×

Rückruf vereinbaren

Ihre Nachricht an uns

Startseite
/
Urteile
/
Markenrecht
/
Urteile vor 2002
/
Ein Kennzeichen ist kein besseres Recht bei beschreibenden Domains, LG Düsseldorf: "glass.de"

Leitsätzliches

Wer "Glass" heißt, hat allein deshalb keine besseren Rechte an der Domain "glass.de" als ein in Deutschland ansässiger Glashersteller. Das gilt jedenfalls dann, wenn Namens- und Domain-Inhaber in unterschiedlichen Branchen und der Domain-Inhaber international tätig ist.

LANDGERICHT DÜSSELDORF

 

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

 

Aktenzeichen: 34 O 27/98

Entscheidung vom 13. Mai 1998

 

In dem Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung

 

[...]

 

hat die 4. Kammer für Handelsaachen des Landgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 15. April l998 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Butz sowie die Handelsrichter Koster und Dr. Süssmann

 

für R e c h t erkannt:

 

Der Antrag der Antragstellerin auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

 

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

 

Das Urteil ist für die Antragsgegnerin vorläufig vollstreckbar.

 

Der Antragstellerin bleibt vorbehalten, die Vollstreckung der Antragsgegnerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 DM abzuwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin zuvor Sicherheit in der selben Höhe leistet. Beiden Parteien bleibt vorbehalten, die jeweilige Sicherheitsleistung durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Sparkasse oder Bank zu erbringen.

 

 

 

Tatbestand

 

Die Antragstellerin ist bundesweit im Bereich Hoch- und Tiefbau, insbesondere im gewerblichen Industrie- und spezialtiefbau tätig. Sie ist seit 1948 im Handelsregister beim Amtsgericht Memmingen eingetragen und führt die Firmenbezeichnung Glass GmbH Bauunternehmung. Sie beschäftigt derzeit etwa 700 Mitarbeiter und hatte im Jahre 1997 einen Jahresumsatz von etwa 218.000.000 DM.

 

Die Antragsgegnerin gehört zu den 500 größten deutschen Unternehmen; sie ist einer der führenden internationalen Glaskonzerne mit einem Jahresumsatz von 1,7 Milliarden DM. Sie ist weltweit tätig und erzielt rund 55 % des Gesamtumsatzes im Ausland. Die Antragsgegnerin verfügt neben zahlreichen Niederlassungen auch über 7 ausländische Tochtergesellschaften, darunter 2 in Großbritannien und eine in den USA mit wiederum 7 Tochtergesellschaften. Zwei dieser amerikanischen Tochtergesellschaften, die Kimble-Glass Inc." und die "Kontes-Glass Company" sowie eine der englischen Tochtergesellschaften, die "The Anchor Glass Company", führen den Bestandteil "Glass" in ihrem Firmennamen.

 

Im Jahre 1996 begann die Antragsgegnerin mit Planungen, sich eine eigene Präsenz im Internet aufzubauen. Sie ließ daher insgesamt 13 Internet Domains für sich reservieren bzw. registrieren, wie z.B."gerresheimer.de", "gerrix.de", behälterglas.de, spezialglas.de und die streitgegenständliche Internet Domains "qlass.de".

 

Die Antragstellerin beabsichtigt nunmehr ebenfalls sich und ihre Dienstleistung im Internet auf eigenen Webseiten darzustellen. In diesem Zusammenhang stellte sie fest, daß die Internet Domain "glass.de" bei der namensvergebenden Stelle, dem Deutschen Network Information Center DENIC für die Antragsgegnerin bereits registriert ist. Da eine Registrierung zugunsten der Antragstellerin damit ausscheidet, da eine Internet Domain nur immer einmalig vergeben wird, forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin auf, die Internet-Domain "glass.de" nicht weiter zu verwenden, was die Antragsgegnerin jedoch ablehnte.

 

Die Antragstellerin ist der Ansicht, sie könne von der Antragsgegnerin verlangen, daß diese es unterläßt, im Internet den Domain-Namen "glass.de" zu benutzen und/oder benutzen zu lassen und/oder reserviert zu halten. Entsprechende Ansprüche auf Unterlassung stünden der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin gemäß §§ 5, 15 Abs. 1, 2 Markengesetz, § 12 BGB sowie § 1 UWG zu.

 

Die Antragstellerin beantragt im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens,

 

der Antragsgegnerin es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu untersagen,

 

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

 

im Internet den Domain-Namen "glass.de" zu benutzen und/oder benutzen zu lassen und/oder diesen Domain-Namen reserviert zu halten,

 

die Internetdomain "glass.de" ohne Zustimmung der Antragstellerin auf einen Dritten zu übertragen.

 

Die Antragsgegnerin beantragt,

 

den Antrag der Antragstellerin auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

 

Sie ist der Ansicht, ein Unterlassungsanspruch sei vorliegend weder aus Markenrecht, noch aus Namensrecht und/oder Wettbewerbsrecht gegeben. Sowohl firmenrechtliche als auch namensrechtliche Unterlassungsansprüche müßten schon deshalb ausscheiden, weil Internet-Domain keine Kennzeichnungsfunktion als Namen hätten, sondern ähnlich wie Telefonnummern, Adressen oder Bankleit- sowie Postleitzahlen nicht der Individualisierung des Benutzers dienten, sondern nur als Orientierungshilfe zur Auffindung des Benutzers benutzt würden. Ein firmenrechtlicher Unterlassungsanspruch scheitere zudem deshalb, weil zwischen den geschäftlichen Tätigkeiten der Parteien keine Branchennähe bestehe. Außerdem könne sich die Antragsgegnerin mit Erfolg auf § 23 Nr. 2 Markengesetz berufen. Die namensrechtliche Anspruchsgrundlage sei auch deshalb nicht gegeben, weil eine Zuordnungsverwirrung nicht ersichtlich sei. Eine wettbewerbsrechtliche Grundlage gemäß § 1 UWG komme schon deshalb nicht in Betracht, weil es an einem Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien fehle und zudem auch die sonstigen Voraussetzungen gemäß § 1UWG nicht erkennbar seien.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

Der Antrag der Antragstellerin auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, er hat in der Sache allerdings keinen Erfolg. Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin nicht verlangen, daß diese es unterläßt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Internet den Domain-Namen "glass.de" zu benutzen und/oder benutzen zu lassen und/oder diesen Domain-Namen reserviert zu halten bzw. ohne Zustimmung der Antragstellerin diesen Domain-Namen auf einen Dritten zu übertragen. Ein entsprechender Unterlassungsanspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin ergibt sich aus keiner denkbaren Anspruchsgrundlage insbesondere weder aus Markenrecht noch aus Namensrecht noch aus Wettbewerbsrecht.

 

Zunächst einmal kann die von der Antragstellerin begehrte Unterlassung nicht aus §§ 5, 15 Abs. 1. 2 Markengesetz hergeleitet werden. Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob der Firmenbestandteil "Glass" der Firmenbezeichnung "Glass GmbH Bauunternehmung" der Antragstellerin alleine schutzfähig im Sinne des § 5 Markengesetz ist und insoweit die erforderliche Unterscheidungskraft überhaupt besitzt. Ein Anspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin gemäß §§ 5, 13 Markengesetz scheitert jedenfalls daran, daß eine Verwechslungsgefahr des vorgenannten Firmenbestandteils der Antragstellerin mit dem streitgegenständlichen Domain-Namen "glass.de" der Antragsgegnerin nicht gegeben ist. Eine derartige Verwechslungsgefahr wäre grundsätzlich nur dann zu bejahen, wenn wegen der Ähnlichkeit der beiden Zeichen und der Identität oder der Ähnlichkeit der durch die beiden Zeichen erfaßten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen bestehen würde, einschließlich der Gefahr, daß die Marken bzw. Zeichen gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist aber abzustellen auf die Ähnlichkeit der Waren, Ähnlichkeit der Marken und weitere Kriterien, wie zum Beispiel die Branchennähe, mehrere zueinander in Wechselwirkung tretende und deshalb von Fall zu Fall unterschiedlich zu gewichtende Kriterien für die Beurteilung der Rechtsfrage, ob eine Verwechslungsgefahr besteht (vgl. BPatG. Beschluß vom 30.08.1996, GRUR 1997, Seite 54, 57 - s.Oliver -).

 

Davon ausgehend ist vorliegend zu berücksichtigen, daß die Parteien in völlig unterschiedlichen Branchen geschäftlich tätig sind und zwischen diesen Branchen - nämlich dem Tätigkeitsbereich der Antragstellerin im Hoch- und Tiefbau und dem Tätigkeitsbereich der Antragsgegnerin in der Glasindustrie - nicht die geringsten Berührungspunkte gegeben sind. Hinzu kommt, daß der Firmenbestandteil "Glass" aus der Firmenbezeichnung der Antragstellerin - wenn überhaupt - nur geringe Kennzeichnungskraft hat, was ebenfalls als Kriterium der Annahme einer Verwechslungsgefahr entgegensteht und im Hinblick auf die besondere Ferne zwischen den Branchen der beteiligten Parteien bereits zu einer Ablehnung einer Verwechslungsgefahr führen muß. Hinzu kommt, daß in dem hier in Rede stehenden Bereich des Internets und damit auch der Domain-Namen die Verwendung von Bezeichnungen der englischen Sprache absolut vorherrschend ist und es zudem absolut üblich ist, Domain-Namen mit beschreibendem Charakter zu verwenden, so daß auch aufgrund dieser Kriterien eine Verwechslungsgefahr einschließlich der Gefahr, daß der Firmenbestandteil der Antragstellerin "Glass" mit den hier in Rede stehenden Domain-Namen "glass.de" in Verbindung gebracht wird, nicht gegeben ist.

 

Schließlich ist die Sachlage auch bezüglich der Verwechslungsgefahr hier völlig anders gelagert als in dem von der Antragstellerin zitierten und von der Kammer entschiedenen Rechtsstreit "epson.de", da hier nicht - wie in dem damaligen Rechtsstreit - die verwechslungsfähige Ware bzw. Dienstleistung nämlich bereits die unter der Domain aufzurufende Homepage als solche ist, weil hier nicht mit der Domain selbst bzw. der aufzurufenden Homepage selbst gehandelt bzw. Geschäfte gemacht werden sollten.

 

Schließlich könnte sich die Antragsgegnerin auch noch auf § 23 Nr. 2 Markengesetz berufen, weil sie die Bezeichnung "glass" als Angabe der von ihr angebotenen Waren und Dienstleistungen benutzt. Die Bezeichnung "glass.de" soll es internationalen Kunden der Antragsgegnerin bzw. Interessenten gerade ermöglichen, wie im Internet üblich anhand der Sachbezeichnung des englischen Wortes für Glas die Antragsgegnerin als Glasproduzent im Internet ausfindig zu machen. Die Benutzung der Bezeichnung "glass" durch die Antragsgegnerin verstößt auch nicht gegen die guten Sitten; insbesondere hat die Antragstellerin keine besonderen Umstände dargetan oder gar glaubhaft gemacht, die einen entsprechenden Unlauterkeitsvorwurf begründen könnten.

 

Die Antragstellerin hat weiterhin auch gegen die Antragsgegnerin keinen namensrechtlichen Unterlassungsanspruch aus § 12 BGB. In diesem Zusammenhang ist zunächst einmal von Bedeutung, daß die Antragsgegnerin der Antragstellerin das Recht zum Gebrauch ihres Namens "Glass GmbH" nicht bestreitet und auch ansonsten nichts dagegen einzuwenden hat, daß die Antragstellerin sich im geschäftlichen Verkehr als "glass" bezeichnet. Auch aus § 12 Satz 1 2. Alternative HGB läßt sich ein Unterlassungsanspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin nicht herleiten. Dies würde nämlich voraussetzen, daß ein schutzwürdiges Interesse der Antragstellerin dadurch verletzt wäre, daß die Antragsgegnerin unbefugt den gleichen Namen gebraucht. Dies ist jedoch nicht der Fall. Ein schutzwürdiges Interesse der Antragstellerin läge nur dann vor, wenn durch die Benutzung der Internet-Domain "glass.de'" durch die Antragsgegnerin eine Zuordnungsverwirrung zwischen den Parteien hervorgerufen wurde. Die Voraussetzungen für eine derartige Zuordnungsverwirrung sind vorliegend jedoch nicht ersichtlich, da sich die Tätigkeitsbereiche der Parteien grundlegend von einander unterscheiden, wie oben bereits ausgeführt worden ist und schon deswegen ein Interessent bei Aufruf der Internet-Domain "glas.de" der Antragsgegnerin nicht erwartet, Informationen über die Antragstellerin unter der nunmehr auf zurufenden Homepage zu finden.

 

Schließlich scheitert auch ein Unterlassungsanspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin gemäß § 1 UWG, da es schon an einem Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien fehlt und vorliegend auch nicht ein sogenannter Adhoc-Wettbewerb gegeben ist. Darüber hinaus ist auch eine wettbewerbswidrige Behinderung nicht ersichtlich.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus §§ 708, 711 ZPO.

 

Streitwert: 150.000,00 DM

 

Dr. Butz

Koster

Dr. Süssmann