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OLG Hamburg: "Netlife"

Leitsätzliches

Eine Verwechslungsgefahr besteht zwischen Marke und Kennzeichen des Unternehmens "Netlife", das Software zur Nutzung im Internet anbietet, und dem Titel "NET life" eines Periodikums, dass sich an Internet-Nutzer wendet.

HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT HAMBURG

 

IM NAMEN DES VOLKES

 

URTEIL

 

Aktenzeichen: 3 U 244/98

Entscheidung vom 6. Mai 1999

 

 

 

In dem Rechtsstreit

 

(...)

 

 

 

Sachverhalt

 

Unter der 1996 eingetragenen Firma Netlife Internet Consulting und Software GmbH entwickelt die Antragstellerin EDV-Programme zur Benutzung im Internet, besonders für Banken, und liefert auch entsprechende Geräte. Sie ist Inhaberin der Wort/Bildmarke "Netlife" für EDV-Programme und deren Erstellung. Die Ag. ist ein Verlagsunternehmen, das im Juni 1 998 eine Titel Schutzanzeige schalten ließ, mit der es Titelschutz für "NET life" in Anspruch nahm. Unter dieser Bezeichnung ist eine Beilage oder eine eigenständige Zeitschrift geplant, die sich an Laien mit einem Zugang zum Internet richten soll. Das LG hat sein Verbot, eine Zeitschrift mit dem Titel "NetLife" zu vertreiben oder vertreiben zu lassen, im Widerspruchsverfahren aufgehoben. Die Berufung der Antragstellerin hatte Erfolg.

 

 

 

Aus den Gründen

 

Die Berufung ist begründet, der Antragstellerin steht der geltend gemachte Anspruch sowohl marken- (§§ 4,14 MarkenG) als auch firmenrechtlich (§§ 5, 15 MarkenG) zu.

 

1. Das LG hat unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH "Wir im Südwesten" (NJW-RR 1994, 1460 = GRUR 1994, 908, 910) jede Verwechslungsgefahr verneint, weil der geplante Werktitel keinen Hinweis auf die Herkunft der Zeitschrift aus einem Unternehmen enthalte und deshalb nicht in den Schutzbereich von Firma und Marke falle. Jedenfalls habe die Antragstellerin zu einem entsprechenden Verkehrsverständnis nicht hinreichend vorgetragen, denn ein Titel habe vorrangig die Funktion, Werke voneinander zu unterscheiden, und es sei eher fernliegend, dass der Titel "Netlife" für eine Zeitschrift, die Anwenderinformationen über das Internet liefere und erkennbar auf das Medium Internet und das dortige Geschehen anspiele, auf die Herkunft der Zeitschrift hinweise.

 

Das sieht der Senat anders. Zwar ist die Ausgangserwägung richtig, dass eine Verwechslungsgefahr nur in Betracht kommt, wenn der Titel neben seiner Funktion, das Werk von anderen zu unterscheiden, zugleich auch auf ein Unternehmen hinweist. Das war gesicherte Rechtsprechung vor Inkrafttreten des Markengesetzes (BGH NJW-RR 1994, 1460 = GRUR 1994,908), und wenn das neue Recht eine Änderung gebracht haben sollte, so läge sie darin, dass mit einem Titel immer ein Zeichen benutzt würde und das Korrektiv in § 23 Nr.2 MarkenG zu suchen wäre (Ingerl/Rohnke, MarkenG 1998, § 14 Rdnr. 67). Ob dem zu folgen ist, kann hier dahinstehen, wie der Senat auch nicht entscheiden muss, ob es wegen der Funktion eines Titels, ein Werk von anderen zu unterscheiden, grundsätzlich der Darlegung besonderer Umstände bedarf, die auf die Herkunft des Werks aus einem bestimmten Unternehmen hinweisen.

 

Jedenfalls dann, wenn es um einen Zeitschriftentitel geht, ist die Herkunft des periodischen Druckwerks aus einem bestimmten konkret vorgestellten Verlagsunternehmen für den Verkehr so naheliegend, dass schon ein geringfügiger Anstoß zu Verwechslungen führen kann. Der Titel erst lässt unterschiedliche Objekte, die zu verschiedenen Zeitpunkten erscheinen und jeweils für sich bestehen, zu etwas Einheitlichem werden. Diese Einheitlichkeit kann nur durch ein unternehmerisches Subjekt gewährleistet sein, denn wie sollte sie sonst zustande kommen, und der Verkehr bringt daher sehr schnell einen Zeitschriftentitel mit einem Verlagsunternehmen in Zusammenhang. Deshalb sind ein Zeitschriftentitel und ei ne Firmenbezeichnung verwechselbar(BGHNJW1991,1352 = GRUR 1991, 331 ff. -Ärztliche Allgemeine). Nur bei einem Periodikum besteht ein naheliegender Anlas, beim Titel das die Einheitlichkeit gewährleistende Unternehmen gleichsam "mitzudenken". Bei einem Einzeldruckwerk liegen die Dinge anders. Es ist von Natur aus etwas Einzigartiges und nicht die gedachte Zusammenfassung vieler Objekte zu einer Gesamtheit, und so besteht keine Notwendigkeit, seinem Titel eine andere Funktion zuzuordnen, als das Werk von anderen zu unterscheiden. Deshalb hat der Verkehr auch keinen Anlas, darin irgendeinen Hinweis auf eine Herkunft zu erwarten, so dass es möglicherweise besonderer Umstände bedarf, wenn es anders sein sollte.

 

Der Entscheidung "Wir im Südwesten" ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Schon der Sachverhalt unterscheidet sich grundlegend. Es ging um eine Sendefolge, zu der ausdrücklich festgestellt wurde, dass der Verkehr sie nicht bereits wegen ihrer Bekanntheit auf einen bestimmten Fernsehsender beziehe. Das heißt, der Verkehr ordnet die Sendefolge erst dann einem bestimmten Sender zu, wenn er diesen einschaltet und er deshalb weiß, wer die Folge sendet. Wie bei einem Einzelwerk besteht für ihn auch hier keinerlei Notwendigkeit, dem Titel Herkunftshinweise entnehmen zu müssen, sodass sich für ihn die Funktion des Titels zunächst darin erschöpft, das Werk selbst von anderen Werken zu unterscheiden, woran sich - wie der BGH hervorhebt - auch nichts dadurch ändert, dass es sich um eine Sendereihe handelt. Deshalb konnte sich nur die Frage stellen, ob im Titel selbst Herkunftshinweise lägen, was u.a. wegen des räumlich-beschreibenden Inhalts der Bezeichnung und des hohen Freihaltebedürfnisses daran verneint wurde.

 

Wie die Dinge bei einem beschreibenden Zeitschriftentitel liegen, kann offen bleiben, denn für "Netlife" trifft dies jedenfalls nicht zu. Der Begriff gehört nicht zum allgemeinen Sprachschatz, und selbst wenn man davon ausgeht, dass er unmittelbar als "Netzleben" verstanden würde, wäre die Zusammensetzung so ungewöhnlich und der bildhafte Gehalt so hoch, dass an seiner Kennzeichnungskraft kein Zweifel bestünde.

 

2. Zunächst besteht ein firmenrechtlicher Unterlassungsanspruch (§1 5 Abs. 4 MarkenG). Die Begehungsgefahr ergibt sich aus der Titelschutzanzeige der Ag. In der Firma der Antragstellerin ist allein der Bestandteil "Netlife" kennzeichnungskräftig. Nahezu jeder kennt das "Internet" und weiß, was es bedeutet. Die englischen Wörter "Consulting" und "Software" haben zur Bezeichnung einer beratenden Tätigkeit bzw. von EDV-Programmen in den Sprachgebrauch jedenfalls der in diesem Zusammenhang bedeutsamen Verkehrskreise Eingang gefunden, so dass ihnen ohne weiteres genau sowie der Gesellschaftsform rein beschreibender Charakter zukommt. Der allein kennzeichnende Teil "Netlife" in der Firma der Antragstellerin und der auch als Zeichen anzusehende geplante Titel "Netlife" sind identisch. Etwaige Abweichungen in der Schreibweise sind angesichts des übereinstimmenden Bedeutungsgehalts unerheblich. Für den Verkehr besteht mindestens Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne. Da Zeitschrift der Ag. wie Unternehmensgegenstand der Antragstellerin von den Erfordernissen des Internet geprägt werden, drängen sich sachliche Berührungspunkte auf und lassen auf geschäftliche Zusammenhänge schließen (Ingerl/Rohnke a.a.O. § 15 Rdnr. 35, 49), denn was liegt näher, als dass geschäftliche Verbindungen zwischen einem Unternehmen, das Internet-Anwendungen anbietet, und einem Verlag, der unter gleicher Bezeichnung eben solche Anwendungen zum Gegenstand seiner Berichterstattung macht enge wirtschaftliche Verbindungen bestehen. Nichts anderes ergibt sich aus der "Max"-Entscheidung des BGH (NJW-RR 1999, 692 = WRP 1999, 519). Zum einen wurde dort aus einem

 

Titel vorgegangen, und nicht umgekehrt, und zum anderen hat der BGH auf die erhebliche Branchenverschiedenheit zwischen einem "Lifestyle"-Magazin und der Schuhherstellung abgestellt. Derartige Unterschiede bestehen im vorliegenden Fall nicht.

 

Daneben besteht ein Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 5 MarkenG. Die Marke der Antragstellerin und der geplante Titel sind sich außerordentlich ähnlich und für das Gehör überhaupt nicht zu unterscheiden. Unbeschadet der Frage, ob zwischen EDV-Programmen und deren Erstellung einerseits und Druckerzeugnissen andererseits eine Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen anzunehmen ist, besteht jedenfalls i.S.e. Verwechslungsgefahr i.w.S. die Möglichkeit dass der Verkehr den Titel mit der Marke gedanklich in Verbindung bringt und annimmt, die Parteien seien in irgendeiner Weise wirtschaftlich miteinander verbunden, denn regelmäßig genügt dafür, dass die ältere Marke zugleich Firmenkennzeichen ist (lngerl/Rohnke' a.a.O.' § 14 Rdnr. 440).

 

(...)