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LG Düsseldorf: "nazar.de"

Leitsätzliches

Ein Namensrecht setzt sich auch branchenübergreifend gegenüber demjenigen durch, der weder ein vorrangiges noch ein gleichrangiges Recht an einer Bezeichnung geltend machen kann. Ein namens- und kennzeichenrechtlicher Schutz setzt kein Wettbewerbsverhältnis und auch keine Gleichartigkeit der von den Parteien vertriebenen Waren oder Dienstleistungen voraus.

LANDGERICHT DÜSSELDORF

 

IM NAMEN DES VOLKES

 

URTEIL

 

Aktenzeichen: 4 O 473/97

Entscheidung vom 22. September 1998

 

 

 

In dem Rechtsstreit

 

(...)

 

w e g e n unlautern Wettbewerbs

 

hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (...)

 

für R e c h t erkannt:

 

1. Die Klage wird abgewiesen

 

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtstreites

 

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar ....

 

 

 

Tatbestand

 

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Übertragung der Internet Adresse (Domäne) "nazar.de" in Anspruch. Die Beklagte ist ein großer deutscher Türkei-Reiseveranstalter. Sie firmiert als Nazar Holiday Reiseveranstaltung GmbH und ist Inhaberin einer 1992 angemeldeten, u.a. für die Veranstaltung von Reisen geschützten Wort-Bild-Marke "NAZAR URLAUB UNTER GUTEM ZEICHEN". Inhaber der Domäne "nazar.de" (sowie der Domäne "nazar com") war ursprünglich der Ehemann A. der Klägerin, der ein Reisebüro betrieb. Als sein Provider fungierte die B.-Service Online-Dienstleistungen GmbH in Regensburg (im folgenden: B.- Service). Beim DENIC war als Inhaber der Adresse "Reisebüro A." registriert.

 

Am 4.12.1996 meldete A. für die Dienstleistungen "Werbung, Marketing, PR, Meinungsforschung, Marktforschung, Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen" die Wortmarke "Nazar-Marketing" an, die am 2.4.1997 unter der Nr. 396 52 664 in das Markenregister des Deutschen Patentamts eingetragen wurde. Mit Schreiben vom 8.2.l997 bat er B.-Service, die Domänen auf eine "Firma Nazar Marketing in Puerto Plata, Dominikanische Republik, Name: Josef C." zu übertragen. Nach dem Vortrag der Klägerin sollte C. für sie ein Unternehmen in der Dominikanischen Republik aufbauen. Aufgrund dessen wurde C. seit April 1997 als Inhaber der Domänen geführt.

 

Auf eine Abmahnung der Beklagte u.a. wegen der Verwendung der Domäne "nazar.de" verpflichtete A. sich unter dem 4.3.1997, es zu unterlassen, sein Reisebüro mit "Nazar" zu kennzeichnen. Die Beklagte gab sich damit nicht zufrieden und beantragte beim LG Stuttgart den Erlass einer einstweiligen Verfügung. In der mündlichen Verhandlung vom 8.4.1997 erklärte A. u.a., die abgegebene Unterlassungserklärung umfasse die Kennzeichnungen "nazar.com" und "nazar.de" und den gesamten Leistungsbereich eines Reisebüros. Das LG Stuttgart wies daraufhin den Verfügungsantrag mit Urteil v. 14.4.1997 mit der Begründung zurück, jedenfalls aufgrund der in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Unterlassungserklärung sei die Gefahr der Wiederholung möglicher Markenrechtsverletzungen in den von der Beklagte beanstandeten Formen ausgeschlossen.

 

Mit Schreiben vom 24.6.1997 teilte C. B. Service folgen des mit: "Da wir unser Unternehmen aufgelöst haben, bitte ich folgende Domains wie folgt zu übertragen:

 

1. "nazar.com" auf (...)

 

2. "nazar.de" auf (...)

 

3. "turkish-airlines.com" übernimmt der alte Besitzer (...) wieder

 

 

 

B.-Service lehnte die Übertragung der Domänen "nazar.de" und "nazar.com" jedoch ab und schrieb A. und C., wie ihr der Rechtsanwalt der Beklagte mitgeteilt habe, verletzten sie durch die Benutzung der Domänen Markenschutzrechte der Beklagte A. habe diesbezüglich vor dem LG Stuttgart "eine umfangreiche strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben". In Anbetracht dessen werde sie, B.-Service, die Löschung der Domänen zum Ende Juni 1997 veranlassen. Daran hielt B.-Service auch gegenüber nicht näher vorgetragenen Einwendungen A.s fest. Infolgedessen übertrug DENIC die Domäne am 24.7.1997 auf die Beklagte, die sie seither zur Internetpräsentation ihres Angebots nutzt.

 

Die Klägerin, die am 1.7.1997 den Betrieb einer Werbeagentur zum Gewerberegister angemeldet hat, behauptet, ihr sei die Marke "Nazar-Marketing" von ihrem Ehemann A. übertragen worden. Mit der Übertragung des Markenrechts sei, so meint sie, das von diesem umfasste Recht an der Domäne "nazar.de" auf sie übergegangen. Außerhalb des Bereichs der Reiseveranstaltung stehe der Beklagte ein besseres Recht nicht zu. Durch kollusives Zusammenwirken mit B.-Service habe die Beklagte beim DENIC jedoch den Eindruck erweckt, C. habe einer Löschung der Domäne nazar.de zugestimmt.

 

(....)

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Übertragung der Domäne "nazar.de", da deren Führung die Rechte der Beklagte an dem Namen Nazar verletzen würde § 12 BGB).

 

1. Der Beklagte steht ein Namensrecht an der Bezeichnung "Nazar" zu. "Nazar" ist der einzige unterscheidungskräftige Bestandteil der Firma der Beklagte .Für einen Teil einer Firmenbezeichnung kann der Schutz als Unternehmens Kennzeichen i.S.d. § 5 Abs. 2 MarkenG beansprucht werden, sofern es sich hierbei um einen unterscheidungskräftigen Firmenbestandteil handelt, der seiner Art nach im Vergleich zu den übrigen Firmenbestandteilen geeignet erscheint, sich im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen durchzusetzen. Ist dies zu bejahen, kommt es nicht mehr darauf an, ob die fragliche Kurzbezeichnung tatsächlich als Firmenschlagwort in Alleinstellung verwendet worden ist oder ob sie sich im Verkehr durchgesetzt hat (st. Rspr., s. nur BGH GRUR 1997,468 - NetCom). Eine solche Unternehmensbezeichnung genießt neben dem kennzeichenrechtlichen Schutz auch Namensschutz nach § 12 BGB. Er ist daher dem Firmenbestandteil Nazar der Beklagte ohne weiteres zuzubilligen.

 

2. Die Klägerin bestreitet durch die Inanspruchnahme der Domäne mit dem Namen "nazar.de' das schutzwürdige Namensrecht der Beklagte Zugleich droht der Beklagte eine Namensanmaßung durch die Benutzung der Domäne, die die Klägerin nach der von ihr angestrebten Übertragung beabsichtigt und die der Beklagte zugleich das Recht und die Möglichkeit nähme, sich unter diesem Namen und damit unter ihrem eigenen Firmenschlagwort im Internet zu präsentieren.

 

Wie die Kammer schon wiederholt in Übereinstimmung mit der ganz überwiegenden Rechtsprechung ausgesprochen hat, haben die Domänen Namensfunktion (so auch: LG Mannheim CR 1996, 353; LG Frankfurt/A4. CR 1997, 287; . LG Lüneburg CR 1997, 288; LG Braunschweig NJW-CoR 1997, 303; LG München 1 NJW-CoR 1997, 231; LG Hamburg CR 1997, 157. LG Düsseldorf Mitt. 1997 225; Ubber , WRP 1997 497, 507; . Völkerl Weidert, WRP 1997, 652, 656; a.A.: LG Köln GRUR 1997, 377). Die Domäne weist auf die natürliche oder juristische Person hin, die unter dieser Adresse Informationen anbietet. Gerade aus Gründen der Anwenderfreundlichkeit werden die eigentlich aus längeren Zahlenfolgen bestehenden Zuordnungen der Homepages des Internet durch symbolische Anschriften, die Domänen, ersetzt, die üblicherweise aus einer aus sich heraus verständlichen und damit einprägsamen Buchstabenfolge bestehen. Die Domäne wird im Normalfall gerade so gewählt, dass sie die Zuordnung zu der Person, die die Homepage unterhält, ermöglicht. Unternehmen, die im Internet vertreten sind, führen dort regelmäßig ihren Namen in der Adresse. Das DENIC verlangt auch die Versicherung, dass durch den Antrag auf Eintragung einer Domäne keine Rechte Dritter wissentlich verletzt werden (Bettinger, GRUR 1997, 402, 407). Der Internet Nutzer geht daher davon aus, dass er ein Unternehmen, sofern es überhaupt im Internet vertreten ist, dort auch unter seinem Namen findet. So wird der Benutzer die Beklagte zunächst unter "nazar.de", dann vielleicht noch unter "nazar.com" suchen. Wenn er unter der Domäne eine Homepage findet, wird er davon ausgehen, dass sie vom Namensinhaber stammt oder dass dieser zumindest seine Zustimmung zu der Verwendung der Domäne erteilt hat.

 

Der Umstand, dass die Domäne frei wählbar ist, wie sich schon daran zeigt, dass A. die Adresse "nazar.de" für sich registrieren lassen konnte, rechtfertigt unter Berücksichtigung dieser Praxis entgegen der vom LG Köln vertreten Auffassung (NW-CoR 1997, 304, Urt. v. 17.12.1996 "huerth.de" und "kerpen.de" - sowie B. v. 17.l2.l996 "pulheim.de") nicht den Schluß, dass diejenigen Adressen, die einen Namen enthalten, keine Namensfunktion besitzen (vgl. auch LG Frankfurt, a.a.O.).

 

3. Der Klägerin steht weder ein vorrangiges noch ein gleichrangiges Recht an der Domäne "nazar.de" zu. Entgegen ihrer Auffassung ist ein solches Recht nicht schon deshalb entbehrlich, weil die Beklagte Namensschutz nur für die Reiseveranstaltungsbranche in Anspruch nehmen könnte. Das ist schon deshalb irrig, weil der Namensschutz nach § 12 BGB wie der Kennzeichenschutz nach §§ 5, 15 MarkenG sich nicht auf die Branche des Namensträgers beschränkt. Im geschäftlichen Verkehr ist eine Verletzung eines schutzwürdigen Interesses am eigenen Namen i.S.v. § 12 BGB vielmehr insbesondere dann gegeben, wenn von einem anderen eine Firma oder sonstige Unternehmensbezeichnung verwendet wird, die auf Grund der Ähnlichkeit der Bezeichnungen die Gefahr einer Verwechslung der Unternehmen begründet. Der namens- und kennzeichenrechtliche Schutz setzt dabei nach ständiger Rechtsprechung zu § 16 UWG, die für die Nachfolgevorschriften der §§ 5, 15 MarkenG und § 12 BGB gleichermaßen gilt, weder ein Wettbewerbsverhältnis noch eine Gleichartigkeit der von den Parteien vertriebenen Waren oder Dienstleistungen i.S.d. früheren Warenzeichengesetzes voraus. Die beiderseitigen Geschäftsbereiche dürfen nur nicht so weit voneinander entfernt sein, dass die Gefahr ausscheidet, ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise könne durch gleiche oder verwechslungsfähige Bezeichnungen zu der irrigen Annahme verleitet werden, die fraglichen Waren oder Dienstleistungen stammten aus demselben Geschäftsbetrieb oder zwischen den beteiligten Unternehmen gäbe es irgendwelche geschäftlichen Zusammenhänge (BGH GRUR 1966, 267, 269 - White Horse; GRUR 1995, 461, 463, Gefa/Gewa; GRUR 1986, 253, 255 - Zentis; GRUR 1990, 1042, 1044 Datacolor). Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist dabei die Nähe oder Ferne der beiderseitigen Tätigkeitsgebiete nicht isoliert zu sehen. Die Frage der Verwechslungsgefahr ist vielmehr auf Grund einer Gesamtbewertung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Dabei ist zu berücksichtigen dass eine Wechselwirkung zwischen dem wirtschaftlichen Abstand der Tätigkeitsgebiete und dem Grad der Ähnlichkeit der Bezeichnung besteht. Je verwandter die Tätigkeitsbereiche sind desto eher kann auch bei voneinander abweichenden Bezeichnungen die Verwechslungsgefahr bejaht werden. Andererseits kann sie aber auch bei Waren oder Dienstleistungen, die sich wirtschaftlich entfernter stehen, dann vorliegen, wenn die Bezeichnungen übereinstimmen oder nur geringfügig voneinander abweichen (BGH GRUR 1966, 267, 269 White Horse m.w.Nw). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erscheint es zumindest fraglich, ob der Tätigkeitsbereich eines Reiseveranstalters einerseits und einer Werbeagentur andererseits so weit auseinander liegen, dass bei identischen Bezeichnungen, wie sie im Streitfall gegeben sind, auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne ausgeschlossen werden kann.

 

Jedoch bedarf dies keiner abschließenden Entscheidung. Denn in Anbetracht des Umstands, dass eine bestimmte Internet-Adresse (Domäne) ungeachtet der Branche immer nur einmal vergeben werden kann, liegt eine Beeinträchtigung der rechtlich geschützten Interessen des Namensträgers schon dann vor, wenn sein Name überhaupt von einem anderen verwendet und er selbst damit, wie bereits ausgeführt gehindert wird, sich seines eigenen Namens zur Bezeichnung seiner Internet-Adresse zu bedienen. Das bedeutet nicht oder jedenfalls nicht notwendig, dass sich das prioritätsältere Namensrecht branchenübergreifend gegenüber dem jüngeren durchsetzen würde, wie dies ansonsten im Kennzeichenrecht nur für den Schutz berühmter Bezeichnungen anerkannt ist. Es bedeutet aber wie die Kammer bereits in ihrem Urteil "ufa.de" angenommen hat, dass sich das Namensrecht branchenunabhängig gegenüber demjenigen durchsetzt, der weder ein besserrangiges noch (bei Branchenverschiedenheit) überhaupt ein Recht an der betreffenden Bezeichnung geltend machen kann.

 

Daran scheitert die Klage. Die Marke 39652 664 gibt der Klägerin kein Recht zur Verwendung der Domäne "nazar.de". Das gilt schon deshalb, weil die Marke nicht "Nazar" sondern "Nazar Marketing" lautet und das Markenrecht den Schutz einer Kurzform der Marke nicht kennt. I.ü. kann aber auch die Erwirkung eines Markenschutzes die Verwendung eines fremden Namens als Internet-Adresse jedenfalls dann nicht rechtfertigen, wenn die Marke in Kenntnis des Namens in der Absicht angemeldet worden ist, mit ihr unter Ausschluss des Namensträgers die Inanspruchnahme einer aus dem Namen gebildeten Domäne zu rechtfertigen. Dass es sich hier so verhält, muss - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - angesichts des Umstandes angenommen werden, dass A. als Inhaber eines Reisebüros einerseits die Beklagte bekannt war und die Klägerin andererseits irgendeinen plausiblen Grund, warum gerade sie die Bezeichnung "Nazar-Marketing" gewählt hat, nicht vorgebracht hat.

 

4. Bei dieser Sachlage ist unerheblich, ob das DENIC oder B. Service bei der Übertragung der Domäne auf die Beklagte von unzutreffenden Vorstellungen über die Reichweite der von A. übernommenen Unterlassungsverpflichtung ausgegangen sind und ob die Beklagte etwaige Fehlvorstellungen hervorgerufen hat. Denn durch die Übertragung ist nur derjenige Zustand herbeigeführt worden, den herbeizuführen die Klägerin, wäre die Domäne zunächst auf sie registriert worden, ohnehin verpflichtet gewesen wäre.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 711 ZPO.

 

(Unterschriften)