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Geldentschädigung bei wiederholter Verletzung des Rechts am eigenen Bildes - BGH, Urteil vom 12.12.95, Az.: VI ZR 223/94

Leitsätzliches

Die wiederholte und hartnäckige Verletzung des Rechts am eigenen Bild kann eine erhebliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellen und eine Geldentschädigung für den Betroffenen auslösen.  

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen:  VI ZR 223/94
Entscheidung vom 12. Dezember 1995

Zum Sachverhalt:

Die Bekl. ist Verlegerin der Zeitschriften „N“, „E“und „F“. Der Kl. ist der älteste Sohn der Prinzessin Caroline von Monaco.Die Bekl. veröffentlichte in der Zeitschrift „N“ am 6. 1. 1993 ein Foto, das den damals achtjährigen Kl. vor einem Pkw zeigt. Der Kl. trat dieser Veröffentlichung entgegen; er erwirkte am 4. 2. 1993 eine einstweilige Verfügung, durch die der Bekl. die erneute Veröffentlichung dieses Fotos verboten wurde. In „E“ vom 13. 1. 1993 erschien abermals ein Foto des Kl., das ihn auf dem Weg zur Schule zeigt. Auf eine Abmahnung des Kl. verpflichtete sich die Bekl. ihm gegenüber in einer Unterwerfungserklärung vom 12. 3. 1993, dieses Bild nicht wieder zu veröffentlichen. In „F“ vom 27. 1. 1993 veröffentlichte die Bekl. erneut vier Fotos, die den Kl. u.a. auf dem Weg zur Schule und beim Fußballspielen zeigen. Wegen dreier dieser Fotos setzte sich der Kl. mit einer einstweiligen Verfügung zur Wehr, die das LG unter dem 12. 2. 1993 gegen die Bekl. erließ. Schließlich erschienen in der Zeitschrift „N“ vom 28. 4. 1993 noch einmal Fotos des Kl., die ihn am Strand zeigen. Der Kl. macht geltend, die Veröffentlichung dieser Fotos verletze ihn in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, insbesondere in seinem Recht am eigenen Bild. Er hat die Bekl. auf Auskunft über den für die Nutzungsrechte zur Veröffentlichung der Fotos gezahlten Geldbetrag (Klageantrag 1), auf Zahlung eines nach dieser Auskunft zu beziffernden Geldbetrags (Klageantrag 2), auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgelds in Höhe von mindestens 20000 DM verklagt, und auf Auskunft darüber (Klageantrag 3), von welchen Fotographen oder Agenturen die Bekl. diese Fotos bezogen hat (Klageantrag 4). Das LG hat die Klage abgewiesen, das OLG hat die dagegen gerichtete Berufung des Kl. zurückgewiesen. Mit seiner Revision hat der Kl. seine Klageanträge weiterverfolgt. Der Senat hat die Revision nur angenommen, soweit über die Berufung des Kl. auf Zahlung eines Schmerzensgelds zu entscheiden war.

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. hat den Klageantrag 3 mit der Begründung abgewiesen, daß die Veröffentlichung der beanstandeten Fotos nach den obwaltenden Umständen nicht als eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung angesehen werden könne. Die Fotos zeigten den Kl. bei normalen und alltäglichen Betätigungen; sie seien durchweg harmlos und könnten nicht einmal als unvorteilhaft bezeichnet werden. Zwar sei die Bekl. mit einer gewissen Hartnäckigkeit vorgegangen, doch komme es für die Beurteilung, ob es sich um eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung handele, immer auf die erlittene Beeinträchtigung selbst an. Danach weise die Rechtsbeeinträchtigung des Kl. nicht das für eine Geldentschädigung erforderliche Gewicht auf. Zwar sei dem Kl. zuzugeben, daß sich die Bekl. um seinen Willen nicht weiter gekümmert habe; die Veröffentlichung der Fotos habe aber nur einem von der Bekl. angenommenen Informationsinteresse ihrer Leserschaft dienen sollen, das sich an der besonderen Stellung des Kl. entzündet habe. Zwar könne die Zuerkennung eines - möglichst hohen - Schmerzensgelds dazu beitragen, die Bekl. von erneuten Rechtsverletzungen abzuhalten. Das sei aber nicht der Sinn des Schmerzensgelds, das nur einen billigen Ausgleich für erlittene Unbill schaffen solle.

 

II. Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. a) Zwar geht das BerGer. zutreffend davon aus, daß die Bekl. durch die Veröffentlichung der Fotos des Kl. dessen Recht am eigenen Bild und damit das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kl. verletzt hat. Das Recht am eigenen Bild ist eine unter Sonderschutz (§ 22 KUG) gestellte besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Aus dem Wesen dieses Rechts folgt, daß die Verfügung über das eigene Bild nur dem Abgebildeten als Rechtsträger selbst zusteht; nur er selbst soll darüber befinden dürfen, ob, wann und wie er sich gegenüber Dritten oder der Öffentlichkeit im Bild darstellen will (st. Rspr., vgl. etwa Senat,NJW-RR 1987, 231 und Senat, VersR 1993, 66 (67), jew. m.w.Nachw.). Der Bejahung einer Rechtsverletzung steht daher nicht entgegen, daß die Fotos den Kl. bei alltäglichen Betätigungen zeigen und durchweg „harmlos“ sind.

b) Entgegen der in der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung ist dieser Eingriff der Bekl. in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kl. nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Kl. eine Person der Zeitgeschichte i.S. von § 23 I Nr. 1 KUG ist. Diese Vorschrift ist eine Ausnahmebestimmung. Sie enthält mit Rücksicht auf das berechtigte Interesse der Allgemeinheit an einer bildmäßigen Darstellung von Personen, die dem öffentlichen Leben angehören, eine Einschränkung des Rechts am eigenen Bild für Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte (BGHZ 20, 345 (349) = NJW 1956, 1554). Die Vorschrift erfaßt Personen, die derart in das Blickfeld der Öffentlichkeit getreten sind, daß der Allgemeinheit ein durch ein echtes Informationsbedürfnis gerechtfertigtes Interesse an einer bildlichen Darstellung zuzubilligen ist (vgl. BGHZ24, 200 (208) = NJW 1957, 1315). Zu diesem Personenkreis zählt der Kl. nicht. Er gehört weder zum öffentlichen Leben noch ist er derart in das Blickfeld der Öffentlichkeit getreten, daß ein durch ein anerkennenswertes Informationsbedürfnis gerechtfertigtes Interesse an der Veröffentlichung seines Bildes zu bejahen wäre. Zwar mag in der Leserschaft der von der Bekl. verlegten Zeitschriften ein gewisses Interesse an dem Bild des Kl. bestehen. Dieses Interesse rechtfertigt jedoch nach § 23 I Nr. 1 KUG aus den oben dargelegten Gründen auch unter Berücksichtigung der Rechtsposition der Presse aus Art. 5 I GG nicht eine Einschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Kl.

An der Verneinung der Voraussetzungen des § 23 I Nr. 1 KUG ändert auch nichts, daß der Kl. der Sohn der Prinzessin Caroline von Monaco ist, die selbst zweifelsfrei eine absolute Person der Zeitgeschichte darstellt. Es kann auf sich beruhen, ob und - wenn ja - unter welchen Voraussetzungen Personen, die zum Umfeld einer absoluten Person der Zeitgeschichte gehören, durch die Nähe zu dieser Person selbst zu einer Person der Zeitgeschichte werden können. Der Rechtsverlust, der für die Betroffenen mit der Anwendung des § 23 I Nr. 1 KUG verbunden ist, gebietet es, die Kinder von Personen der Zeitgeschichte nur dann in diesen Personenkreis einzubeziehen, wenn sie gleichfalls als Angehörige in der Öffentlichkeit auftreten oder im Pflichtenkreis ihrer Eltern öffentliche Funktionen wahrnehmen (vgl. Damm/Kuner, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 1991, S. 44). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Kl. tritt nicht nur nicht in der Öffentlichkeit auf, vielmehr wehrt er sich gerade dagegen, daß ihm in der Öffentlichkeit eine besondere Beachtung entgegengebracht wird.

c) Weiter ist das BerGer. mit Recht der Auffassung, daß nicht jede Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts - und damit auch nicht jede Verletzung des Rechts am eigenen Bild - einen Anspruch des Betroffenen auf eine Geldentschädigung gegen den Verletzer auslöst. Ein solcher Anspruch kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlaß und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (gleichfalls st. Rspr., vgl. etwa Senat, NJW-RR 1988, 733 = LM § 823 (Ah) BGB Nr. 98 = VersR 1988, 405 und BGHZ 128, 1 ff. = NJW 1995, 861 = LM H. 5/1995 § 823 (Ah) BGB Nr. 119 = VersR 1995, 305 (308)).

2. Bei der wertenden Beurteilung, ob hier eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung i.S. dieser Rechtsprechung vorliegt, hat das BerGer. indes nicht alle Umstände, die dem Fall das Gepräge geben, mit der ihnen zukommenden Bedeutung in seine Erwägungen miteinbezogen.

Zwar ist dem BerGer. zuzugeben, daß die bloße Veröffentlichung der vorliegenden Fotos - jeweils für sich betrachtet - für den Kl. nicht zu einer Rechtsverletzung geführt hat, deren Schweregrad die Zuerkennung eines Anspruchs auf eine Geldentschädigung gebietet. Die Rechtsverletzung, die die Bekl. dem Kl. zugefügt hat, erschöpft sich jedoch nicht in der bloßen Veröffentlichung der Fotos. Sie erhält vielmehr ihr besonderes Gewicht dadurch, daß die Bekl. durch die wiederholte einwilligungslose Veröffentlichung der Fotos des Kl. dessen Recht am eigenen Bild mit besonderer Hartnäckigkeit verletzt und sich zumindest bei der letzten Veröffentlichung über den ihr ausdrücklich erklärten entgegenstehenden Willen des Kl. hinweggesetzt hat. Zu dem wiederholten Rechtsbruch der Bekl., der in der einwilligungslosen Veröffentlichung der Fotos bestand, trat damit die bewußte und offenkundige Mißachtung des erklärten Willens des Kl. hinzu. Dabei handelte die Bekl. um des eigenen wirtschaftlichen Vorteils willen. Dies bedeutet, daß die Rechtsverletzung, die die Bekl. dem Kl. zugefügt hat, nach ihrer Intensität, dem Beweggrund der Bekl. und dem Grad ihres Verschuldens als so gewichtig zu werten ist, daß sie die Zubilligung eines Anspruchs auf eine Geldentschädigung gebietet. Die Besonderheit einer Verletzung des Rechts am eigenen Bild besteht darin, daß dem Verletzten - anders als in den anderen Fällen, in denen er etwa den Widerruf oder die Richtigstellung einer sein Persönlichkeitsrecht beeinträchtigenden Äußerung verlangen kann - gegen eine solche Rechtsverletzung keine anderen Abwehrmöglichkeiten als ein Anspruch auf Geldentschädigung zu Gebote stehen. Daraus folgt, daß in einem solchen Fall an die Zubilligung eines Entschädigungsanspruchs geringere Anforderungen als in anderen Fällen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung zu stellen sind.

Die Zubilligung eines solchen Anspruchs scheitert entgegen der Auffassung des BerGer. nicht an der Zweckbestimmung dieses Anspruchs. Das BerGer. sieht die Funktion dieses Anspruchs zu eng, wenn es ausführt, daß er nicht auf Prävention, sondern auf billigen Ausgleich für erlittene Unbill ausgerichtet sei. Zu dieser Erwägung wird das BerGer. offensichtlich durch seine auf das Schmerzensgeld abstellende Betrachtung und damit durch ein Verständnis geleitet, das dem Wesen und der Zweckbestimmung des hier erörterten Anspruchs auf eine Geldentschädigung nicht gerecht wird. Bei diesem Anspruch handelt es sich im eigentlichen Sinn nicht um ein Schmerzensgeld nach § 847 BGB, sondern um ein Recht, das auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und 2 I GG zurückgeht. Die Zubilligung einer Geldentschädigung, die in Verbindung mit diesen Vorschriften ihre Grundlage in § 823 I BGB findet, beruht auf dem Gedanken, daß ohne einen solchen Anspruch Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, daß der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Anders als beim Schmerzensgeldanspruch steht bei dem Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Außerdem soll er der Prävention dienen (Senat, BGHZ 128, 1 ff. = NJW 1995, 861 = LM H. 5/1995 § 823 (Ah) BGB Nr. 119 und BGH, NJW 1996, 984 (in diesem Heft) = LM H. 4/1996 § 823 (Ah) BGB Nr. 122 jew. m.w.Nachw.). Beide Gesichtspunkte kommen im Streitfall zum Tragen.

III. Die Entscheidung über die Höhe der danach an den Kl. zu zahlenden Geldentschädigung ist in erster Linie Sache des Tatrichters (vgl. Senat, BGHZ 128, 1 ff. = NJW 1995, 861 m.w.Nachw.). Der Senat hat deshalb das Berufungsurteil in diesem Punkt aufgehoben und die Sache insoweit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das BerGer. zurückverwiesen.