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LG Köln, Urteil vom 1. März 2000, AZ: 84 O 77/99, - Haribo darf nicht mit "Kinder Kram" werben

Leitsätzliches

Haribo wird es untersagt mit ihrer eingetragenen Marke „Kinder Kram“ zu werben. Das Gericht stellt eine Verwechslungsgefahr zu den Kinder-Produkten von Ferrero fest, die aufgrund des Seriencharakters besonderen Schutz genießen. (Markenrecht)

LANDGERICHT KÖLN

URTEIL

Aktenzeichen: 84 O 77/99

Entscheidung vom 1. März 2000

 

[BGH hierzu mittlerweile vgl.: www.aufrecht.de/2439.html ]

 

In dem Rechtsstreit

 

 

hat die 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln auf die mündliche Verhand-lung vom 9. Februar 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht ... und die Handelsrichter ... und ... für

 

R e c h t e r k a n n t:

 

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, Zuckerwaren, Back und Konditorwaren, nichtmedizinische Kaugummis unter der Marke

 

"Kinder Kram",

 

wie sie im Markenblatt Heft 4 vom 2B.01.1999 auf Seite 1051 unter der Nr. 398 57 206 (wie nachfolgend eingeblendet) veröffentlicht worden ist,

 

anzubieten und/oder zu bewerben und/oder in Verkehr zu bringen.

 

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

 

Das Urteil ist .gegen Sicherheitsleistung von DM 525.000,00 vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.

 

 

TATBESTAND:

 

Die Klägerin ist ein Unternehmen, welches Süßwaren herstellt und vertreibt. Zu ihrem Sortiment gehört seit rund 22 Jahren die sogenannte "kinder Überraschung", ein Schoko-ladenHohlkörper in Ei-Form, in dem Spielzeug aus Plastik versteckt ist.

 

Die Umsätze mit der "kinder Überraschung" beliefen sich nach dem Vortrag der Klägerin bei einem Einzelverkaufspreis von rund DM 1,00 seit dem Geschäftsjahr 1993/94 kontinu-ierlich steigend auf über DM 115 Mio. pro Geschäftsjahr bis auf mehr als DM 370 Mio. im Geschäftsjahr 1997/98 bei Werbeaufwendungen zwischen DM 4 Mio. bis DM 11,5 Mio_ pro Geschäftsjahr.

 

Neben diesem Erzeugnis führt die Klägerin eine Reihe weiterer Schokoladenwaren, die unter Voranstellung des Wortes "kinder" benannt werden; hierzu gehören gleichfalls mit erheblichen Umsätzen

Kinder Schokolade

Kinder Country

Kinder Schoko-Bons

Kinder Riegel

Kinder Happy Hippo Snack

Kinder pingui

Kinder Maxi King

Kinder bueno.

 

Die Klägerin verfügt über verschiedene Markeneintragungen von "kinder"-Marken, u.a. eine als "durchgesetzt" für Schokolade eingetragene Wort-/Bildmarke "kinder" (Nr. 1180071 mit Priorität zum 21.10.1986) sowie eine ebenfalls für Schokolade eingetragene Marke "Kinder Überraschung".

Die Beklagte ist ein sehr bekanntes Unternehmen der Süßwarenbranche, die für sich die Marke "Kinder Kram" hat eintragen lassen.

 

Die Klägerin sieht dies mit Rücksicht auf die besondere Bekanntheit ihrer "kinder"-Produkte als rechtswidrig an; den mit "kinder" gekennzeichneten Produkten komme so etwas wie Seriencharakter zu; hieran knüpfe die Beklagte durch die Voranstellung des fraglichen Kennzeichnungsbestandteils und Trennung der nachfolgenden Ergänzung an.

 

Die Klägerin beantragt, wie erkannt.

 

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Die Beklagte leugnet eine Rechtsverletzung und macht geltend, dass die für "Kinder Kram" geschützten Waren nicht ähnlich mit "Schokolade" seien; jedenfalls sei der Mar-kenbestandteil "kinder" als Beschreibur19 der Zielgruppe freihaltebedürftig; im Umfeld allgemein und gerade auch bei der Beklagten gebe es eine Vielzahl von Marken unter Verwendung des Bestandteils "kinder".

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die von ihnen überreichten Unter-lagen verwiesen.

 

 

E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :

 

Die Klage ist begründet.

 

Bei dem vorliegenden Verfahren handelt es sich um das Hauptsacheverfahren zu dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung 81 0 98/99, in dem die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln durch Urteil vom 17. 9. 1999 den Unterlassungsanspruch der Klägerin als Antragstellerin gegen die Beklagte als Antragsgegne-rin aus §§ 4, 14 Markengesetz als begründet angesehen und die gegen die Beklagte erlas-sene einstweilige Verfügung bestätigt hatte, weil die angemeldete Marke die Markenrech-te der Klägerin an der Marke "kinder" verletzt.

 

Das Urteil enthielt hierzu die nachfolgenden Ausführungen:

 

„Ausgangspunkt für die Erwägungen der Kammer ist der Umstand, dass die dem Antrag zugrunde liegende Marke als Wort/Bildmarke eingetragen ist, sodass der Schutzumfang des Begriffs, der in der Wort-/Bildmarke enthalten ist, vom Gericht gesondert festzuhal-ten ist. Hierbei ist von erheblicher Bedeutung, dass es sich bei „kinder“ einerseits um ein beschreibendes Wort handelt - hinsichtlich der Zielgruppen-Festlegung -, anderseits aber – in Bezug auf die Ware selbst – um eine ohne weiters schon von Hause aus zumindest durchschnittlich kennzeichnungsfähige Bezeichnung, denn eine Schokolade mit „kinder“ zu benennen (so die eingetragene Marke), ist fernab einer Beschreibung. Bei der Beurtei-lung der Namensfähigkeit kommt es nämlich nicht darauf an, ob ein Begriff in irgendei-ner Beziehung beschreibend ist, sondern ausschließlich darauf, wie er sich im konkreten Zusammenhang darstellt. Die Kammer folgt deshalb nicht in der dort formulierten All-gemeinheit den Ausführungen des Markenamtes zum Beispiel in dem von der Antrags-gegnerin im Termin überreichten Beschluss in der Sache „kinder-Reigen“.

Aus der vorstehend beschriebenen Doppelwertigkeit von „kinder“ folgt, dass einerseits nicht jede (Mit-) Verwendung des Begriffes in einer Produktausstattung und auch in ei-ner Produktkennzeichnung unzulässig ist, dass andererseits die Verwendung des Begrif-fes in einem Produktnamen nicht schon deshalb frei ist, weil er auch beschreibend ist und die Markeneintragung den Begriff nur in charakteristischer Schreibweise zum Gegens-tand hat.

Für die Entscheidung im vorliegenden Fall ist zum einen von Belang, dass der Begriff in klanglicher Hinsicht und in seiner Bedeutung identisch mit der eingetragenen Marke benutzt werden soll unter Einschluss des Umstandes, dass das Wort einzeln steht und dem Gesamteindruck vorangestellt ist.

Weiter kommt entscheidend hinzu, dass es sich um einen Begriff handelt, der in ganz außergewöhnlicher Weise in mittlerweile jahrzehntelanger Marketingtätigkeit der gesam-ten Verbraucherschaft nahe gebracht worden ist. Diese Bemühungen sind von großem Erfolg gekrönt, was sich in nicht nur gleich bleibenden, sondern sogar noch ständig ge-steigerten Werbe- und Absatzzahlen manifestiert; hierbei kommt es nicht um die jeweils einzelne Zahl an, sondern auf die Größenordnung, die von der Antragsgegnerin zu Recht auch nicht ernsthaft in Zweifel gezogen worden ist. Schon diese eindrucksvollen Zahlen belegen zur Überzeugung des Gerichts den hohen Bekanntheitsgrad von „kinder“, auch wenn der Begriff dem Verbraucher ausschließlich in der charakteristischen Ausformung erscheint, in der er eingetragen ist: Die Produkte werden nämlich nicht nur gesehen, son-dern auch – beim Kauf, beim Gespräch im Bekanntenkreis oder auch in der Hörfunkwer-bung – benannt, und zwar mit „Kinder....“.

Die solchermaßen kraft Bekanntheit starke Marke „kinder“ wird durch die streitgegen-ständliche Marke verletzt, denn „Kinder Kram“ lässt nicht nur den Sinn der Klagemarke noch erkennen, was im Marken-Verletzungsprozess in aller Regel schon ausreicht für die entsprechende Feststellung, sondern hebt ihn darüber hinaus noch besonders hervor durch die Voranstellung und die Trennung des Gesamtzeichens. Diese Voranstellung ist von der Sprache her völlig untypisch und ungewöhnlich; sie fällt deshalb auf als das, was es auch darstellen soll: eine Anknüpfung an die bekannten „kinder“-Marken der Antrag-stellerin. Statt vieler Erläuterungen sei hinsichtlich der Andersartigkeit der Wirkung einer „üblichen“ Schreibweise auf „Kinderkram“ verwiesen, wie es ebenfalls von der Antrags-gegnerin als Marke für die identischen Waren angemeldet worden ist; in dieser Form liegt die Betonung bei der Benennung auf „kram“ mit der Folge, dass „Kinder“ als nähere Beschreibung von „kram“ nach Art eines Adjektivs wirkt. Erst in einem solchen (be-schreibenden) Zusammenhang ist ein Freihaltebedürfnis des Verkehrs näher zu prüfen.

 

Schließlich ist auch die für die Feststellung einer Markenverletzung erforderliche Waren-ähnlichkeit gegeben, denn die Antragstellerin weist zu recht darauf hin, dass die – ent-scheidende – Sicht des Verbrauchers nicht unterscheidet zwischen z.B. „Zuckerwaren“ einerseits und „Schokolade“ andererseits als Fachbezeichnung; die typischen Produkte beider Parteien insbesondere diejenigen, für die die sich gegenüberstehenden Marken geschützt sind, werden vom Verbraucher als „Süßwaren“ angesehen und von ihm als in unmittelbarem Wettbewerb stehend empfunden, weil er sie – dies gilt zumindest für Schokoladenwaren einerseits und Süßwaren/nicht-medizinische Kaugummis anderseits – im Supermarkt im selben Bereich findet und sie beide der Deckung des Bedarfs nach Sü-ßem dienen. Dies gilt ebenso für die Back- und Konditorwaren, auch wenn sie womöglich im Verkauf an anderer Stelle zu finden sind, denn gerade im Bereich der kleinen Snacks gehen die Grenzen von Schokoladenwaren und Backwaren fließend ineinander über; damit handelt es sich im Rechtssinn insgesamt um einander ähnliche Waren (zur Defini-tion vgl. Althammer, Markengesetz, 5. Auflage, § 9 MarkenG, Rdn. 35).“

 

Diese Ausführungen macht sich die Kammer in vollem Umfang zu eigen.

 

Die prozessuale Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

 

Streitwert: DM 750.000,00

 

(Unterschriften)