×

Rückruf vereinbaren

Ihre Nachricht an uns

Startseite
/
Urteile
/
Telekommunikation
/
Kein Zurückbehaltungsrecht bei Abschaltungsanordnung und Inkassoverbot - LG Frankfurt a.M., Urteil vom 27.10.2008

Leitsätzliches

Die Bundesnetzagentur kann Abschaltungen von Mehrwertdiensterufnummern und ein damit einhergehendes Inkassoverbot anordnen. In diesem Fall steht dem Verbindungsnetzbetreiber, in dessen Netz die Nummern geschaltet waren, gegenüber seinem Kunden, dem Diensteanbieter, kein Zurückbehaltungsrecht zu, weil sich etwaige Bereicherungsansprüche von Endkunden gegen den Diensteanbieter richten müssten und andere Einwendungen ersichtlich nicht vorliegen.

LANDGERICHT FRANKFURT AM MAIN

IM NAMEN DES VOLKES

TEILURTEIL

Entscheidung vom 27. Oktober 2008

In dem Rechtsstreit

...

Klägerin und Widerbeklagte,

gegen

...

Beklagte und Widerklägerin,

hat die I. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main durch Vorsitzenden Richter am Landgericht Kermer auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15.09.2008 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin abschließend Rechnung über die im Zeitraum vom ... bis zum ... durch die Nutzung der Rufnummern ... angefallenen Minuten, die Anzahl der insgesamt erfolgten Anrufe sowie den sich daraus ergebenden Umsatz zu legen;

die Beklagte wird weiterhin verurteilt, an die Klägerin... nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem ... zu zahlen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung von 1.500,00€ vorläufig vollstreckbar.

TATBESTAND

Die Klägerin nimmt die Beklagte im Wege der Stufenklage auf Auskunft, Rechnungslegung und Zahlung im Zusammenhang mit erbrachten Telekommunikationsleistungen in Anspruch, während die Beklagte mit der Widerklage bestimmte Feststellungen begehrt.

Die Parteien vereinbarten mit Vertrag Vom 10.09.2007, auf den nebst Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwiesen wird (Blatt 12 ff. der Akten), dass die Beklagte für verschiedene Mehrwertdiensterufnummern aus dein Bereich der 0900-Rufnummern als Provider Dienstleistungen erbringen sollte, unter anderem wöchentliche Abrechnung der angefallenen Gebühren und Auszahlung von jeweils zunächst 60 % (und 14 Wochen nach Monatsende weitere 40 %) an die Klägerin nach Abzug der vereinbarten Vergütung von 8 % der Bruttovergütung sowie 0,05 e /min für Transportdienstleistungen bei einem Endkundenpreis von sage und schreibe 2,99 / min.
Nachdem die Rufnummern bei der Beklagten geschaltet waren, erhielt die Klägerin am 18.09.2007 eine Proformaabrechung über 33.529,55 e und eine entsprechende Überweisung, danach keine Abrechnung mehr.

Gegenstand der betroffenen Rufnummern war eine Marketingumfrage mit Gewinnspiel, bei der über 33.441 Telefoninhaber angerufen wurden.

Die Bundesnetzagentur ordnete am …  die Abschaltung von 9 der betriebenen Rufnummern, wie sie in der Klageschrift auf S. 7 aufgeführt sind, mit der aus Blatt 47 ff. ersichtlichen und nicht angegriffenen Abschaltungsanordnung wegen Verbraucherbeschwerden über unaufgeforderte Telefonanrufe („cold calls") unter Hinweis auf § 67 TKG mit Verbot gegenüber der Beklagten auf Rechnungslegung und des Inkassos an, worauf verwiesen wird, und auf die sich der Rechnungslegungsanspruch der Klägerin bezieht.

Anschließend stritten die Parteien über Zahlung zu leistender oder Rückzahlung gezahlter Beträge, gemäß ihrem überreichten vorprozessualen Schriftwechsel, auf den verwiesen wird.

Die Klägerin meint, angesichts der Anzahl der Anrufe sei erfahrungsgemäß davon auszugehen, dass insgesamt über 50.000 Minuten abzurechnen sei. Die Beklagte habe den Gegenstand der Leistungen gekannt; die Ansage der Tarife vor Beginn der Entgeltpflicht einzuspielen, sei Aufgabe der Beklagten selbst gewesen.

Sie hat zunächst mit der am 3.7.2008 zugestellten Klage die aus Blatt 2 der Klageschrift ersichtlichen Anträge (in erster Stufe Rechnungslegung für 30 benannte Rufnummern hinsichtlich des Zeitraumes … bis … sowie in zweiter Stufe Zahlung des hier noch unbezifferten Betrages) angekündigt, hat aber—nach Vorliegen der Klageerwiderung, in der in der Anlage B 1 (Blatt 105 ff. der Akten) Angaben zu Umsätzen mit bestimmten, von der Abschaltungsanordnung nicht betroffenen Rufnummern enthalten sind, den Rechtsstreit teilweise für erledigt erklärt und beantragt nunmehr,

1. die Beklagte in erster Stufe zu verurteilen, ihr abschließend Rechnung über die im Zeitraum vom … bis zum … durch die Nutzung der Rufnummern … angefallenen Minuten, die Anzahl der insgesamt erfolgten Anrufe sowie den sich daraus ergebenden Umsatz zu legen,

2. die Beklagte in zweiter Stufe zu verurteilen, an sie den sich aus der Rechnungslegung gemäß Ziffer 1 ergebenden Betrag nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz daraus seit dem … zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie … nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Erhebung der Klage zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

widerklagend,

festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, die Beklagte hinsichtlich der für die Rufnummern … erlangten Beträge freizustellen, wenn und soweit diese von Dritten, insbesondere von Endkunden und Teilnehmernetz-/Mobilfunkbetreibern zurückgefordert werden.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, die Klägerin habe die Rufnummern unter Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) genutzt, ohne dass sie — die Beklagte — davon Kenntnis gehabt hätte; mit der Klage versuche die Klägerin, die Früchte ihres verbotenen Tuns zu erlangen, während sie — die Beklagte — den Rückforderungsansprüchen von Endkunden ausgesetzt sei und Entgelte von Endkunden fakturiert habe, für die es keinen Rechtsgrund zum Behaltendürfen gebe. Die von der Klägerin betriebenen Geschäfte mit den Endkunden seien sittenwidrig und nichtig.

Hinsichtlich der nicht abgeschalteten Rufnummern sei der — im Rahmen der Klageerwiderung erfüllte —Rechnungslegungsanspruch erstmals mit der Klage geltend gemacht worden. Hinsichtlich des abgerechneten Betrages von … habe sie — die Beklagte—ein Zurückbehaltungsrecht, weil entsprechend den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Verdacht bestehe, dass die Rufnummer betrügerisch genutzt werde. Die Widerklage rechtfertige sich, weil davon auszugehen sei, dass eine Vielzahl von Endkunden die Rückzahlung der Entgelte verlangen werden.

Die Parteien haben einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Vorsitzenden an Stelle der Kammer zugestimmt (§ 349 Absatz 3 ZPO).

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die zulässige Klage ist im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, so dass insoweit Teilurteil zu ergehen hat.

Die Klägerin hat aus dem Vertrag der Parteien, der rechtlich als entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstvertragscharakter zu qualifizieren ist (§ 675 BGB), einen Anspruch auf Rechenschaftslegung gemäß § 666 BGB und auf Herausgabe dessen, was im Rahmen des entgeltlichen Vertrages erlangt hat (§ 667 BGB).

Nicht streitig ist zwischen den Parteien, dass bei der Inanspruchnahme eines Mehrwertdienstes ein direktes Vertragsverhältnis zwischen dem Inhalteanbieter (Klägerin) und dem Endkunden entsteht, was der Rechtsauffassung des BGH in seinem Urteil vorn 28.07.2005 (III ZR 3/05) entspricht. Insofern kann für den zu entscheidenden Fall offen bleiben, inwieweit diese Rechtsbeziehungen zwischen Endkunden und der Klägerin rechtlich wirksam zustande gekommen sind oder an Mängeln leiden, denn selbst wenn insoweit Rechtsverstöße zu verzeichnen sind, rechtfertigt das nicht, dass sich die Beklagte hinsichtlich des mit der Klägerin abgeschlossenen und unzweifelhaft wirksamen Geschäftsbesorgungvertrages auf derartige rechtliche Bedenken mit der Folge beruft, die ihr obliegenden Verpflichtungen aus dem wirksamen Vertrag nicht erfüllen zu wollen.

Der Beklagten steht als aus §§ 675, 666 und 667 BGB verpflichteter Vertragspartnerin insbesondere kein Zurückbehaltungsrecht zu, weil sich etwaige Bereicherungsansprüche von Endkunden gegen die Klägerin richten müssten und andere Einwendungen (vgl. die Aufzählung bei Palandt — Sprau 67. Auflage 2008 § 667 Rdnr. 9) ersichtlich nicht vorliegen. Selbst bei Unterstellung, die Klägerin habe keine durchsetzbaren Ansprüche gegen die Endkunden erworben, muss die Beklagte die in den genannten Vorschriften statuierten Vertragspflichten insoweit erfüllen, als sie im Rahmen des Vertragsverhältnisses „etwas erlangt" hat, auch die Rechtsstellung als Zessionar, mag sie rechtlich wirksam gewesen sein oder nicht.

Die Zahlungsklage ist dementsprechend begründet hinsichtlich des zugesprochenen Betrages, wie er sich nach den eigenen Auskünften der Beklagten aus der Rechnungslegung hinsichtlich der nicht von der Sperrung betroffenen Rufnummern ergibt, wobei sich der Zinsanspruch aus §§ 291, 288 BGB unter dem Gesichtspunkt der Rechtshängigkeitszinsen ergibt. Die Beklagte hat hinsichtlich dieses eingenommenen und nach den vertraglichen Bedingungen fristgerecht abzurechnenden und auszuzahlenden Betrages ebenfalls kein Zurückbehaltungsrecht, weil die Voraussetzungen dafür auch mit Blick auf 5.2 der vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht dargetan oder ersichtlich sind.

Angesichts des Umstandes, dass ihr nach dem Vertrag oblag, die Abrechnung innerhalb vertraglich bedungener Fristen zu liefern, ist die Forderung auch Fällig geworden.

Die Widerklage hat demgegenüber keinen Erfolg Die Beklagte hat kein konkretisiertes Interesse an der alsbaldigen Feststellung eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 256 ZPO dargetan. Rückzahlungsansprüche müssten, nachdem die zugrundeliegenden Rechtsverhältnisse zwischen Klägerin und Endkunden zustande kommen, zwischen den Vertragsparteien abgewickelt werden, so dass die Beklagte etwaige Anspruchsteller darauf verweisen kann.

Dass aber bislang überhaupt Ansprüche von dritter Seite erhoben worden seien, ist nicht für einen einzigen Fall dargetan; es hätte aber nahegelegen, dass dies in zeitlicher Nähe zu der Inanspruchnahme der Dienste hätte geschehen können, so dass die tatsächliche Gefahr einer Inanspruchnahme und das daraus folgende Rechtsschutzbedürfnis jedenfalls jetzt aus rechtlichen wie aus tatsächlichen Gründen nicht bejaht werden kann.

Dass sich andererseits der Zahlungsanspruch der Klägerin nach erteilter Auskunft möglicherweise auf diejenigen Beträge beschränkt, die die Beklagte tatsächlich eingezogen hat, nicht aber auf diejenigen, die aufgrund der Inanspruchnahme der Mehrwertdienste einzuziehen gewesen wären, betrifft lediglich die Höhe des Zahlungsanspruches der Klägerin, rechtfertigt aber nicht eine Feststellung in der mit der Widerklage generell beantragten Weise.

Die Kostenentscheidung ist dem Schlussurteil vorzubehalten (vgl. Zöller-Greger ZPO 26. Auflage, § 254 Rdnr.5), einschließlich der Frage, inwieweit die aufgrund der einseitigen Teilerledigungserklärung der Klägerin als Feststellungsklage hinsichtlich einer teilweisen Erledigung anzusehende Klage begründet oder nicht begründet ist, weil dies erst im Zuge des Schlussurteils quotenmäßig festzulegen ist. Gleiches gilt hinsichtlich der Frage, ob hinsichtlich der hier bereits teilweise erteilten Auskunft eine Anwendung des § 93 ZPO in Frage kommt oder nicht.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO, Dabei ist einerseits der vollstreckbare zugesprochene Betrag zu berücksichtigen, andererseits das nicht höher als mit 1.000,00 € zu bewertende Interesse der Beklagten, den Aufwand der Auskunftserteilung nicht aufbringen zu müssen.

(Unterschrift)