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LG Wiesbaden: "Keine Verantwortlichkeit der DENIC für Webinhalte"

Leitsätzliches

Die DENIC e.G. als Registrierungstelle für .de-Domains ist weder verantwortlich für die unter den Internetadressen erscheinenden Inhalte, noch ist sie als Störer für Rechtsgutsverletzungen unter den Domains heranzuziehen. (Markenrecht)

LANDGERICHT WIESBADEN

 

IM NAMEN DES VOLKES

 

URTEIL

 

Aktenzeichen: 10 O 116/01

Entscheidung vom 13. Juni 2001

 

 

 

Tatbestand

 

Die Verfügungsbeklagte registriert und verwaltet hinsichtlich des Internets Domain-Namen unterhalb der länderbezogenen Top-Level-Domain ".de". Allen unmittelbar an das Internet angeschlossenen Rechnern sind sogenannte Internet-Protocol (IP)-Nummern zugewiesen, die aus vier durch Punkte getrennten Zahlenreihen von jeweils 0 - 255 (ein Byte) bestehen, z.B. 194.246.96.76. Diese Zahlenfolgen stellen die Rufnummern der Rechner dar, anhand deren Informationen im Internet zu dem "richtigen" Rechner transportiert werden. Die Verwendung von Domain-Namen dient insofern der Benutzerfreundlichkeit des Internets, als einem registrierten Domain-Namen eine IP-Nummer so zugeordnet wird, dass zur Anwahl des dahinterstehenden Rechners die Eingabe der Domain ausreicht. Es "übersetzt" dann ein sogenannter Nameserver diese Domain in die zugehörige IP-Nummer, anhand derer die Übermittlung an den richtigen Adressat erfolgt. Das Namensregister und der Namenserver für die Domains mit der Endung ".de" wird von der Verfügungsbeklagten geführt. Die eigentliche Domain-Registrierung erfolgt in technischer Hinsicht in etwa 99,7 % der Fälle über die Internet-Service-Provider, welche der genossenschaftlich verfassten Verfügungsbeklagten als Genossen angehören. Die Provider übermitteln die Domain-Meldungen im Auftrag des Kunden über eine Schnittstelle im Internet direkt an den Rechner der Verfügungsbeklagten, wo die Registrierung sodann voll automatisch vollzogen wird. Ist der gewünschte Domain-Name nicht vergeben, wird er von dem Provider des Anmelders in die Datenbank eingetragen. Mittlerweile befinden sich ca. 4,5 Mio Domain-Namen im Bestand der Verfügungsbeklagten. Bei der Verfügungsbeklagten gehen derzeit monatlich knapp 180.000 Registrierungsanträge ein. Die Verfügungsbeklagte erhält Registrierungsentgelte, deren Höhe davon abhängt, ob die Registrierungsanträge über einen Provider oder von dem Antragsteller direkt bei der Verfügungsbeklagten eingereicht werden. Domains werden nach dem Grundsatz "first come first served" registriert, ohne dass die Verfügungsbeklagte prüft, ob die jeweils in Auftrag gegebene Domain mit Namens-, Marken- oder sonstigen Rechten Dritter kollidiert, geschweige denn, ob die ggfs. unter den Domain-Namen später abrufbaren Webseiten rechtswidrig sind. Die Registrierungsbedingungen der Verfügungsbeklagten enthalten folgende Bestimmung:

 

"Der Kunde versichert, dass seine Angaben richtig sind und er zur Nutzung der Domain berechtigt ist, insbesondere, dass die Domain keine Rechte Dritter verletzt und nicht gegen allgemeine Gesetze verstößt."

 

Ein ordentliches Kündigungsrecht der Verfügungsbeklagten besteht nach ihren Registrierungsbedingungen nicht. Lediglich in bestimmten Ausnahmefällen kann die Verfügungsbeklagte den Registrierungsvertrag fristlos kündigen. Gegenstand der vertraglichen Beziehungen zwischen der Verfügungsbeklagten und dem Domain-Inhaber ist nur die Domain selbst und nicht auch die Erbringung anderer Dienstleistungen, die, wie z.B. die Vermittlung des Netzzuganges, von Providern erbracht werden.

 

Die Kläger haben gegen einen ... beim Landgericht Wiesbaden eine hiermit in Bezug genommene einstweilige Verfügung vom 10.5.2001 erwirkt, mit der diesem unter Androhung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft untersagt wird, auf einer Homepage im Internet bestimmte Äußerungen/Darstellungen zu verbreiten. Die einstweilige Verfügung ist dem ... bislang noch nicht zugestellt worden. Seit dem 15.5.2001 betreibt ... unter der ... eine hiermit in Bezug genommene Homepage, mit der er gegen die gegen ihn ergangene einstweilige Verfügung verstößt.

 

Die Verfügungsklägerin macht geltend, die Verfügungsbeklagte treffe hinsichtlich der Homepage des ... eine Mitstörerhaftung. Wenn ein Rechtsverstoß offenkundig und für die Verfügungsbeklagte ohne weiteres feststellbar sei, sei sie verpflichtet, die beanstandete Registrierung ohne weiteres im Rahmen ihres Zugriffsbereiches aufzuheben. Die Verfügungsbeklagte sei als Einzige dazu in der Lage, den Zugriff auf die Homepage von ... unter ... zu sperren. ... habe seine Homepage auf Computern eines Providers in den USA hinterlegt. Auch wenn diese Homepage dort ohne einen Domain-Namen unter Eingabe einer zehnstelligen Zahlenkombination jederzeit erreichbar sei, würden die bereits in die Tausende gehenden Zugriffszahlen auf die Homepage sicher deutlich abnehmen, da die Zahlenkombination niemandem bekannt sei und sich nur für Insider herausfinden lasse. Im Internet dürfe kein rechtsfreier Raum bestehen.

 

Die Verfügungsklägerin beantragt,

 

der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 500.000,- DM, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu untersagen,

Dritten den Zugang zu einer mit ... bezeichneten Internet-Homepage zu ermöglichen, sofern auf dieser Homepage

a) der Antragsteller zu 1) als "Lügner" und/oder

b) der Antragsteller zu 2) als "Betrüger" und/oder

c) die Antragstellerin zu 5) als "Winkeladvokat" bezeichnet und/oder

d) der Antragsteller zu 3) und die Antragstellerin zu 4) namentlich genannt werden, insbesondere, wenn dies unter der Überschrift "Die Positionen und Funktionen der Wiesbadener Connection" geschieht.

 

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

 

den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

 

Sie macht geltend, sie sei nicht Mitstörerin zu der angeblichen Persönlichkeitsrechtsverletzung des ... . Die Haftung nur ganz entfernt Beteiligter, die lediglich technisch oder gewerblich notwendige Infrastrukturdienstleistungen erbringen, für unerlaubte Handlungen oder andere Rechtsverstöße, die unter Ausnutzung der an sich wertfreien und nicht rechtsverletzenden Dienstleistung erbracht werden, sei abwegig. Sie, die Verfügungsbeklagte, leiste keinen Verursachungsbeitrag im Sinne der Äquivalenzformel für die behaupteten Rechtsverletzungen des Unterlassungsschuldners. Sie habe nicht die tatsächlichen Möglichkeiten, die behaupteten Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf den Webseiten des ... zu verhindern. Ihr, der Verfügungsbeklagten, obliege keine inhaltliche Überprüfung von Webseiten, zu der sie angesichts ihres Aufgabenbereichs und der besonderen Internetstruktur auch nicht in der Lage sei.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf ihre zu den Gerichtsakten gelangten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist zurückzuweisen. Ein Verfügungsanspruch der Verfügungskläger, der allein aus den §§ 823, 1004 BGB hergeleitet werden könnte, besteht nicht.

 

Die Verfügungsbeklagte ist weder als unmittelbare noch als mittelbare Störerin hinsichtlich der Rechtsgutverletzung anzusehen, die von ... und seiner Homepage ausgeht. Die Rechtsgutverletzung (Beeinträchtigung), der die Verfügungskläger mit ihrem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung begegnen wollen, wird durch die Verfügungsbeklagte nicht adäquat kausal veranlaßt. Die Verfügungsbeklagte leistet keinen entscheidenden Tatbeitrag zur Verbreitung der auf der Homepage des ... enthaltenen Inhalte. Die maßgebliche Rechtsgutverletzung besteht vorliegend darin, dass auf einem Computer irgendwo eine Homepage hinterlegt ist, auf die im Rahmen des Internets weltweit zurückgegriffen werden kann. Selbst wenn es zur Löschung des Domain-Namens des ... bei der Verfügungsbeklagten käme, bliebe die maßgebliche Rechtsgutverletzung als solche jedenfalls insofern bestehen, als die Homepage weiterhin im Internet ohne weiteres zugänglich wäre, nämlich entweder über die IP-Nummer oder eine andere, weltweit mit gleicher Zugänglichkeitswirkung zu erlangende Domain oder durch Verlinkung über eine andere Homepage.

 

Darüberhinaus wird mit der Vergabe der Domainbezeichnung ".de" der von der Homepage des ... ausgehenden Rechtsgutverletzung jedenfalls auch kein glaubhaft gemachtes feststellbares größeres Gewicht verliehen, welches dazu führen könnte, der streitgegenständlichen Domain-Verwendung die Qualität eines entscheidenden Tatbeitrages beizumessen.

 

Bei verständiger Würdigung sämtlicher Umstände bleibt für die Annahme eines entscheidenden Tatbeitrages der Verfügungsbeklagten und damit eines Kausalzusammenhanges zwischen der Domain-Registrierung und der fortbestehenden Rechtsgutverletzung als solcher kein Raum.

 

Eine Rechtsschutzmöglichkeit ist der Verfügungsklägerin jedenfalls hinsichtlich des ... hinreichend eröffnet, auch wenn diese nur schwer umsetzbar sein sollte. Ob sich die Rechtsschutzverwirklichung gegenüber Verantwortlichen praktisch als leicht oder schwer erweist, stellt kein rechtliches Kriterium dafür dar, einer anderen Person die zur Inanspruchnahme notwendige Störereigenschaft beizumessen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

 

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und Sicherheitsleistung folgt aus §§ 708 Nr. 6, 711, 108 ZPO

 

(Unterschriften)