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OLG Nürnberg, Urteil vom 29. Juli 2003, AZ.: 3 U 1225/03 - Verwendung von "0190"-Nummer für Kreditvermittlung

Leitsätzliches

Verwendung einer "0190"-Nummer im Zusammenhang mit der Werbung für eine Kreditvermittlung ist unzulässig

OBERLANDESGERICHT NÜRNBERG

IM NAMEN DES VOLKES

ENDURTEIL

Aktenzeichen: 3 U 1225/03

Entscheidung vom 29. Juli 2003

 

 

In Sachen

 

Bundesverband ...

- Klägerin und Berufungsklägerin

 

Prozessbevollmächtigte:

 

gegen

 

...

- Beklagter und Berufungsbeklagter

 

Prozess bevollmächtigter:

 

wegen Unterlassung,

 

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 01.07.2003

 

für Recht erkannt:

 

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Regensburg vom 13. März 2003 wie folgt abgeändert:

 

Der Beklagte wird verurteilt, bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ord-nungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten es zu unterlassen, im geschäftli-chen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Zusammenhang mit der Werbung für eine Kreditvermittlung folgendes anzugeben:

 

"Tel.: 0190..."

 

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Beschluss

 

Der Streitwert wird auf 15.000,-- Euro festgesetzt.

 

 

Gründe

 

I.

Die Parteien streiten um einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch.

 

Der Beklagte bot im Internet die Vermittlung privater Ratenkredite an, wobei die Kontaktaufnahme unter ande-rem unter einer Telefonmehrwertdienstnummer mit der Vorwahl "0190" ermöglicht war. Die Klägerin hat bean-tragt, den Beklagten dazu zu verurteilen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Zusam-menhang mit der Werbung für seine Kreditvermittlung folgendes anzugeben: "Tel.: 0190..."

 

Der Beklagte, der sich darauf bezieht, dass die Kontaktaufnahme nicht zwingend über diese Nummer erfolgen muss, hat beantragt, die Klage abzuweisen.

 

Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

 

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der seinen Anspruch in vollem Umfang weiterfolgt. Er bezieht sich dabei auf den Verhaltenskodex "FST Freiwillige Selbstkontrolle Telefonmehrwertdienste e.V.", der die Ver-wendung einer PremiumRate-Rufnummer zum Zwecke der Kreditvermittlung untersagt.

 

Der Beklagte, der sich auch in zweiter Instanz vor allem darauf bezieht, dass auch andere Formen der Kontakt-aufnahme möglich seien, beantragt die Berufung zurückzuweisen.

 

Wegen des weiteren Berufungsvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsan-spruch unter dem Gesichtspunkt "Vorsprung durch Rechtsbruch" zu, § 1 UWG.

 

1. Der Kläger ist nach § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG klagebefugt.

 

2. Durch seine Werbung für Kreditvermittlung im Internet handelt der Beklagte im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs.

 

3. Das Verhalten des Beklagten ist auch sittenwidrig nach § 1 UWG.

 

a) Der Beklagte verstößt gegen §§ 655 c und 655 d BGB. Diese Vorschriften sehen vor, dass eine Vergütung für Kreditvermittlung nur im Erfolgsfalle geschuldet wird und dass außer dieser erfolgsabhängigen Vergütung keine weiteren Entgelte vereinbart werden dürfen. Eine Ausnahme ist nur insoweit vorgesehen, als vereinbart werden kann, dass dem Vermittler entstandene erforderliche Auslagen zu erstatten sind. Dies setzt voraus, dass die Kos-ten nach Abschluss des Kreditvermittlungsvertrages entstanden sein müssen, da vorher keine entsprechende Vereinbarung getroffen werden kann (vgl. OLG Stuttgart NJWE -WettbR 2000, 11, Urteil vom 18.06.1999 - 2 U 233/98). Hiergegen verstößt der Beklagte, da bereits durch die Kontaktaufnahme über die Telefonmehrwert-dienstnummer Gebühren entstehen, unabhängig davon, ob später ein Kreditvermittlungsvertrag zustande kommt.

 

b) Der Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift außerhalb des UWG führt nicht zwangsläufig zu Sittenwidrigkeit im Sinne von § 1 UWG (vgl. Köhler/Piper, 3. Auflage, § 1 UWG Rn. 726). Die §§ 655 c und 655 d sind im Sinne des Wettbewerbsrechts wertneutrale Normen. Ein Verstoß hiergegen führt erst dann zur Sittenwidrigkeit, wenn Um-stände hinzutreten, die den Gesetzesverstoß auch wettbewerbsrechtlich anstößig erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung z. B. BGH GRUR 95,427). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Übertretung der Norm be-wusst und zum Mittel des Wettbewerbs gemacht wird, um einen sachlich nicht gerechtfertigten Wett-bewerbsvorsprung vor Mitbewerbern zu erzielen. Gemessen an diesen Darlegungen ergibt sich für den vorliegenden Fall folgendes:

 

aa) Die Vorschriften der §§ 655 c und 655 d sind wettbewerbs bezogene Normen. Sie dienen ebenso wie das UWG dem Verbraucherschutz.

bb) Der Beklagte hat sich bewusst über die genannten Vorschriften hinweggesetzt. Vorsatz in diesem Zusammenhang bedeutet nur Kenntnis der Tatumstände, nicht Kenntnis der Rechtswidrigkeit. Unstrei-tig hat der Beklagte selbst die Werbung mit der Telefonmehrwertdienstnummer veranlasst.

cc) Er handelte auch planmäßig, das heißt zielbewusst auf die Begehung weiterer Gesetzesverstöße bezogen. Dies ergibt sich aus der Art der Werbung im Internet, die nicht einmalig, sondern auf Dauer angelegt ist.

dd) Der Beklagte handelte auch in der Absicht, einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Er selbst trägt vor, einen höheren Aufwand für den Service "Eilantrag", den er mit der Telefonmehrwertdienstnum-mer betrieb, zu haben. Er finanzierte diesen Aufwand ganz oder teilweise durch die erhöhten Telefon-gebühren. Mitbewerber, die sich an die gesetzlichen Regelungen halten, sind demgegenüber im Nach-teil. Sie können den Service entweder nicht anbieten oder müssen ihn durch Gewinnminimierung fi-nanzieren.

ee) Es besteht auch Wiederholungsgefahr: Zwar hat der Beklagte inzwischen die streitgegenständliche Werbung eingestellt, aber keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Hier durch wird die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt.

 

4. Für diese Entscheidung kann es dahin stehen, ob sich für ein Nichtmitglied des Vereins "FST Freiwil-lige Selbstkontrolle Telefonmehrwertdienste e.V." wettbewerbsrechtliche Folgen aus dem Verhaltenko-dex des Vereines ergeben. Anerkannt ist, dass von branchenkundiger Hand erarbeitete Bestimmungen Erkenntnisquelle dafür sein können, was in der betreffenden Branche lauter oder unlauter ist (BGH GRUR 77,257). Eine weitergehende Wirkung kommt den Wettbewerbsrichtlinien allerdings nicht zu. Auf den vorliegenden Fall bezogen ist nichts dazu vorgetragen, welche Mitgliederzahlen der Verein hat, welches Gewicht dem Kodex danach zukommt und inwieweit die dort niedergelegten Bestimmungen tatsächlich bran-chenüblich sind.

 

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

 

6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

 

(Unterschriften der Richter)

 

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