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Keine heimlichen Aufnahmen von Hundehaltern - LG Bonn, Urteil vom 7. Januar 2015 Az.:5 S 47/14

Leitsätzliches

Die unbefugte Aufnahme von Spaziergängern, die ihren Hund in einem Naturschutzgebiet frei herumlaufen lassen, stellt einen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Abgelichteten dar. Die Sicherung von Naturschutzbelange stellen keine Individualrechte dar, die einen derartigen Eingriff rechtfertigen können.

Landgericht Bonn

Urteil

Entscheidung vom 7. Januar 2015

Az.: 5 S 47/14

 

In dem Rechtsstreit

(...) gegen (…)

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 28.01.2014 - 109 C 228/13 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO verzichtet. Da die Revision nicht zugelassen wurde und der für die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO erforderliche Beschwerdewert nicht erreicht wird, ist ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Amtsgericht hat den Beklagten zu Recht dazu verurteilt, Fotoaufnahmen des Klägers beim Hundeausführen in der Siegaue ohne dessen Einwilligung zu unterlassen. Der entsprechende Anspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog.

Ein - ggf. unzulässiger - Eingriff in das Recht am eigenen Bild als Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegt bereits dann vor, wenn - wie hier - ohne Einwilligung des Betroffenen Bildnisse hergestellt werden, wobei es nicht entscheidend darauf ankommt, ob Fotos mit der Absicht, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen bzw. zu verbreiten, angefertigt werden (BGH NJW 1995, 1955 ff.).

Das Amtsgericht hat mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass dieser Eingriff in das Recht am eigenen Bild hier auch rechtswidrig und damit unzulässig war. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dies im Falle der Anfertigung von Bildern in Bereichen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, im Zuge einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und durch Vornahme einer unter Berücksichtigung aller rechtlich, insbesondere auch verfassungsrechtlich geschützten Positionen der Beteiligten durchgeführten Güter- und Interessenabwägung zu ermitteln (BGH a.a.O.).

Ganz entscheidend ist bereits im Ausgangspunkt dieser Abwägung hier die Frage, welche (verfassungs-)rechtlichen Positionen in die Abwägung eingestellt werden können. Der Beklagte geht insoweit davon aus, dass er für sich die Einhaltung der Naturschutzvorschriften und deren Durchsetzung im Wege des Ordnungswidrigkeitsverfahrens ins Feld führen kann. Naturschutzvorschriften - grundgesetzlich verankert als Staatsziel in Art. 20a GG und nicht etwa als Grundrecht der Bürgerinnen und Bürger im Katalog der Art. 1 bis 19 GG - betreffen allerdings keine Individualrechtsgüter.

Der Bundesgerichtshof spricht in der zitierten Entscheidung aber davon, dass (verfassungs-)rechtliche Positionen der Beteiligten in die Erwägung einzubeziehen sind. Auch in der Rechtsprechung nach diesem Urteil geht es stets um Individualrechtsgüter, denen das Fertigen von Bildern oder Videos dienen sollte (vgl. insoweit: LG Bonn, Urteil vom 04.05.2012, Az.: 9 O 60/12; LG Köln, Beschluss vom 21.08.2013, Az.: 34 T 179/13; OLG München, Beschluss vom 04.01.2012, Az.: 20 U 464/11; LG München, Beschluss vom 18.10.2011, Az.: 1 S 12752/11 WEG; OLG Köln, Urteil vom 05.07.2005, Az.: 24 U 12/05; LG Berlin, Urteil vom 23.05.2005, Az.: 62 S 37/05; LG Darmstadt, Urteil vom 17.03.1999, Az.: 8 O 42/99; OLG Karlsruhe, Urteil vom 08.11.2001, Az.: 12 U 180/01 alle zitiert nach juris). Auch in der Kommentarliteratur zu dem Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Rahmen des § 823 BGB und zur erforderlichen Abwägung heißt es, dass im Einzelfall das Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Verletzten den schutzwürdigen Belangen des Schädigers, also insbesondere grundrechtliche Positionen gegenüberzustellen ist (vgl. Münchener Kommentar-Wagner, BGB, § 823 Rn. 242; Palandt-Sprau, BGB, § 823 Rn. 95, 99).

Nichts anderes ergibt sich aus Entscheidungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Urteil vom 05.05.1997, Az.: 5 U 82/96, zitiert nach juris) und des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Urteil vom 08.11.2001, Az.: 12 U 180/01). Danach kann auch das verdeckte Anfertigen und Verwerten von Videomaterial zum Zwecke der Aufklärung einer Straftat rechtmäßig sein. In beiden Entscheidungen ging es allerdings um das Anfertigen und Verwenden von Bildern durch den Geschädigten selbst, der also ausschließlich seine eigenen Individualrechtsgüter im Blick hatte und nicht etwa Belange der Allgemeinheit. Ob im Falle erheblicher Straftaten auch ein nicht von dieser Straftat Betroffener dem Rechtsgedanken der Nothilfe folgend quasi für den Geschädigten Foto- oder Videomaterial anfertigen darf, kann hier dahinstehen, denn es geht zum einen nicht um eine (erhebliche) Straftat, zum anderen ist auch kein Individualrechtsgut eines Dritten betroffen, so dass auch der Rechtsgedanke der Nothilfe hier nicht bemüht werden kann.

Nach diesen Grundsätzen kann der Beklagte nicht auf die Belange des Naturschutzes abstellen, um seine Fotografien zu rechtfertigen. Auch soweit der Beklagte für sich das "Recht auf eine effektive Anzeige" unter Bezugnahme auf die Vorschriften der §§ 46 OWiG, 158 Abs. 1 StPO in Anspruch nimmt, ist dieses hier mangels eines betroffenen Individualrechtsguts gerade nicht tangiert. Schon aus der seitens des Beklagten zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 25.02.1987, Az.: 1 BvR 1086/85, zitiert nach juris) ergibt sich nämlich insoweit, dass aus dem Rechtsstaatsgebot folgt, dass der einzelne, der sein Recht nicht selbst in die Hand nehmen darf, zur Wahrnehmung seiner Rechte das Recht haben muss, Anzeige zu erstatten. Auch dieses verfassungsrechtlich verankerte Recht hängt damit davon ab, dass es um Individualrechtsgüter des Einzelnen geht. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, könnte der Beklagte aus dem "Recht auf eine effektive Anzeige" hier nichts herleiten. Denn es soll ihm ja nicht verboten werden, von ihm wahrgenommene Ordnungswidrigkeiten anzuzeigen. Vielmehr geht es um die Frage, ob er diese mit Beweismitteln in Form von Fotografien unterlegen darf.

Festzuhalten ist ferner, dass eine Bürgerin oder ein Bürger, die oder der eine Anzeige erstattet, keine eigenen subjektiven Rechte mit Blick auf die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten hat (vgl. insoweit OVG Lüneburg, Beschluss vom 23.09.2013, Az.: 13 LA 144/12, zitiert nach juris). Der Anzeigeerstatter kann sich die Entscheidung zur Verfolgungsintensität nicht in rechtlich billigenswerter Weise zu Eigen machen, dies auch mit Blick auf das staatliche Gewaltmonopol. Aus diesen Überlegungen folgt, dass es nicht die Sache des Beklagten ist, sich darüber zu sorgen, ob es im Zuge seiner Anzeigen zu Beweisproblemen kommt, die mittels Fotografien zu beseitigen wären. Generell hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (a.a.O) zu "selbsternannten Hilfsermittlern" ausgeführt, dass diese bei massenhaften Anzeigen von Verstößen (dort: Parkverstößen) kein eigenes schützenswertes Interesse haben, weil sich solche Personen lediglich zum Sachwalter öffentlicher Interessen machen. Dies hat der Beklagte selbst in seinem Schreiben vom 08.12.2014 ausdrücklich vorgetragen, soweit er dort angibt, im Zuge des Fotografierens von mutmaßlichen Ordnungswidrigkeiten in der Siegaue keine Eigeninteressen zu verfolgen.

Selbst wenn der Beklagte - entgegen vorstehender Ausführungen - für sich hier ein "Recht auf eine Anzeige" ins Feld führen könnte, so müsste er jedenfalls auch die Wertung gelten lassen, die bezüglich Strafanzeigen nach § 158 Abs. 1 StPO gelten. Danach hat nämlich der Anzeigende im Zuge der Anzeigeerstattung das Allgemeine Persönlichkeitsrecht anderer zu achten (Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung-Griesbaum, § 158 Rn. 4).

Mangels anderweitiger betroffener Individualrechtsgüter des Beklagten kann dieser sich lediglich auf die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG stützen. Und auch diese Rechtsposition ist hier nur schwach ausgeprägt mit Blick auf obige Ausführungen, wonach der Beklagte als Sachwalter öffentlicher Interessen an sich gar keine Eigeninteressen wahrnimmt.

Vor dem Hintergrund, dass sich der Beklagte nicht auf die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und den Naturschutz berufen kann, kann dahinstehen, ob das Anfertigen der Fotografien zu diesen seitens des Beklagten verfolgten Zwecken geeignet und erforderlich ist.

Schließlich fehlt es an der Angemessenheit der streitgegenständlichen Fotografien. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers in Gestalt des Rechts am eigenen Bild ist in der Sozialsphäre des Klägers recht deutlich betroffen, denn er wird ohne sein Wissen mehrfach bei einem Spaziergang und an seinem Auto gezielt fotografiert, ohne sich diesem - mangels Wissen - entziehen zu können. Die allgemeine Handlungsfreiheit des Beklagten, die aus genannten Gründen ohnedies hier stark eingeschränkt zu Tage tritt, hat in diesem Zusammenhang zurückzutreten. Daran ändert auch die Überlegung nichts, dass die Verwaltungsbehörde dieselben Beweismittel nach Vorschriften der Strafprozessordnung hätte anfertigen können. Denn diese Vorschriften ermächtigen gerade nur den Staat und nicht etwa den einzelnen Bürger. Dies ist ein maßgebliches Kennzeichen des staatlichen Gewaltmonopols.

Der Einwand des Beklagten mit Blick auf die Wiederholungsgefahr, es sei nicht zu erwarten, dass der Kläger weitere Ordnungswidrigkeiten in der Siegaue begehe, so dass auch keine weiteren Fotografien zu erwarten seien, verfängt nicht. Denn zum einen würde danach das zukünftige Vorliegen einer Wiederholungsgefahr wiederum von der Einschätzung des Beklagten abhängen, ob der Kläger gerade eine (ahnungswürdige) Ordnungswidrigkeit begeht. Bereits diese Einschätzung ist nach vorigen Ausführungen nicht seine Sache, sondern Sache der Ordnungsbehörde. Zum anderen hat der Beklagte klar erklärt, dass er seine Vorgehensweise nicht ändern wolle. Auch wenn der Kläger möglicherweise nicht regelmäßig das fragliche Naturschutzgebiet zum Spazierengehen (mit dem Hund) nutzt, so kann zwanglos davon ausgegangen werden, dass dies auch jederzeit wieder in Zukunft vorkommen kann. Im Ergebnis besteht damit eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger bei solchen Anlässen erneut von dem Beklagten fotografiert wird, wenn dieser meint, der Kläger beginge eine Ordnungswidrigkeit.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

IV.

Für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO besteht keine Veranlassung. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Entscheidung erfolgt ausschließlich anhand der seitens des Bundesgerichtshofes entwickelten Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 1995, 1955 ff.), wonach im Einzelfall die Rechtmäßigkeit eines Eingriffs in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht durch Anfertigung von Bildern im Wege einer umfassenden Abwägung unter Berücksichtigung aller rechtlich geschützten Positionen der Beteiligten zu ermitteln ist. Aufgrund dieser Rechtsprechung ist geklärt, dass im Rahmen dieser Abwägung ausschließlich Individualrechtsgüter Berücksichtigung finden, nicht aber öffentliche Interessen. In diesem Zusammenhang ist auch nicht ersichtlich, dass die Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Soweit das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 05.05.1997, Az.: 5 U 82/96, zitiert nach juris) und das Oberlandesgericht Karlsruhe (Urteil vom 08.11.2001, Az.: 12 U 180/01) entschieden haben, dass auch das verdeckte Anfertigen und Verwerten von Videomaterial zum Zwecke der Aufklärung einer Straftat rechtmäßig sein kann, besteht zu der Sichtweise der Kammer kein Unterschied. Denn in beiden Entscheidungen ging es um das Anfertigen und Verwenden von Bildern durch den Geschädigten selbst, der also ausschließlich seine eigenen Individualrechtsgüter im Blick hatte und nicht etwa Belange der Allgemeinheit.

V.

Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens beträgt 500,00 EUR

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