Leitsätzliches
Ein Mitarbeiter kann von seinem Arbeitgeber verlangen, dass dieser nach Vertragsbeendigung nicht behauptet oder den unwahren Eindruck erweckt, dass das Auftragsverhältnis fortbesteht. Mit der Aussage, dass eine Person für ein Unternehmen/eine Organisation tätig sei, ist eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verbunden.LANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
Entscheidung vom 1. Juni 2018
Aktenzeichen: 2-03 T 4/18
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 29.05.2018 in Gestalt der Nichtabhilfeentscheidung vom 30.05.2018 - 31 C 1472/18 (96) - abgeändert.
Dem Antragsgegner wird es im Wege der einstweiligen Verfügung - wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung - bei Meidung von Ordnungsgeld bis 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an seinem Vorstand, für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt,
durch die folgende Äußerung:
"Mit dem … fördern wir regelmäßig Projekte aus dem … Bereich, dabei reicht unser Leistungsspektrum […]. […]
-[Name], Leiterin … Projekte/Presse- und Öffentlichkeitsarbeit"
den Eindruck zu erwecken, dass die Antragstellerin nach wie vor "Leiterin … Projekte/Presse- und Öffentlichkeitsarbeit" sei,
so wie dies unter der Webseite www.... - Kopie der Bildschirmansicht jener Webseite ersichtlich in der Anlage zur Antragsschrift vom 29.05.2018 - geschehen ist.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Eilverfahrens einschließlich des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie unterliegt gemäß §§ 78 Abs. 5, 569 Abs. 3 Nr. 1, 920 Abs. 3 ZPO nicht dem Anwaltszwang. Die Beschwerde ist auch innerhalb der zweiwöchigen Notfrist des § 569 Abs. 1, Satz 1 ZPO bei Gericht eingegangen.
Über die Beschwerde entscheidet gemäß § 568 S. 1 ZPO der Einzelrichter.
Die Beschwerde ist auch begründet.
In Ausübung des nach § 938 ZPO eröffneten Ermessens hat die Kammer den Antrag auf die konkret dargelegte und glaubhaft gemachte Verletzungsform beschränkt. Ferner hat die Kammer den Antrag dahingehend ausgelegt, dass sich die Antragstellerin gegen den unwahren Eindruck wendet, dass sie nach wie vor für den Antragsgegner tätig sei. Dies hat die Antragstellerin jedenfalls in ihrer Beschwerdeschrift vom 29.05.2018 klargestellt ("… Weiter wird nicht das Zitat auf der Webseite selbst beanstandet (…). (…) Die aktuelle Zitatunterschrift jedoch weist die Antragstellerin klar und aktuell als Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Antragsgegners aus. Dies ist ein Vortäuschen falscher Fakten und sollte gelöscht bzw. berichtigt werden.").
Der Antragstellerin steht ein Verfügungsanspruch zu, nämlich ein Unterlassungsanspruch gemäß den §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog.
Vorliegend ist mit der in Streit stehenden Äußerung der unwahre Eindruck verbunden, dass die Antragstellerin aktuell für den Antragsgegner tätig ist. Eine verdeckte Aussage (etwa im Sinne eines unzutreffenden Eindrucks) liegt nur dann vor, wenn der Äußernde durch das Zusammenspiel offener Äußerungen eine zusätzliche Sachaussage macht bzw. sie dem Leser als unabweisliche Schlussfolgerung nahelegt (OLG Stuttgart, NJOZ 2017, 1424, 1425 - Einstweiliger Rechtsschutz im Zusammenhang mit Berichterstattung zu "Panama Papers"). Dies ist hier der Fall. Das in Rede stehende Zitat enthält - verbunden mit der Angabe "-…, Leiterin … Projekte/Presse- und Öffentlichkeitsarbeit" - die verdeckte Aussage, dass …, die Antragstellerin, aktuell die dort genannten Funktionen ausübt.
Dies ist jedoch nicht zutreffend.
Die Kammer geht hierbei davon aus, dass die Antragstellerin ihre Tätigkeit für den Antragsgegner im Mai 2018 wirksam beendet hat. Sie hat vorgetragen, dass sie "das Arbeitsverhältnis" im Mai 2018 schriftlich beendet habe. Hierbei ist nicht von der durch die Antragstellerin erfolgten Bezeichnung als Arbeitsverhältnis auszugehen. Vielmehr sind die glaubhaft gemachten Gesamtumstände zu berücksichtigen. Aus ihnen ergibt sich, dass die Antragstellerin auf "pro bono-Basis" für den Antragsgegner tätig war. Ob eine solche Tätigkeit als unentgeltlicher Auftrag, als Gefälligkeitshandlungen rechtsgeschäftlicher Natur oder als bloße Gefälligkeit zu behandeln sind, muss hier nicht entschieden werden. Denn in allen Fällen kann die Tätigkeit jederzeit beendet werden. Dies folgt jedenfalls aus § 671 Abs. 1 BGB, nach dem der Auftrag von beiden Seiten jederzeit beendet werden kann. Der Beauftragte darf allerdings nicht zur Unzeit kündigen, sofern nicht ein wichtiger Grund vorliegt, § 671 Abs. 2 BGB. Dafür gibt es jedoch keine Anhaltspunkte. Genauso wenig ist ersichtlich, dass ein Arbeitsverhältnis vorliegt, für das besondere Kündigungsfristen gelten würden und für das der Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit eröffnet wäre.
Mit der in Streit stehenden Äußerung ist eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG verbunden. Denn das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt auch die Sozialsphäre, also etwa die Darstellung einer Person im Zusammenhang mit ihrer in der Öffentlichkeit wahrnehmbaren (beruflichen oder ehrenamtlichen) Tätigkeit.
Wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH NJW 2016, 789 [BGH 15.09.2015 - VI ZR 175/14] Rn. 20; BGH NJW 2016, 56 [BGH 28.07.2015 - VI ZR 340/14] Rn. 29; BGH NJW 2014, 2029 [BGH 17.12.2013 - II ZB 6/13] Rn. 22; jew. m.w.N.). Hier ist das Schutzinteresse der Antragstellerin aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG mit dem Recht der Beklagten auf Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK bzw. auf Vereinsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG abzuwägen.
Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin.
Zugunsten des Antragsgegners spricht zwar, dass vorliegend lediglich die Sozialsphäre der Antragstellerin tangiert ist und der Grundrechtseingriff daher nicht so schwer wiegt wie bei Eingriffen in deren Privat- oder gar die Intimsphäre.
An der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen besteht jedoch auch unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse (BVerfG NJW 2012, 1643 [BVerfG 07.12.2011 - 1 BvR 2678/10] Rn. 33 - Grüne Gentechnik; BGH NJW 2016, 56 [BGH 28.07.2015 - VI ZR 340/14] Rn. 31).
Der Antragsgegner hatte zudem mehrfache Aufforderungen der Antragstellerin, die Webseite entsprechend zu aktualisieren, verstreichen lassen. Hierbei kann sich der Antragsgegner nicht mit Erfolg darauf stützen, dass der dafür zuständige Mitarbeiter erkrankt sei (siehe etwa E-Mail vom 14.05.2018, 14:29, von …@...de (…), Bl. 4 d.A.). Denn auch ein eingetragener Verein, der keine wirtschaftlichen Zwecke verfolgt und sich der Gemeinnützigkeit verschrieben hat, muss - notfalls unter Heranziehung vereinsexterner Ressourcen - eine Rechtsverletzung unverzüglich beseitigen.
Der Verfügungsgrund der Eilbedürftigkeit ist ebenfalls gegeben.
Die Entscheidung über die Androhung eines Ordnungsmittels beruht auf § 890 ZPO.
Die Kostenentscheidung beruht auf den § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus den §§ 3 ZPO, 47, 53 Abs. 1 GKG.