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LG Berlin, Urteil vom 15.12.2015, Az. 27 O 638/15

Leitsätzliches

Ein Politiker darf in einem Theaterstück als Zombie dargestellt werden. Die Aufführung fällt unter die Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG). Auch wird kein verständiger Theaterbesucher ernsthaft annehmen, dass in dem Stück zu Gewalt gegen die gezeigten Akteure der politischen Gegenwart aufgerufen wird. In dem Stück wird vielmehr künstlerisch zum Ausdruck gebracht, dass diese rationalen Argumente nicht mehr zugänglich seien.

Landgericht Berlin

Urteil

Entscheidung vom 15. Dezember 2015,

AZ. 27 O 638/15

 

 

In dem Rechtsstreit...

für Recht erkannt:

1. Die einstweilige Verfügung vom 03. Dezember 2015 wird aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Antragstellerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Kostenbetrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.

Tatbestand

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Verwendung ihres Bildnisses in dem von der Antragsgegnerin seit dem 25. Oktober 2015 aufgeführten Theaterstück ”(…)” von (…).

Die Antragstellerin ist Koordinatorin und Organisatorin der ”(…)”, die von einem Aktionsbündnis verschiedener Familienorganisationen, politischer Vereine, engagierter Einzelpersonen und Initiativen aus ganz Deutschland veranstaltet wird. Das Aktionsbündnis tritt ein für die Wahrung der Elternrechte, für Ehe und Familie und wendet sich gegen Gender-Mainstreaming und Sexualisierung der Kinder in Kitas und Schulen (Selbstdarstellung auf www.demofueralle.de). Die Antragstellerin ist in einem gegen die Bundesregierung und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gerichteten Appell gegen die ”Ehe für alle” eingetreten. Wegen der Einzelheiten wird auf Seite 3 der Schutzschrift vom 1.12.2015 verwiesen.

Die Antragsgegnerin ist verantwortliche Betreiberin des Theaters Schaubühne am (…) Platz in Berlin. Sie verantwortet den von ihr herausgegebenen Spielplan und das Programm der bei ihr aufgeführten Werke. Seit dem 25.10.2015 (Premiere) führt sie das Theaterstück ”(…)” von (…) in der Fassung als ”Uraufführung” auf.

Die Antragsgegnerin hat das Theaterstück auf ihrer Website wie folgt beschrieben:

”Deutschland, im Herbst 2015. In einem Land, das von vielen als freies, offenes, vielfältiges Land im Aufbruch gesehen wird, grassiert die Angst. Angst vor dem Fremden, Angst davor, auszusterben, sich abzuschaffen, überfremdet zu werden; von Politik und Medien belogen und im Stich gelassen zu werden. Angst davor, von Minderheiten, die gleiche Rechte fordern, terrorisiert zu werden, eigene Privilegien zu verlieren. Die Ungeheuer, die diese Ängste gebiert, nimmt (...) zusammen mit einem Ensemble von Schauspielern und Tänzern und dem Videokünstler (...) (...) in den Blick. Sie begeben sich auf eine Reise durch verlassene und blühende, reale und virtuelle deutsche Landschaften, treffen auf eine christlich-fundamentalistische Hasspredigerin, besorgte Bürger, die gegen »Lügenpresse« und »Überfremdung« sich die Wut aus dem Leib schreien, besorgte Eltern, die gegen alternative Familienmodelle und die Akzeptanz sexueller Vielfalt auf die Straße gehen und sie kommen der konspirativen Allianz zwischen der politischen Rechten, christlichen Fundamentalisten und der Aristokratie für die Re-Christianisierung des Abendlandes auf die Spur.

Wie Untote, Zombies, Wiedergänger aus der Vergangenheit, kehren längst überkommen geglaubte Kategorien, Denkmuster, eine Rhetorik und ein Vokabular aus Zeiten des Nationalsozialismus zurück. Im öffentlichen Diskurs breiten sich ungehemmt Hass, Hetze und Diskriminierung als legitime Arten des Sprechens aus. Auf diesem Nährboden folgen Gedanken und Worten bald Taten, werden Journalisten angepöbelt, wird öffentlich zu Hass und Gewalt aufgerufen, wurden Politiker angegriffen und brannten im vergangenen Sommer mehr als 500 deutsche Flüchtlingsunterkünfte. Die untoten Geister von Rassismus und Homophobie beschwören die Performer herauf und setzen sich mit Sprache und Körperlichkeit von Angst, Hass und Gewalt auseinander, verlachen, bekämpfen sie und schütteln sie ab. Sie fragen sich, was Begriffe wie »Heimat« und »Familie« für sie ganz persönlich heißen könnten.”

Die Antragstellerin wird mehrfach namentlich in dem Theaterstück erwähnt, ihr Bild mehrfach auf eine Leinwand auf der Bühne projiziert. Zudem sind Papierausdrucke mit dem Gesicht der Antragstellerin in DIN-A3 Format Bestandteil des Bühnenbildes. Einen Ausdruck mit dem Bildnis der Antragstellerin hält sich ein Tänzer als Maske vor das Gesicht, wozu er zuvor kreisrunde Öffnungen im Bereich der Augen in das Bild macht. Der Ausdruck wird im weiteren Geschehen wieder mit den anderen Ausdrucken im Bühnenbild verwendet.

In dem Stück werden neben der Antragstellerin die Bildnisse weiterer Personen auf der Leinwand und auch auf Ausdrucken gezeigt – unter anderem von (...).

In zwei längeren Monologen spricht die Figur "Lise" in dem Stück von "Zombies".

Der erste Monolog folgt nach ca. 15 Minuten Spielzeit, nachdem der Hauptprotagonist des Stückes in einem langen Monolog ausführt, wie er Nächte lang an seinem Laptop saß und alles in sich rein "fraß", "abwegige (...) Verschwörungs-und Hassblogs", Information von und über besorgte Bürger, Freital, Heidenau, Nauen, Dresden, Leipzig, Pegida, Legida (...) Zivile Koalition und sich dann wieder die Serie " (...) " ansieht, dann wieder etwas von (...), der (...) und dem katholische Netzwerk zur Re-Christianisierung des Abendlandes und über NSU, NPD, AfD, Freifrau von Beverfoerde, (...), Eva Hermann und die besorgten Eltern und dann wieder die Serie " (...) (...) ", dann von (...) und (...) und Hassblogs und Bürgerkonvents, Zivile Koalition, Allianz für den Rechtsstaat u.s.w.. Am Ende verbinden sich alle Bilder, Gefühle, Ängste und Fragen, die das Gelesene und Gesehene - die fiktive Detektivserie und die Realität miteinander. Er bekommt "den Bogen nicht mehr so richtig rund zusammen", "alle Bilder, alle Fetzen von Informationen, die" er "aufgespürt hatte, fielen in" ihm "durcheinander und begannen dort zu leben. Und setzten sich neu, anders zusammen. Und ich fuhr durch diese Landschaft. Ich traf auf all diese Monster, all diese verwirrten Menschen. Ich hatte diesen Traum: (…)"

Hieran anschließend folgt die erste "Zombie"-Szene, bei der auf einer großen Leinwand im Hinter-grund in zügiger Abfolge großformatige Bildnisse der zuvor Erwähnten, u.a. auch der Antragstellerin, gezeigt werden.

”Die Untoten steigen aus ihren Gräbern und belagern die Fernsehstudios. Das Internet. Die Kommentarspalten. Sie lungern vor Flüchtlingsheimen herum. Oder spazieren durch Dresden, Leipzig und Stuttgart. Sie gründen Parteien und Vereine zur Re-Zombilisierung des Abendlandes. Da sitzen sie und reden in unverständlichen, zusammenhanglosen Sätzen. All ihre Untotensätze, die schon mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges untergegangen sind und begraben liegen unter den Massenvernichtungsanlagen und Leichenbergen der Schlachtfelder. Aber nun kriechen sie alle wieder aus den Gräbern der Diskursfriedhöfe und stolpern mit blutleeren Augen durch die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten. Die Internetforen, die Blogs, die Kommentarspalten und durch die verwaisten Straßen der zusammenbrechenden leblosen Landschaften fernab unserer Wahrnehmung. Der Zombie irrt nicht wie einst in Dawn of the Dead verloren durch Shopping-Malls und knallt mit dem Kopf gegen Konsumgüter. Der irrt durch die Kommentarspalten der Internetforen und FB-Posts und gibt seltsame Laute von sich. Klänge, von denen unsere Aufzeichnungen eigentlich sagen, dass sie mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs untergegangen sind. Aber nun kommen sie alle wieder. Was entgegne ich einem Argument, dass bereits tot ist? Wie rede ich mit einem Menschen, der nicht zugänglich ist für rationale Gedanken? Wie schaffe ich etwas aus der Welt, das tot ist, aber wieder auferstanden ist? Wie schaffe ich das?”

Die zweite Erwähnung der "Zombies" erfolgt wieder durch Lise nach ca. 1 Stunde Spielzeit, nachdem Alina von ihrem Alptraum berichtet hat: "Ich habe Angst, dass ich jede Nacht mit diesem Apltraum aufwache. Ich bin (...) und halte eine Hasspredigt und hetze gegen Juden, Lesben, Muslime, Linke, Schwule, alleinerziehende Mütter. Und ich sterbe innerlich langsam ab. (…) Und dieser Hass tut so weh und der drückt mich so zu Boden. Und ich bin (...) und (...) und (...) und all diese schrecklichen Frauen und ich halt's wirklich gerade nicht mehr aus. Macht mich fertig."

Wieder werden auf der Leinwand großformatig die Bildnisse der oben Erwähnten in zügiger Abfolge hintereinander gezeigt. Aus den auf der Bühne wie Schlafende liegenden Schauspielern erhebt sich Lise mit dem nachfolgenden Monolog. Weiterhin werden in Endlosschleife die Bildnisse gezeigt:

”Der Zombie stirbt nur, wenn man ihm direkt ins Gehirn schießt und sein Gehirn auslöscht. Das ist die einzige Möglichkeit. Der Zombie strebt die Weltherrschaft an. Der Zombie ist gegen das Überleben der Menschheit gerichtet. Er ist das Untote. Das Nichtlebendige. Sein Reich ist das Reich des Nichtlebendigen, der Verdummung, des Desinteresses, der Apathie. Es sind die Momente, wenn all der Hass sich gegen etwas richtet, dass nicht verantwortlich ist für den Schmerz, den wir über unser Leben empfinden. Es sind die Momente, wenn das Hirn aussetzt und Mitgefühl und Verständnis sich auflösen und der reine Affekt, das Getriebensein, der Hass, das Ausagieren der eigenen paranoiden Angstskripte die Regie übernehmen. Wenn überall in Europa Menschen in die Parlamente gewählt werden, von denen wir eigentlich gedacht haben, dass sie 1945 untergegangen seien. Aber nun sind sie alle wieder auferstanden, aus den Gräben der toten Soldaten und der Konzentrationslager. Aus den nie totzukriegenden Diskursgräbern des Rassenhasses, der Homophobie, der Vorherrschaft des weißen europäischen Mannes. Wie gehen wir mit jemanden um, der bereits tot ist? Wie bekämpfen wir ein Denken, das tot ist und zwei Weltkriege ausgelöst und begleitet hat? Die Armee der Zombies wächst und wächst und wächst. Es werden täglich mehr. Sie wollen die Fernsehstudios, die Zeitungsredaktionen, die Parlamente und das Internet. (…) Es werden immer mehr. Es werden immer mehr und sie sehen aus wie Menschen. Man kann den Unterschied nicht immer erkennen, aber die Toten sind tot und untot zugleich. Sie gehen nicht weg. Sie kommen immer wieder. Wie argumentieren wir gegen etwas, das tot ist und aus einer anderen Zeit auf geheimnisvolle Weise in unsere Zeitdimension vorgedrungen ist. Wie töten wir Argumente, die längst schon gestorben sind?”

Wegen der Einzelheiten des Theaterstückes wird auf die von der Antragsgegnerin eingereichte DVD sowie das Transkript Anlage AS 4 verwiesen.

Die Antragstellerin macht geltend:

Sie habe von der Aufführung am 3. November 2015 Kenntnis erlangt. Sie werde in dem Stück völlig undifferenziert und ohne irgendwelche Belegtatsachen als rechtsextremer, Hassreden schwingender Zombie dargestellt, es werde zu Gewalt gegen sie aufgerufen. Der Regisseur stehe mit seinem Gewaltaufruf der einschlägigen Neonazi-Propaganda in nichts nach. Die Zurschaustellung und Verbreitung ihres Bildnisses verletze sie massiv in ihrer Menschenwürde. Sie werde als rechtsradikaler Zombie dargestellt, dem man die Augen ausstechen sollte und der nur dann sterbe, wenn man ihm direkt ins Gehirn schieße. Ihr werde in dem Stück durch die Darstellung als unmenschliches Horrorwesen, dem nichts positives abzugewinnen sei, jegliche Anerkennung als gleichberechtigtes Mitglied in der sozialen Gemeinschaft und die Achtung als Mensch abgesprochen. Man könne mit ihr nicht mehr diskutieren, wie dies zwischen Menschen mit unterschiedlichen politischen Ansichten üblich sei, sondern könne sie nur noch erschießen. Der verbale Gewaltsaufruf werde dadurch verstärkt, dass die Schauspieler einem Bildnis von ihr die Augen ausstechen bzw. herausreißen und so den Zuschauer bildhaft zur Nachahmung einladen würden. Sie behauptet, sie sehe sich seit der Uraufführung des Stücks zunehmender Bedrohungen von Seiten der linksextremen Szene ausgesetzt. So habe es Drohungen in Form von Drohbriefen gegen sie sowie einen schweren Brandanschlag auf die Magdeburger Geschäftsadresse der Organisation ”(...)” gegeben.

Jedenfalls handelte es sich um eine besonders schwer wiegende Beeinträchtigung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

Die Antragstellerin hat die einstweilige Verfügung vom 3. Dezember 2015 erwirkt, durch die der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel untersagt worden ist,

bei der Aufführung des Theaterstücks ”(...)” von (...) ein Bildnis der Antragstellerin zur Schau zu stellen und/oder zu verbreiten und/oder zur Schau stellen und/oder verbreiten zu lassen.

Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Antragsgegnerin. Sie nimmt für sich die Kunstfreiheit in Anspruch und macht geltend:

In dem Theaterstück werde an keiner Stelle zu Gewalt gegenüber der Antragstellerin aufgerufen. Die "Zombies" seien das Untote, das Nichtlebendige, es seien die neuen rechten Argumente, die bezeichnet würden, das Denken der sog. "neuen Rechten", das politische Ansinnen solcher Per-sonen wie der Antragstellerin, nicht die benannten Frauen selbst.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen,

hilfsweise,

die einstweilige Verfügung mit der Maßgabe zu bestätigen, dass der Antragsgegnerin untersagt wird, bei der Aufführung des Theaterstücks "(...)u von (...)

a) auf der Bühne das nachfolgend eingeblendete Foto der Antragstellerin

[...]

mit ausgestochenen Augen und/oder nicht ausgestochenen Augen zur Schau zu stellen und/oder zu verbreiten und/oder zur Schau stellen und/oder verbreiten zu lassen und/oder sonstige Bildnisse der Antragstellerin auf Leinwänden, Monitoren oder ähnlichen Projektionsflächen oder sonst zur Schau zu stellen und/oder zu verbreiten und/oder zur Schau stellen und/oder verbreiten zu lassen, soweit dies geschieht, während - auch in Bezug auf die Antragstellerin - dazu wörtlich oder sinngemäß folgende Texte gesprochen werden:

aa) "[ ... ] für die tiefe Verwurzelung des Bösen und Birgit Kelle und DEMO FÜR ALLE und das katholische Netzwerk zur Re-Christianisierung des Abendlandes und NSU, NPD, AfD, Freifrau von Beverfoerde und (...) und Eva Hermanns und die besorgten Eltern und dann wieder die True Detectives, die einen versoffenen Laienprediger aufspüren, der die Kinder seiner evangelikalen Gemeinde an einen als christlicher Wohlfahrtsverein getarnten Kinderpornoring verkauft und (...) und (...) und Hassblogs und Bürgerkonvent, [ ... ]"

und/oder

bb) "Die Untoten steigen aus ihren Gräbern und belagern die Fernsehstudios. Das Internet. Die Kommentarspalten. Sie lungern vor Flüchtlingsheimen herum. Oder spazieren durch Dresden, Leipzig und Stuttgart. Sie gründen Parteien und Vereine zur Re-Zombiisierung des Abendlandes. Da sitzen sie und reden in unverständlichen, zusammenhanglosen Sätzen. All ihre Untotensätze, die schon mit dem Ende des zweiten Weltkrieges untergegangen sind und begraben liegen unter den Massenvernichtungsanlagen und Leichenbergen der Schlachtfelder. Aber nun kriechen sie alle wieder aus den Gräbern der Diskursfriedhöfe und stolpern mit blutleeren Augen durch die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten. Die Internetforen, die Blogs, die Kommentarspalten und durch die verwaisten Straßen der zusammenorecnencen leblosen t.anoscnarten fernab unserer Wahrnehmung. Der Zombie irrt nicht wie einst in Dawn oft he Dead verloren durch Shopping-Malls und knallt mit dem Kopf gegen Konsumgüter. Der irrt durch die Kommentarspalten der Internet-Foren und FB-Posts und gibt seltsame Laute von sich."

und/oder

cc) “Ey, die haben beide einen Verein zur Re-Christianisierung des Abendlandes und die organisieren Websites und Demos und Petitionen gegen Aufklärung in der Schule und gegen sexuelle Vielfalt zusammen mit so 'ner komischen adligen Krähe namens Hedwig Freifrau von Beverfoerde. Also die NPD-nahen AfD-ler zusammen mit dem rechtsnationalen katholischen Fundamentalisten der CDU und dem Adel wollen äh das Abendland aus der Aufklärung zurück in eine Art katholischen Angstzwangsapparat beamen und sie wollen, dass die deutsche Frau wieder mindestens drei Kinder hat, aber Kinder ohne Migrationshintergrund."

und/oder

dd) "Der Zombie stirbt nur, wenn man ihm direkt ins Gehirn schießt und sein Gehirn auslöscht. Das ist die einzige Möglichkeit. Der Zombie strebt die Weltherrschaft an. Der Zombie ist gegen das Überleben der Menschheit gerichtet. Er ist das Untote. Das Nichtlebendige. Sein Reich ist das Reich des Nichtlebendigen, der Verdummung, des Desinteresses, der Apathie."

Die Antragsgegnerin beantragt,

auch den Hilfsantrag zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

 

Gründe

I.

Die einstweilige Verfügung ist aufzuheben und der Antrag auf ihren Erlass sowie der Hilfsantrag zurückzuweisen, weil sie zu Unrecht ergangen ist (§§ 936, 925 ZPO). Denn der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin wegen der Veröffentlichung ihres Bildnisses in dem Theaterstück ”(...)” der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823, analog 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 22 f. KUG, Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG nicht zu. Es wird hierdurch weder ihre Menschenwürde verletzt noch liegt eine schwer wiegende Verletzung ihres allgemeines Persönlichkeitsrecht vor.

1. Gemäß § 22 KUG dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet werden, an der es vorliegend fehlt. Hiervon macht § 23 Abs. 1 KUG Ausnahmen. Vorliegend greift der Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG ein. Danach dürfen Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, ohne die nach § 22 KUG erforderliche Einwilligung verbreitet und zur Schau gestellt werden, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient. Davon kann bei dem vorliegenden Theaterstück ohne weiteres ausgegangen werden. Das Recht der Antragstellerin am Schutz ihrer Persönlichkeit hat vorliegend hinter der Kunstfreiheit zurückzutreten.

a. Die Zurschaustellung der Bildnisse der Antragstellerin ist Teil der streitgegenständlichen Inszenierung. Der Regisseur des Stücks hat in einer Schutzschrift zu der Abmahnung der Antragstellerin ihm gegenüber (27 AR 151/15) Folgendes ausgeführt:

”Die Antragstellerin wird mit anderen rechtskonservativen Akteuren der politischen Gegen-wart in der Bundesrepublik Deutschland zum Symbol eines neuen Erstarkens der politischen Rechten, auf das in der Aufführung mit einer künstlerischen Fiktion reagiert wird. Die Figuren im Stück sehen sich über die politischen Bewegungen wie Pegida und AfD und über deren Akteure an Zeiten erinnert, die sie längst in Deutschland für überwunden hielten. Deren Internetrecherche der aktuellen politischen Debatten, aus der die Beschwerdeführerin nicht hinwegzudenken ist, erbringt diverse Bildnisse der politischen Aktivisten dieser Bewegungen, die von diesen selbst in ihren Internetnetzwerken dargeboten werden oder die sie bei Demonstrationen oder Wahlkampfauftritten zeigen. Dieses aktuelle politische Geschehen bereitet den Figuren Angst. Sie sehen ihr freiheitliches und liberales Lebensumfeld in Gefahr.

In einem Kunstgriff hat der Antragsgegner als Autor diesem drohenden Szenario eine Fabel der Literatur- und Filmgeschichte, eben jener von den Zombies gegenübergestellt. Nach der Fabel, die auf einer zweiten Erzählebene assoziiert wird, sind Zombies Untote, die immer weiter durch die Welt irren und die man nur töten kann, indem man ihnen in das Hirn schießt. Wohl bemerkt, hier wird aus einer allgemein bekannte Fabel zitiert. Es hätte genauso gut die Fabel von Rotkäppchen und dem bösen Wolf sein können, dem mit Steinen der Bauch gefüllt wird. Das Stück mündet im Übrigen in einer Kritik an der liberalen großstädtischen Bevölkerung, die trotz der befürchteten Bedrohung ihrer gesellschaftlichen Werte nicht beginnt, für diese einzutreten, sondern sich vielmehr aus dem öffentlichen Diskurs in eine Scheinidylle von "Urban Gardening" zurückzieht.”

b. Die Kunstfreiheit zieht dem Persönlichkeitsrecht Grenzen. Das gilt im Verhältnis von Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht auch deshalb, weil die Durchsetzung dieses Rechts gegenüber der Kunstfreiheit stärker als andere gegenüber einem Kunstwerk geltend gemachte private Rechte geeignet ist, der künstlerischen Freiheit inhaltliche Grenzen zu setzen. Insbesondere besteht die Gefahr, dass unter Berufung auf das Persönlichkeitsrecht öffentliche Kritik und die Diskussion von für die Öffentlichkeit und Gesellschaft wichtigen Themen unterbunden werden. Um die Grenzen im konkreten Fall zu bestimmen, genügt es daher im gerichtlichen Verfahren nicht, ohne Berücksichtigung der Kunstfreiheit eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts festzustellen. Jedoch ist auch die Kunstfreiheit, die in § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG verankert ist, nicht grenzenlos gewährt. Steht im Streitfall fest, dass in Ausübung der Kunstfreiheit das Persönlichkeitsrecht Dritter beeinträchtigt wird, ist bei der Entscheidung über den auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht gestützten zivilrechtlichen Abwehranspruch der Kunstfreiheit angemessen Rechnung zu tragen. Es bedarf daher der Klärung, ob diese Beeinträchtigung derart schwerwiegend ist, dass die Freiheit der Kunst zurückzutreten hat. Eine geringfügige Beeinträchtigung oder die bloße Möglichkeit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung reichen hierzu angesichts der hohen Bedeutung der Kunst-freiheit nicht aus. Lässt sich freilich eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts zweifelsfrei feststellen, so kann sie auch nicht durch die Kunstfreiheit gerechtfertigt werden (BVerfG, 1 BvR 1783/05 v. 13.06.2007, juris Rdz. 79 f.). Die Schwere der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts hängt dabei sowohl davon ab, in welchem Maß der Künstler es dem Leser oder Betrachter nahelegt, den Inhalt seines Werks auf wirkliche Personen zu beziehen, wie von der Intensität der Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung, wenn der Leser oder Betrachter diesen Bezug herstellt (BVerfG a. a. O.).

Ist zu untersuchen, ob ein dem Schutz des Art. 5 Abs. 3 GG unterstehendes Kunstwerk das Persönlichkeitsrecht, insbesondere auch die Menschenwürde eines Betroffenen beeinträchtigt, kommt es auf eine Interpretation des Aussagegehalts dieses Kunstwerks an. Bei dieser Interpretation sind die Besonderheiten der künstlerischen Ausdrucksform zu berücksichtigen. Zu den Spezifika der Kunstform des Theaterstücks gehört, dass solche Stücke zwar häufig an die Realität anknüpfen, der Künstler dabei aber eine neue ästhetische Wirklichkeit schafft. Das erfordert eine kunstspezifische Betrachtung zur Bestimmung des durch das Theaterstück im jeweiligen Handlungszusammenhang dem Leser nahe gelegten Wirklichkeitsbezugs, um auf dieser Grundlage die Schwere der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts bewerten zu können. Die künstlerische Darstellung ist an einem kunstspezifischen, ästhetischen Maßstab zu messen. Dabei ist zu beachten, ob und inwieweit das "Abbild" gegenüber dem "Urbild" durch die künstlerische Gestaltung des Stoffs und seine Ein- und Unterordnung in den Gesamtorganismus des Kunstwerks so verselbstständigt erscheint, dass das Individuelle, Persönlich-Intime zugunsten des Allgemeinen, Zeichenhaften der "Figur" objektiviert ist. Ein literarisches Werk, vorliegend ein Theaterstück, ist zunächst als Fiktion anzusehen, das keinen Faktizitätsanspruch erhebt. Die Vermutung der Fiktionalität gilt im Ausgangspunkt auch dann, wenn hinter den Figuren reale Personen als Urbilder erkennbar sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2007 - 1 BvR 1783/05 -, Rn. 82 ff.; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19. Dezember 2007 – 1 BvR 1533/07 –, Rn. 12, juris).

Nach diesen Maßstäben ist eine Verletzung der Menschenwürde oder eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung der Antragstellerin, die in ihrer Gewichtung der in § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG niedergelegten Kunstfreiheit vorgehen kann, nicht gegeben.

Zu Recht weist die Antragstellerin darauf hin, dass die Kunstfreiheit dort endet, wo die Darstellung den Betroffenen seiner Würde als Mensch entkleidet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03. Juni 1987 – 1 BvR 313/85 –, BVerfGE 75, 369-382, juris Rn. 25 – Strauss-Karikatur).

Die angegriffene Theaterinszenierung beraubt die Antragstellerin jedoch nicht ihrer Menschenwürde.

Betrachtet man den Aussagegehalt des gesamten Theaterstückes und seiner Inszenierung an der Schaubühne, so wird die Antragstellerin dort als eine Vertreterin von Politikern dargestellt, die rechtskonservative Ansichten vertreten und die mit ihren Thesen und Reden, die von den Protagonisten als Hassreden empfunden werden, den Protagonisten des Stücks Angst bereiten. Parallel dazu erzählt das Theaterstück eine Traumgeschichte des Hauptprotagonisten Bernado, in der dieser sich zusammen mit seinen Freunden den Detektiven Rust und Marti aus der Serie (...) (...) gleich sich auf die Suche nach Monstern begibt, die in einer kaputten Landschaft, in der nur noch Angst, Hass und finstere Mächte regieren, ihr Unwesen treiben. Das Theaterstück endet mit der Kritik an der Gleichgültigkeit der Protagonisten, die sich auf ihren engsten Raum des Privaten zurückziehen und es damit bewenden lassen, festzustellen, dass sie ja ”die anderen”, sprich ”die Guten” sind.

Die von der Antragstellerin auf sich bezogenen beiden Zombie-Monologe, die die Protagonistin Lise spricht, folgen beide unmittelbar auf die Erwähnung von Träumen. Der erste Zombie-Monolog folgt nach ca. 15 Minuten Spielzeit auf den im Einleitungsmonolog vom Hauptprotagonisten geschilderten Traum, der die Parallelgeschichte einleitet. Der zweite folgt nach einer Stunde Spielzeit nachdem Aline von ihrem Alptraum berichtet hat. Auch wenn bei den Monologen im Hintergrund auf einer großflächigen Leinwand großformatig die Bilder von Frauke Petry in einer Talkshow, Eva Hermann in einer Talkshow, Birgit Kelle bei einem youtube-Interview, Björn Höcke in einer Talkshow, Marine Le Pen, Akif Pirincci in einer Talkshow, der Antragstellerin bei einer ”(...)” am Mikrofon, Horst Seehofer, (...) bei einer Rede, (...) bei PEGIDA, Ku Klux Klan, (...) am ersten Gerichtstag, (...), (...), (...) und (...) erscheinen, vermag die Kammer dem von der Antragstellerin gezogenen Schluss, die Abgebildeten würden hierdurch als Zombies dargestellt, nicht zu teilen. Die Zombie-Monologe sind vielmehr Teile der fiktiven, der Traumwelt entsprungenen Parallelgeschichte, in der Monster die Herrschaft übernommen haben. Hierauf spielt auch das Zitat des bekannten Zombiefilms ”Dawn of the Dead” (1978) an, der die Figuren zu fleischfressenden Monstern machte. Als Zombie wird ein Mensch bezeichnet, der scheinbar von den Toten wieder auferstanden und zum Leben erweckt worden ist und als so genannter Untoter oder Wiedergänger, als ein seiner Seele beraubtes, willenloses Wesen herumgeistert (Markus Metz u. Georg Seesslen: Wir Untote! Über Posthumane, Zombies, Botox-Monster und andere Über- und Unterlebensformen in Life Science & Pulp Fiction. Berlin 2012. S. 7-38.).

Von der durch die Bildnisse verkörperten Realität losgelöst ist die fiktive Parallelgeschichte, die die Alpträume der Protagonisten verkörpert, allerdings nicht. Vielmehr wird sie durch diese Realität beeinflusst, im Grunde durch die von ihr verursachten Ängste erst hervorgebracht, wie dies der Inhalt der den jeweiligen Zombie-Monologen vorangehenden Monologen von Bernado und Alina verdeutlicht. Diese Wechselwirkung wird durch die Darstellung der Bildnisse auf der Leinwand, die auch bereits bei der Schilderung des Alptraums von Alina erfolgt, unterstrichen. Diese Beeinflussung kommt in der Inszenierung auch dadurch zum Ausdruck, dass zwischen den Bildnissen der oben Genannten auch das Bildnis eines Monsters auf der Leinwand erscheint. Zudem bezieht sich der Zombie-Monolog der Protagonistin Lise nicht allein auf die fiktive Parallelgeschichte, sondern verlässt die Metapher und fragt, wie ein Denken zu bekämpfen ist, das tot ist, wie Argumente getötet werden können, die längt schon gestorben sind.

Damit wird die Antragstellerin aber nicht selbst in einer Weise als Zombie dargestellt, die ihr ihr eigenes Menschsein und damit ihre Menschenwürde absprechen würde.

Auch wird kein verständiger Theaterbesucher ernsthaft annehmen, dass in dem Stück zu Gewalt gegen die gezeigten rechtskonservativen Akteure der politischen Gegenwart, mithin auch gegen die Antragstellerin aufgerufen wird. In dem Stück wird vielmehr künstlerisch zum Ausdruck gebracht, dass diese rationalen Argumente nicht mehr zugänglich seien.

Soweit Tänzer sich einen DIN-A3 Ausdruck mit dem Bildnis der Antragstellerin als Maske vor das Gesicht halten und sich hierfür Öffnungen im Bereich der Augen machen, fehlt es bereits an jeglichem Anschein einer Gewaltanwendung. Auch in dem weiteren Verwenden des Bildnisses kann eine solche nicht gesehen werden, da es sich für den Zuschauer erkennbar um eine Maske handelt. Von einem Ausstoßen der Augen, wie dies die Antragstellerin meint, kann keine Rede sein.

Auch in dem Umstoßen einiger Pappfiguren verbunden mit dem Ausschrei ” wir wollen Euch nicht” und dem anschließenden Werfen der Pappfiguren nach hinten, um diese von der Bühne zu entfernen, kann keine Gewaltaufforderung gesehen werden. Der Zuschauer empfindet es bereits nicht als Gewaltausbruch gegenüber der Pappfigur, sondern allein als Befreiung gegenüber der zuvor gehaltenen Rede, mithin als Befreiung von den Worten. Sowie die anschließende Reinigung des Bodens von den herumliegenden DIN-A3 Ausdrucken mit einem Laubstaubsauger eine Befreiung von den zuvor reichlich in O-Ton und in gespielter Form gehörten Reden der vom Stück kritisierten politischen Agitatoren und zugleich eine Zäsur in dem Stück ist.

Die Inszenierung des Theaterstücks verletzt das Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin auch nicht dadurch schwerwiegend, dass neben dem Bildnis der Antragstellerin auch das Bildnis von Personen wie dem Massenmörder Anders Behring Breivik, (...), die der Beteiligung an mehreren Morden mit rechtsextremen Hintergrund angeklagt ist, Akif Pirrinci, der in letzter Zeit mit Hasstiraden und massiven Beleidigungen gegen für ihn missliebige Personen in der Öffentlichkeit hervorgetreten ist, gezeigt werden. Denn allein hierdurch wird die Antragstellerin nicht auf eine Stufe mit diesen Rechtsradikalen, die z. T. auch vor Gewalttaten wie Mord nicht zurückschrecken, gestellt. Vielmehr spannt das Theaterstück in der angegriffenen Inszenierung einen breiten Bogen von der politischen rechten Mitte über besorgte Eltern und christlich-fundamentalistisch geprägte Gruppen bis hin zu den genannten Rechtsradikalen. Indem die einzelnen gezeigten Vertreter der jeweiligen politischen Ansichten, soweit sie dem Publikum nicht hinreichend bekannt sind, durch das Einspielen von Ausschnitten aus ihren Reden im O-Ton, durch kurze Angaben zu ihrer Person und ihren Ansichten durch eine Stimme aus dem Off oder durch Nachspielen durch die Schau-spieler vorgestellt werden, wird dem Zuschauer stets deutlich, wer für welche Ansicht steht. Auch wenn der Hauptprotagonist zum Ausdruck bringt, dass alle Bilder in ihm durcheinander gehen, so führt dies nicht dazu, dass alle kritisierten Agitatoren hier gleich gestellt werden.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.