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SAT.2" ist eintragungsfähige Gemeinschaftsmarke - EuGH, Urteil vom 16. September 2004, AZ: C-329/02 P -

Leitsätzliches

Der EuGH hat sich auf eine Klage des Sendes SAT.1 entschieden, dass Kombinationen, die aus einem Wort- und einem Zahlenbestandteil zusammengesetzt sind und im Telekommunikationssektor häufig als Marken gebraucht werden, grundsätzlich nicht die Unterscheidungskraft abgesprochen werden kann. Im konkreten Fall ging es um die Bezeichnung "SAT.2", die als Gemeinschaftmarke angemeldet worden war. (Markenrecht)

 

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Zweite Kammer)

16. September 2004(1)

   
 

In der Rechtssache C-329/02 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Artikel 56 der Satzung des Gerichtshofes,

eingelegt am 12. September 2002,

SAT.1 SatellitenFernsehen GmbH mit Sitz in Mainz (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: ...,

Rechtsmittelführerin,


weiterer Verfahrensbeteiligter:

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch ... als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagter im ersten Rechtszug,

erlässt


DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten ..., der Richter... (Berichterstatter) und ... sowie der Richterinnen ... und ...,

Generalanwalt: ...,
Kanzler: ...,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Januar 2004,
unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beteiligten,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. März 2004,
folgendes

Urteil

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die SAT.1 SatellitenFernsehen GmbH (im Folgenden: Rechtsmittelführerin) die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 2. Juli 2002 in der Rechtssache T-323/00 (SAT.1/HABM [SAT.2], Slg. 2002, II-2839) (im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht die Klage der Rechtsmittelführerin insoweit abgewiesen hat, als es entschieden hat, dass die Zweite Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (im Folgenden: HABM) weder gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 11, S. 1) (im Folgenden: Verordnung) noch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstieß, als sie mit ihrer Entscheidung vom 2. August 2000 (Beschwerdesache R 312/1999-2) (im Folgenden: streitige Entscheidung) die Eintragung der Wortzusammenstellung „SAT.2“ als Gemeinschaftsmarke in Bezug auf die Dienstleistungen zurückgewiesen hat, die in der Anmeldung im Zusammenhang mit der Verbreitung über Satellit stehen.

Rechtlicher Rahmen

Artikel 4 der Verordnung lautet:
„Gemeinschaftsmarken können alle Zeichen sein, die sich grafisch darstellen lassen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen und die Form oder Aufmachung der Ware, soweit solche Zeichen geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.“

Artikel 7 der Verordnung bestimmt:
„(1)
Von der Eintragung ausgeschlossen sind
a)
Zeichen, die nicht unter Artikel 4 fallen,
b)
Marken, die keine Unterscheidungskraft haben,
c)
Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können,
...
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 finden auch dann Anwendung, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Gemeinschaft vorliegen. 
(3) Die Vorschriften des Absatzes 1 Buchstaben b, c und d finden keine Anwendung, wenn die Marke für die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat.“

Artikel 12 der Verordnung sieht vor:
„Die Gemeinschaftsmarke gewährt ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten,
...
b)
Angaben über die Art, die Beschaffenheit, die Menge, die Bestimmung, den Wert, die geografische Herkunft oder die Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder über andere Merkmale der Ware oder Dienstleistung,
...
im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, sofern die Benutzung den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht.“

Artikel 38 Absatz 1 der Verordnung lautet:
„Ist die Marke nach Artikel 7 für alle oder einen Teil der Waren oder Dienstleistungen, für die die Gemeinschaftsmarke angemeldet worden ist, von der Eintragung ausgeschlossen, so wird die Anmeldung für diese Waren oder Dienstleistungen zurückgewiesen.“

Dem Rechtsstreit zugrunde liegender Sachverhalt

Am 15. April 1997 reichte die Rechtsmittelführerin beim HABM die Anmeldung der Wortzusammenstellung „SAT.2“ als Gemeinschaftsmarke für verschiedene Waren der Klassen 3, 9, 14, 16, 18, 20, 25, 28, 29 und 30 im Sinne des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in seiner revidierten und geänderten Fassung sowie für Dienstleistungen der Klassen 35, 38, 41 und 42 im Sinne dieses Abkommens ein.

Nachdem diese Anmeldung hinsichtlich der Dienstleistungen der Klassen 35, 38, 41 und 42 mit Entscheidung des Prüfers des HABM vom 9. April 1999 zurückgewiesen worden war, legte die Rechtmittelführerin beim HABM Beschwerde ein.

Mit der streitigen Entscheidung wies die Zweite Beschwerdekammer die Beschwerde mit der Begründung zurück, dass Artikel 7 Absatz 1 Buchstaben b und c der Verordnung der Eintragung der Wortzusammenstellung „SAT.2“ für die Dienstleistungen der genannten Klassen entgegenstehe.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

Die Rechtsmittelführerin erhob mit am 16. Oktober 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift Klage auf Aufhebung der streitigen Entscheidung.
Das Gericht hat der Klage mit dem angefochtenen Urteil nur teilweise stattgegeben.

Es hat zum einen ausgeführt, dass die Zweite Beschwerdekammer des HABM versäumt habe, über die Anträge der Rechtsmittelführerin in Bezug auf die angemeldeten Dienstleistungen der Klasse 35 zu entscheiden. Es hat daher die streitige Entscheidung in diesem Punkt aufgehoben.

Zum anderen hat das Gericht hinsichtlich der Dienstleistungen der Klassen 38, 41 und 42 die streitige Entscheidung aufgehoben, aber nur insoweit, als damit die Eintragung der Wortzusammenstellung „SAT.2“ für die Dienstleistungen dieser Klassen, wie sie in Randnummer 42 des angefochtenen Urteils aufgezählt sind, zurückgewiesen wurde.

Für diese Aufhebung hat das Gericht zunächst dem Klagegrund stattgegeben, wonach die streitige Entscheidung zu Unrecht auf Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung gestützt worden sei. Unter Hinweis auf die relevante Bedeutung der Marke, die sich nicht nur aus deren verschiedenen Bestandteilen ergebe, sondern auch aus ihrer Gesamtbedeutung, und unter alleiniger Beachtung der Merkmale der Waren oder Dienstleistungen, von denen angenommen werde könne, dass die angesprochenen Verkehrskreise sie bei ihrer Entscheidung berücksichtigten, hat das Gericht die Ansicht vertreten, dass die Wortzusammenstellung „SAT.2“ für die Dienstleistungen der Klassen 38, 41 und 42 nicht im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung beschreibend sei. Denn diese Wortzusammenstellung beziehe sich auf kein spezifisches Merkmal der betreffenden Dienstleistungen, von dem angenommen werden könne, dass die maßgeblichen Verkehrskreise es bei ihrer Entscheidung berücksichtigten.

Dagegen hat das Gericht für einen Teil der Dienstleistungen der Klassen 38, 41 und 42 den Klagegrund zurückgewiesen, wonach mit der streitigen Entscheidung die Eintragung der Wortzusammenstellung „SAT.2“ nicht auf der Grundlage von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung habe zurückgewiesen werden können. Es hat entschieden, dass diese Wortzusammenstellung in Anbetracht ihrer Bestandteile für die Dienstleistungen, die in der Anmeldung im Zusammenhang mit der Verbreitung über Satellit stünden, also für die in Randnummer 3 des angefochtenen Urteils erwähnten Dienstleistungen, die nicht in der Aufzählung in Randnummer 42 des angefochtenen Urteils enthalten sind, nicht unterscheidungskräftig sei.

Schließlich hat das Gericht den Klagegrund zurückgewiesen, wonach die Zurückweisung der Eintragung der fraglichen Wortzusammenstellung gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoße, weil Zeichen, die völlig vergleichbar seien, Gegenstand von Entscheidungen des HABM über die Eintragung als Gemeinschaftsmarken gewesen seien.

Das Rechtsmittel

Die Rechtsmittelführerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit hierdurch die Klage gemäß den beim Gericht gestellten Anträgen abgewiesen wurde, und dem HABM die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Das HABM beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und der Rechtsmittelführerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Vorbringen der Parteien

Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund trägt die Rechtsmittelführerin vor, das Gericht habe Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung in zweifacher Hinsicht rechtsfehlerhaft ausgelegt.

Zum einen verfolge diese Vorschrift entgegen den Ausführungen des Gerichts in Randnummer 36 des angefochtenen Urteils kein im Allgemeininteresse liegendes Ziel, das verlange, dass die von der Vorschrift erfassten Zeichen von allen frei verwendet werden könnten. Ihr Regelungszweck liege vielmehr nach der Auffassung, die der Gemeinschaftsgesetzgeber und der Gerichtshof von der Hauptfunktion der Marke hätten, darin, es dem Verbraucher oder Endabnehmer zu ermöglichen, ohne Verwechslungsgefahr die Waren oder Dienstleistungen nach ihrer Herkunft zu unterscheiden. Das Gericht habe somit ein Kriterium herangezogen, das nicht für Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung, sondern für die Buchstaben c und e dieser Vorschrift relevant sei, und folglich nicht genau untersucht, inwieweit die fragliche Wortzusammenstellung diese Funktion der Marke erfüllen könne. 

Zum anderen habe das Gericht, nachdem es zu Recht darauf hingewiesen habe, dass der Gesamteindruck, den die Wortzusammenstellung „SAT.2“ bei den betreffenden Verbrauchern hervorrufe, für die Beurteilung der Unterscheidungskraft dieses Zeichens zu prüfen sei, im vorliegenden Fall diese Prüfungsvorgabe nicht korrekt angewandt. Denn es habe die Wortzusammenstellung in ihre Bestandteile zerlegt und darauf seine Ablehnung der Eintragung gestützt. Eine solche Aufspaltung entspreche nicht der Beurteilung und der Deutung der Verbraucher bei der Wahrnehmung der Marke. Außerdem habe das Gericht zu Unrecht das Fehlen der Unterscheidungskraft darauf gestützt, dass sich die Wortzusammenstellung aus Bestandteilen zusammensetze, die im geschäftlichen Verkehr gewöhnlich für die Präsentation der betreffenden Dienstleistungen verwendet würden, während derartige Bestandteile nur bei der Prüfung nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung zu berücksichtigen seien.

Das HABM trägt zu diesem Rechtsmittelgrund vor, dass Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolge, das darin bestehe, die freie Verwendung der fraglichen Zeichen zu sichern. Die Rechtsprechung des Gerichtshofes zeige, dass die Eintragungshindernisse des Artikels 7 Absatz 1 Buchstaben b und c der Verordnung tatsächlich ein solches Ziel verfolgten, denn sie verhinderten die Entstehung von Markenschutz für nicht unterscheidungskräftige Zeichen.

Das HABM teilt die Auffassung der Rechtsmittelführerin, dass die Wortzusammenstellung als Ganzes zu betrachten sei und unter Unterscheidungskraft die Eignung einer Marke zu verstehen sei, Waren und Dienstleistungen ihrer Herkunft nach zu unterscheiden. Die Wortzusammenstellung „SAT.2“ sei jedoch nicht unterscheidungskräftig, weil sie aus nicht unterscheidungskräftigen Bestandteilen bestehe, die in üblicher Weise miteinander kombiniert seien, und das Gericht habe mit seiner dahin gehenden Beurteilung nicht gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung verstoßen. Im angefochtenen Urteil seien außerdem der Anwendungsbereich dieser Vorschrift und der des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung nicht miteinander vermengt worden. Das Urteil enthalte auch keinen Widerspruch, denn das Gericht habe rechtsfehlerfrei feststellen können, dass die Wortzusammenstellung nicht im Sinne des Buchstabens c beschreibend sei und nicht schon deswegen im Sinne des Buchstabens b Unterscheidungskraft habe.

Würdigung durch den Gerichtshof

Erstens ist zu bemerken, dass die Hauptfunktion der Marke darin besteht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie es ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (vgl. u. a. Urteile vom 23. Mai 1978 in der Rechtssache 102/77, Hoffmann-La Roche, Slg. 1978, 1139, Randnr. 7, und vom 18. Juni 2002 in der Rechtssache C-299/99, Philips, Slg. 2002, I-5475, Randnr. 30). Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung bezweckt somit, die Eintragung von Marken zu verhindern, die keine Unterscheidungskraft haben, denn diese allein macht die Marken geeignet, diese wesentliche Funktion zu erfüllen. 
 
Zweitens kommt es bei der Frage, ob ein Zeichen einen Charakter aufweist, der ihm die Eignung verleiht, als Marke eingetragen zu werden, auf die Sichtweise des maßgeblichen Publikums an. Sind die Waren oder Dienstleistungen, auf die sich die Anmeldung bezieht, für alle Verbraucher bestimmt, so ist davon auszugehen, dass das maßgebliche Publikum die normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher sind (vgl. Urteile vom 22. Juni 1999 in der Rechtssache C-342/97, Lloyd Schuhfabrik Meyer, Slg. 1999, I-3819, Randnr. 26, und vom 6. Mai 2003 in der Rechtssache C-104/01, Libertel, Slg. 2003, I-3793, Randnr. 46).

Drittens ist daran zu erinnern, dass jedes der in Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 genannten Eintragungshindernisse unabhängig ist von den anderen und getrennt geprüft werden muss. Außerdem sind diese Eintragungshindernisse im Licht des Allgemeininteresses auszulegen, das jedem von ihnen zugrunde liegt. Das bei der Prüfung jedes dieser Eintragungshindernisse berücksichtigte Allgemeininteresse kann oder muss sogar je nach dem betreffenden Eintragungshindernis in unterschiedlichen Erwägungen zum Ausdruck kommen (vgl. Urteil vom 29. April 2004 in der Rechtssache C-456/01 P und C-457/01 P, Henkel/HABM, Slg. 2004, I-0000, Randnrn. 45 und 46).

Was die Frage betrifft, ob eine Farbe als solche ohne räumliche Begrenzung als Marke eingetragen werden kann, so hat der Gerichtshof bereits in Randnummer 60 des Urteils Libertel entschieden, dass das Allgemeininteresse, das der Vorschrift des Artikels 3 Absatz 1 Buchstabe b der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1) zugrunde liegt, die mit Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung identisch ist, auf die Notwendigkeit abzielt, die Verfügbarkeit der Farben für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die Waren oder Dienstleistungen wie diejenigen anbieten, für die die Eintragung beantragt wird, nicht ungerechtfertigt eingeschränkt wird.

Im Übrigen gehen in Anbetracht des Umfangs des einer Marke durch die Verordnung verliehenen Schutzes das Allgemeininteresse, das Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung zugrunde liegt, und die wesentliche Funktion der Marke, die in Randnummer 23 des vorliegenden Urteils erwähnt ist, offensichtlich ineinander über.

Was schließlich eine aus Worten oder aus einem Wort und einer Zahl zusammengesetzte Marke, die Gegenstand des Rechtsstreits ist, angeht, so kann eine eventuelle Unterscheidungskraft teilweise für jeden ihrer Begriffe oder ihrer Bestandteile getrennt geprüft werden, muss aber auf jeden Fall von einer Prüfung der Gesamtheit, die sie bilden, abhängen. Der Umstand allein, dass jeder dieser Bestandteile für sich genommen nicht unterscheidungskräftig ist, schließt nämlich nicht aus, dass deren Kombination unterscheidungskräftig sein kann (vgl. analog Urteile vom 12. Februar 2004 in den Rechtssachen C-265/00, Campina Melkunie, Slg. 2004, I-0000, Randnrn. 40 und 41, und C-363/99, Koninklijke KPN Nederland, Slg. 2004, I-0000, Randnrn. 99 und 100).

Im vorliegenden Rechtsstreit bezeugt die Art und Weise, wie das Gericht Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung angewandt hat, dass es diese Vorschrift fehlerhaft ausgelegt hat.

Erstens hat das Gericht, obwohl es in Randnummer 39 des angefochtenen Urteils zutreffend darauf hingewiesen hat, dass eine zusammengesetzte Marke für die Beurteilung ihrer Unterscheidungskraft in ihrer Gesamtheit zu betrachten sei, seine Entscheidung in Wirklichkeit nicht auf eine solche Prüfung gestützt.   
 
Es hat zunächst in Randnummer 41 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass das HABM rechtlich hinreichend dargetan habe, dass der Bestandteil „SAT“ im Deutschen und im Englischen die gebräuchliche Abkürzung für „Satellit“ darstelle und dass dieser Begriff als Abkürzung den lexikalischen Regeln dieser Sprachen entspreche. In derselben Randnummer hat es die Ansicht vertreten, dass dieser Bestandteil ein Merkmal eines Großteils der beanspruchten Dienstleistungen bezeichne, von dem angenommen werden könne, dass es die maßgeblichen Verkehrskreise bei ihrer Entscheidung berücksichtigten, nämlich ihren Zusammenhang mit der Verbreitung über Satellit. Aufgrund dieser Feststellungen, die der Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels nicht zu überprüfen hat, es sei denn, sie beruhten auf einer Verfälschung des Akteninhalts, hat das Gericht die Auffassung vertreten, dass der Bestandteil „SAT“ im Hinblick auf diese Dienstleistungen keine Unterscheidungskraft habe.

Das Gericht hat sodann in den Randnummern 46 und 47 des angefochtenen Urteils durch Beurteilungen, die im Rahmen eines Rechtsmittels – außer bei Verfälschung – ebenso wenig der Überprüfung durch den Gerichtshof unterliegen, darauf hingewiesen, dass der Bestandteil „2“ und der Bestandteil „.“ im geschäftlichen Verkehr gewöhnlich für die Präsentation der beanspruchten Dienstleistungen verwendet würden oder verwendet werden könnten und dass diese Bestandteile daher keine Unterscheidungskraft hätten.

Es hat aus diesen Feststellungen in Randnummer 49 des angefochtenen Urteils gefolgert, dass „[g]anz allgemein ... aufgrund der Tatsache, dass eine zusammengesetzte Marke [wie ‚SAT.2‘] nur aus Bestandteilen ohne Unterscheidungskraft besteht, anzunehmen [ist], dass auch die Marke als Ganze im geschäftlichen Verkehr gewöhnlich für die Präsentation der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen verwendet werden kann“.

Schließlich hat das Gericht in den Randnummern 49 und 50 des angefochtenen Urteils die Auffassung vertreten, dass eine solche Schlussfolgerung nur dann nicht gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte, wie etwa die ungebräuchliche Art der Kombination der verschiedenen Bestandteile, dafür vorlägen, dass die zusammengesetzte Marke mehr darstelle als die Summe ihrer einzelnen Bestandteile. Die Wortzusammenstellung „SAT.2“ sei gebräuchlich, und „das Vorbringen der Klägerin, die angemeldete Marke als Ganze enthalte ein phantasiebetontes Element, [sei] ohne Bedeutung.“

Aus den Randnummern 31 bis 34 des vorliegenden Urteils ergibt sich, dass das Gericht die Unterscheidungskraft der Wortzusammenstellung „SAT.2“ im Wesentlichen anhand einer gesonderten Prüfung jedes ihrer Bestandteile beurteilt hat. Dabei hat es sich auf die Vermutung gestützt, dass Bestandteile, die isoliert betrachtet nicht unterscheidungskräftig sind, auch im Fall ihrer Kombination nicht unterscheidungskräftig werden können, und nicht, was es hätte tun müssen, auf die Gesamtwahrnehmung dieser Wortzusammenstellung durch den Durchschnittsverbraucher. Es hat den durch die Wortzusammenstellung hervorgerufenen Gesamteindruck nur hilfsweise geprüft und dabei Aspekten wie dem Vorliegen eines Phantasieelements, die bei dieser Prüfung zu berücksichtigen sind, jede Relevanz abgesprochen.

Zweitens beruht das angefochtene Urteil auf der Verwendung eines Kriteriums, wonach Marken, die im geschäftlichen Verkehr gewöhnlich für die Präsentation der betreffenden Waren oder Dienstleistungen verwendet werden können, nicht eintragungsfähig sind. Dieses Kriterium ist im Rahmen von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung relevant, es ist aber nicht dasjenige, das für die Auslegung des Buchstabens b dieser Vorschrift gilt. Indem das Gericht insbesondere in Randnummer 36 des angefochtenen Urteils die Auffassung vertreten hat, dass diese letztgenannte Vorschrift ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolge, das verlange, dass die von ihr erfassten Zeichen von allen frei verwendet werden könnten, hat es die Berücksichtigung des in den Randnummern 25 bis 27 des vorliegenden Urteils erwähnten Kriteriums des öffentlichen Interesses außer Acht gelassen.

Die Rechtsmittelführerin trägt also zu Recht vor, dass das angefochtene Urteil mit einem Rechtsfehler bei der Auslegung des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung behaftet sei.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass, ohne dass auf den weiteren Rechtsmittelgrund einer Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung einzugehen wäre, das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben ist, als das Gericht entschieden hat, dass die Zweite Beschwerdekammer des HABM nicht gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung verstoßen hat, als sie mit der streitigen Entscheidung die Eintragung der Wortzusammenstellung „SAT.2“ als Gemeinschaftsmarke für Dienstleistungen, die in der Anmeldung im Zusammenhang mit der Verbreitung über Satellit stehen, d. h. für die in Randnummer 3 des angefochtenen Urteils erwähnten Dienstleistungskategorien, die das Gericht in Randnummer 42 dieses Urteils nicht aufgeführt hat, zurückwies.

Nach Artikel 61 Absatz 1 Satz 2 seiner Satzung kann der Gerichtshof im Fall der Aufhebung der Entscheidung des Gerichts den Rechtsstreit selbst entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist. Das ist hier der Fall.

Es trifft zwar zu, dass die Art, in der die Wortzusammenstellung „SAT.2“ zusammengesetzt ist, insbesondere in der Wahrnehmung, die der Durchschnittsverbraucher von Dienstleistungen des Telekommunikationssektors haben kann, nicht ungewöhnlich ist und dass die Nebeneinanderstellung eines sprachlichen Bestandteils wie „SAT“ und einer Zahl wie „2“, getrennt durch ein „.“, keinen besonders hohen Grad an Erfindungsreichtum ausdrückt; diese Umstände genügen jedoch nicht für den Nachweis, dass eine solche Wortzusammenstellung keine Unterscheidungskraft im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung hat.

Die Eintragung eines Zeichens als Marke hängt nämlich nicht von der Feststellung eines bestimmten Niveaus der sprachlichen oder künstlerischen Kreativität oder Einbildungskraft des Markeninhabers ab. Es genügt, dass die Marke es den maßgeblichen Verkehrskreisen ermöglicht, die Herkunft der durch diese Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu erkennen und diese von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

Hat eine Marke, der nicht das Eintragungshindernis des Artikels 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung entgegensteht, gleichwohl keine Unterscheidungskraft im Sinne von Buchstabe b dieser Vorschrift, so muss das HABM also die Gründe darlegen, aus denen es dieser Marke Unterscheidungskraft abspricht.

Im vorliegenden Fall hat sich das HABM in der streitigen Entscheidung auf die Feststellung beschränkt, dass die Bestandteile „SAT“ und „2“ beschreibend seien und bei Dienstleistungen im Medienbereich gewöhnlich verwendet würden, ohne anzugeben, inwiefern die Wortzusammenstellung „SAT.2“ als Ganze die Dienstleistungen der Rechtsmittelführerin nicht von denen anderer Unternehmen unterscheiden könne.

Der im Telekommunikationssektor häufige Gebrauch von Marken, die aus einem Wort- und einem Zahlenbestandteil zusammengesetzt sind, weist darauf hin, dass derartigen Kombinationen nicht grundsätzlich Unterscheidungskraft abgesprochen werden kann.

Im Übrigen hat das HABM, wie die Rechtsmittelführerin geltend gemacht hat, dieses in Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung genannte Eintragungshindernis nicht Eintragungsanmeldungen von Marken entgegengehalten, die insbesondere durch die Verwendung des Bestandteils „SAT“ in ihrer Struktur mit der Wortzusammenstellung „SAT.2“ vergleichbar waren.

Die Tatsache, dass die mit „SAT“ verbundenen Bestandteile im vorliegenden Fall die Zahl 2 und ein Punkt und nicht ein weiterer Wortbestandteil sind, hat entgegen dem Vorbringen des HABM keinen Einfluss auf diese Analyse. Im Übrigen hat das HABM zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens die unterschiedliche Behandlung der Anmeldung der Rechtsmittelführerin mit einer Verwechslungsgefahr zwischen dem Zeichen, dessen Eintragung die Rechtsmittelführerin beantragt, und einer bereits eingetragenen Marke begründet.

Aus alledem ergibt sich, dass die Gründe, aus denen die Zweite Beschwerdekammer des HABM der Wortzusammenstellung „SAT.2“ Unterscheidungskraft im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung abgesprochen hat, nicht stichhaltig sind.

Unter diesen Umständen ist die streitige Entscheidung aufzuheben, soweit die Zweite Beschwerdekammer des HABM auf der Grundlage von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung die Anmeldung der Wortzusammenstellung „SAT.2“ als Gemeinschaftsmarke zurückgewiesen hat. Da das Gericht im angefochtenen Urteil bereits entschieden hat, dass diese Entscheidung auch nicht auf Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung gestützt werden konnte und dass die Zweite Beschwerdekammer des HABM es außerdem versäumt hat, mit dieser Entscheidung über die bei ihr eingelegte Beschwerde bezüglich der Dienstleistungen der Klasse 35 zu entscheiden, ist die streitige Entscheidung in vollem Umfang aufzuheben.

Kosten

Nach Artikel 122 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er selbst den Rechtsstreit endgültig entscheidet.

Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, der nach ihrem Artikel 118 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Rechtsmittelführerin die Verurteilung des HABM in die Kosten beantragt hat und dieses mit seinem Vorbringen unterlegen ist, hat es die Kosten beider Instanzen zu tragen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1. Das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 2. Juli 2002 in der Rechtssache T-323/00 (SAT.1/HABM [SAT.2], Slg. 2002, II-2839) wird aufgehoben, soweit das Gericht entschieden hat, dass die Zweite Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) nicht gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke verstieß, als sie mit ihrer Entscheidung vom 2. August 2000 (Beschwerdesache R 312/1999-2) die Anmeldung der Wortzusammenstellung „SAT.2“ als Gemeinschaftsmarke für Dienstleistungen, die in der Anmeldung im Zusammenhang mit der Verbreitung über Satellit stehen, d. h. für die in Randnummer 3 des angefochtenen Urteils erwähnten Dienstleistungskategorien, die das Gericht in Randnummer 42 dieses Urteils nicht aufgeführt hat, zurückwies.

2. Die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) vom 2. August 2000 wird aufgehoben.

Das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) trägt die Kosten beider Instanzen.

(Unterschriften)


 

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