Leitsätzliches
Die Musikgruppe „Die Höhner“ kann von der NPD verlangen, dass ihre Lieder nicht auf Wahlkampfveranstaltungen gespielt werden.BUNDESGERICHTSHOF
Im Namen des Volkes
Beschluss
Entscheidung vom 11. Mai 2017
Aktenzeichen: I ZR 147/16
Vorinstanzen:
LG Erfurt, Entscheidung vom 25.09.2015 - 3 O 102/15 -
OLG Jena, Entscheidung vom 22.06.2016 - 2 U 868/15 -
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Mai 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. […], die Richter Prof. Dr. […], Dr. […], Dr. […] und die Richterin Dr. […]
beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 2. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 22. Juni 2016 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auf 20.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten um Unterlassungsansprüche der Kläger wegen der Verwendung zweier ihrer Musikstücke auf Wahlkampfveranstaltungen der Beklagten.
Die Kläger zu 1 bis 6 sind Musiker, die gemeinsam als Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Klägerin zu 7 bilden und als Musikgruppe "Die Höhner" bundesweit bekannt sind. Sie sind gemeinsam Komponisten und Textdichter der streitgegenständlichen Musikstücke "Wenn nicht jetzt, wann dann" und "Jetzt geht’s los". Die Kläger zu 1 bis 6 haben für diese Musikstücke einen Wahrnehmungsvertrag mit der GEMA geschlossen. Die Beklagte, die NPD Landesverband Thüringen, spielte während des Landtagswahlkampfes 2014 in Thüringen unter anderem diese beiden Musikstücke im Rahmen ihrer Wahlkampfveranstaltungen auf Marktplätzen von Tonträgern ab. Dies erfolgte jeweils unmittelbar nachdem der Landesvorsitzende der Beklagten seine Wahlkampfrede gehalten hatte und in die Gespräche mit Bürgern übergeleitet wurde. Die GEMA-Gebühren hatte die Beklagte entrichtet.
Die Kläger sehen hierin eine Verletzung ihrer Urheberpersönlichkeitsrechte.
Die Klägerin zu 7 hat die Beklagte im Rahmen eines Verfügungsverfahrens mit Erfolg auf Unterlassung in Anspruch genommen. Mit der vorliegenden Hauptsacheklage nehmen die Kläger die Beklagte auf Unterlassung und Auskunft in Anspruch. Die Beklagte wendet ein, sie sei zur Verwendung der dem Genre der Unterhaltungsmusik angehörenden Musikstücke nach der Entrichtung der GEMA-Gebühren berechtigt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und - soweit für das Beschwerdeverfahren von Belang - die Beklagte zur Unterlassung und zur Auskunftserteilung verurteilt. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht den Unterlassungsausspruch bestätigt (OLG Jena, GRUR 2017, 622). Es hat angenommen, die Beklagte habe die Wiedergabe der streitgegenständlichen Musikstücke in den Zusammenhang ihres politischen Wahlkampfes gestellt und zumindest als "Begleitmusik" in der Phase der Veranstaltung eingesetzt, in der der Landesvorsitzende Kontakt mit umworbenen Wählerinnen und Wählern habe aufnehmen wollen. Dies stelle eine mittelbare Beeinträchtigung des Werkes dar, die die Urheber nicht hinnehmen müssten.
Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Beschwerde der Beklagten. Mit der angestrebten Revision möchte sie die Abweisung der Klage erreichen.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig, da der Wert der von der Beklagten mit der Revision geltend zu machenden Beschwerde nicht den Betrag von 20.000 € übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO, §§ 544, 97 Abs. 1 ZPO).
III.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hätte auch in der Sache keinen Erfolg gehabt, weil die auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten gestützten Rügen nicht durchgreifen, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).
1.
Die Beschwerde macht ohne Erfolg geltend, es bedürfe einer höchst-richterlichen Leitentscheidung zu der Frage, welche Verwendung von frei zugänglichen Musikstücken den politischen Parteien erlaubt sei und unter welchen Voraussetzungen Urheber von Musikstücken deren Abspielen auf Wahlkampfveranstaltungen untersagen könnten.
a)
Die Zulassung der Revision zur Rechtsfortbildung setzt voraus, dass der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzes-lücken auszufüllen. Hierfür besteht nur dann Anlass, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 292; Hinweisbeschluss vom 23. August 2016 - VIII ZR 23/16, NJW-RR 2017, 137 Rn. 5). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
aa)
Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, bietet die Rechtsprechung des Senats bereits hinreichend richtungsweisende Orientierungshilfen zur Lösung des vorliegenden Falls. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach der Senatsrechtsprechung der Urheber eines geschützten Werkes nach § 14 UrhG das Recht hat, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seiner Werke zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - I ZR 23/06, GRUR 2009, 395 Rn. 14 = WRP 2009, 313 - Klingeltöne für Mobiltelefone I). Dabei setzt ein Anspruch nach § 14 UrhG nicht notwendig voraus, dass das Werk selbst verändert wird. Es genügt, wenn die urheberpersönlichkeitsrechtlichen Interessen des Urhebers an seinem Werk - ohne inhaltliche Änderung des Werkes - durch Form und Art der Werkwiedergabe und Werknutzung beeinträchtigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 1981 - I ZR 137/79, GRUR 1982, 107, 110 - Kirchen-Innenraumgestaltung; Urteil vom 7. Februar 2002 - I ZR 304/99, BGHZ 150, 32, 41 - Unikatrahmen; BGH, GRUR 2009, 395 Rn. 14 - Klingeltöne für Mobiltelefone I).
bb)
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht zu Recht das Unterlassungsgebot bestätigt.
(1)
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte die Wiedergabe der streitgegenständlichen Musikstücke in den Zusammenhang ihres politischen Wahlkampfes gestellt. Die Wiedergabe der Musikstücke sei in die laufende politische Wahlkampfveranstaltung integriert gewesen. Sie sei erfolgt, als der Landesvorsitzende der Beklagten sich nach Abschluss seiner Rede zu Gesprächen mit Bürgern begeben hatte. Damit hat das Berufungsgericht zu Recht die Verwendung der Musikstücke nicht als Musik zur Überbrückung einer Wartezeit angesehen, sondern als Untermalung der Überleitung in das Bürgergespräch und damit als in die Dramaturgie der Wahlkampfveranstaltung integriert.
(2)
Es kann im Streitfall offen bleiben, ob die Annahme des Berufungsgerichts zutreffend ist, dass Urheber generell nicht damit rechnen müssten, dass ihre Werke ungefragt bei Wahlkampfveranstaltungen abgespielt würden. Jeden-falls bei der vorliegenden dramaturgischen Einbindung der Musikstücke in die Wahlkampfveranstaltung durch eine Partei, gegen deren politische Ziele sich die Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bereits öffentlich ausgesprochen hatten und die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsfeindlich eingestuft worden ist (vgl. BVerfG, NJW 2017, 611 Rn. 633 ff.), ist im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung den Interessen der Urheber der Vorzug zu geben. Die Verwendung von Musikwerken im Wahlkampf einer politischen Partei, und sei es nur durch einen Transfer der von den Werken ausgehenden Stimmung, ist besonders geeignet, die Interessen der Urheber zu beeinträchtigen. Dabei muss der Urheber von Unterhaltungsmusik mit der Vereinnahmung durch verfassungsfeindliche Parteien nicht rechnen (vgl. zur Aufklärungspflicht eines Mieters von Ladenräumen über das Warensortiment wegen Bekleidungsartikeln, die in der öffentlichen Meinung ausschließlich der rechtsradikalen Szene zugeordnet werden: BGH, Urteil vom 11. August 2010 XII ZR 192/08, NJW 2010, 3362 Rn. 28 - Thor Steinar). Das Berufungsgericht hat auch rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Beklagte nicht darauf angewiesen war, gerade die Werke der Kläger bei ihren politischen Wahlkampfveranstaltungen abzuspielen.
b)
Eine Zulassung der Revision ist auch nicht durch die Rüge der Beschwerde veranlasst, das Berufungsgericht habe verkannt, dass die Beklagte für die Nutzung der streitgegenständlichen Musikwerke Gebühren an die GEMA bezahlt habe.
Maßgeblich für den Umfang der Rechteübertragung an Verwertungsgesellschaften durch Wahrnehmungsverträge ist der Übertragungszweckgedanke (vgl. zur Nutzung von Musikwerken zu Werbezwecken BGH, Urteil vom 10. Juni 2009 - I ZR 226/06, GRUR 2010, 62 Rn. 16 ff. = WRP 2010, 120 - Nutzung von Musik für Werbezwecke). Das Berufungsgericht hat insoweit rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Rechteübertragung an die GEMA durch den Urheber lediglich die üblichen und voraussehbaren Formen der öffentlichen Wiedergabe umfasst, zu denen die Verwendung im Rahmen von Wahlkampfveranstaltungen politischer Parteien nicht gehört.
2.
Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO abgesehen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.