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Haftung des Domaininhabers für Rechtsverletzungen durch den Pächter - OLG Köln, Urteil vom 19. März 2010, Az.: 6 U 167/09

Leitsätzliches

Es besteht grundsätzlich keine Pflicht des Domaininhabers, den Inhalt der Webseite seines Pächters auf mögliche Rechtsverletzungen zu überprüfen, sofern hierfür keine Anhaltspunkte bestehen.

OBERLANDESGERICHT KÖLN

URTEIL

Aktenzeichen: 6 W 59/04

Entscheidung vom: 8. Juni 2004

In dem Rechtsstreit (...)

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 19. Februar 2010 durch seine Mitglieder …, … und …

für Recht erkannt:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 02.09.2009 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 28 O 17/09 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheits-leistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

G r ü n d e

I.

Die Klägerin, die unter „www.stadtplandienst.de“ kartographisches Material von deutschen Städten anbietet, für dessen gewerbliche Nutzung sie ein Lizenzentgelt verlangt, nimmt die Beklagte wegen dreier Ausschnitte von Karten der Stadt Jena auf Unterlassung in Anspruch, die im Oktober 2008 unter „www.123-heim.de“ und „www.maxxgain.net“ auf der Webseite des vom damaligen Alleingeschäftsführer der Beklagten einzelkaufmännisch geführten Un-ternehmens „S-Immobilien“ öffentlich zugänglich waren. Die Beklagte ist Inhaberin der Do-mains; nachdem sie abgemahnt worden war, nahm sie die Webseite aus dem Netz und ihr Geschäftsführer persönlich gab eine Unterlassungserklärung ab. Die Klägerin behauptet, ihr stünden ausschließliche Nutzungsrechte an dem Kartenmaterial zu. Die Beklagte macht gel-tend, das Unternehmen ihres Geschäftsführers habe die Webseite eigenständig gestaltet oder von Dritten gestalten lassen, während ihr keine allgemeine fortlaufende Überprüfung der von ihr überlassenen Speicherplätze und Domains zuzumuten gewesen sei. Das Landgericht hat sein dem Klageantrag entsprechendes Versäumnisurteil vom 13.05.2009 nach Einspruch der Beklagten aufrechterhalten; dagegen richtet sich deren Berufung.

II.

Die zulässige Berufung erweist sich in der Sache als unbegründet. Zu Recht hat das Landge-richt die Beklagte verurteilt, die Online-Veröffentlichung urheberrechtlich geschützter Kar-tenausschnitte in der eingeblendeten konkreten Verletzungsform künftig zu unterlassen (§ 97 Abs. 1 S. 1 UrhG), denn hinsichtlich der unstreitigen Rechtsverletzung (§§ 2 Abs. 1 Nr. 7, 19a UrhG) von Oktober 2008 auf der unter ihren Domains betriebenen Webseite ist sie bis zur Abgabe einer eigenen strafbewehrten Unterlassungserklärung passiv und die Klägerin aktiv legitimiert.

1.
Gegen die fehlerfreie Feststellung des Landgerichts, dass die Klägerin ausschließliche Nut-zungsrechte an den nach 2001 gemäß dem Zeichenschlüssel ihres Alleinvorstands in Bulga-rien hergestellten Karten von Jena im August 2003 über die Mobilitätsverlag GmbH und die PCS-Satztechnik GmbH erworben hat, jedenfalls aber im Oktober 2008 darüber verfügte, wendet sich die Berufung ohne Erfolg. Für die Berechtigung der Klägerin spricht angesichts des vorgelegten Archiv-Kartenmaterials mit „Copyright“-Vermerk (Anlage K 4) schon eine Vermutung (§ 10 Abs. 1 und 3 UrhG). Unabhängig davon ergibt sich trotz fehlender Erwäh-nung der Stadt Jena in den vertraglichen Vereinbarungen der Jahre 1997 und 2000 (Anlage K 1) jedenfalls aus der klarstellenden Vereinbarung vom 02.10.2006 (Anlage K 10), dass die Klägerin gemäß ihrem Vorbringen im Schriftsatz vom 23.07.2009 exklusive Rechte auch an dem von der Mobilitätsverlag GmbH unter dem 06.08.2003 (Anlage K 1) berechneten Kar-tenmaterial für Jena erworben hat.

2.
Die Beklagte haftet für die rechtsverletzende Publikation unlizenzierter Kartenausschnitte auf der unter „www.123-heim.de“ und „www.maxxgain.net“ betriebenen Webseite ungeachtet ihres Vorbringens, dass sie die Domains samt Speicherplatz im fraglichen Zeitraum bis Okto-ber 2008 lediglich ihrem damaligen Alleingeschäftsführer L S für dessen einzelkaufmänni-sches Immobilien-Unternehmen zur eigenständigen Gestaltung „vermietet“ oder – begrifflich genauer – im Wege der Rechtspacht (§ 581 BGB) überlassen hatte. Die auf Unterlassung künftiger Urheberrechtsverletzungen gerichtete, telemediengesetzlich nicht privilegierte (BGHZ 172, 119 = GRUR 2007, 708 = WRP 2007, 964 [Rn. 19] – Internet-Versteigerung II; BGH, GRUR 2009, 1093 = WRP 2009, 1262 [Rn. 17] – Focus Online) Haftung des Verpäch-ters einer Domain, dessen adäquat kausaler Beitrag zu dem Verstoß auf der unter seiner Do-main betriebenen Webseite ebenso wenig zu bezweifeln ist wie seine bei angemessener Ges-taltung des Pachtvertrages bestehende rechtliche Möglichkeit zur Unterbindung weiterer Ver-stöße, setzt allerdings die Verletzung von Prüfungspflichten voraus, deren Umfang sich da-nach bestimmt, ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist; denn nur dann haftet er für die Verletzung absolut geschützter Rechte – auch ohne Mittäter- oder Gehilfenvorsatz – zumindest als Störer (BGHZ 172, 119 = GRUR 2007, 708 = WRP 2007, 964 [Rn. 40] – Internet-Ver¬stei¬gerung II; BGH, GRUR 2008, 702 = WRP 2008, 1104 [Rn. 50] – Internet-Versteigerung III; GRUR 2009, 1093 = WRP 2009, 1262 [Rn. 17] – Focus Online; Senat, GRUR-RR 2009, 27 [28] – Admin-C). Grundsätzlich trifft den bloßen Inhaber und Verpächter einer Domain keine Pflicht, den Inhalt der Webseite seines Pächters allgemein – ohne Kenntnis von konkreten Verstößen – auf mögliche Rechts-verletzungen zu überprüfen (so für persönlichkeitsverletzende Äußerungen BGH, GRUR 2009, 1093 = WRP 2009, 1262 [Rn. 21 ff.] – Focus Online; für grundsätzlich täterschaftliche Haftung des Domaininhabers dagegen J. B. Nordemann in: Fromm / Nordemann, Urheber-recht, 10. Aufl., § 97 UrhG Rn. 169). Im Streitfall liegen jedoch besondere Umstände vor, die eine Pflichtverletzung der Beklagten schon vor ihrer Abmahnung durch die Klägerin begrün-den:

a)
Die in der Klageerwiderung – undeutlich – in Bezug genommene Einlassung der Beklagten in der Antwort auf die Abmahnung (Anlage ASt 6 zur Antragsschrift im vorauslaufenden Ver-fügungsverfahren), ihrem Geschäftsführer sei nicht bekannt gewesen, dass der von ihm mit einem Entwurf beauftragte Webseitengestalter lizenzpflichtige Karten auf dem Webserver hinterlegt hatte, hinderte das Landgericht nicht an der Feststellung, er habe Kenntnis sowohl vom Inhalt der den Domains zugeordneten Webseite als auch von der fehlenden Lizenzierung des streitbefangenen Kartenmaterials gehabt. Abgesehen davon, dass sich aus Rechtsgründen nicht auf Unkenntnis berufen kann, wer sich einer auf der Hand liegenden Erkenntnismög-lichkeit bewusst verschließt (vgl. – jeweils m.w.N. – zum Verjährungsbeginn BGH, NJW 2007, 834 [Rn. 8]; Köhler / Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 11 Rn. 1.25; zur Kenntnis des Kreditgebers beim Verbundgeschäft BGH, NJW 2007, 3200 [Rn. 21]), steht das Vorbringen der Beklagten nämlich nicht der nahe liegenden Annahme entgegen, dass ihr Geschäftsführer um die Verwendung von Stadtplanausschnitten zur näheren Lagebeschreibung der Immobi-lien-Objekte in Jena wusste, deren Beschreibung den wesentlichen Inhalt der ins Netz gestell-ten Webseite seines einzelkaufmännischen Unternehmens bildete (Anlage K 2). Ebenso wenig kann ihm als Immobilienkaufmann verborgen geblieben sein, dass er für die Nutzung des Kartenmaterials kein Lizenzentgelt entrichtet hatte – obwohl er weder sichergestellt noch sich vergewissert hatte, dass der Webseitengestalter nur gemeinfreies oder unentgeltlich verfügba-res Kartenmaterial verwandte. Wenn er aus diesen bekannten Tatsachen nicht auf eine unbe-fugte Verwendung lizenzpflichtigen Materials schloss, beseitigt diese rechtliche Fehleinschät-zung seine Verant¬wortlichkeit für den rechtsverletzenden Inhalt der Webseite nicht.

b)
Die Kenntnis ihres damaligen Alleingeschäftsführers führt in wertender Betrachtung dazu, dass die den Urheberrechtsverstoß begründenden Tatsachen auch der Beklagten als Domai-ninhaberin bekannt waren, so dass sie zu dessen Unterbindung schon vor der Abmahnung der Klägerin hätte tätig werden können und müssen. Als juristische Person hat sie sich das Wissen ihrer vertretungsberechtigten Organwalter (§§ 28 Abs. 2, 31 BGB) zurechnen zu lassen (BGHZ 109, 327 [330 f.] = NJW 1990, 975 [976]; BGHZ 140, 54 = NJW 1999, 284 [286]; vgl. auch BGH, GRUR 2004, 74 [76] – Rassistische Hetze [m.w.N.] zur möglichen Wissens-zurechnung im Provider-Bereich), was auch für außerhalb der organschaftlichen Tätigkeit gewonnenes „privates“ Wissen jedenfalls dort gilt, wo die Sonderung beider Wissensbereiche aus der maßgeblichen Sicht des Verkehrs auf „eine Art Schizophrenie“ hinauslaufen würde und nicht hinnehmbar erscheint (Fleischer, NJW 2006, 3239 [3242] m.w.N.). So liegt es hier: Die von der Beklagten geltend gemachte Aufteilung der Aufgabenbereiche ihres Geschäfts-führers auf sie als Domainverpächterin und sein einzelkaufmännisches Unternehmen als Betreiber der Webseite war für den durchschnittlichen Internetnutzer – wenn überhaupt – kei-neswegs so deutlich erkennbar, dass eine getrennte Bewertung des Wissenstandes ein und derselben natürlichen Person L S im einen oder anderen Bereich nachvollziehbar erschiene. Dies gilt um so mehr, als die Beklagte dieselbe Geschäftsadresse führt wie „S Immobilien“. Ob die Trennung zwischen Domaininhaber und Webseitenbetreiber im Streitfall sogar der Verschiebung und Verschleierung von Verantwortlichkeiten diente (vgl. BGH, GRUR 2009, 1093 = WRP 2009, 1262 [Rn. 25] – Focus Online), kann vor diesem Hintergrund offen blei-ben. Auf den mit nicht nachgelassenem Schriftsatz der Beklagten vom 04.03.2010 mitgeteil-ten Umstand, dass Herr S – neben Herrn Dennis Braun aus München – nur einen Gesell-schaftsanteil von 4 % an der Beklagten hielt, kommt es erst recht nicht an.

c)
Die Annahme, dass die nach alledem auch von der Beklagten begründete Wiederholungsge-fahr schon durch die von ihrem Geschäftsführer ausdrücklich nur im eigenen Namen abgege-bene Unterlassungserklärung beseitigt worden sei (was BGH, GRUR 2009, 1093 = WRP 2009, 1262 [Rn. 29] – Focus Online im Hinblick auf eine Erklärung der dortigen Domain-pächterin und Webseitenbetreiberin erwogen, aber offen gelassen hat), verbietet sich, weil die persönliche Erklärung des Geschäftsführers die Beklagte wegen ihrer im Prozess gerade be-tonten eigenen Rechtspersönlichkeit und des jederzeit möglichen, nach ihrem Vorbringen inzwischen auch stattgefundenen Wechsels in der Geschäftsführung nicht bindet.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Es bestand kein Anlass, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen. Das Urteil beruht auf der Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze auf einen Einzelfall, ohne dass der Sache grundsätzliche Bedeutung zukommt oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof erfordert.

Unterschriften