×

Rückruf vereinbaren

Ihre Nachricht an uns

Startseite
/
Urteile
/
Markenrecht
/
Urteile vor 2002
/
LG Köln: "wdr.org"

Leitsätzliches

Die aus den aneinandergereihten Anfangbuchstaben von Vor- und Nachnamen bestehende Abkürzung eines Familiennamens ist namensrechtlich nicht geschützt. Auf die Top-Level-Domains ist nach allgemeiner Ansicht bei der Verwechslungsprüfung nicht abzustellen. (Markenrecht)

LANDGERICHT KÖLN

 

IM NAMEN DES VOLKES

 

URTEIL

 

Aktenzeichen: 33 0 216/00

Entscheidung vom 23. Mai 2000

 

 

 

Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG zu.

 

 

 

Sachverhalt

 

Der Antragsteller ist eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt. Er tritt seit über 40 Jahren unter der Bezeichnung „WDR“ im Verkehr auf und ist Inhaber der deutschen Wortmarke „WDR“, die mit einer Priorität v. 2.4.1979 eingetragen ist. Darüber hinaus ist der Antragsteller Inhaber weiterer „WDR“-Wort/Bildmarken und Kombinationsmarken sowie Inhaber der Domain „wdr.de“, unter der er seine Dienstleistungen im Internet anbietet.

 

Der Antraggegner ist Inhaber der Domain „wdr.org“ und bietet unter dieser im Internet Dienstleistungen u.a. in den Bereichen Fachjournalismus, Public Relations, Web-Design und Grafik an. Diese Domain ist für die Fa. Softwareentwicklung R., W.D.R., registriert.

 

Der Antragsteller nimmt den Antraggegner auf Unterlassung der Verwendung der Domain „wdr.org“ als Internetadresse und als Kennzeichen des Unternehmens in Anspruch und vertritt die Ansicht, dass der Antraggegner durch die angegriffene Verwendung Firmen und Markenrechte des Antragsteller verletze. Er behauptet, der für die Markenüberwachung im Justitiariat des Antragsteller zu­ständige Mitarbeiter habe erstmals Ende Februar 2000 von der Verwendung der Domain „wdr.org“ durch den Antraggegner Kenntnis erlangt.

 

Der Antraggegner vertritt die Ansicht, dass es an der Dringlichkeit des Verfügungsantrags fehle. Er behauptet, dass er die Initialen „WDR“ bereits seit 1979 als Fachjournalist benutze und die Website „wdr.org“ bereits seit zwei Jahren bestehe. Es sei unglaubwürdig, wenn der Antragsteller behaupte, er habe erst jetzt von der Domain des Antraggegner Kenntnis erlangt. Der Antraggegner vertritt die Ansicht, dass auch ein Verfügungsanspruch mangels Verwechslungs- bzw. Irreführungsgefahr nicht bestehe. Die Top-Level-Domain „.org“ stehe prinzipiell für private Vereinigungen oder gemeinnützige Gruppen, eine deutsche öffentlich-rechtliche Anstalt werde vom Verkehr dahinter nicht vermutet. Auch bei der Verwendung von Suchmaschinen bestehe keine Irreführungsgefahr, da jedes Suchergebnis eine Inhaltsangabe enthalte und außerdem die öfter besuchte Website „wdr.de“ des Antragsteller weit vor denjenigen des Antraggegner ausgeworfen werde. Schließlich bestehe Verwechslungsgefahr deshalb nicht, weil der Antragsteller auf seiner Leitseite eventuell fehlgeleitete Besucher deutlich auf die Website des Antragsteller verweise. Der Antraggegner vertritt ferner die Ansicht, dass zwischen den Parteien eine gewisse Dienstleistungsferne gegeben sei, da er - der Antraggegner - Journalismus ausschließlich im Print- und Internetbereich ausübe, während der Antragsteller auf seinen gesetzlich definierten Aufgabenbereich „Veranstaltung von Rundfunk“ festgelegt sei. Zur Erfüllung dieser Aufgabe reiche die Inhaberschaft der Domain „wdr.de“ aus. Schließlich vertritt der Antraggegner die Ansicht, er sei zur Benutzung seines Namenskür­zels „WDR“ auch aus § 12 BGB und § 23 MarkenG berechtigt.

 

 

 

Aus den Gründen

 

1. Es fehlt nicht an der erforderlichen Dringlichkeit, die gern. § 25 UWG vermutet wird. Der Antragsteller hat diese Dringlichkeitsvermutung - die auf Ansprüche aus §§ 14, 15 MarkenG entsprechend anwendbar ist (Fezer, Markenrecht, 2. Aufl., § 14 Rdnr. 550) - nicht durch sein eigenes Verhalten widerlegt. Er hat vorgetragen, dass der in seinem Justitiariat für die Markenüberwachung zuständige Mitarbeiter erstmals am 29.2.2000 festgestellt habe, dass der Antraggegner unter der Domain „wdr.org“ Dienstleistungen im Internet anbietet. Der Antraggegner hat demgegenüber keine Umstände dargetan und glaubhaft gemacht, aus denen sich ergibt, dass der Antragsteller in Kenntnis des beanstandeten Wettbewerbsverstoßes zu lange mit dem Einreichen des Verfügungsan­trags gewartet hat.

 

[...]

 

11. Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG zu.

 

Der Antragsteller ist als Inhaber der eingetragenen Marke „WDR“ zur Abwehr kollidierender Kennzeichnungen seitens des Antraggegner berechtigt. Er kann von dem Antraggegner verlangen, dass dieser die Bezeichnung „wdr.org“ als Internetadresse oder Unternehmensbezeichnung künftig nicht zur Kennzeichnung von Dienstleistungen benutzt, die in den Schutzbereich der Marke des Antragsteller fallen.

 

Zwischen der von dem Antraggegner gewählten Bezeichnung „wdr.org“ und der Marke „WDR“ des Antragstellers besteht Ähnlichkeit i.S.d. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, weitgehend sogar Identität i.S.d. Vorschrift, denn kennzeichnender Wortbestandteil der Bezeichnung „wdr.org“ sind allein die Buch­staben „WDR“. Der Zusatz „.org“ ist zu einer hinreichenden Abgrenzung der Zeichen, die deren Ähnlichkeit bzw. Identität ausschließen könnte, nicht geeignet, da es sich bei diesem Zusatz lediglich um die Angabe einer Top-Level-Domain‑Gruppe handelt. Auf solche Top-Level-Domains ist nach allgemeiner Ansicht bei der Verwechslungsprüfung nicht abzustellen, da den Internetbenutzern bekannt ist, dass nur die Second-Level-Domain auf den jeweiligen Teilnehmer hinweist. Kennzeichnende Funktion kommt allein dem Zeichen „WDR“ zu, welches bildlich bis auf die - im Internet übliche - Kleinschreibung, klanglich sogar vollständig mit der Marke der Antragsteller übereinstimmt.

 

Die von dem Antraggegner vorgebrachten Argumente vermögen die Gefahr der Zeichenverwechslung nicht auszuschließen. Der Antragsteller weist zu Recht darauf hin, dass es nicht darauf ankommt, unter welcher Internetadresse ein Benutzer den Antragsteller suchen und zu welcher Homepage die Bedienung einer Suchmaschine führen würde. Entscheidend ist allein, ob der Benutzer Beziehungen zu dem Antragsteller herstellt, wenn er im Verkehr auf die angegriffene Benutzungsform stößt. Unerheblich ist im Hinblick darauf auch, dass der Antragsteller Inhaber der Domain “wdr.de“ ist und deswegen möglicherweise keine weitere Adresse benötigt. Dass die Gefahr der Verwechslung bei Verwendung des Zeichens „wdr.org“ durch den Antraggegner besteht, ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass der Antraggegner auf seiner Leitseite fehlgeleitete Besucher ausdrücklich auf die Website des Antragsteller verweist. Dieser Verweis wäre nicht erforderlich, wenn eine Irreführungsgefahr ohnehin nicht bestünde.

 

Auch die nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erforderliche Ähnlichkeit der von der Marke und dem Zeichen erfassten Dienstleistungen ist gegeben. Der Antraggegner führt selbst aus, dass beide Parteien „im weitesten Sinne“ im Bereich Journalismus tätig sind. Die von dem Antraggegner gebildeten Vergleichsgruppen „Veranstaltung von Rundfunk“ einerseits und „Journalismus im Print- und Internetbereich“ andererseits sind entgegen seiner Ansicht „ähnlich“ i.S.d. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, da beide Gruppen den Bereichen „Journalismus und Medien“ zuzuordnen sind. Der Einwand des Antraggegners, der Antragsteller sei gem. seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag ausschließlich zur Veranstaltung von Rundfunk berechtigt und in seinem Handlungsspielraum beschränkt, geht angesichts dessen ins Leere.

 

Auf Grund der weitgehend identischen Zeichen und der Ähnlichkeit der von den Parteien angebotenen Dienstleistungen bzw. Waren besteht unmittelbare Verwechslungs­gefahr i.S.d. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

 

Der Antraggegner verwendet die Bezeichnung “wdr.org“ sowohl als Internetadresse als auch als Unternehmenskennzeichen. Letzteres ergibt sich aus den im Internet verbreiteten Aussagen „Willkommen bei wdr.org !“ oder „ ... ein Service von wdr.org“. In beiden Beziehungen besteht ein kennzeichenmäßiger Gebrauch, auf welchen sich der Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG bezieht. Bestehen Internet-Domainnamen aus Namen, Firmenbezeichnungen, Markenwörtern oder - wie hier - aus entsprechenden Abkürzungen, so stellt ihre Wiedergabe auf Bildschirmen oder in schriftlicher Form einen kennzeichenmäßigen Gebrauch im herkömmlichen Sinne dar, da sie der Verkehr ohne weiteres als Bezeichnung des über die Internetadresse erreichbaren Unternehmens verstehen wird (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 1998, § 14 Rdnr. 65).

 

Der Antraggegner kann sich gegenüber dem markenrechtlichen Anspruch des Antragsteller nicht auf ein Namensrecht aus § 12 BGB berufen. § 12 BGB schützt den natürlichen Namen, der im Falle des Antragsteller "W.D.R." und nicht - wie angegriffen - „WDR“ lautet. Der Schutz aus § 12 BGB erstreckt sich auf eine solche Abkürzung bzw. ein Kürzel nicht. Selbst wenn dies aber der Fall wäre, wäre die Verwendung des Zeichens „wdr.org“ durch den Antraggegner im Hinblick auf die Kennzeichnungskraft der Marke und des Namens des Antragstellers und unter Berücksichtigung des Prioritätsgrundsatzes nicht nach § 12 BGG gerechtfertigt. Nach den Grundsätzen des „Rechts der Gleichnamigen“ müsste sich der Antraggegner durch die Wahl eines Zusatzes von der Marke des Antragstellers deutlich abheben, was ihm durch den Zusatz der Top-Level-Domain „.org“ nicht gelingt.