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Verwechselungsgefahr bei der Marke "SAM"?- OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 15. Mai 2012, Az. 6 U 2/12

Leitsätzliches

1. Die Ausschöpfung von Rechtsmittelfristen im Eilverfahren führt nicht zum Verlust des Verfügungsgrundes der Dringlichkeit. 2. Der Einwand, die Geltendmachung eines Anspruchs sei rechtsmissbräuchlich, da das Kostenentstehungs- und Gebühreninteresse im Vordergrund stehe, greift im Markenrecht regelmäßig nicht durch; insbesondere ist die Vorschrift des § 8 IV UWG insoweit weder analog noch ihrem Rechtsgedanken nach anwendbar. 3. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine geschützte Marke lediglich als Bestellzeichen und damit nicht markenmäßig verwendet wird (im Streitfall verneint).

OBERLANDESGERICHT Frankfurt a. M.

Im Namen des Volkes

Urteil

Entscheidung vom 15. Mai 2012

Az.: 6 U 2/12

 

Tenor

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 15.12.2011verkündete Urteil der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert.

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung von Ordnungsgeld bis 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an dem Geschäftsführer ihrer persönlichen haftenden Gesellschafterin, für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt,

im geschäftlichen Verkehr Hosen unter der Bezeichnung „…“ anzubieten, wenn dies geschieht wie aus der Anlage Ast 1 zur Antragsschrift vom 16.09.2011 ersichtlich.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Eilverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Gründe

I.

Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 2 in Verbindung mit § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

Die Antragstellerin ist Inhaberin einer Wortmarke „Sam“ und hatte gegen die Antragsgegnerin eine am 26.09.2011 im Beschlusswege erlassene einstweilige Verfügung erwirkt, mit der es der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt worden war, im geschäftlichen Verkehr Hosen unter der Bezeichnung „…“anzubieten, wenn dies geschieht wie aus der Anlage AST 1 zur Antragsschrift ersichtlich. Diese Beschlussverfügung hob die 11.Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main mit dem angefochtenen Urteil auf und führte zur Begründung aus, die Benutzung des Zeichens „Sam“ durch die Antragsgegnerin stelle keine markenmäßige Benutzung dar.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin.

Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, das Zeichen „Sam“ durch die Antragsgegnerin sei in der streitgegenständlichen Bewerbung markenmäßig benutzt worden. Es bestehe die Gefahr, dass der Verkehr das Zeichen „Sam“ im Gesamtzeichen als Herkunftshinweis im Sinne einer Zweitmarke neben der Marke „…“ verstehe.

Es sei durchweg üblich, für Bekleidungsstücke Zweitmarken als Herkunftshinweis im Sinne einer produktidentifizierenden Kennzeichenfunktion zur weiteren Unterscheidung neben der Hauptmarke zu nutzen. Gerade die Verwendung vermeintlicher Eigennamen sei ein typisches Mittel zur Herkunftskennzeichnung im Rahmen des Vertriebs von Hosen.

Damit sei angesichts der gegebenen Waren- und Zeichenidentität auch eine Verwechslungsgefahr gegeben.

Die Antragstellerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und es der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, jeweils zu vollstrecken an dem Geschäftsführer ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Hosen unter der Bezeichnung „…“ anzubieten, wenn dies wie aus der Anlage AST1 zur Antragsschrift ersichtlich geschieht.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, es fehle bereits am Verfügungsgrund der Dringlichkeit. Denn die Antragstellerin habe zwar noch am Tag der Zustellung des angefochtenen Urteils Berufung eingelegt, diese jedoch erst zwei Monate später begründet. Damit habe sie zu erkennen gegeben, dass ihr die Anspruchsverfolgung nicht so dringlich sei. Auch wenn die Ausschöpfung von Rechtsmittelfristen grundsätzlich nicht zu beanstanden sei, führe die Besonderheit des vorliegenden Falles, dass die Antragstellerin nach Einlegung der Berufung acht Wochen untätig geblieben sei,dazu, den Verfügungsgrund zu verneinen.

Auch ein Verfügungsanspruch bestehe nicht. Es fehle an einer markenmäßigen Benutzung der Zeichenfolge „Sam“. Der Verkehr sei keineswegs an die Verwendung von Zweitkennzeichen bei der Bewerbung von Bekleidungsstücken gewöhnt. Maßgeblich für die Beurteilung sei die Zeichenfolge in ihrem konkreten Verwendungskontext. Hier werde die Zeichenfolge „Sam“ zur Beschreibung eines Modellschnitts, nicht jedoch herkunftshinweisend verstanden.

Es fehle auch an einer Verwechslungsgefahr, da dem Begriff „Sam“ in der angegriffenen Zeichenfolge kein selbständig kennzeichnender Charakter zukomme.

Schließlich bestreitet die Antragsgegnerin die rechtserhaltende Nutzung der Marke „Sam“ weiterhin und erhebt auch im Berufungsrechtszug den Einwand der rechtsmissbräuchlichen Anspruchsverfolgung. Die Antragstellerin handele rechtsmissbräuchlich, weil sie im Kostenentstehungs- und Gebühreninteresse aktiv werde.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Der Verfügungsgrund der Dringlichkeit besteht. Die Argumentation der Antragsgegnerin, die Antragstellerin habe sich dringlichkeitsschädlich verhalten, weil sie die Berufungsbegründungsschrift acht Wochen nach Einlegung der Berufung vorgelegt habe, verfängt nicht. Entscheidend ist insoweit, dass die Antragstellerin keinen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gestellt hat, sondern lediglich die gesetzlich vorgesehene Frist in vollem Umfang ausgeschöpft hat. Das Ausschöpfen der zweimonatigen Berufungsbegründungsfrist kann einem Antragsteller nicht vorgeworfen werden, nachdem das Gesetz auch dem in erster Instanz unterlegenen Antragsteller die auch für das ordentliche Erkenntnisverfahren vorgesehene Frist zur Begründung der Berufung einräumt (Senat, OLGR Frankfurt 2001, 331).

Etwas anderes gilt für die Antragstellerin nicht deshalb, weil sie die Berufung sofort nach Zustellung des Urteils eingelegt hat. Insbesondere ist das Verhalten der Antragstellerin nicht vergleichbar mit dem eines Verletzten, der eine besonders kurze Frist zur Erwiderung auf die Abmahnung setzt. Denn während Letzterer gegenüber dem Verletzten eine Drucksituation schafft, an der er sich mit seinem eigenen Verhalten messen lassen muss, spielt es für das Ausschöpfen der Berufungsbegründungsfrist keine Rolle, ob die Berufung sofort eingelegt wurde oder nicht. Insbesondere kann der Antragstellerin nicht vorgeworfen werden, während der Zeit zwischen Einlegung der Berufung und Begründung der Berufung untätig gewesen zu sein, da sie während dieser Zeit eine umfangreiche Berufungsbegründungsschrift gefertigt hat.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch nicht deshalb unzulässig, weil er gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlich wäre. Die Antragsgegnerin trägt hierzu –eher pauschal – vor, die Antragstellerin handele rechtsmissbräuchlich, weil sie im Kostenentstehungs- und Gebühreninteresse aktiv werde. Zum einen kommt eine analoge Anwendung des § 8 Abs. 4 UWG oder auch nur eine Übertragung des dort enthaltenen Rechtsgedankens auf die Verfolgung markenrechtlicher Ansprüche nicht in Betracht. Denn anders als derjenige, der einen Wettbewerbsverstoß verfolgt, kann sich derjenige, der Ansprüche aus einer Marke geltend macht, auf ein absolutes, zu seinen Gunsten geschütztes Recht berufen, dessen Verteidigung – auch wenn diese sich gegen eine Vielzahl von Gegnern richtet – rechtlich nicht zu beanstanden ist. Das Vorgehen eines Markeninhabers aus einer eingetragenen Marke kann daher nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen als rechtsmissbräuchlich gewertet werden, etwa dann, wenn kein Zweifel bestehen kann, dass aus einer unbenutzten Marke zur Erlangung von Abmahnkostenerstattung vorgegangen wird und auch zukünftig kein ernsthafter Benutzungswille besteht (Ingerl/Rohnke, Markengesetz 3.Auflage, Vor §§ 14-19d, Rdn. 369). Bei der Klagemarke handelt es sich jedoch nicht um eine unbenutzte Marke, was im Rahmen der Begründetheit des Eilantrages ausgeführt werden wird.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch begründet. Der Verfügungsanspruch folgt aus §§ 4 Nr. 1, 14 Abs. 2Nr. 1, Abs. 5 Markengesetz.

Die Antragstellerin ist Inhaberin der Wortmarke „Sam“.

In der angegriffenen Zeichenfolge „…“erscheint das Wort „Sam“ als Zweitmarke neben „…“.

Ob ein Bestandteil der angegriffenen Kennzeichnung, die als mit der älteren Marke ähnlich beanstandet wird, bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr isoliert oder nur zusammen mit den weiteren Bestandteilen als einheitliche Gesamtaufmachung zugrunde zu legen ist, hängt davon ab, ob die angegriffene Gestaltung vom Verkehr „als Ganzes“, das heißt „wie bei einem Gesamtzeichen im Zusammenhang wahrgenommen wird oder ob der Verkehr daran gewöhnt ist, in einer Gesamtaufmachung einzelnen Elementen eine eigenständige, von der Kennzeichnungsfunktion anderer Bestandteile unabhängige Kennzeichnungsfunktion zuzuerkennen“(BGH GRUR 2004, 865, 866 - Mustang; GRUR 2002, 171, 174f. –Marlborodach).

Veranlassung zur Annahme einer solchen „funktionellen Eigenständigkeit“ eines Bestandteils kann der Verkehr aufgrund bestimmter Kennzeichnungsgewohnheiten (z.B. der häufigen Verwendung von Zweitmarken) allgemein oder insbesondere auf dem in Frage stehenden Warengebiet haben (BGH a.a.O. – Mustang, Marlborodach). Besonders naheliegend ist dies bei Verwendung zusammen mit einem bekannten Unternehmensnamen als Erstkennzeichnung (BGH GRUR 2008, 254, Tz. 33 – The Home Store; OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.11.2005, Az. 20 U 110/04, Rdn.25 bei Juris; Ingerl/Rohnke a.a.O., § 14 Rdn. 829).

Wie der Senat aus eigener Kenntnis zu beurteilen vermag, ist es auf dem Bekleidungssektor, insbesondere bei dem Vertrieb von Jeans, üblich, dass diese neben dem Namen des Herstellers eine Modellbezeichnung tragen, die häufig aus einem männlichen oder weiblichen Vornamen besteht. Dabei steht die Funktion, dass das angegriffene Zeichen zur Kennzeichnung eines bestimmten Modells benutzt wird, der Einordnung als kennzeichnender Verwendung nicht entgegen (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O. für die Kennzeichnung eines Brillenmodells). Entscheidend ist, dass die Verwendung eines bestimmten Vornamens eine frei wählbare Phantasiebezeichnung – etwa für eine bestimmte Schnittführung – ist, die gerade keinen beschreibenden Charakter aufweist und daher als eigener, kennzeichnender Bestandteil neben „…“und in Abgrenzung zu „Hose“ und „…“wahrgenommen wird. Es bestehen auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der angesprochene Verkehr in der Bezeichnung „Sam“ etwa ein reines Bestellzeichen sehen könnte, welches – ohne dass hiermit ein Herkunftshinweis verbunden wäre - allein dazu dient, das eine Modell von den anderen Modellen der Antragstellerin zu unterscheiden (vgl. hierzu BGH GRUR 1988, 307, 308 – Gaby). Weder ist hierfür eine entsprechende einheitliche Branchenübung festzustellen noch enthält die streitgegenständliche Werbung Hinweise darauf, dass sich etwa die Antragstellerin eines solchen reinen Bestellzeichensystems bedient.

Zwischen der Klagemarke „Sam“ und der als Zweitmarke einzuordnenden Zeichenfolge „Sam“ im Rahmen der angegriffenen Zeichenfolge insgesamt besteht Zeichenidentität. Da das angegriffene Zeichen für Hosen verwendet wird, und die Klagemarke für Bekleidungsstücke eingetragen ist, besteht daneben zugleich Warenidentität, so dass der Tatbestand der Doppelidentität gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 Markengesetz erfüllt ist.

Mit ihrem Einwand der Nichtbenutzung vermag die Antragsgegnerin nicht durchzudringen. Die Antragstellerin hat substantiiert dargelegt und durch die eidesstattliche Versicherung von Herrn Avom 06.12.2011 (Anlage AST 12) glaubhaft gemacht, dass sie ihre Marke „Sam“ an die B GmbH lizenziert hat, welche unter der Marke „Sam“ in erheblichem Umfang Bekleidung herstellt und vertreibt. Des Weiteren ist der Einwand der Antragsgegnerin, die Benutzung der Wortmarke „Sam“ mit einer besonderen Schrifttype könne nicht als Benutzung der Wortmarke gewertet werden, nicht tragfähig. Auch wenn die rechtserhaltende Benutzung strengeren Maßstäben unterliegt als die Beurteilung der Verwechslungsgefahr, kann eine Veränderung der schriftbildlichen Ausgestaltung nur dann schädlich sein, wenn sie einen neuen Gesamteindruck entstehen lässt, insbesondere in Fällen,in denen das Wortelement seine eigene Kennzeichnungskraft gerade aus einer bestimmten bildlichen Gestaltung bezieht (BGH, GRUR 1999,498 – Achterdiek). Bei der Marke in der benutzten Form steht der Name „Sam“ eindeutig im Vordergrund; dem Schrifttyp kommt daneben allenfalls marginale, jedenfalls keine kennzeichenrelevante Bedeutung zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.