Leitsätzliches
Ein Journalist kann mangels Aktivlegitimation von einer Rundfunkanstalt nicht Unterlassung, Auskunfterteilung und Schadensersatz wegen des Einstellens von einzelnen Bildern aus seinem Filmwerk ins Internet verlangen. Er hat seine Aktivlegititmation aufgrund der im Tarifvertrag geregelten Übertragung der Nutzungsrechte auf den ihn beschäftigenden WDR verloren. Der Begriff im Tarifvertrag der "teilweisen Nutzung" erfasst auch einzelnde Bilder, da ein Film aus Einzelbildern besteht.
OBERLANDESGERICHT KÖLN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Aktenzeichen: 6 U 67/04
Entscheidung vom 13. August 2004
In dem Rechtsstreit
...
gegen
...
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 30.7.2004 unter Mitwirkung der Richter ... für Recht erkannt:
1.) Die Berufung des Klägers gegen das am 3.3.2004 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O 517/03 - wird zurückgewiesen.2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % der zu vollstreckenden Summe abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit jeweils in derselben Höhe leistet.
Die Parteien können die Sicherheiten durch eine schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstitutes leisten.
4.) Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger, ein Journalist, hat in den Jahren 1997 und 1999 für den WDR je einen Film über Indien, nämlich die Titel "Xx" und "S. " produziert. Er nimmt den Beklagten, den C. Rundfunk, auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz in Anspruch, nachdem dieser einzelne ("stehende") Bilder aus diesen Filmwerken in das Internet eingestellt hat.
Der Kläger hatte mit dem WDR bezüglich beider Filme jeweils einen die Erstellung des Drehbuches betreffenden "Urhebervertrag (Sendevertrag)" sowie einen "Mitwirkendenvertrag (Beschäftigungsvertrag)" geschlossen, der die anschließende Produktion zum Gegenstand hatte. Beiden Verträgen lagen Tarifverträge zugrunde, in denen die Übertragung von ausschließlichen Nutzungsrechten des Drehbuchautors bzw. Produzenten auf den WDR und dessen Recht zur Weiterübertragung dieser Rechte geregelt waren. In der Folgezeit sind die Filme mehrfach von dem Beklagten, dem C. Rundfunk, ausgestrahlt worden. Mit Blick auf diese von dem Kläger nicht beanstandeten Ausstrahlungen veröffentlichte der Beklagte unter "Schulfernsehen online" Materialien über die Filme im Internet. Zu diesen Materialien gehört eine Anzahl von Einzelbildern, die aus dem betreffenden Film des Klägers stammen und jeweils mit einem kommentierenden Satz versehen worden sind. Zum Beispiel befindet sich neben dem Bild eines Mannes im Freien der Satz "Der Großgrundbesitzer gehört einer hohen Kaste an." Überdies bietet der Beklagte den Download aller so veröffentlichten Bilder als sog. Zip-Datei an.
Der Kläger ist der Auffassung, das Recht zur Verwertung einzelner ("stehender") Bilder aus seinen Filmen aufgrund der Vertragsvereinbarungen nicht auf den WDR übertragen zu haben, weswegen dieser die Rechte auch nicht wirksam auf den Beklagten habe übertragen können.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Übertragung der Rechte von dem WDR auf den Beklagten sei unstreitig und die einschlägigen tarifvertraglichen Regelungen erfassten auch die Nutzungsrechte an den einzelnen Bildern der Filme.
Im Berufungsverfahren verfolgt der Kläger seine Klageanträge unverändert weiter. Die Rechteübertragung sei schon in erster Instanz von ihm bestritten gewesen und werde weiter bestritten, zudem betreffe die Einräumung von Nutzungsrechten an den Filmwerken nicht auch die Nutzungsrechte an den einzelnen Bildern, weil diese einem eigenständigen Urheberrechtsschutz unterlägen.
II.
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens hat die Kammer zu Recht die Klage abgewiesen.
Der Kläger macht Ansprüche gem. § 97 Abs.1 UrhG aus der angenommenen Verletzung von Nutzungsrechten an seinen Filmwerken "Xx" und "S. " geltend. Für die Entscheidung kann offen bleiben, ob die beanstandete Kommentierung, Veröffentlichung und Verbreitung von Einzelbildern aus diesen Filmen durch den Beklagten eine Verletzung von Nutzungsrechten darstellt. Denn auch wenn das so sein sollte, stünden die sich daraus ergebenden Ansprüche nicht dem Kläger zu, weil dieser aufgrund der Übertragung der Nutzungsrechte auf den WDR seine Aktivlegitimation hinsichtlich solcher Ansprüche verloren hat, also nicht deren Inhaber ist.
Der Kläger ist als ihr Produzent Urheber der beiden gem. § 2 Abs.1 Ziff.6, Abs.2 UrhG urheberrechtlich geschützten Filme. Als solcher ist er im Ausgangspunkt von Verletzungen seiner Urheberrechte an den Filmen betroffen und daher auch Inhaber der sich gem. § 97 Abs.1 UrhG aus solchen Rechtsverletzungen ergebenden Ansprüche. Er hat aber die ausschließlichen Nutzungsrechte an beiden Filmwerken auf den WDR übertragen. Das ergibt sich aus Ziff.13.1. des Tarifvertrages für auf Produktionsdauer Beschäftigte des WDR vom 01.12.1976, der Grundlage der jeweils geschlossenen Mitwirkendenverträge über die Produktion beider Filme ist. Diese Bestimmung lautet: "Mit dem Abschluss des Vertrags räumt der Beschäftigte dem WDR die ausschließlichen, räumlich, zeitlich und inhaltlich unbeschränkten Rechte ein, seine Rechte am Werk bzw. die erworbenen verwandten Schutzrechte für alle Zwecke des Rundfunks ganz oder teilweise im In- und Ausland beliebig oft zu nutzen und die unter Benutzung des Werkes erfolgte Sendung oder hergestellte Produktion ganz oder teilweise im In- und Ausland beliebig oft zu verwerten."
Hat damit der Kläger wie es der ausdrückliche Wortlaut dieser Klausel bestimmt die ausschließlichen Nutzungsrechte an den Filmwerken mit der Folge auf den WDR übertragen, dass auch er selber die Rechte nicht mehr wahrnehmen kann, so entspricht es gefestigter Auffassung, dass damit auch auf § 97 Abs.1 UrhG gegründete Ansprüche aus Nutzungsrechtsverletzungen grundsätzlich nicht in seiner Person entstehen, er also hinsichtlich solcher Ansprüche nicht aktivlegitimiert ist (vgl. BGH GRUR 57,614 f - "Ferien vom Ich"; GRUR 92,697 - "Alf"; Schricker-Wild § 97 RZ 28; Dreier/Schulze § 97 RZ 19).
Das gilt allerdings nur für die Verletzung solcher Nutzungsrechte, die von der Übertragung auch erfasst sind (vgl. BGH a.a.O. "Alf"). Der Kläger hat aber auch die in Rede stehende Berechtigung, einzelne (stehende) Bilder aus den Filmen in der von dem Kläger beanstandeten Weise im Intranet zu veröffentlichen, dem WDR eingeräumt.
Der oben zitierte Text der Klausel erfasst nach seinem ausdrücklichen Wortlaut auch das Recht, den Film "teilweise ... beliebig oft zu nutzen". Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass der Begriff "teilweise" nicht nur Teile des Films, also bestimmte Sequenzen, sondern auch dessen einzelnen Bilder erfasst, weil der Film eben aus diesen Einzelbildern besteht. Der Kläger leitet seine abweichende Auffassung daraus her, dass bei Filmwerken neben dem Film selbst auch die einzelnen Bilder ihrerseits urheberrechtlichen Schutz genießen. Das mag zutreffen, ändert aber nichts daran, dass auch die Nutzungsrechte an eben diesen Einzelbildern übertragen werden können und aus den genannten Gründen übertragen worden sind. Jede andere Auslegung der Klausel würde auch an dem wohlverstandenen Interesse der Parteien vorbeigehen: dem entspricht es nicht, dass der WDR bzw. eine andere Sendeanstalt, der der WDR die Rechte weiter übertragen hat, zwar den Film zeigen darf, aber nicht berechtigt sein soll, einzelne Bilder zu veröffentlichen, um so gerade auf den Film hinzuweisen, zumal es danach sogar unzulässig wäre, in einem Programmhinweis im Fernsehen einzelne "stehende" Bilder aus den Filmen - z.B. solche von besonderer Aussagekraft - auszustrahlen. An dieser Wertung ändert auch die Auffassung des Klägers nichts, die Zusammenstellung der Filmeinzelbilder zum Download könnte möglicherweise als Sammelwerk nach § 4 UrhG geschützt sein.
Soweit der Kläger die kommentierenden Sätze, mit denen der Beklagte die einzelnen Bilder versehen hat, als deren gem. § 23 UrhG unberechtigte Bearbeitung beanstandet, hat seine Berufung ebenfalls keinen Erfolg. Das Versehen der Bilder mit einem kommentierenden Satz stellt schon nicht deren unfreie Bearbeitung dar. Die Bilder sind unverändert geblieben und lediglich erläutert worden. Es handelt sich nicht um eine Bearbeitung der Bilder, sondern die Schaffung von schriftlichem Begleitmaterial zu den Filmen. Das (ausschließliche) Recht zur Herstellung und Verbreitung von schriftlichem Begleitmaterial hat der Kläger durch Ziff.13.2.9. des Tarifvertrages indes ebenfalls dem WDR eingeräumt, weswegen er aus den dargelegten Gründen die angebliche Rechtsverletzung durch den Beklagten nicht geltend machen kann. Überdies würde auch die Annahme, es liege eine Bearbeitung vor, nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Denn der Kläger hat durch die Ziffern 13.2.8 und 16.3 des Tarifvertrages i.V.m. § 39 Abs.2 UrhG auch das ausschließliche Recht zu einer derartigen - unterstellten - Bearbeitung auf den WDR übertragen. Er dürfte nämlich seine Zustimmung zu der Kommentierung der Einzelbilder nicht verweigern, weil sie im Rahmen einer sachgerechten Begleitung des Films erfolgen und seine eigenen Belange durch diese Textzeilen nicht berührt werden.
Dem Kläger könnten die streitgegenständlichen Ansprüche auch dann zustehen, wenn sie auf Verletzungen seiner Urheberpersönlichkeitsrechte beruhten oder der Kläger trotz der umfassenden Übertragung der ausschließlichen Nutzungsrechte noch eigene wirtschaftliche Interessen an der Verwertung des Films hätte (vgl. BGH a.a.O. "Ferien vom Ich"; "Alf"). Diese Voraussetzungen liegen aber nach seinem eigenen Vortrag nicht vor.
Soweit der Kläger erstmals in der mündlichen Berufungsverhandlung die Sorge geäußert hat, es sei wegen der politischen und in den Filmen kritisch angesprochenen Verhältnisse in Indien und der weltweiten Verbreitung des Internets eine Gefahr für die abgebildeten namentlich bezeichneten Personen zu befürchten, betrifft dieser Vortrag ersichtlich kein Persönlichkeitsrecht des Klägers als Urheber der Filme. Überdies ist - wie der Kläger ausdrücklich eingeräumt hat - auf seine Intervention eine Anzahl der Bilder bereits geschwärzt worden. Dass von den verbliebenen Bildern eine konkrete Gefahr für die Abgebildeten, die ohnehin nicht Verfahrensgegenstand ist, ausgehen könnte, hat der Kläger nicht vorgetragen und erhellt sich auch bei Betrachtung der Bilder nicht.
Ist der Kläger danach nicht Inhaber der geltendgemachten Ansprüche, so ist die Klage aus diesem Grunde abzuweisen. Es ist daher für die Entscheidung ohne Bedeutung, dass die behauptete Weiterübertragung der Nutzungsrechte durch den WDR - wie die Berufung zutreffend rügt - entgegen der Auffassung der Kammer in erster Instanz nicht unstreitig war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 543 ZPO liegen nicht vor.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 10.500 €.
(Unterschriften)