Leitsätzliches
Die Verwechslungsgefahr einer Wortmarke bestimmt sich nicht nach allen theoretisch denkbaren, sondern nur diejenigen Aussprachemöglichkeiten, die nach den allgemeinen Ausspracheregeln für ähnlich aufgebaute Wörter der Umgangssprache als Aussprachevarianten konkret naheliegen. Im Einzelfall kann dabei auch der Sinngehalt mitbestimmend sein. (Markenrecht)
OBERLANDESGERICHT STUTTGART
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Aktenzeichen: 2 U 65/04
Entscheidung vom 21. Oktober 2004
In dem Rechtsstreit
...
gegen
...
wegen Unterlassung
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 23. September 2004 unter Mitwirkung von Vors. Richter am Oberlandesgericht Dr. .., Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. ..., Richter am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:
1. Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 01.04.2004 - 41 O 31/04 KfH - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.
Streitwert des Berufungsverfahrens: € 75.000,00.
Gründe:
I.
Hiergegen hat die Verfügungsbeklagte Widerspruch eingelegt mit der Begründung, eine Verwechslungsgefahr sei aufgrund der unterschiedlichen Aussprache der beiden Begriffe nicht gegeben. Darüber hinaus handle die Verfügungsklägerin rechtsmissbräuchlich, da sie die deutsche IR-Vertriebsgesellschaft nicht auf Unterlassung in Anspruch nehme.
Mit Urteil vom 01.04.2004 hat das Landgericht Stuttgart die einstweilige Verfügung bestätigt. Die Verwechslungsgefahr hat das Landgericht aus der identischen Aussprache ("i-mouschn") der beiden Begriffe und der Warenähnlichkeit begründet.
Mit der Berufung macht die Verfügungsbeklagte geltend, dass die allein in Betracht kommende klangliche Verwechslungsgefahr nicht gegeben sei. Die Bezeichnung "e-motion" werde von den Kunden der Verfügungsklägerin, die ausschließlich in Deutschland tätig sei, deutsch gesprochen im Gegensatz zu der Bezeichnung "iMOTION", die englisch (ai-mouschn) ausgesprochen werde. Einer Verwechslungsgefahr stehe auch entgegen, dass die Abnehmer der Parteien nicht identisch seien. Die Kunden der Verfügungsklägerin benötigten das von der Verfügungsklägerin hergestellte Fertigprodukt für den Einsatz in ihrem Betrieb, während die Kunden der Verfügungsbeklagten aus den bei ihr bezogenen Einzelteilen selbst Produkte herstellen, die anschließend verkauft würden. Im Übrigen fehle es an der erforderlichen Dringlichkeit, da die Verfügungsklägerin bereits im Sommer 2003 Kenntnis von der Existenz der angegriffenen Bezeichnung "iMOTION" gehabt habe.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 01.04.2004 abzuändern und die Beschlussverfügung vom 16.02.2004 aufzuheben.
Die Verfügungsklägerin hält das angegriffene Urteil für zutreffend und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
II.
Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat zu Recht die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs.5 MarkenG und den für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen Verfügungsgrund bejaht.
1. Bei der Verwechslungsgefahr i.S. des § 14 Abs.2 Nr.2 MarkenG sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH WRP 2004, 353 - d-online; GRUR 2001, 164 -Wintergarten-).
a.) Die Markenähnlichkeit von Kollisionszeichen ist nach dem Gesamteindruck der klanglich, bildlich und begrifflich zu vergleichenden Marken zu beurteilen (vgl. Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 14 Rn. 299), wobei zur Annahme einer Verwechslungsgefahr nach ständiger Rechtsprechung ausreichend ist, wenn die Markenähnlichkeit der Kollisionszeichen in einem dieser drei Wahrnehmungsbereiche besteht (BGHZ 139, 340 - Lions; Fezer a.a.O., § 14 Rn. 60). Dabei kann eine Annäherung der kollidierenden Zeichen an den Bedeutungsgehalt der Marke die aufgrund der klanglichen und der bildlichen Markenähnlichkeit bestehende Verwechslungsgefahr vergrößern.
Diese Beurteilungskriterien gelten auch für die Beurteilung einer Ähnlichkeit zwischen einer Wort-/Bildmarke und einer Wortmarke, da der Verkehr sich eher am Wortbestandteil als am Bildbestandteil zu orientieren pflegt (BGH GRUR 1966, 499, 500 - Merck; 1989, 425, 427 - Herzsymbol). Dieser Grundsatz findet seine Begründung darin, dass das Kennwort i. d. R. im Verkehr die einfachste Form ist, um das Produkt zu bezeichnen (vgl. Fezer, a.a.o. § 14 Rn. 163).
Bei der Frage, wie die Wort-/Bildmarke "e-motion" von den Beteiligten der angesprochenen Verkehrskreise ausgesprochen wird, sind nicht alle theoretisch denkbaren Aussprachemöglichkeiten zu berücksichtigen. Maßgeblich sind nur die nach den allgemeinen Ausspracheregeln für ähnlich aufgebaute Wörter der Umgangssprache konkret naheliegenden Aussprachevarianten (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 14 Rn. 547), wobei die Aussprache im Einzelfall auch vom Sinngehalt mitbestimmt werden kann.
Ausgehend von diesen Grundsätzen erscheint die vom Landgericht angenommene Aussprache der Marke der Verfügungsklägerin "e-motion" als "i-mouschn" naheliegend. Für die Auffassung, dass die Bezeichnung "e-motion" deutsch ausgesprochen wird, spricht lediglich der Umstand, dass das Wort - zusammengeschrieben - in der deutschen Sprache als Synonym für das Wort "Gefühl" existiert. Die Trennung des Wortes "e-motion" durch einen Bindestrich führt jedoch dazu, dass die angesprochenen Verkehrskreise dem Wort nicht die Bedeutung "Gefühl" beimessen, sondern entsprechend dem Sinngehalt der unter der Bezeichnung vertriebenen Produkte den Buchstaben "e" in Alleinstellung als Hinweis auf elektrisch oder elektronisch und das anschließende Wort "motion" als Hinweis auf Geschwindigkeit/Bewegung verstehen und dementsprechend beide Wortbestandteile englisch aussprechen werden. Für die englische Aussprache dieses künstlichen Wortes spricht auch, dass die Voranstellung des Buchstabens "e" mit anschließendem Bindestrich durch die Worte "E-Mail" und "e-commerce" dem Verkehr geläufig sind und daher eine identische Aussprache naheliegend erscheint.
Der Senat folgt auch der Auffassung des Landgerichts, wonach der Anfangsbuchstabe der von der Verfügungsbeklagten verwendeten Bezeichnung "iMOTION" jedenfalls von einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise nicht als "ai", sondern als "i" ausgesprochen wird. Dafür spricht, dass der Beginn eines Wortes mit einem Umlaut " ai" in der deutschen Sprache unüblich ist. Dies gilt in ähnlicher Weise auch für die englische Sprache, da im Englischen der Vokal "i" üblicherweise jedenfalls dann als "i" ausgesprochen wird, wenn diesem die Konsonanten "m" oder "n" folgen, wie zum Beispiel "image", "impossible, "invitation", "internet ".
Auch wenn, wie die Verfügungsbeklagte geltend macht, die beteiligten Verkehrskreise über ausreichende englischsprachige Kenntnisse verfügen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der in der englischen Sprache nicht vorkommende Begriff "iMOTION" als "ai-motion" ausgesprochen wird. Dies gilt umso mehr als der Buchstabe "i" auch als Hinweis auf das Wort "international" verstanden werden kann, das Bestandteil der Herstellerfirma IR GmbH ist.
Damit besteht eine klangliche Identität der beiden Zeichen, die bei einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Marke der Verfügungsklägerin und der vorliegend gegebenen Warenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr begründet.
b.) Der Warenähnlichkeit steht nicht entgegen, dass die Abnehmerkreise nicht identisch sind und die Verfügungsklägerin im Gegensatz zur Verfügungsbeklagten Fertigprodukte anbietet.
Maßgeblich für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist, ob die Verkehrskreise, denen die von der Verfügungsklägerin unter der Bezeichnung "e-motion" vertriebenen Produkte bekannt sind, davon ausgehen oder jedenfalls insoweit eine Gefahr besteht, dass die von der Verfügungsbeklagten unter der Bezeichnung "iMOTION" vertriebenen Produkte von dem Inhaber der Marke "e-motion" stammen und in deren Verantwortung hergestellt werden (vgl. Fezer a.a.O., § 14 Rn. 346; Ingerl/Rohnke, a.a.O. § 14 Rn. 483). Dies ist vorliegend im Hinblick darauf anzunehmen, dass sowohl die von der Verfügungsbeklagten vertriebenen Komponenten als auch die von der Verfügungsklägerin hergestellten Produkte dem Bereich "elektrische Antriebe" zuzurechnen sind. Damit besteht die für den Anspruch nach § 14 Abs.5 MarkenG notwendige Verwechslungsgefahr.
2.) Das Landgericht hat auch zutreffend die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Dringlichkeit (Verfügungsgrund) angenommen. Die für einen markenrechtlichen Anspruch analog geltende Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs.2 UWG ist nicht dadurch widerlegt, dass der Verfügungsklägerin im Zeitpunkt der Einreichung des Verfügungsantrags am 13.02.2004 bereits über ein halbes Jahr lang bekannt war, dass die streitgegenständlichen Komponenten unter der Bezeichnung "iMOTION" angeboten werden. Zwar führt die Hinnahme von Verstößen über einen längeren Zeitraum dazu, dass eine Eilbedürftigkeit grundsätzlich zu verneinen ist. Etwas anderes gilt jedoch, wenn sich Art oder Umfang der Wettbewerbsverstöße wesentlich ändern und die neuen Verletzungshandlungen für den Antragsteller schwerer wiegen als die bisherigen. Dieser Gesichtspunkt führt vorliegend dazu, dass die Dringlichkeit nicht verneint werden kann. Unstreitig wurde die beanstandete Werbung erst am Jahresende 2003 in das Internet eingestellt und gelangte auf diese Art und Weise zu einer Verbreitung, die die Interessen der Verfügungsklägerin wesentlich stärker beeinträchtigt als die bisherigen Vertriebshandlungen. Im Übrigen wird die Dringlichkeitsvermutung für die Unterbindung wettbewerbswidrigen Verhaltens eines bestimmten Antragsgegners nicht deshalb widerlegt, weil dem Antragsteller ähnliche Wettbewerbsverstöße eines Dritten seit längerer Zeit bekannt sind, ohne dass er dagegen vorgegangen wäre (vgl. OLG Frankfurt, GRUR 2002, 236; OLG Hamburg, OLGR 2000, 13). Das Vorliegen der Dringlichkeit ist allein im Verhältnis der Parteien zueinander zu beurteilen, weshalb es der Verfügungsklägerin unbenommen bleibt, dem Wettbewerbsverstoß der Verfügungsbeklagten ein größeres Gewicht beizumessen als den hingenommenen Verletzungshandlungen der IR-Vertriebsgesellschaft.
Demnach erweist sich die Berufung als unbegründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
(Unterschriften)