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LG München I: "infoversum.de"

Leitsätzliches

Die für eine Namensrechtsverletzung durch die Nutzung einer Internet-Domain zur Adressierung einer Website nach § 12 BGB erforderliche Verwechslungsgefahr liegt nicht vor, wenn der Namensinhaber ausschließlich kommerziell und der Domain-Inhaber rein ideell tätig ist und sich die Kennzeichen (hier: "versum" / "infoversum") - wenn auch nur geringfügig unterscheiden. (Markenrecht)

LANDGERICHT MÜNCHEN I

 

IM NAMEN DES VOLKES

 

URTEIL

 

Aktenzeichen: 7 HK O 10964/01

Entscheidung vom 5. September 2001

 

 

 

In dem Rechtsstreit

 

(...)

 

wegen Forderung

 

erlässt das Landgericht München 1, 7. Kammer für Handelssachen, durch Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Lieber, Handelsrichter Dr. Mörike und Handelsrichter Netzer aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5.9.2001 folgendes Endurteil:

 

I. Die Klage wird abgewiesen.

 

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

 

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 7.000,vorläufig vollstreckbar.

 

 

 

Tatbestand

 

Die Klägerin wurde am 17.03.2000 gegründet und wird von zehn führenden deutschen Verlagszusammenschlüssen wie bei­spielsweise dem Axel Springer Verlag, dem Münchner Zeitungs-Verlag, der Verlagsgruppe Georg von Holzbrinck sowie der WAZ-Gruppe getragen. Die Klägerin firmierte bis März 2001 als "Internet Service Marketing AG" mit Sitz in Düsseldorf. Diese Firma war zunächst auch Eigentümerin der Wortmarke "VERSUM,"' mit einer Priorität vom 16.06.2000 (Anl. K 1). Entsprechend der Umfirmierung auf die, Firma gemäß jetzigem Aktivrubrum im März 2001 ist nunmehr auch die Klägerin Inhaberin dieser Wortmarke.

 

Diese Marke ist eingetragen für die Klassen 35, 36, 37, 38 und 42, u.a. für "Werbung und Marketing; Vermittlung und Abschluss von Handelsgeschäften für andere; Vermitt­lung von Verträgen über Anschaffung und Veräußerung von Waren; Werbemittlung; Personalberatung und Personalvermittlung, Telekommunikationsleistungen; Bereitstellen einer Datenbank im Internet, insbesondere Sammeln, Liefern und Übermitteln von Informationen über Angebote und Nachfragen nach gebrauchten und neuen Kraftfahrzeugen; Sammeln und Liefern von Nachrichten, Informationen und Daten; Sammeln, Bereitstellen, Liefern und Übermitteln von Informationen über Angebote und Nachfragen nach Immobilien und Versicherungen; Betrieb einer Datenbank....".

 

Neben dieser Wortmarke und dem Firmennamen "VERSUM. de"" ist die Klägerin Inhaberin weiterer Wortmarken, nämlich "job versum", "immo versum", "immo versum. de" und "METAVERSUM“. Der Beklagte ist nach seinen glaubhaft gemachten Angaben in den Unterlagen zum Prozesskostenhilfeantrag nahezu mittelloser Student mit Sitz in Berlin.

 

Der Beklagte ist jedenfalls gemäß DENIC-Auskunft vom 27.04.2001 (Anl. K 2) seit diesem Zeitpunkt Inhaber des Internet-Domainnamens "infoversum.de". Zum damaligen Zeitpunkt (April 2001) hatte der Beklagte diese Domain zwar konnektiert, inhaltlich aber lediglich als sogenann­te "Baustellenseite" geschaltet.

 

Mit Anwaltsschreiben vom 02.05.2001 (Anl. K 4) mahnte die Klägerin den Beklagten ab und forderte ihn unter Frist­setzung zur Abgabe der vorgelegten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auf (Anl. K 5).

 

Am 11.05.2001 kam es in dieser Sache zu einem Telefonat zwischen dem nunmehr vom Beklagten eingeschalteten Verfahrensbevollmächtigten und dem Klägervertreter. Der Inhalt dieses Telefonats ist streitig, führte im Ergebnis jedoch dazu, dass der Beklagte durch seinen Verfahrensbevollmächtigten ein "aktuelles Konzept des Infoversum­Projekts" übersandte (Anl. K 7).

 

Weitere Aufforderungen der Klägerin, die geforderten Erklärungen abzugeben, waren erfolglos.

 

Spätestens seit 23.05.2001 ist der inhaltliche Auftritt des Beklagten unter der streitgegenständlichen Domain "infoversum.de" im Internet vollständig aufrufbar (Anl. K 10).

 

Der Beklagte bezeichnet seinen Internetauftritt als "private Kommunikationsschnittstelle für am Projekt Interessierte", nämlich im Ergebnis wohl für "ungestellte Fragen in unerforschten Welten mit unentdeckten Antworten und entsprechenden Hintergründen zum Erkennen der Welt"'. Einschlägige Seiten sind inhaltlich ausgestaltet wie folgt: Mit verfahrenseinleitendem Schriftsatz vom 09.06.2001 verfolgt die Klägerin die hier streitgegenständlichen Unterlassungs-, Verzichts-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche.

 

Die Klägerin trägt vor,

 

insbesondere der Unterlassungsanspruch sei begründet nach §§ 12, 1004 Abs. 1 BGB. Allein dem Unternehmensschlagwort "Versum" komme selbständige Kennzeichnungskraft zu. Zeitliche Priorität sei gegeben (März 2001) . Es liege auch "höchstgradige Dienstleistungsidentität" vor, es komme nicht auf die Verwendung der Domain seitens des Beklagten im wirtschaftlichen Verkehr an. Darüber hinaus könne der Unterlassungsanspruch auch auf § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG (Markenrecht im engeren Sinn) und § 15 Abs. 5 MarkenG (Firmenrecht) gestützt werden. Konsequenterweise stünden der Klägerin auch die geltend gemachten Lö­schungsansprüche, Auskunftsansprüche und Schadensersatzansprüche zu.

 

Die Klägerin stellt deshalb folgende Anträge:

 

I. Dem Beklagten wird bei Meidung eines für jeden ein­zelnen Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ord­nungsgeldes bis zu DM 500.000,00, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten tritt, oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren verboten, die Internet‑Domain „infoversum.de“ für den Betrieb eines Diskussionsforums im Internet zu benutzen oder benutzen zu lassen.

 

II. Der Beklagte wird verurteilt, gegenüber DENIC den Verzicht auf den Domain-Namen "infoversum.de" zu erklären.

 

III. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang er Handlungen gemäß Ziff. I. seit 23.05.2001 begangen hat.

 

IV. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin all jene Schäden zu ersetzen, die der Klägerin durch Handlungen gemäß Ziffer I. seit dem 23.05.2001 entstanden sind und noch entstehen werden.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Der Beklagte hebt hervor, dass er mit der streitgegen­ständlichen Internet‑Domain rein ideelle Ziele verfolge; er wolle eben eine private Kommunikationsschnittstelle für an seinem Projekt Interessierte bieten, auf keinen Fall eine Datensammlung auf Entgeltbasis installieren. Dies unterscheide ihn grundlegend von den erkennbar rein kommerziellen Dienstleistungen, für die z.B. die klägerische Marke geschützt sei. Es fehle deshalb an der erfor­derlichen Verwechslungsgefahr für markenrechtliche An­sprüche, zumal es am Tatbestandsmerkmal des "geschäftli­chen Verkehrs" fehle. § 12 BGB scheide als Anspruchs­grundlage für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch ebenfalls aus, da auch für diese Bestimmung im Ergebnis Verwechslungsgefahr erforderlich sei. Hinzu komme, dass die Domain des Beklagten nicht wortidentisch sei, viel­mehr die Vorsilbe "info" habe. Schließlich nimmt der Be­klagte die frühere Priorität für sich in Anspruch (08.12.2000).

 

Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf die von den Verfahrensbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze, die als Anlagen übergebenen Unterlagen sowie das Terminsprotokoll vom 05.09.2001 (Bl. 35/37 d.A.). Im Kammertermin vom 05.09.2001 wurde dem Beklagten antragsgemäß Prozesskostenhilfe bewilligt (vgl. den gesonderten Beschluss).

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Bezüglich sämtlicher angeführter Anspruchsgrundlagen für den Unterlas­sungsantrag als Hauptantrag fehlt es - zumindest - an der erforderlichen Verwechslungsgefahr.

 

1.) Hinsichtlich der von der Klägerin angeführten Anspruchsvoraussetzung nach § 14 Abs. 2 Ziff. 2, Abs. 5 MarkenG (aus der Wortmarke) bzw. nach § 15 Abs. 2, Abs. 4 MarkenG (aus Firmenrecht) fehlt es bereits am Tatbestandsmerkmal des "geschäftlichen Verkehrs". Der Beklagte wird insoweit nicht tätig.

 

Dies ergibt die Zusammenschau des Inhalts des jetzigen Internetauftritts (vom 25.05.2001 - Anl. K 10), wie sie im Tatbestand dieses Urteils umfassend dargestellt ist. Erkennbar wendet sich der Beklagte, ein Student, an Interessierte, die "unerforschte Weiten, ungestellte Fragen, unentdeckte Antworten " unserer Erlebniswelt, des INFOVERSUMS" (erkennbar eine Abwandlung des Wortes Universums) ebenso zum Gegenstand seines "Suchens"' machen wie der Beklagte. Auch aus den weiteren Internetseiten lässt sich erkennen, dass ein irgendwie gearteter kommerzieller Ansatz oder eine kommerzielle Verwertung nicht ernsthaft geplant ist und in Betracht kommt. Eine irgendwie geartete kommerzielle Zielgerichtetheit oder Erfolgsorientiertheit ist bei diesem vom Beklagten zur Verfügung gestellten "virtuellen Gedankenraum" nicht.erkennbar, das Ganze hat vielmehr einen erkenntnisphilosophischen, rein theoretischen Hintergrund. Auch wenn im ,Konzept" vom 14.05.2001 (K 7) auf S. 4 am Ende angeführt ist, dass "bei entsprechender Beteiligung und reibungsloser Funktionalität die Kerngruppe-FUNKTION einen Business-Plan um Geldmittel aufzunehmen erarbeitet, INFOVERSUM.de in eine GmbH zu überführen und breitere Interessentenkreise anzusprechen erwähnt ist, so reicht dies bei Bewertung des gesamten Kommunikationskonzepts nach Auffassung der Kammer auch ansatzweise nicht aus, das erforderliche Tatbestandsmerkmal "im geschäftlichen Verkehr", auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Erstbegehungsgefahr, zu bejahen.

 

Auf die übrigen, zum Teil streitigen Tatbestandsvoraussetzungen (Priorität.; Verwechslungsgefahr) kam es deshalb bei §§ 14, 15 MarkenG entscheidungserheblich nicht mehr an.

 

2.) Der Klägerin stehen auch nicht Unterlassungsansprüche nach § 12 BGB und hieraus ableitbare Unterlassungsansprüche zu.

 

Zum Tatbestandsmerkmal der "Interessenverletzung" im Sinne von § 12 BGB gehört ebenfalls die Verwechslungsgefahr, die im engeren und im weiteren Sinn vorliegen kann. Erstere liegt vor, wenn die beteiligten Verkehrskreise Identität der "Unternehmen" annehmen, letztere, wenn sie personelle oder organisatorische Zusammenhänge oder eine Zustimmung des Namensträgers vermuten.

 

Ob Verwechslungsgefahr im Einzelnen vorliegt, hängt von der Ähnlichkeit der Bezeichnungen, der Stärke ihrer Verkehrsgeltung und der Branchennähe der Verwender ab (vgl. stellvertretend Palandt/Heinrichs, 60. Aufl. 2001, § 12 BGB, Rn. 30 m.w.N.).

 

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann nicht von "Branchennähe" und nicht von "höchstgradiger Dienstleistungsidentität"" gesprochen werden. Die Kammer nimmt zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen in Ziff. 1 Bezug: Die Klägerin ist ausschließlich kommerziell tätig, der Beklagte rein ideell. Pointiert formuliert: Ein größer "Branchenabstand"' ist nach Auffassung der Kammer kaum denkbar. Nach der oben zitierten, auch im Marken- und Firmenrecht gültigen Wechselwirkungs-Rechtsprechung bei Beurteilung der Verwechslungsgefahr reicht deshalb schon ein sehr geringfügiger Unterschied in der Kennzeichnung aus, um eben die Verwechslungsgefahr zu beseitigen. Dies ist hier durch die Voranstellung des Worts "info" der Fall, zumal sich auch bei überflächlichem Studium der Inhaltsseiten des Internetauftritts des Beklagten erkennen lässt, dass "Infoversum" als Abwandlung zu "Universum“ verstanden werden soll.

 

Auch hier kam es auf die angesprochenen Prioritätsfragen u.ä. nicht mehr entscheidungserheblich an.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf 709 S. 1 ZPO.

 

(Unterschriften)