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Namensrechte ausländischer Unternehmen, - BGH, Urteil vom 13. Oktober 2004, AZ: I ZR 245/01 -

Leitsätzliches

Das Problem, inweit es in einem Prozess wirksam als Partei auftreten kann und sich zum Beispiel in Deutschland auf Rechte an seiner Unternehmensbezeichnungen berufen kann, hat im Prinzip jedes ausländische Unternehmen - insbesondere solche, die aus Kostengründen oder zur Umgehung einschränkender deutscher Genehmigungen im Ausland gegründet, aber nahezu ausschließlich in Deutschland tätig sind. Einen Fall eines kalifornischen Unternehmens entscheidet hier der BGH. Zwischen den Staaten besteht ein Handelsvertrag, nach dem eine in Übereinstimmung mit US-amerikanischen Vorschriften in den Vereinigten Staaten von Amerika wirksam gegründete, dort rechts- und parteifähige und noch bestehende Gesellschaft ist in Deutschland regelmäßig unabhängig davon rechts- und parteifähig, wo sich ihr tatsächlicher Verwaltungssitz befindet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: I ZR 245/01

Entscheidung vom 13. Oktober 2004


In dem Rechtsstreit

...

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 2004 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. ... und die Richter Dr. v. ... für Recht erkannt:

 

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. August 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.


Tatbestand:

Die Klägerin ist eine am 16. Juni 1998 in San Francisco/Kalifornien gegründete Gesellschaft nach kalifornischem Recht. Ihr in S. bei Nürnberg wohnhafter Präsident ist Inhaber der am 5. Juni 1998 angemeldeten und am 26. August 1998 für "Software, Computersoftware, Software für Computer, Rechner und Computer oder Rechner gestützte Systeme" eingetragenen deutschen Marke Nr. 398 31 465 "GEDIOS". Die Klägerin ist aufgrund eines in englischer Sprache abgefaßten, am 26. Juni 1998 in San Francisco von ihrem Präsidenten in dieser Eigenschaft und zugleich im eigenen Namen unterzeichneten Vertrages Lizenznehmerin dieser Marke. Das Zeichen "GEDIOS" ist auch Bestandteil der Firma der Klägerin.

Die Beklagte ist Inhaberin der am 15. April 1999 angemeldeten und am 23. Juli 1999 eingetragenen Marke Nr. 399 22 179 "GeDIOS", die in Klasse 35 (Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten) und Klasse 36 (Finanzwesen, Geldgeschäfte) Schutz genießt. Sie bot Sparkassen in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg unter dieser Bezeichnung, die als Abkürzung für "Geld- und Devisenhandels-Informations- und Orderrouting-System" steht, ein Informations- und Handelssystem für Geld- und Devisengeschäfte an. Mit Erklärung vom 29. August 2000 verpflichtete sich die Beklagte gegenüber dem Präsidenten der Klägerin, diese Bezeichnung für das System nicht mehr zu benutzen.

Die Klägerin sieht in der Benutzung der Bezeichnung "GeDIOS" durch die Beklagte eine Verletzung ihres Firmenrechts. Sie hat die Beklagte deshalb auf Unterlassung der Verwendung der Bezeichnung "GeDIOS" für das elektronische "Geld- und Devisenhandels-Informations- und Orderrouting-System", auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung, auf Auskunftserteilung und auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung in Anspruch genommen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat in Abrede gestellt, daß die Klägerin wirksam errichtet worden sei und in der Bundesrepublik Deutschland Trägerin von Rechten und Pflichten sein könne. Es handele sich bei ihr offensichtlich um eine Scheinauslandsgesellschaft. Eine Verwechslungsgefahr zwischen der geschäftlichen Bezeichnung der Klägerin und der angegriffenen Bezeichnung bestehe nicht.

Das Landgericht hat eine Verwechslungsgefahr gemäß § 15 Abs. 2 MarkenG als nicht gegeben angesehen und die Klage daher als unbegründet abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß es die Klage als unzulässig abgewiesen hat.

Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Klageansprüche weiter.


Entscheidungsgründe:

I.
Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit der Klage verneint, da die Klägerin nicht parteifähig sei. Hierzu hat es ausgeführt:
Nach dem deutschen internationalen Privat- und Prozeßrecht sei die Rechts- und Parteifähigkeit einer juristischen Person grundsätzlich nach dem Recht ihres Sitzes zu bestimmen. Eine Gesellschaft, deren tatsächlicher Verwaltungssitz in Deutschland liege, sei, wenn sie in kein deutsches Register eingetragen sei, selbst dann nicht rechts- und parteifähig, wenn sie im Ausland nach dem dortigen Recht wirksam gegründet worden sei.
Entsprechend verhalte es sich im Streitfall. Der Verwaltungssitz der Klägerin befinde sich in S. , wo ihr Präsident, der bei ihr alle Organfunktionen wahrnehme, seinen Wohnsitz habe. Geschäftsführungsakte in den Vereinigten Staaten von Amerika fänden nicht statt. Die Klägerin könne auch nicht nach Art. XXV Abs. 5 Satz 2 des Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika (vom 29. Oktober 1954 [BGBl. II 1956, S. 487; im folgenden: deutsch-amerikanischer Handelsvertrag]) in Deutschland als rechts- und parteifähig anerkannt werden. Dies gelte selbst dann, wenn man diese Vertragsbestimmung als Kollisionsnorm des internationalen Privatrechts ansehe und daher von dem Recht ausgehe, nach dem die Klägerin gegründet worden sei. Denn auch solchenfalls seien tatsächliche effektive Beziehungen der Gesellschaft zu den Vereinigten Staaten von Amerika wie etwa das Vorhandensein US-amerikanischer Mitgesellschafter, eine organisatorische Präsenz in den Vereinigten Staaten von Amerika oder dortige geschäftliche Aktivitäten erforderlich, an denen es bei der Klägerin fehle.

II.
Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben im Ergebnis Erfolg. Die Feststellungen des Berufungsgerichts rechtfertigen es nicht, die Parteifähigkeit der Klägerin wegen fehlender tatsächlicher Beziehungen zu ihrem Gründungsstaat in den Vereinigten Staaten von Amerika zu verneinen.

1. Die Bestimmung des Art. XXV Abs. 5 Satz 2 des deutsch-amerikanischen Handelsvertrages stellt eine staatsvertragliche Kollisionsnorm dar, der gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 EGBGB der Vorrang vor den Regeln des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts zukommt. Nach ihr gelten Gesellschaften, die gemäß den Gesetzen und sonstigen Vorschriften des einen Vertragsteils in dessen Gebiet errichtet sind, als Gesellschaften dieses Vertragsteils; ihr rechtlicher Status wird in dem Gebiet des anderen Vertragsteils anerkannt.

a) Das Personalstatut (Gesellschaftsstatut) einer juristischen Person und damit auch deren Rechts- und Parteifähigkeit im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika richtet sich grundsätzlich nach dem Recht des Staates, in dem die juristische Person gegründet wurde (vgl. BGHZ 153, 353, 355 f.; BGH, Urt. v. 23.4.2002 - XI ZR 136/01, NJW-RR 2002, 1359, 1360; Urt. v. 5.7.2004 - II ZR 389/02, ZIP 2004, 1549, 1550). Eine in Übereinstimmung mit US-amerikanischen Vorschriften in den Vereinigten Staaten von Amerika wirksam gegründete, dort rechts- und parteifähige und noch bestehende Gesellschaft ist daher in der Bundesrepublik Deutschland regelmäßig unabhängig davon rechts- und parteifähig, wo sich ihr tatsächlicher Verwaltungssitz befindet (vgl. BGHZ 153, 353, 355, 357 f.; BGH ZIP 2004, 1549, 1550; MünchKomm.BGB/Kindler, 3. Aufl., IntGesR Rdn. 245; Ebenroth/Bippus, NJW 1988, 2137, 2142).

b) Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist sie nach kalifornischem Recht wirksam gegründet worden. Des weiteren steht außer Streit, daß die Klägerin in Kalifornien ihren satzungsmäßigen Sitz hat und dort auch rechtsfähig ist. Sie ist deshalb in der Rechtsform anzuerkennen, in der sie gegründet worden ist (BGHZ 153, 353, 356 f.; 154, 185, 189).

2. Es bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung (vgl. Art. 100 Abs. 2 GG), ob einer in den Vereinigten Staaten von Amerika gegründeten Gesellschaft in Deutschland die Anerkennung nach Art. XXV Abs. 5 Satz 2 des deutsch-amerikanischen Handelsvertrages zu versagen ist, wenn sie zu den Vereinigten Staaten über das formale Band der Gründung hinaus über keine tatsächlichen, effektiven Beziehungen ("genuine link") verfügt und ihre geschäftlichen Aktivitäten allein in der Bundesrepublik Deutschland entfaltet (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1124, 1125; OLG Naumburg, Urt. v. 19.12.1995 - 7 U 146/95, S. 6 ff., zit. nach juris; MünchKomm.BGB/Kindler aaO IntGesR Rdn. 250; ders. in BB 2003, 812; Ebenroth/Bippus, NJW 1988, 2137 f.; Ebenroth/Kemner/Willburger, ZIP 1995, 972 ff.; Hohloch, JuS 1995, 1037, 1038; Bausback, DNotZ 1996, 254, 258; Mankowski, EWiR 2003, 661, 662; vgl. auch BGH ZIP 2004, 1549, 1550 m.w.N.). Denn das fragliche Erfordernis eines "genuine link" wird auch von seinen Befürwortern nicht dahin verstanden, daß der tatsächliche Verwaltungssitz der Gesellschaft sich im Gründungsstaat befinden muß. Ausreichend ist vielmehr, daß die Gesellschaft irgendwelche geschäftlichen Aktivitäten in den USA - nicht notwendig im Gründungsbundesstaat - entwickelt (vgl. BGH ZIP 2004, 1549, 1550; MünchKomm.BGB/Kindler aaO IntGesR Rdn. 245; Mankowski, EWiR 2003, 661 f.; Paefgen, DZWIR 2003, 441, 443).

a) Bei den inhaltlichen Anforderungen an den "genuine link" ist zu beachten, daß dieses Erfordernis Mißbräuchen entgegenwirken soll und daher nur in extrem gelagerten Ausnahmefällen zur Korrektur der staatsvertraglich  festgelegten Anerkennung führen kann (vgl. MünchKomm.BGB/Kindler aaO IntGesR Rdn. 253; Paefgen, DZWIR 2003, 441, 443). Es verlangt daher nicht, daß sich der tatsächliche Verwaltungssitz der Gesellschaft im Gründungsstaat befindet (vgl. Mankowski, EWiR 2003, 661, 662). Das "genuine link"-Erfordernis ist vielmehr regelmäßig bereits mit der Ausübung einer auch nur geringen wirtschaftlichen Tätigkeit im Gründungsstaat erfüllt (vgl. Ebenroth/Kemner/Willburger, ZIP 1995, 972, 975; Paefgen, DZWIR 2003, 441, 443). Dafür kann - was das Berufungsgericht nicht hinreichend beachtet hat - bereits eine geringe werbende Tätigkeit in den Vereinigten Staaten von Amerika ausreichen. Eine solche ist im Streitfall gegeben.

b) Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist zu entnehmen, daß die Klägerin in den USA über einen Telefonanschluß verfügt, der eingehende Anrufe jedenfalls an einen Anrufbeantworter oder an einen Servicedienst weiterleitet. Die genannten technischen Einrichtungen sind ersichtlich darauf angelegt, wirtschaftliche Tätigkeit auch im US-amerikanischen Bereich zu entfalten. Es kommt hinzu, daß die Klägerin nach ihrem von der Beklagten nicht substantiiert bestrittenen Vortrag in San Francisco unter Vereinbarung des amerikanischen Rechts einen Lizenzvertrag nicht nur über eine deutsche Marke, sondern auch über eine in den Vereinigten Staaten von Amerika geschützte Software für ein Datenbankenentwicklungstool abgeschlossen hat. Soweit das Berufungsgericht zur Verneinung wirtschaftlicher Aktivitäten der Klägerin in den Vereinigten Staaten von Amerika im übrigen auch den Vortrag der Klägerin zu ihren Aktivitäten im Inland aufgegriffen hat, hat es unberücksichtigt gelassen, daß die Klägerin diese Aktivitäten zur Begründung eines Firmenschutzes im Inland (Art. 1 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1 PVÜ) vorgetragen hatte.

III.
Danach konnte das die Klage als unzulässig abweisende Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben. Es war deshalb aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

(Unterschriften)