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"Du hast nicht GEZahlt" gilt nicht für Selbstständigen der Autoradios lediglich privat nutzt - VG Göttingen, Urteil vom 26.04.2007, Az.: 2 A 394/06

Leitsätzliches

Die Fahrten eines Selbstständigen von seinem Wohnort zur Arbeitsstelle stellen eine private Nutzung des Pkw dar. Ein hierin befindliches Autoradio ist ein gebührenfreies Zweitgerät.

VERWALTUNGSGERICHT GÖTTINGEN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 2 A 394/06
 
Entscheidung vom 26. April 2007

 

In der Verwaltungsrechtssache ...


gegen
...

Tatbestand

Die Klägerin, deren privat genutzte Rundfunkempfangsgeräte bei der Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland – GEZ – angemeldet sind, betreibt in der Innenstadt von J. eine Facharztpraxis für Gynäkologie. Sie verfügt über ein PKW, in dem sich ein Autoradio befindet.

Mit Bescheid vom 02.10.2006 setzte der Beklagte gegen die Klägerin für dieses Autoradio Rundfunkgebühren für den Zeitraum September 2005 bis Mai 2006 in Höhe von 54,79 EUR (Gebühren in Höhe von 49,68 EUR sowie einen Säumniszuschlag in Höhe von 5,11 EUR) fest.

Die Klägerin hat am 02.11.2006 Klage erhoben.

Sie meint, eine Rundfunkgebührenpflicht für das Hörfunkgerät in ihrem Fahrzeug bestehe nicht. Es handele sich um ein gebührenfreies Zweitgerät, da das Kfz nicht zu beruflichen Zwecken genutzt werde. Sie erledige mit dem Fahrzeug weder Hausbesuche noch benutze sie es anderweitig in Ausübung ihrer Tätigkeit als Ärztin. Vielmehr setze sie es ausschließlich für private Zwecke ein, wozu auch die Fahrten von ihrer Wohnung zur Praxis und zurück zählten. Da das Fahrzeug nicht Bestandteil ihres Betriebsvermögens sei, dürfe sie nicht anders behandelt werden als abhängig beschäftigte Arbeitnehmer, deren Rundfunkgeräte in ihren Fahrzeugen auch Zweitgeräte seien.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 02.10.2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Gebührenbescheid und meint, die Fahrten von der Wohnung zum Arbeitsplatz stellten eine zumindest teilweise gewerbliche Nutzung des Hörfunkgerätes dar, die bereits dann vorliege, wenn das Fahrzeug nicht ausschließlich privat benutzt würde. Die Rundfunkgebührenpflicht entstehe nicht in Abhängigkeit von der tatsächlichen Nutzung des Rundfunkempfanggeräts für die nicht privaten Zwecke, sondern allein im Hinblick auf das Bereithalten des Rundfunkempfanggeräts in einem zumindest teilweise gewerblich genutzten Fahrzeug. Die Fahrten der Klägerin als Selbständige von ihrer Wohnung zur Praxis seien der beruflichen Tätigkeit zuzurechnen und lösten deshalb für das Autoradio eine gesonderte Rundfunkgebührenpflicht aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten, die übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben, wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe

Die Klage, über die die Kammer gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig und begründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 02.10.2006 ist rechtswidrig. Er verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und ist deshalb aufzuheben.

Rechtsgrundlage für die Rundfunkgebührenerhebung ist der Rundfunkgebührenstaatsvertrag – RGebStV – vom 31.08.1991, zuletzt geändert durch den Achten Rundfunkgebührenstaatsvertrag (Nds. GVBl. 2005, 61 ff). Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RGebStV hat jeder Rundfunkteilnehmer grundsätzlich für jedes von ihm zum Empfang bereitgehaltene Rundfunkempfangsgerät eine Grundgebühr und für das Bereithalten eines Fernsehgerätes jeweils zusätzlich eine Fernsehgebühr zu entrichten. Diese Rundfunkgebührenpflicht gilt jedoch nur vorbehaltlich der Regelung des § 5 RGebStV. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 RGebStV ist eine Rundfunkgebühr für weitere Rundfunkempfanggeräte (Zweitgeräte), die von einer natürlichen Person oder ihrem Ehegatten in einem Kraftfahrzeug zum Empfang bereit gehalten werden, nicht zu leisten. Diese Ausnahme von der grundsätzlich bestehenden Rundfunkgebührenpflicht gilt gemäß § 5 Abs. 2 Sätze 1 und 2 RGebStV allerdings nicht für Zweitgeräte in Kraftfahrzeugen, die zu anderen als privaten Zweckengenutzt werden.

Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem im Pkw der Klägerin eingebauten Rundfunkempfangsgerät um ein solches gebührenfreies Zweitgerät, weil die Klägerin bereits für ihre in der Privatwohnung befindlichen Geräte Rundfunkgebühren entrichtet und sie das Autoradio nicht – wie sie glaubhaft und vom Beklagten nicht bestritten vorträgt – für den Praxisbetrieb, sondern allein zu privaten Zwecken nutzt. Die Fahrten der Klägerin zu und von ihrer Arbeitsstätte rechnet das Gericht der privaten Nutzung des Kraftfahrzeugs zu. Das Gericht folgt der gegenteiligen Ansicht des VG Regensburg nicht. Dieses Gericht führt in seinem Urteil vom 23.08.2005 – RO 3 K 05 434 – u.a. aus:

“Ob das Kraftfahrzeug steuerlich als Betriebsfahrzeug oder als Privatfahrzeug behandelt wird, hat für die Rundfunkgebührenpflicht zwar indizielle Bedeutung, ist aber für die rundfunkrechtliche Einordnung nicht maßgeblich. Der Gesetzgeber konnte in § 5 Abs. 2 RGebStV zwischen gewerblicher Tätigkeit und selbstständiger Tätigkeit einerseits und unselbstständiger und/oder privater Tätigkeit andererseits unterscheiden. Diese Unterscheidung ist auch in anderen Rechtsbereichen üblich. Dies hat dann zur Folge, dass bei Selbstständigen die Fahrten von der Wohnung zum Betrieb bzw. Praxis dieser selbstständigen Tätigkeit zugerechnet werden, während sie eben beim Arbeitnehmer seiner unselbstständigen Tätigkeit zugerechnet werden, was aber nach § 5 Abs. 2 RGebStV nicht zur Rücknahme der Gebührenbefreiung führt. Diese Differenzierung ist kein unsachlicher Gesichtspunkt. Wie die derzeitige Diskussion um die Beibehaltung bzw. Abschaffung der Werbungskosten beim Arbeitnehmer, insbesondere der Pendlerpauschale zeigt, erscheint die steuerliche Absetzbarkeit der Pendlerpauschale bei Arbeitnehmern und damit die Zurechnung zur unselbstständigen Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht rechtlich zwingend. Man kann sie auch dem privaten Bereich zurechnen.”

Aus der Unterscheidung zwischen privater Nutzung und Nutzung zu “anderen als privaten Zwecken", die der Gesetzgeber in § 5 Abs. 2 RGebStV getroffen hat, folgt nach Auffassung der Kammer nicht – wie der Beklagte annimmt –, dass bei Selbständigen die Fahrten zu und von ihrer Arbeitsstätte quasi “automatisch" der “nicht privaten" (= geschäftlichen) Pkw-Nutzung zuzurechnen sind. Diese Sichtweise widerspräche auch dem Zweck der gesetzlichen Regelung, wonach diejenigen Rundfunkempfangsgeräte gesondert gebührenrechtlich erfasst werden sollen, die dem Einkommenserwerb Gewerbetreibender bzw. Selbständiger dienen. Die Fahrten zum Arbeitsplatz sind indessen der Erwerbstätigkeit “vorgelagert". Die Erwerbstätigkeit beginnt erst nach der Ankunft am Arbeitsplatz und endet mit dessen Verlassen. Die Fahrt zum Arbeitsplatz und die Rückfahrt zur Wohnung sind somit nicht Bestandteil der beruflichen Tätigkeit, sondern “Privatsache" eines Jeden. Insoweit ist nicht zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen zu unterscheiden. Dieses Normverständnis ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Regelung. Die Formulierung “zu" … anderen als privatren Zwecken macht deutlich, dass nur diejenigen Zweitgeräte einer gesonderten Gebührenpflicht unterliegen sollen, die sich in Kraftfahrzeugen befinden, die der Ausübung beruflicher Zwecke unmittelbardienen, d.h. wie ein Arbeitsmittel eingesetzt werden, z.B. Hörfunkgeräte in Kraftfahrzeugen, mit denen Ärzte Hausbesuche machen oder die sie als Transportmittel für Einkäufe von für die Praxis benötigten Gegenstände nutzen. Dass die Klägerin den Pkw zu derartigen Zwecken gerade nicht einsetzt, ist zwischen den Beteiligten indessen nicht streitig.

Hinzu kommt Folgendes: Die vorstehende Auslegung von § 5 Abs. 2 RGebStV wird in Fällen, in denen es um Zweitgeräte in Fahrzeugen von Arbeitnehmern(mit denen diese zum Arbeitsplatz fahren) geht, vom Beklagten geteilt. Aus verfassungsrechtlichen Erwägungen der Gleichbehandlung – Art. 3 Abs. 1 GG – darf bei Selbständigen aber nichts anderes gelten, da andernfalls wesentlich Gleiches ungleich behandelt würde. Denn die Fahrt zum Arbeitsplatz ist weder für die eine noch für die andere Fallgruppe schon Bestandteil der ausgeübten Berufstätigkeit.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Ihre vorläufige Vollstreckbarkeit gründet sich auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.

(Unterschrift)