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Prüfpflichten eines Bewertungsportals, LG Braunschweig, Urt. v. 28.11.2018, Az.: 9 O 2616/17

Leitsätzliches

Der Betreiber eines Ärztebewertungsportals kann im Rahmen der ihm obliegenden Sorgfaltspflichten gehalten sein, von dem Patienten, der die anonyme Bewertung abgegeben hat, zu verlangen, eine Auskunft gem. § 305 SGB V vorzulegen um zu prüfen, ob der Patient tatsächlich bei dem Arzt in Behandlung war. Neben der Möglichkeit, die Krankenkasse zu konsultieren, kann das Portal dem Bewertenden auch vorschlagen, einen Beleg über den Arztbesuch direkt in der Praxis anzufordern.

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LANDGERICHT BRAUNSCHWEIG

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Entscheidung vom 28. November 2018

Aktenzeichen: 9 O 2616/17

 

 

Tenor

 

1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, auf den Inhalten der Website unter j.de in Bezug auf den Kläger folgende Äußerungen zu verbreiten:

Bewertung vom 12.11.2016,  (zu 90 % hilfreich bei 10 Stimmen)

Note 5,0 „Das ist keine ärztliche Leistung

Ich habe 4 Monate auf den Termin gewartet.

Seit mehr als 6 Monaten habe ich Probleme im Bereich der HWS. Mein Orthopäde hat mir empfohlen mich von einem Neurologen checken zu lassen.

Dr. K. meinte nach meiner Erklärung, er kann da nichts machen und ich soll mich an meinen Orthopäden wenden und verabschiedete sich und ging wieder raus.

Ich habe 4 Monate gewartet um mir sowas anzusehen!?"

Notenbewertung dieses Patienten

Behandlung 4,0 Gesamtnote 5,0

Aufklärung 6,0

Vertrauensverhältnis 6,0

Genommene Zeit 6,0

Freundlichkeit 3,0

Wartezeit Termin 6,0

Wartezeit Praxis 2,0

Sprechstundenzeiten 3,0

Betreuung 2,0

Entertainment 1,0

alternative Heilmethoden 1,0

Kinderfreundlichkeit 1,0

Barrierefreiheit 1,0

Praxisausstattung 1,0

2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf.

3. Die Beklagte wird verurteilt, über Art, Umfang und Zeitraum der in 1 beschriebenen Handlungen Auskunft zu erteilen unter Angabe der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jedweden Schaden zu ersetzen, der diesem aus den in 1 beschriebenen Handlungen bereits entstanden ist oder künftig noch entstehen wird.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 887,03 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.01.2018 zu zahlen.

6. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich des Tenors zu Ziffer 1. und 3. jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 €, hinsichtlich des Tenors zu Ziffer 5. gegen Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

 

Tatbestand

Der Kläger ist ein niedergelassener Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie. Er wendet sich gegen eine Bewertung, die ein angeblicher Patient des Klägers auf dem von der Beklagten betriebenen Ärztebewertungsportal „j.“ eingestellt hat und an der die Beklagte auf Beanstandungen des Klägers hin Änderungen vornahm. Des Weiteren macht er Ansprüche auf Auskunftserteilung, Feststellung der Schadensersatzpflicht und auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten geltend.

Der Kläger wurde im November 2016 auf die im Klageantrag zu 1) wiedergegebene Bewertung aufmerksam. Er beanstandete gegenüber der Beklagten, dass die Angaben nicht der Wahrheit entsprächen und der Kläger bezweifle, dass der Verfasser von ihm behandelt wurde. Wegen des Wortlauts der Beschwerde wird auf Seite 2 der Klageerwiderung verwiesen (Bl. 24 d. A.). Darauf nahm die Beklagte die Bewertung zunächst von der Plattform. Mit E-Mail vom 04.01.2017 übersandte sie dem Kläger eine anonymisierte Stellungnahme des Verfassers (Anlage K1) und erklärte mit weiterer E-Mail vom 31.01.2017, die Bewertung geprüft zu haben und wieder zu veröffentlichen (Anlage K2).

Der Kläger ließ die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 02.02.2017 auffordern, die Bewertung zu entfernen (Anlage K3). Darauf veranlasste die Beklagte eine weitere Rückfrage bei dem Verfasser der Bewertung. Das Ergebnis wurde dem Kläger per E-Mail vom 07.02.2017 mitgeteilt (Anlage K4). In der teilweise geschwärzten Rückantwort wird die Lage der Praxis beschrieben. Als Behandlungszeitraum nannte die Beklagte die Monate September bis November 2016.

Der Kläger forderte die Beklagte am 08.02.2017 nochmals erfolglos auf, die Bewertung zu löschen (Anlage K5). Am 25.02.2017 monierte er, dass die Beschreibung der Praxis nicht ausreiche. Per E-Mail vom 27.02.2017 erklärte die Beklagte, nach erneuter Überprüfung strittige Tatsachenbehauptungen entfernt zu haben (Anlage K6). Mit Anwaltsschreiben vom 13.03.2017 teilte der Kläger mit, dass er in dem betroffenen Zeitraum mehrere Tage und Wochen nicht in der Praxis tätig gewesen sei und übersandte die konkreten Daten per E-Mail vom 23.03.2017 (Anlage B2). Die Beklagte antwortete darauf, dass der Termin des Bewertenden an einem Tag stattgefunden habe, an dem der Kläger anwesend war (vgl. Anlagenkonvolut K7).

Der Kläger behauptet, der Verfasser der Bewertung sei bei ihm nicht in Behandlung gewesen. Der Kläger habe die Praxis-EDV für den betroffenen Zeitraum durchgesehen, aber keinen Patienten gefunden, auf den die ihm bekannt gewordenen Merkmale zuträfen (Behandlungszeitraum, Kassenpatient, männlich, HWS-Beschwerden). Die Wartezeit auf einen Termin werde in seiner Praxis nicht erfasst.

Die im Klageantrag zu 1) wiedergegebene Bewertung verletze den Kläger in seinem sozialen Geltungsanspruch als Arzt.

Der Kläger meint, die Beklagte habe ihren Prüf- und Verhaltenspflichten als Hostbetreiberin nicht genügt. Er bestreitet mit Nichtwissen, dass die Beklagte den Verfasser zur Vorlage von geeigneten Unterlagen und Indizien, die den Arztbesuch belegen, aufgefordert habe. Es habe keine gewissenhafte Überprüfung stattgefunden. Die Angaben der Beklagten grenzten den Vorgang räumlich und zeitlich nicht so ein, dass der Kläger den Sachverhalt selbständig überprüfen könne. Die Beklagte sei in der Gesamtschau nicht schützenswert, weil sie Bewertende anleite, persönlichkeitsverletzende Äußerungen als Meinungsäußerungen zu kaschieren. Insoweit wird auf Seite 5 unten der Klageschrift Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, auf den Inhalten der Website unter j.de in Bezug auf den Kläger folgende Äußerungen zu verbreiten:

Bewertung vom 12.11.2016,  (zu 90 % hilfreich bei 10 Stimmen)

Note 5,0 „Das ist keine ärztliche Leistung        

Ich habe 4 Monate auf den Termin gewartet.

Seit mehr als 6 Monaten habe ich Probleme im Bereich der HWS. Mein Orthopäde hat mir empfohlen mich von einem Neurologen checken zu lassen.

Dr. K. meinte nach meiner Erklärung, er kann da nichts machen und ich soll mich an meinen Orthopäden wenden und verabschiedete sich und ging wieder raus.

Ich habe 4 Monate gewartet um mir sowas anzusehen!?"

Notenbewertung dieses Patienten

Behandlung 4,0

Gesamtnote 5,0

Aufklärung 6,0    

Vertrauensverhältnis 6,0    

Genommene Zeit 6,0

Freundlichkeit 3,0    

Wartezeit Termin 6,0    

Wartezeit Praxis 2,0    

Sprechstundenzeiten 3,0    

Betreuung 2,0    

Entertainment 1,0    

alternative Heilmethoden 1,0    

Kinderfreundlichkeit 1,0    

Barrierefreiheit 1,0    

Praxisausstattung 1,0    

2. der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anzudrohen, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf.

3. die Beklagte zu verurteilen, über Art, Umfang und Zeitraum der in 1 beschriebenen Handlungen Auskunft zu erteilen unter Angabe der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume.

4. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger jedweden Schaden zu ersetzen, der diesem aus den in 1 beschriebenen Handlungen bereits entstanden ist oder künftig noch entstehen wird.

5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 887,03 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.01.2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, der Bewertende habe ihr den konkreten Behandlungstag mitgeteilt. Der Termin habe an einem Tag stattgefunden, an dem der Kläger in der Praxis anwesend gewesen sei. Die Beklagte habe den Bewertenden aufgefordert, den Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben und ihr nach Möglichkeit Belege zu übermitteln. Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 04.10.2018 behauptet die Beklagte, nach Eingang der Beschwerde ein Prüfverfahren mit dem auf Seiten 2 - 6 des nachgelassenen Schriftsatzes dargestellten Inhalt eingeleitet zu haben (Bl. 93 ff. d. A.). Die konkrete E-Mail an den hier betroffenen Verfasser könne nicht vorgelegt werden, weil das zum Fall gehörende Template nach Abschluss des Prüfverfahrens gelöscht worden sei. Die Beklagte habe sich im weiteren Prüfverfahren mit den auf Seiten 7 und 8 des Schriftsatzes vom 04.10.2017 abgedruckten E-Mails vom 03.02.2017 und 21.02.2017 an den Bewertenden gewandt. Als Antwort habe dieser klargestellt, dass er namentlich nicht genannt werden möchte. Er habe jedoch den genauen Tag und die Uhrzeit seiner Behandlung bekannt gegeben.

Die Beklagte ist der Ansicht, damit ihren Pflichten genügt zu haben. Die Darlegungs- und Beweislast für den fehlenden Behandlungskontakt liege beim Kläger. Die Beklagte sei zum Schutz der Patienten zur unscharfen Angabe des Behandlungszeitraums verpflichtet.

Die Notenvergabe sei eine zulässige Meinungsäußerung, keine Schmähkritik.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

1. Klageantrag zu 1)

Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß §§ 823 Abs. 1 i. V. m. § 1004 Abs. 1 BGB analog, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG Anspruch darauf, es zu unterlassen, den im Klageantrag zu 1) wiedergegebenen Beitrag auf ihrer Website j..de zu verbreiten.

Die Beklagte haftet hinsichtlich der streitgegenständlichen Bewertung zumindest als mittelbare Störerin. Sie ist der ihr obliegenden Prüfpflicht, ob der streitgegenständlichen Bewertung ein Behandlungskontakt zugrunde lag, nicht ausreichend nachgekommen.

a) Es kann im Ergebnis offenbleiben, ob die Beklagte zugleich unmittelbare Störerin ist. Hostprovider wie die Beklagte werden als unmittelbarer Störer angesehen, wenn es sich bei der angegriffenen Bewertung um einen eigenen Inhalt des Hostproviders handelte, wobei zu den eigenen Inhalten eines Portalbetreibers auch solche Inhalte gehören, die zwar von einem Dritten eingestellt wurden, die sich der Portalbetreiber aber zu Eigen gemacht hat (vgl. Urteil des BGH vom 01.03.2016, Az. VI ZR 34/15 - jameda.de II Rn. 17 m. w. N.). Zu-Eigen-Machen bedeutet, dass der Portalbetreiber nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die Inhalte übernommen hat. Dabei ist bei der Annahme der Identifikation mit fremden Inhalten grundsätzlich Zurückhaltung geboten (BGH a. a. O.).

Nach diesen Maßstäben käme es vorliegend darauf an, ob die Beklagte die streitgegenständliche Bewertung nach inhaltlicher Überprüfung als eigene präsentiert. Gegen diese Annahme spricht die Darstellung im Internet. Inhalt und Gestaltung des Bewertungsportals einschließlich der streitgegenständlichen Bewertung lassen für einen Nutzer des Bewertungsportals nicht erkennen, dass sich die Beklagte mit dem fremden Inhalt identifiziert und die inhaltliche Verantwortung für die auf ihrer Internetseite veröffentlichten Inhalte übernimmt. Die streitgegenständliche Bewertung steht nach Abschluss der Überprüfung durch die Beklagte wieder in ihrer ursprünglichen Gestalt im Netz. Es gibt weder eine redaktionelle Anmerkung der Beklagten noch sonst einen Hinweis darauf, dass die Bewertung ein individuelles Prüfverfahren durchlaufen hat. Das von der Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz dargestellte, anfänglich nach Behauptung der Beklagten automatisiert ablaufende Prüfverfahren dient der Einhaltung eigener Rechtspflichten als Diensteanbieter gemäß § 2 Nr. 1, 7 ff.TMG (vgl. BGH, Urteil v. 19.03.2015, I ZR 94/13 - Hotelbwertungsportal - Rn. 28, zitiert nach juris). Daher ist mit dem Verfahren nicht per se eine inhaltlich-redaktionelle Überprüfung auf Vollständigkeit und Richtigkeit verbunden.

Andererseits hat die Beklagte hier nach eigener Überprüfung vorübergehend zwei streitige Tatsachenbehauptungen entfernt, nämlich die Aussagen, dass die Behandlung keine fünf Minuten gedauert habe und dass der Patient nicht untersucht worden sei (vgl. Anlage K 6) und diese Aussagen später wieder zugänglich gemacht. Durch dieses Verhalten hat die Beklagte auf den Inhalt der Bewertung Einfluss genommen. Sie hat nämlich selbständig ohne Zustimmung des Bewertenden entschieden, welche Äußerungen sie abändert oder entfernt und welche sie beibehält bzw. wieder ins Netz stellt. Damit hat sie die Rolle eines neutralen Vermittlers verlassen und eine aktive redaktionelle Rolle übernommen (vgl. dazu BGH, Urteil v. 04.04.2017 - VI ZR 123/16, Rn. 20 zitiert nach juris). Für eine Identifikation der Beklagten mit den Inhalten der Bewertung spricht auch die E-Mail vom 20.06.2017 (Anlage K 9). Hierin teilt eine Mitarbeiterin der Beklagten dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass sie die Patienteneigenschaft des Verfassers der streitgegenständlichen Bewertung durch die Rückmeldung des Patienten als ausreichend nachgewiesen ansehe. An der Aussage wird deutlich, dass die Überprüfung nicht lediglich der Einhaltung der Nutzungsrichtlinien der Beklagten dienen und rechtlichen Vorgaben des Bundesgerichtshofs genügen sollte. Die Beklagte stellt sich vielmehr einseitig und aktiv auf die Seite der Bewertenden, indem sie Anleitungen zur möglichst unangreifbaren Formulierung von Bewertungen bereitstellt (vgl. S. 5 unten der Klageschrift) und im Rahmen des Prüfverfahrens den Bewertenden wiederholt mitteilt, sich für den Erhalt der Bewertungen einsetzen zu wollen. Das ergibt sich aus dem mit nachgelassenem Schriftsatz vom 04.10.2018 dargestellten Prüfverfahren und den dort abgedruckten Anschreiben an den Verfasser der Bewertung.

Unbeachtlich dürfte sein, dass die aktive Rolle der Beklagten dem nicht eingeweihten Durchschnittsnutzer, der das Portal nicht fortlaufend nach neuen Einträgen über den Kläger absucht, verborgen geblieben sein dürfte. Es genügt vielmehr, dass die Beklagte dem Kläger als Betroffenem ihren Umgang mit der Bewertung kundgetan hat (vgl. BGH, Urteil v. 04.04.2017 - VI ZR 123/16, Rn. 21 zitiert nach juris), wie es mit den als Anlagen K 1, 4, 6 f. und K 9 erfolgt ist.

Eine etwaige Einflussnahme der Beklagten auf die Meinungsbildung der Nutzer über Premiummitgliedschaften braucht hier nicht geklärt zu werden.

b) Die Beklagte ist jedenfalls mittelbare Störerin.

Als mittelbarer Störer ist verpflichtet, wer ohne unmittelbarer Störer zu sein in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (vgl. BGH, Urteil v. 28.07.2015 - VI ZR 340/14, AfP 2015, 425Rn. 34; v. 25.10.2011 - VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219Rn. 21 mwN - Blog-Eintrag).

Die Haftung als mittelbarer Störer setzt die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als mittelbaren Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine Verhinderung der Verletzung zuzumuten ist (BGH, Urteil v. 01.03.2016 - VI ZR 34/15, Rn. 22 m. w. N.). Danach ist ein Hostprovider zur Vermeidung einer Haftung als mittelbarer Störer grundsätzlich nicht verpflichtet, die von den Nutzern in das Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er ist aber verantwortlich, sobald er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Hostprovider auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Nutzer seines Angebots hin, kann der Hostprovider verpflichtet sein, künftig derartige Störungen zu verhindern (BGH a. a. O. Rn. 23).

Diesen Anforderungen hat die Beklagte nicht genügt.

aa) Die Beklagte hat durch einen schriftlichen Hinweis des Klägers im November 2016 Kenntnis von einer möglichen Rechtsverletzung erlangt (abgedruckt auf S. 2 der Klageerwiderung, Bl. 24 d. A.). Der Kläger beanstandet darin die streitgegenständliche Bewertung. Zur Begründung führt er an, dass er den Verfasser der Bewertung nicht behandelt haben könne und die Angaben zur unterbliebenen Untersuchung und zur Dauer der Behandlung nicht der Wahrheit entsprächen.

Die Behauptung des Klägers, der angegriffenen Bewertung liege kein Behandlungskontakt zugrunde, war hinreichend konkret. Dem steht nicht entgegen, dass es sich letztlich um eine Mutmaßung des Klägers handelte. Denn diese leitet sich aus der konkreten Behauptung ab, dass der Kläger jeden seiner Patienten untersuche und es 5-Minuten-Aufenthalte in seiner Praxis nicht gebe.

bb) Auf der Grundlage der Beanstandung des Klägers war der Rechtsverstoß unschwer zu bejahen.

Die beanstandete Bewertung greift in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers ein. Betroffen sind die Ehre und soziale Anerkennung des Klägers. Denn die Bewertung seiner im Rahmen einer (behaupteten) Behandlung erbrachten Leistungen in den Kategorien „Aufklärung", „Vertrauensverhältnis" „Genommene Zeit“ und „Wartezeit Termin“ mit der Note 6 und damit als „ungenügend" sowie in der Kategorie „Behandlung“ mit der Note 4 bringt zum Ausdruck, dass der Kläger in zentralen Bereichen des Behandlungsgeschehens den an ihn gestellten Anforderungen aus Sicht des die Behandlung bewertenden Patienten nicht gerecht geworden ist. Die Kundgabe dieser Bewertung ist geeignet, sich abträglich auf das Bild des Klägers in der Öffentlichkeit auszuwirken.

 

Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ist auch rechtswidrig. Denn wenn der angegriffenen Bewertung kein tatsächlicher Behandlungskontakt zugrunde liegt, überwiegt das von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG (auch in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 GG) und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers am Schutz seiner sozialen Anerkennung und seiner (Berufs)Ehre die von Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK geschützten Interessen des Bewertenden an der Äußerung der dargestellten Meinung im Portal der Beklagten und der Beklagten an der Kommunikation dieser Meinung. Bei Äußerungen, in denen sich - wie im vorliegenden Fall - wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, fällt bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht (BGH, Urteil v. 01.03.2016 - VI ZR 34/15 jameda.de II, Rn. 36 zitiert nach juris m. w. N.). Im Streitfall ist der tatsächliche Bestandteil der Äußerung, auf dem die Wertung aufbaut, unwahr, wenn der behauptete Behandlungskontakt nicht bestand. Ein berechtigtes Interesse des Bewertenden, eine tatsächlich nicht stattgefundene Behandlung zu bewerten, ist nicht ersichtlich; entsprechendes gilt für das Interesse der Beklagten, eine Bewertung über eine nicht stattgefundene Behandlung zu kommunizieren.

cc) Die Beklagte ist ihrer durch den konkreten Hinweis auf eine unschwer zu bejahende Rechtsverletzung ausgelösten Prüfungspflicht nicht ausreichend nachgekommen.

Die Beklagte durfte die Angaben des Bewertenden nicht als wahr unterstellen und die Bewertung wieder veröffentlichen, weil der Kläger auf ihre per Email vom 07.02.2017 (Anlage K 4) gesetzte Frist, der Beklagten bis zum 01.03.2017 eine „substantiierte Stellungnahme“ zukommen zu lassen, zunächst nicht reagiert hat. Die Fristsetzung begründet keine Ausschlussfrist, weil sie fortbestehende Verstöße nicht ausräumen kann.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind an die Prüfpflichten der Beklagten strenge Anforderungen zu stellen (BGH a. a. O. Rn. 39 ff.). Denn der Betrieb eines Ärztebewertungsportals bringt von vornherein ein gesteigertes Risiko für Persönlichkeitsverletzungen mit sich. Der Portalbetreiber muss daher auf entsprechende Beanstandungen eingerichtet sein. Die mit dem Portalbetrieb eröffneten Missbrauchsgefahren werden dadurch verstärkt, dass die Bewertungen - rechtlich zulässig - verdeckt abgegeben werden können, was es den betroffenen Ärzten zusätzlich erschwert, unmittelbar gegen den Bewertenden vorzugehen. Rein reaktive Prüfpflichten, um die es hier geht, gefährden den Betrieb der Beklagten weder wirtschaftlich noch erschweren sie ihn unverhältnismäßig. Die von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich gewünschte Funktion von Arztbewertungsportalen wird hierdurch nicht beeinträchtigt.

Aus der vorzunehmenden Interessenabwägung folgt, dass der Hostbetreiber ohne Gefährdung der Anonymität des Bewertenden ernsthaft versuchen muss, die Berechtigung der Beanstandung zu klären. Dazu hat er den Bewertenden aufzufordern, den Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben und Belege zu übermitteln (BGH a. a. O. Rn. 42 f.). Konkret hat der Bundesgerichtshof die bloße Bitte der Beklagten, die Behandlung in mindestens zwei Sätzen zu umschreiben und den Behandlungszeitraum zu nennen, nicht ausreichen lassen (BGH, a. a. O. Rn. 43). Der Portalbetreiber hat sich die Behandlung durch objektive Beweismittel in Form von Rechnungen, Terminkarten, Bonusheften, Rezepten o. ä. nachweisen zu lassen.

Vorliegend kann dahinstehen, ob das Prüfverfahren so abgelaufen ist, wie es die Beklagte vorträgt. Denn selbst wenn die Kammer das mit dem nachgelassenen Schriftsatz vom 04.10.2018 geschilderte Vorgehen als wahr unterstellt, hat die Beklagte nicht das Erforderliche unternommen, um einen hinreichenden Nachweis über den Behandlungskontakt zu erlangen. Die Beklagte durfte sich nicht mit der Antwort des Bewertenden zufriedengeben, dass die Krankenkasse keine Arztbesuche registriere. Denn es ist schlechterdings nicht denkbar, dass kassenärztliche Leistungen ohne Registrierung der Behandlungsdaten abgerechnet werden. Ohne Angaben zu Zeit und Ort der Behandlung wäre es der Krankenkasse unmöglich, den Vergütungsanspruch des Arztes zu überprüfen und die von dem Behandler abgerechneten Leistungen korrekt zuzuordnen. Als angeblicher Kassenpatient hat der Verfasser der Bewertung auch einen gesetzlichen Auskunftsanspruch gegenüber seiner Krankenkasse, den er hätte geltend machen können. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 305 SGB V. Hierauf hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung am 26.09.2018 ausdrücklich hingewiesen. In diesem Zusammenhang ist auch erörtert worden, dass die Behandlungsdaten infolge des Abrechnungsverfahrens erst zeitversetzt bei der Krankenkasse eingehen und welche Auswirkungen das auf den Auskunftsanspruch des Versicherten haben könnte. Gleichwohl ist die Beklagte in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 04.10.2018 an keiner Stelle auf den Auskunftsanspruch des Patienten eingegangen.

Neben der Möglichkeit, die Krankenkasse zu konsultieren, hätte die Beklagte dem Bewertenden auch vorschlagen können, einen Beleg über den Arztbesuch direkt in der Praxis anzufordern. Das hat sie nicht getan. Es dürfte nicht ungewöhnlich sein, dass Patienten derartige Nachweise z. B. für ihren Arbeitgeber benötigen, so dass eine dahingehende Bitte des Patienten die Anonymität der Bewertung nicht gefährden dürfte.

Soweit die Beklagte argumentiert, der Patient habe anstelle eines Behandlungsbelegs die in das Verfahren eingeführte Praxisbeschreibung geliefert, war diese Angabe erkennbar nicht geeignet, einen Behandlungsnachweis zu ersetzen. Denn der Portalnutzer teilt keine Kenntnisse mit, die nur ein Patient des Klägers haben kann. Die Wegbeschreibung zur Praxis lässt sich von der Homepage der Praxis abrufen oder der Bewertende könnte die Örtlichkeiten als Begleitperson eines Patienten kennengelernt haben. Die Beschreibung des Empfangsbereichs ist nichtssagend, weil die Angaben auf eine unbestimmte Vielzahl von Praxen zutreffen.

Dass die Beklagte den Tag der Behandlung mit der Anwesenheit des Klägers in seiner Praxis abgeglichen habe, reicht ebenfalls als Bemühen um einen geeigneten Behandlungsnachweis nicht aus. Denn dem Kläger ist es aufgrund des Geheimhaltungsanspruchs des Portalnutzers aus § 12 Abs. 1 TMG unmöglich, diese Angabe zu widerlegen.

dd) Dass der streitgegenständlichen Bewertung kein Behandlungskontakt zugrunde lag, ist gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu bewerten. Zwar ist der Kläger nach allgemeinen Regeln für das Fehlen des Behandlungskontaktes darlegungs- und beweisbelastet. Die Beklagte trifft allerdings eine sekundäre Darlegungslast, wenn dem Kläger eine nähere Darlegung nicht möglich ist und er keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat (BGH, Urteil v. 01.03.2016 - VI ZR 34/15 jameda.de II, Rn. 46 ff. zitiert nach juris m. w. N.). Das ist hier der Fall.

Der Kläger hat im Rahmen seiner primären Darlegungslast ausreichend vorgetragen, dass er in dem angegebenen Behandlungszeitraum keinen Patienten behandelt habe, auf den die bekannten Merkmale zuträfen. Eine nähere Darlegung kann von ihm nicht verlangt werden, weil zur Verifizierung der Fehlanzeige eine Vielzahl geheimhaltungspflichtiger sensibler Patientendaten offengelegt werden müssten. Wegen des Behandlungsschwerpunktes des Klägers im Bereich Multipler Sklerose ist zudem davon auszugehen, dass er in dem betroffenen Zeitraum nur wenige Patienten mit HWS-Beschwerden behandelt hat, zumal sich die Suche weiter danach eingrenzen ließ, dass der Patient erstmalig zur Behandlung erschien. Es ist demnach unwahrscheinlich, dass der Kläger den betreffenden Patienten schlicht übersehen hat. Plausibel ist auch, dass der behauptete Behandlungsvorlauf von vier Monaten keinen Anhalt bietet, weil diese Daten in der Praxis nicht registriert werden.

Hingegen hat die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt. Das Geschäftsmodell der Beklagten ist darauf angelegt, die Anonymität des Bewertenden sicherzustellen und zu schützen. Die Beklagte kann es dem Kläger deshalb nicht mit Erfolg zum Vorwurf machen, dass es dem Kläger nicht gelungen ist, den Verfasser der streitgegenständlichen Bewertung anhand der ihm zugänglichen Informationen zu identifizieren. Die Beklagte hat nach den vorstehenden Ausführungen die sie treffende Obliegenheit verletzt, von dem Bewertenden aussagekräftige Belege zu dem angeblichen Behandlungskontakt einzuholen. Die Zumutbarkeit der Recherche folgt aus der Prüfobliegenheit der Beklagten. Dieser Obliegenheit ist sie nicht ausreichend nachgekommen.

ee) Eine Wiederholungsgefahr ist gegeben, weil die Bewertung weiterhin auf dem Portal abrufbar ist und hierdurch einen Dauerverstoß begründet.

2. Klageantrag zu 3)

Der Kläger hat in der Folge des Unterlassungsanspruchs gegen die Beklagte zur Vorbereitung etwaiger Schadensersatzforderungen einen unselbständigen Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskunft aus § 242 BGB.

3. Klageantrag zu 4)

Das Feststellungsbegehren des Klägers ist aus § 823 Abs. 1 BGB begründet. Der Beklagten ist mindestens Fahrlässigkeit anzulasten. Sie hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verletzt, indem sie die streitgegenständliche Bewertung zunächst in veränderter Form und schließlich vollständig wieder online gestellt hat, obwohl die Angaben, die sie von dem Verfasser der Bewertung erhalten hat, den eigenen Vorgaben nicht gerecht wurden. Die mit dem nachgelassenen Schriftsatz vom 04.10.2018 vorgelegten Anfragen der Beklagten lassen darauf schließen, dass der Beklagten bewusst war, dass sie einen aussagekräftigen Beleg über die Behandlung benötigt. Einen solchen ist der Verfasser der Bewertung ohne ausreichende Erklärung schuldig geblieben. Gleichwohl hat sich die Beklagte entschieden, die Bewertung wieder ins Netz zu stellen.

4. Klageantrag zu 5)

Der Kläger hat Anspruch auf Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 887,03 € aus §§ 823 Abs. 1, 251 BGB.

Die Forderung errechnet sich aus einem Gegenstandswert von 10.000 € und einer 1,3 Geschäftsgebühr nach §§ 2, 13 RVG, Nr. 2300 VV zuzüglich einer Post- und Kommunikationspauschale sowie gesetzlicher Umsatzsteuer.

Die Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich, nachdem die Beklagte auf die erste Beanstandung des Klägers im November 2016 keine endgültige Löschung der streitgegenständlichen Bewertung erreicht hat.

5. Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 ZPO. Die Sicherheitsleistung in Bezug auf den Unterlassungsanspruch wurde anhand des Interesses des Klägers an der Untersagung der Bewertung mit 10.000,00 EUR bemessen.

 

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