevorschrift, gilt, dass sie korrekt und das heißt hier ihrem eindeutigen Inhalt und Sinn entsprechend auszulegen ist.

b) Art. 5 Abs. 3 Buchst. h InfoSoc-RL sieht die Möglichkeit einer Ausnahmeregelung vor für Werke der Baukunst, die dazu angefertigt wurden, sich bleibend an öffentlichen Orten zu befinden. Teilweise wird vertreten „an öffentlichen Orten“ impliziere, dass das Werk auch für den Menschen ohne besondere Anstrengung oder Hilfsmittel wahrnehmbar ist (Leenen, in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl. 2019 InfoSoc-RL Art. 5 Rn. 134). Eine solche einschränkende Auslegung ergibt sich nicht aus dem Wortlaut der Richtlinie. Maßgeblich ist lediglich, dass sich das Werk an einem öffentlichen Ort befindet; von welchem Ort das Werk betrachtet wird, regelt die Richtlinie gerade nicht. Auch die englische und die französische Sprachfassung der Richtlinie lässt nicht erkennen, dass der Ort,

von dem das Werk betrachtet wird, eingeschränkt werden soll (englisch: „to be located permanently in public places“, französisch: „pour etre placeesen permancence dans des lieux publics“). Die Richtlinie enthält darüber hinaus auch keine Einschränkung dahingehend, dass der Einsatz von Hilfsmitteln ausgeschlossen sein soll. Dass die Richtlinienbestimmung keine Einschränkung hinsichtlich Hilfsmittel und Ort der Betrachtung kennt, muss auch für die Auslegung der deutschen Umsetzungsnorm — § 59 Abs. 1 UrhG — berücksichtigt werden.

c) Auch der Bundesgerichtshof vertritt die Auffassung, dass Schrankenbestimmungen nicht stets eng, sondern die enge Auslegung im Einzelfall einer großzügigeren, dem Gewicht der durch die Schrankenbestimmung geschützten Interessen genügenden Interpretation weichen müsse (BGH, GRUR 2017, 798 Rn. 17 — AIDA Kussmund). Außerdem müsse 8 59 UrhG richtlinienkonform ausgelegt werden. Den Mitgliedstaaten stehe es nach Art. 5 Abs. 2 bis 4 InfoSoc-RL zwar frei, ob sie in den dort genannten Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht, das Recht der öffentlichen Wiedergabe oder das Verbreitungsrecht vorsehen. Sie müssen aber, wenn sie eine Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf diese Verwertungsrechte einführen, deren Voraussetzungen vollständig umsetzen, da eine inkohärente Umsetzung dem Harmonisierungsziel der Richtlinie zuwiderliefe (BGH, GRUR 2017, 798 Rn. 26 — AIDA Kussmund mit Verweis auf EuGH, GRUR 2014, 972 Rn. 16 —- Deckmyn und Vrijheidsfonds/Vandersteen). Bei richtlinienkonformer Auslegung sei es geboten, die Nennung von „Wegen, Straßen oder Plätzen“ in 8 59 Abs. 1 UrhG als lediglich beispielhaft anzusehen (BGH, GRUR 2017, 798 Rn. 24, 26 —- AIDA Kussmund). Auch ein Kreuzfahrtschiff könne daher ein öffentlicher Ort sein, das auf der Hohen See, im Küstenmeer, auf Seewasserstraßen und in Seehäfen eingesetzt werde. Diese Gewässer seien grundsätzlich allgemein zugänglich und dürften von jedermann mit Wasserfahrzeugen befahren werden. Das Kreuzfahrtschiff befinde sich an öffentlichen Orten, soweit es von diesen Gewässern aus wahrgenommen werden könne. Darüber hinaus befinde sich das Kreuzfahrtschiff auch deshalb an öffentlichen Orten, weil es vom allgemein zugänglichen Festland aus zu sehen sei (BGH, GRUR 2017, 798 Rn. 30 — AIDA Kussmund). Damit hat der Bundesgerichtshof auch implizit entschieden, dass der Einsatz von Hilfsmitteln zulässig ist. Denn um ein Werk von einem Gewässer aus sehen zu können, ist notwendigerweise ein Hilfsmittel (Boote, Schiffe) einzusetzen.

d) Bei der richtlinienkonformen Auslegung muss auch die technische Entwicklung der letzten Jahre berücksichtigt werden. Dafür spricht auch, dass das bis zum 30.06.1990 in § 27 Abs. 2 LuftVG (a.F.) geregelte Verbot, von einem Luftfahrzeug aus außerhalb des Fluglinienverkehrs ohne behördlicher Erlaubnis Lichtbildaufnahmen zu fertigen, mit folgender Begründung aufgehoben wurde (BT-Drs. 11/6805, S. 74):

„Angesichts der heutigen Satelliten- und Fototechnik ist darüber hinaus der Grund für diese Vorschrift längst entfallen.“

Diese Erwägungen gelten angesichts der heutigen Entwicklungen erst recht und auch für die Panoramafreiheit. Wird beispielsweise aus einem Hubschrauber heraus Fotografien gemacht, auf denen ein Bauwerk zu sehen ist, diese Fotografien dann auf soziale Netzwerke (Facebook, Instagram, Twitter) oder auf private Blogs geteilt, böte dies bei enger Auslegung des § 59 Abs. 1 UrhG ein Einfallstor für Abmahnungen, zumal das Urheberrecht insoweit keine Differenzierung zwischen privater und gewerblicher Nutzung kennt.

e) Im Übrigen ist das Werk von einem öffentlichen Ort einsehbar. Nach § 1 Abs. 1 LuftVG ist die Benutzung des Luftraums durch Luftfahrzeuge grundsätzlich frei. Es ist außerdem nicht einzusehen, weshalb die Panoramafreiheit greift, wenn ein Werk von einem Gewässer aus wahrgenommen werden kann, nicht aber, wenn ein Werk vom Luftraum aus wahrgenommen werde kann. Für die Ungleichbehandlung gibt es keinen sachlichen Grund; insbesondere ergibt sich eine solche Einschränkung nicht aus der Richtlinie. Soweit die Klägerin sich darauf beruft, dass der Einsatz von Drohnen erlaubnispflichtig sei, muss berücksichtigt werden, dass auch die Nutzung von Wasserfahrzeugen grundsätzlich erlaubnispflichtig ist, der Bundesgerichtshof gleichwohl die Panoramafreiheit angewandt hat. Schließlich muss berücksichtigt werden, dass der Vortrag des Beklagten, dass die streitgegenständliche Brücke auch mittels Teleobjektiv vom Westerwald oder vom Taunus entsprechend hätte fotografiert werden können, unbestritten blieb. Die Brücke war auch unter diesem Gesichtspunkt von öffentlichen Plätzen einsehbar.

f) Das Argument der Klägerin, die Außenansicht eines Bauwerks unterläge bei derart weit verstandener Panoramafreiheit nicht mehr dem urheberrechtlichen Schutz, verfängt nicht. So ist dieses Argument insoweit zirkulär, als der (möglicherweise sehr geringe) Schutzumfang nicht zur Begründung des (weiten) Schutzumfangs herangezogen werden kann. Außerdem bezieht sich die Panoramafreiheit nach § 59 UrhG ohnehin nur auf bestimmte Arten der Vervielfältigung, nämlich mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder Film. Ob darüber hinaus die von der Kammer vertretene Ansicht dahingehend eingeschränkt werden muss, dass die Hindernisse, die den Sichtzugang auf das Werk beschränken (etwa durch Hecken vor einem Gebäude), auch insoweit auf den Luftraum übertragen werden müssen, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Ablichtung der Brücke vom Westerwald oder dem Taunus durch irgendwelchen Sichtschutz behindert wurde.

3. Der nachgelassene Schriftsatz vom 04.11.2020 und die nicht nachgelassenen Schriftsätze vom 20.11.2020 und vom 24.11.2020 boten keinen Anlass, wieder in die mündliche Verhandlung zu treten. Den Parteien musste kein rechtliches Gehör gewährt werden; die Schriftsätze vom 20.11.2020 und vom 24.11.2020 blieben unberücksichtigt. Im Übrigen liegt kein Fall von § 156 Abs. 2 ZPO vor.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1, 91a ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 (Unterschriften)