×

Rückruf vereinbaren

Ihre Nachricht an uns

Startseite
/
Urteile
/
Markenrecht
/
Urteile 2002
/
Sportwettenvermittlung zulässig - VG Stuttgart, Beschluss vom 15. Oktober 2003, AZ: 5 K 2107/03

Autor

Portraitbild
Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL. M.

Fachanwalt für IT-Recht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Leitsätzliches

1. Die gewerbliche Veranstaltung und Vermittlung von Oddset-Sportwetten wird vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) umfasst. 2. Die streitgegenständliche Beurteilung zur Zulassigkeit eines Verbots der Vermittlung und Veranstaltung von Sportwetten, wirft so schwierige Rechtsfragen auf, dass deren Klärung dem einem Hauptsacheverfahren vorzubehalten ist. 3. Das Interesse des Vermittlers oder Veranstalters von solchen Sportwetten an der Aussetzung des augesprochenen Verbotes überwiegt dem öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung dieser Untersagung.

VERWALTUNGSGERICHT STUTTGART

IM NAMEN DES VOLKES

BESCHLUSS

Aktenzeichen: 5 K 2107/03

Entscheidung vom 15. Oktober 2001

 

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen Untersagung von Oddset-Sportwetten
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart durch Richter ... am 15. Oktober 2003 beschlossen:

 

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen Nr. 1.1 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 9.05.2003 wird wiederhergestellt und gegen Nr 1.3 und 1.4 des Bescheides angeordnet.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens

3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe:

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Untersagung der Veranstaltung von Oddset-Sportwetten in den Geschäftsräumen im Erdgeschoss des Gebäudes ... (Nr. 1.1. des Bescheids der Antragsgegnerin vom 09.05.2003) wiederherzustellen und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Androhung eines Zwangsgeldes sowie unmittelbaren Zwang (Nrn. 1.3 und 1.4 des Bescheids) anzuordnen, ist zulässig (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nrn. 3 und 4, Abs. 5 Satz 1 VwGO, § 12 LVwVG) und begründet. Bei der im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes lediglich gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens bezüglich der - unter ausreichender Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit (§ 80 Abs. 3 VwGO) erfolgten - Untersagung der Veranstaltung von Oddset-Sportwetten offen. Der vorliegende Fall wirft eine Vielzahl schwieriger Rechtsfragen auf, die bisher obergerichtlich nur vereinzelt und lediglich in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sowie höchstrichterlich noch gar nicht entschieden sind und deren Klärung dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten ist (1.). Bei dieser Sachlage misst die Kammer dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers höheres Gewicht bei als dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der verfügten Untersagung (2.). Durch die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Untersagung der Veranstaltung von Oddset-Sportwetten liegen die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen (§ 2 LVwVG) nicht vor, weswegen auch die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die angedrohten Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung anzuordnen ist (3.).

1.

a. Zweifelhaft ist bereits, ob die Untersagungsverfügung zu Recht auf die polizeiliche Generalklausel (§ 1 Abs. 1 bad.-württ. PolG) gestützt ist. Sollte sich im Hauptsacheverfahren erweisen, dass der Antragsteller durch die Vermittlung von Oddset-Sportwetten in Form des Betreibens einer Annahmestelle als selbstständiger Unternehmer für die Odds Vermittlungs GmbH welche ihrerseits die Wetten an die Sportwetten GmbH weiterleitet, kein verbotenes Glücksspiel veranstaltet, sondern ein legales Gewerbe ausübt, könnte ein Gewerbeuntersagung und eine Schließung der Betriebsräume nur auf der Grundlage von Vorschriften der Gewerbeordnung (§§ 35, 51) erfolgen (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.06.1971 - 1 C 39.67 -, BVerwGE 38, 209, 213 f.; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Bad.-Württ., 5. Aufl., RdNr. 274; vgl. auch VG Dessau, Urt. v. 20.03.2003 - 2 A 132/02 DE -, GewArch. 2003, 296, das die zutreffende Ermächtigungsgrundlage vor dem Hintergrund des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt offen ließ; siehe auch Fischer, Zur rechtlichen Beurteilung von Sportwettbüros - Rechtsprechung und ordnungsbehördliches Vorgehen in Berlin, GewArch. 2001, 157). Die spezialgesetzlichen Vorschriften der Gewerbeordnung zur Verhinderung der Fortsetzung eines Gewerbes, das einer Zulassung bedarf (§ 15 Abs. 2 GewO), oder der Untersagung eines Gewerbes (§§ 35, 51 GewO), finden hingegen dann keine Anwendung, wenn es sich um eine von vornherein außerhalb der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheitsverbürgung liegende Betätigung handelt, was auf gemeinschaftsschädliche, schlechthin unerlaubte Tätigkeiten zutrifft (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.11.1965 - I C 6.63 -, BVerwGE 22, 286, 289: „Berufsverbrecher“ und - bis 31.12.2001 - Ausübung der Gewerbsunzucht, vgl. nunmehr Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten v. 20.12.2001, BGBl. I S. 3983; VG Bremen, Beschl. v. 09.09.2003 - 8 V 1182/03 -; Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, Band I, Stand Mai 2003, § 35 RdNr. 14; Umbach, in: Umbach/Clemens, GG, 1. Aufl. 2002, Art. 12 RdNrn. 40 ff.). Hiervon kann im Falle der Veranstaltung oder Vermittlung eines Glücksspiels (vgl. hierzu näher unten 1. b) ) nicht ausgegangen werden. Denn ein solches Spiel ist nicht von vornherein unerlaubt; strafbar ist nach § 284 Abs. 1 StGB nur die Veranstaltung eines Glücksspiels ohne behördliche Erlaubnis (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.08.1994 - 1 C 18.91 -, BVerwGE 96, 293, 297 = NVwZ 1995, 475; Voßkuhle, Glücksspiel zwischen Staat und Markt, VerwArch. 1996, 395, 409). Wären Glücksspiele (sowie Lotterien und der Betrieb von Spielbanken) schlechthin gemeinschafts-schädlich, so müssten solche Spiele generell und absolut verboten werden (vgl. Ossenbühl, Der Entwurf eines Staatsvertrages zum Lotteriewesen in Deutschland - Verfassungs- und europarechtliche Fragen, DVBl. 2003, 881, 882). Hiervon geht die Rechtsordnung jedoch nicht aus, was sich schon daran zeigt, dass das Grundgesetz in Art. 106 Abs. 2 Nr. 6 Spielbanken voraussetzt und das Aufkommen aus der Abgabe von Spielbanken den Ländern zuweist.

b. Geht man mit der Antragsgegnerin von § 1 Abs. 1 PolG als Ermächtigungsgrundlage aus, ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen der polizeilichen Generalklausel hier vorliegen. Nach Satz 1 dieser Vorschrift hat die Polizei die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Die Antragsgegnerin leitet einen Verstoß des Antragstellers gegen die öffentliche Sicherheit aus dem Umstand her, dass er aufgrund der Durchführung des Spielbetriebs unter der Firmenbezeichnung „ODDS ... SPORTWETTEN ...“ ein unerlaubtes Glücksspiel i. S. des § 284 StGB veranstaltet. Ob dies zutrifft, bedarf im Hauptsacheverfahren sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht einer näheren Prüfung.

Die Antragsgegnerin ist gegen den Antragsteller durch Erlass des angefochtenen Bescheids deshalb eingeschritten, weil gegen ihn am 14.10.2002 bei der Landespolizeidirektion ... Anzeige wegen des Verdachts der unerlaubten Veranstaltung eines Glücksspiels erstattet wurde. Aus den von der Antragsgegnerin vorgelegten Akten geht der Sachstand der strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Antragsteller allerdings nicht genau hervor; die Antragsgegnerin hat hierzu im vorliegenden Aussetzungsverfahren auch keine weiteren Einzelheiten mitgeteilt. Die Landespolizeidirektion ... teilte mit Schreiben vom 29.10.2002 der Antragsgegnerin im Hinblick auf die gegen den Antragsteller erstattete Anzeige mit, in mehreren Städten und Gemeinden Baden-Württembergs würden ebenfalls von der “ODDS ...“ Sportwetten für die Sportwetten GmbH entgegengenommen, weswegen das Landeskriminalamt Baden-Württemberg informiert worden sei, um eine einheitliche Verfahrensweise herbeizuführen. Die Landespolizeidirektion regte deshalb gegenüber der Antragsgegnerin an, bis zur Festlegung einer einheitlichen Verfahrensweise keine gewebe-rechtlichen Verfügungen zu erlassen. Die Landespolizeidirektion ... teilte hierauf mit Schreiben vom 05.02.2003 der Antragsgegnerin weiter mit, der Bundesgerichtshof habe mit Urteil vom 28.11.2002 - 4 StR 260/02 - (DVBl. 2003, 669 = NStZ 2003, 372) entschieden, dass Sportwetten zu festen Gewinnquoten Glücksspiele i. S. des § 284 StGB sind. Schließlich teilte die Landespolizeidirektion mit Schreiben vom 26.02.2003 der Antragsgegnerin mit, der Antragsteller betreibe weiterhin die Annahmestelle für Sportwetten in .... In diesem Schreiben bezeichnete die Landespolizeidirektion zwei Räumlichkeiten im Stadtgebiet der Antragsgegnerin, in denen ab 01.03.2003 die Eröffnung von Wettbüros geplant sei. Das Amt für öffentliche Ordnung der Antragsgegnerin wurde gebeten, gegen die drei genannten Sportwettenannahmestellen verwaltungsrechtlich zur Verhinderung einer Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorzugehen. Hierauf hörte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 10.04.2003 den Antragsteller im Hinblick auf eine beabsichtigte Untersagung von unerlaubtem Glücksspiel sowie der Untersagung eines Gewerbes an. Der gegenwärtig bekannte Sachstand zum Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller wegen des Verdachts der unerlaubten Veranstaltung eines Glücksspiels ergibt sich anhand der Akten der Antragsgegnerin in Form eines Beschlusses des Amtsgerichts ... vom 07.05.2003 (Az.: ...). Mit diesem Beschluss wurde die strafprozessrechtliche Durchsuchung des Antragstellers, seiner Wohnung und Geschäftsräume (jeweils einschließlich Nebenräumen) sowie seiner Fahrzeuge angeordnet. Die angeordnete Durchsuchung bezieht sich auf die Gegenstände „EDV-Geräte zur Datenübermittlung, Tippscheine, Buchungsunterlagen, Kontounterlagen, Pachtvertrag, die Dauer, Umfang und Gewinne des illegalen Glücksspiels belegen können“. Hinsichtlich dieser Gegenstände wurde ferner deren Beschlagnahme angeordnet.

Die Annahme der Antragsgegnerin, bei der Veranstaltung von Oddset-Sportwetten handele es sich um ein Glücksspiel i. S. des § 284 Abs. 1 StGB, widerspiegelt die hierzu vertretene herrschende Meinung. Der Begriff „Oddset“ ist aus dem Englischen entlehnt und bezeichnet Wetten mit von Beginn an festgesetzten Gewinnquoten („Odds“ und „set“). In das deutsche Recht hat dieser Begriff bereits im Jahre 1922 in Gestalt des § 4 Abs. 3 des Rennwett- und Lotteriegesetzes vom 08.04.1922 (RGBl. I, S. 335, 393, zuletzt geändert durch Gesetz v. 24.08.2002, BGBl. I S. 3412, 3420) Eingang gefunden („Auf den Rennplätzen ist den Buchmachern nur das Legen von Wetten zu festen Odds gestattet“). Das Rennwett- und Lotteriegesetz, welches als Bundesrecht fortgilt (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.10.1994 - 1 C 13.93 -, BVerwGE 97, 12) und die Zulassung von Totalisatoren und Buchmachern für Pferdewetten regelt (vgl. Marcks, a. a. O., § 33 h GewO RdNr. 9; Tettinger/Wank, GewO, 6. Aufl. 1999, § 33 h RdNr. 11), findet auf Oddset-Sportwetten allerdings keine Anwendung. Soweit es - wie hier - nicht um Pferdewetten geht, finden auf Sportwetten die Sportwettengesetze der Bundesländer Anwendung. In Baden-Württemberg gelten drei Sportwettengesetze: (1.) Württemberg-Badisches Gesetz Nr. 527 vom 18.08.1948 (RegBl. der Regierung Württemberg-Baden S. 133) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 24.07.1950 (RegBl. der Regierung Württemberg-Baden S. 63); (2.) Württemberg-Hohenzollerisches Gesetz vom 03.12.1948 (RegBl. für das Land Württemberg-Hohenzollern S. 181) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 29.01.1951 (RegBl. für das Land Württemberg-Hohenzollern S. 15); (3.) Badisches Landesgesetz vom 17.12.1948 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Baden 1949, S. 13). Alle drei Gesetze gelten heute in der Fassung durch das Gesetz zur Änderung der Gesetze über die Sportwette in Baden-Württemberg vom 08.12.1970 (GBl. S. 498). Bezüglich des Württemberg-Badischen Gesetzes Nr. 527 über die Sportwette gilt ergänzend auch noch die Verordnung Nr. 529 des Finanzministeriums vom 13.09.1948 zur Durchführung dieses Gesetzes (RegBl. der Regierung Württemberg-Baden S. 133). Nach § 1 Abs. 1 des Württemberg-Badischen Gesetzes Nr. 527 über die Sportwette errichtet das Land Württemberg-Baden einen Totalisator für Sportwetten, welche nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes nur in den staatlichen Wettannahmestellen unter Verwendung der amtlichen Wettscheine abgeschlossen werden. § 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes bestimmt, dass für die Wetten die Vorschriften der §§ 10 bis 15 des Rennwett- und Lotteriegesetzes entsprechend gelten; auch die Strafvorschriften der §§ 5 bis 8 des Rennwett- und Lotteriegesetzes gelten entsprechend (§ 5 des Gesetzes). In § 6 des Gesetzes wird das Finanzministerium ermächtigt, den Totalisator für Sportwetten zu betreiben, die amtlichen Wettbestimmungen festzusetzen sowie die weiteren zur Durchführung erforderlichen Vorschriften zu erlassen. Hiervon hat das Finanzministerium mit der genannten Verordnung Nr. 529 Gebrauch gemacht und in § 1 Abs. 1 der Durchführungsverordnung bestimmt, dass das Sport-Toto in Württemberg-Baden durch die staatliche Sport-Toto-GmbH mit Sitz in Stuttgart durchgeführt wird, wobei der Abschluss der Wetten mit der staatlichen Sport-Toto-GmbH durch die von ihr zugelassenen Wettannahmestellen erfolgt (§ 2 der Durchführungsverordnung).

Zu diesen Gesetzen über die Sportwette in Baden-Württemberg kam im Jahre 1999 das Gesetz über eine Sportwette mit festen Gewinnquoten (Oddset-Wette) vom 21.06.1999 (GBl. S. 253) hinzu (zum Gesetzgebungsverfahren vgl. LT-Drs. 12/3951, 12/4035 u. 12/4128; Plenarprotokolle 12. Wahlperiode S. 5177 u. 5320 ff.). Danach kann das Land Baden-Württemberg eine Oddset-Wette veranstalten (§ 1 Abs. 1 des Gesetzes); die Entscheidung über die Veranstaltung der Oddset-Wette sowie über deren Durchführung obliegt dem Finanzministerium, welches die staatliche Toto-Lotto GmbH, Stuttgart, mit der Durchführung der Oddset-Wette beauftragen kann (§ 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 des Gesetzes). Die beauftragte staatliche Toto-Lotto GmbH, Stuttgart, unterliegt bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben den Weisungen des Finanzministeriums. Hierauf erfolgte die Bekanntmachung des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 23.07.1999 über die Veranstaltung der Oddset-Wette, die Beauftragung der staatlichen Toto-Lotto GmbH, Stuttgart, mit der Durchführung dieser Veranstaltung und die amtlich festgesetzten Spielbedingungen (Gemeinsames Amtsblatt - GABl. - S. 473 mit Änderung v. 12.09.2000, GABl. S. 332). Ergänzt wird die Rechtslage zu (Oddset-)Sportwetten in Baden-Württemberg schließlich noch mit dem Gesetz zu dem Staatsvertrag über die Bereitstellung von Mitteln aus den Oddset-Sportwetten für gemeinnützige Zwecke im Zusammenhang mit der Veranstaltung der FIFA - Fußball-Weltmeisterschaft Deutschland 2006 - vom 19.11.2002 (GBl. S. 421).

Ob das Oddset-Sportwettengesetz Baden-Württemberg dahingehend zu verstehen ist, dass die Veranstaltung von Oddset-Sportwetten ausschließlich dem Land Baden-Württemberg und nicht auch Privaten zusteht (so VG Karlsruhe, Beschl. v. 21.09.2000 - 11 K 1725/00 -, NVwZ 2001, 831; a. A. Wrage, Allgemeine Oddset-Sportwetten: Zur Strafbarkeit des Buchmachers gem. § 284 StGB, JR 2001, 405 f. sowie Anm. zu AG Karlsruhe-Durlach, Urt. v. 13.07.2000 - 1 Ds 26 Js 31893/98 -; NStZ 2001, 254, 256), bedarf zumindest im vorliegenden Aussetzungsverfahren keiner näheren Prüfung und muss gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Der Antragsteller macht jedenfalls nicht geltend, dass ihm eine - wie auch immer geartete - Rechtsposition aus dem Oddset-Sportwettengesetz Baden-Württemberg zusteht. Er beruft sich ausschließlich darauf, das Betreiben einer Annahmestelle als selbstständiger Unternehmer für die Odds Vermittlungs GmbH und die Weiterleitung der Wetten an die Sportwetten GmbH sei wegen der aufgrund des Einigungsvertrags bundesweiten Geltung der der Sportwetten GmbH vom Magistrat der Stadt ... erteilten Gewerbeerlaubnis vom 14.09.1990 zum „Abschluss von Sportwetten - Buchmacher “ erlaubt.

Nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur erfüllt die Veranstaltung einer Oddset-Sportwette die tatbestandlichen Merkmale des Begriffs Glücks-Spiel i. S. des § 284 Abs. 1 StGB. Das Wesen des Glücksspiels besteht nach allgemeiner Auffassung darin, dass die Entscheidung über Gewinn und Verlust nach den Vertragsbedingungen nicht wesentlich von den Fähigkeiten, den Kenntnissen und der Aufmerksamkeit der Spieler abhängt, sondern allein oder hauptsächlich vom Zufall (vgl. v. Bubnoff, in: LK-StGB, 11. Aufl., Stand 01.01.1998, § 284 RdNr. 7; Eser/Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl. 2001, § 284 RdNr. 5; Trönd-le/Fischer, StGB, 50. Aufl. 2001, § 284 RdNr. 3). Dies wird auch im Falle der Veranstaltung von (Oddset-)Sportwetten weitgehend bejaht (vgl. BGH, Urt. v. 28.11.2002 a. a. O; BVerwG, Urt. v. 28.03.2001 - 6 C 2.01 -, BVerwGE 114, 92 = NJW 2001, 2648 = DVBl. 2001, 1364 = GewArch. 2001, 334 = JA 2002, 116, m. Anm. Oberrath; Hahn, Das Wirtschaftsverwaltungsrecht in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab 1999, GewArch. 2002, 41, 42 f.; Jahn, Der praktische Fall - öffentliches Recht: Verbot von Sportwetten, JuS 2003, 1116, 1119; differenzierend Wrage, JR 2001, 405 sowie Heine, Oddset-Wetten und § 284 StGB - Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Vermittlung von nach DDR-Recht erlaubten Sportwetten -, demnächst in wistra, vgl. die Vorankündigung in wistra 2003, Heft 11, S. II). Dagegen geht ein Teil der Strafgerichte davon aus, dass die Veranstaltung von (Oddset-)Sportwetten ein Geschicklichkeitsspiel und daher kein Glücksspiel ist (vgl. LG Bochum, Urt. v. 26.02.2002 - 22 KLs 10 Js 121/01 I 49/01 - , NStZ-RR 2002, 170 mit Anm. Odenthal NStZ 2002, 482; AG Karlsruhe-Durlach, a. a. O.). Diese Auffassung hätte zur Folge, dass im Falle der gewerbsmäßigen Veranstaltung von (Oddset-)Sportwetten nach § 33 d Abs. 1 Satz 1 GewO hierfür die Erlaubnis der zuständigen Behörde für die Veranstaltung eines anderen Spiels mit Gewinnmöglichkeit (ohne technische Spieleinrichtung, vgl. Marcks, a. a. O., § 33 d GewO RdNr. 3) erforderlich wäre. Denn die §§ 33 c bis 33 g GewO finden nach § 33 h Nr. 3 GewO keine Anwendung auf die Veranstaltung anderer Spiele i. S. des § 33 d Abs. 1 Satz 1 GewO, die Glücksspiele i. S. des § 284 StGB sind (vgl. auch Schaeffer, Erlaubnisfähige andere Spiele i. S. des § 33 d Abs. 1 GewO und Glücksspiele i. S. des § 284 StGB, GewArch. 1980, 112). In der Literatur wird des weiteren vereinzelt die Auffassung vertreten, Sportwetten seien entweder vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich garantierten Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) von vornherein erlaubnisfrei und deswegen die Veranstaltung solcher Wetten nicht strafbar (vgl. Rausch, Die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit staatlicher Monopole bei Sportwetten, GewArch. 2001, 102, 111) oder - unabhängig von ihrer möglichen Qualifizierung als Glücksspiele - jedenfalls wegen ihrer kommerziellen Verbreitung durch die staatlichen Monopolbetriebe des Deutschen Lotto- und Totoblocks - kein Glücksspiel i. S. des § 284 Abs. 1 StGB (vgl. Lesch, Die Sportwette als Glücksspiel i. S. des § 284 StGB?, GewArch. 2003, 321, 325).

b) Geht man mit der vorherrschenden Meinung davon aus, dass es sich bei der Veranstaltung von Oddset-Sportwetten grundsätzlich um ein Glücksspiel handelt, bedarf der Sachverhalt im Hinblick auf die Frage, ob der Antragsteller tatsächlich ein Glücksspiel „veranstaltet“ hat - wovon die Antragsgegnerin ausgeht - oder ein Glücksspiel „vermittelt“ hat, was der Antragsteller geltend macht, der weiteren Klärung im Hauptsacheverfahren. In tatsächlicher Hinsicht ist dabei zunächst festzustellen, ob der Ausgang derjenigen von der Sportwetten GmbH veranstalteten Oddset-Sportwetten, für die der Antragsteller über die Odds Vermittlungs GmbH Wettangebote vermittelt hat, überhaupt überwiegend vom Zufall abhängen und deshalb als Glücksspiel zu qualifizieren sind. Es bedarf nämlich stets einer einzelfallbezogenen Prüfung, ob bei dem konkreten Wettangebot des Veranstalters der Zufall überwiegt oder nicht (vgl. BGH, Beschl. v. 11.01.1989 - 2 StR 461/88 -, BGHSt 36, 74, 78, zum „Hütchenspiel“). Der Bundesgerichtshof hat in dem Urteil vom 28.11.2002 (a. a. O), auf das sich die Antragsgegnerin in dem angefochtenen Bescheid beruft, festgestellt, dass die dem Urteil zugrunde liegende Entscheidung des Landgerichts Bochum (Urt. v. 26.02.2002, a. a. O.) keine konkrete Darstellung der einzelnen Wettvorgänge enthält. In dem Urteil des Landgerichts blieb offen, ob und in welchem Maße auch der kenntnisreiche „Durchschnittsspieler“ (Teilnehmer an einer Sportwette) die Entscheidung über Gewinn und Verlust beeinflussen kann mit der Folge, dass bei einem entsprechenden Zurücktreten des Zufallsmoments ein Geschicklichkeitsspiel und kein Glücksspiel anzunehmen wäre. Hierbei handelt es sich um eine Frage tatsächlicher Art, die - gegebenenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen - unter Berücksichtigung der einzelnen in Betracht kommenden Spielvorgänge einer einzelfallorientierten Abgrenzung bedarf (vgl. BGH, Urt. v. 28.11.2002, a. a. O.; v. Bubnoff, a. a. O., § 284 RdNr. 9). Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.11.2002 betraf einen in Nordrhein-Westfalen tätigen Vermittler von Oddset-Sportwetten für einen ausländischen Veranstalter in Großbritannien (Isle of Man). Nach der Zurückverweisung jenes Verfahrens an das Landgericht Bochum wurde der Angeklagte mit Urteil dieses Gerichts vom 22.05.2003 - 21 (22) KLs 10 Js 121/01 I 49/01 - wegen unvermeidbarem Verbotsirrtum freigesprochen. Zu einer tatrichterlichen Feststellung der genauen Wettmodalitäten des ausländischen Veranstalters ist es also in jenem Verfahren gar nicht mehr gekommen. Im vorliegenden Fall bedarf es daher bezüglich der vom Antragsteller vermittelten Wettangebote der Sportwetten GmbH gleichfalls noch näherer Feststellungen bezüglich der Wettmodalitäten.

Sollte sich nach weiterer Aufklärung erweisen, dass es sich um ein Glücksspiel handelt, bedarf des Weiteren der Klärung, ob der Antragsteller als Vermittler überhaupt ein Glücksspiel veranstalten konnte. Nach § 284 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet (1. Alt.) oder hält (2. Alt.) oder die Einrichtungen hierzu bereitstellt (3. Alt.). Soweit das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 28.03.2001, a. a. O.) davon ausgeht, § 284 StGB verbiete den Abschluss und die Vermittlung von Oddset-Sportwetten (das Urteil betraf die Vermittlung ins EU-Ausland, vgl. zum betreffenden Berufungsverfahren BayVGH, Urt. v. 30.08.2000 - 22 B 00.1833 -, GewArch. 2001, 65; erstinstanzlich: VG München, Urt. v. 04.04.2000 - M 16 K 98.1222 -, SpuRt 2001, 208), geht aus dem Urteil nicht hervor, von welcher Alternative des § 284 Abs. 1 StGB das Bundesverwaltungsgericht ausgeht, zumal diese Vorschrift den Begriff des Vermittelns nicht kennt. Entscheidungserheblich dürfte daher die Frage sein, ob der Begriff „Veranstalten“ bestimmte Vermittlungsformen erfasst.

Der Bundesgerichtshof (Urt. v. 28.11.2002, a. a. O.) hat in dem bereits genannten Fall bezüglich der Vermittlung für einen ausländischen Veranstalter ausgeführt, es komme auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen bei Annahme eines Glücksspiels eine Strafbarkeit nach § 284 Abs. 1 Alternative 1 StGB in Betracht. Veranstalter im Sinne dieser Bestimmung sei, wer verantwortlich und organisatorisch den äußeren Rahmen für die Abhaltung des Glücksspiels schaffe und der Bevölkerung dadurch den Abschluss von Spielverträgen ermögliche. Dies könne dann der Fall sein, wenn zur Durchführung des Spielbetriebs unter einer eigenen Firmenbezeichnung Räumlichkeiten angemietet, Angestellte beschäftigt, die erforderliche Ausstattung bereitgestellt, Wettprogramme ausgelegt, Einzahlungen der Spieler entgegengenommen und Gewinne ausbezahlt würden. Für den Begriff des „Veranstaltens“ sei hingegen nicht notwendig, dass der Täter mit eigenen finanziellen Interessen am Ergebnis des Spielbetriebs tätig wird. Die vom Landgericht Bochum (Urt. v. 26.02.2002, a. a. O.) getroffenen Feststellungen ließen nach Auffassung des Bundesgerichtshofs hinsichtlich der Tatbestandsmerkmals „Veranstalten“ jedoch keine abschließende Bewertung zu, da das Landgericht zu den Einzelheiten des Wettbetriebes, insbesondere zu den Befugnissen des Angeklagten bei dessen Ausgestaltung, keine ausreichenden Feststellungen getroffen hatte. Allerdings hat der Bundesgerichtshof abschließend bemerkt, das vom Landgericht festgestellte Verhalten des betreffenden Angeklagten erfülle den Tatbestand der dritten Alternativen des § 284 Abs. 1 StGB („Bereitstellen von Einrichtungen“); ferner komme auch eine Verwirklichung des Tatbestandes des § 284 Abs. 4 StGB (Werben für ein öffentliches Glücksspiel) in Betracht.

In einem anderen jüngst vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (Urt. v. 14.03.2002 - I ZR 279/99 -, NJW 2002, 2175), der die wettbewerbsrechtliche Klage einer Gesellschafterin des Deutschen Lotto- und Toto-Blocks gegen einen österreichischen Veranstalter von Sportwetten betraf, dem von der Salzburger Landesregierung eine Bewilligung zur gewerbsmäßigen Durchführung von Sportwetten erteilt wurde und der in Nordrhein-Westfalen ohne behördliche Erlaubnis Sportwetten anbot und bewarb, gelangte der Bundesgerichtshof zu der Auffassung, eine unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels liege schon vor, wenn der Abschluss entsprechender Spielverträge angeboten wird. Jener Fall unterscheidet sich aber vom hier vorliegenden darin, dass der Betreffende im Ausland (Österreich) Sportwetten betrieb und er sie selbst auch in Deutschland vermittelte, weswegen eine Union der Täterschaft vorlag. Demgegenüber ist hier nach dem bisher bekannten Sachverhalt zwischen dem Antragsteller und der Sportwetten GmbH noch die Odds Vermittlungs GmbH zwischengeschaltet. Ob und in wieweit der Antragsteller tatsächlich und rechtlich mit diesen beiden Gesellschaften verflochten ist, bedarf weiterer Feststellungen. Gegenwärtig ist offen, ob der Antragsteller etwa als abhängiger Agent mit einer unselbstständigen Vermittlungsagentur in ein Veranstaltungs-Gesamtunternehmen eingebunden ist oder Strohmann des Veranstalters oder der Veranstalter ist. Festzuhalten ist, dass sich die weitere Klärung, welchen Tatbestand des § 284 StGB der Antragsteller möglicherweise verwirklicht hat, daran zu orientieren hat, dass die beiden ersten Alternativen des § 284 Abs. 1 StGB („Veranstalten“ und „Halten“) nach Tatherrschaftsgesichtspunkten zu bemessen sind (vgl. v. Bubnoff, a. a. O., § 284 RdNrn. 18 f., § 287 RdNrn. 17 f.; Heine, a. a. O.), während an sich typische Teilnahmeformen („Bereithalten von Einrichtungen“, § 284 Abs. 1. Alt. 3 StGB) und „Werben“ (§ 284 Abs. 4 StGB) gesetzlich als Täterschaft eingestuft sind (vgl. Heine, a.a.O.). Eine begrifflich scharfe Trennung der insgesamt vier Tathandlungsalternativen des § 284 StGB wird heute nach zutreffender Auffassung als rechtsstaatlich unverzichtbar angesehen (vgl. Wohlers, in: NK-StGB, Stand März 2003, § 284 RdNr. 38).

Besondere Schwierigkeiten wirft hier die Frage auf, ob das Vermitteln strafbar ist, wenn der (Haupt-)Veranstalter, die Sportwetten GmbH jedenfalls in Thüringen sowie in den übrigen neuen Bundesländern der ehemaligen DDR die Oddset-Sportwetten erlaubt veranstaltet. Sofern man nicht davon ausgeht, eine vor der Wiedervereinigung in der DDR erteilte Erlaubnis zum Veranstalten von Sportwetten gelte nicht nach Art. 19 Satz 1 des Einigungsvertrages - EV - (v. 31.08.1990, BGBl. II S. 885) im gesamten Bundesgebiet (so OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 13.12.2002 - 4 B 1844/02 -, GewArch. 2003, 162 = NVwZ-RR 2003, 162; OVG Niedersachsen, Beschl. v. 04.03.2003 - 11 ME 420/02 -, GewArch. 2003, 247, jeweils im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die Sportwetten GmbH betreffend; Dietlein, Das staatliche Glücksspiel auf dem Prüfstand, BayVBl. 2002, 161, 166; vgl. dazu unten 1. b) dd), könnte sich die Frage der Strafbarkeit des Antragstellers als Täter des weiteren vor dem Hintergrund des § 9 Abs. 1 StGB stellen. Danach ist eine Tat an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte. § 9 StGB kommt eine über das internationale Strafrecht (§§ 4 ff. StGB) hinausgehende Bedeutung auch für das interlokale Strafrecht zu (vgl. Eser, in: Schönke/Schröder, a. a. O., Vorbem. §§ 3 bis 7 RdNrn. 47 ff.). Insoweit wird zu klären sein, ob der Antragsteller etwa durch die Bereitstellung von Einrichtungen unmittelbar tatherrschaftlich verantwortlich die maßgebenden Rahmenbedingungen für die Abhaltung der Sportwetten geschaffen hat (vgl. Heine, a. a. O.).

Soweit das OVG Nordrhein-Westfalen (Beschl. v. 13.12.2002, a. a. O.) unter Hinweis auf das Urteil des Reichsgerichts (v. 18.10.1909 - I 75/09 -, RGSt 42, 431, 433) davon ausgeht, dass eine Veranstaltung im Sinne des § 284 Abs. 1 StGB an jedem Ort stattfindet, an dem Einrichtungen als Bestandteile des „einheitlichen Gesamtunternehmens“ geschaffen wurden, ging es in dem betreffenden Fall des Reichsgerichts um unselbstständige Agenturen im Ausland (vgl. Heine, a. a. O.). Ohne nähere Einzelheiten dazu, in wieweit der Antragsteller mit der Sportwetten GmbH tatsächlich und rechtlich verflochten ist, kann gegenwärtig nicht davon ausgegangen werden, nach § 9 Abs. 1 StGB habe der Antragsteller in Baden-Württemberg in strafbarer Weise ein - in Thüringen nicht strafbares - Glücksspiel veranstaltet.

Für den Fall, dass sich im Hauptsacheverfahren erweisen sollte, dass der Antragsteller einen Straftatbestand des § 284 StGB verwirklicht hat, ist weiter zu klären, ob die Oddset-Sportwetten in Baden-Württemberg ohne behördliche Erlaubnis veranstaltet wurden. Dies träfe dann zu, wenn die vom Magistrat der Stadt ... wenige Wochen vor der Wiedervereinigung Deutschlands am 03.10.1990 nach dem Gewerbegesetz der DDR der Sportwetten GmbH erteilte Gewerbeerlaubnis vom 14.09.1990 nicht im ganzen Bundesgebiet gälte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gelten Verwaltungsakte der DDR nach Art. 19 Satz 1 EV grundsätzlich im gesamten (erweiterten) Bundesgebiet (Urt. v. 15.10.1997 - 7 C 21.96 -, BVerwGE 105, 255 = NJW 1998, 253, zu einem Status begründenden Verwaltungsakt). Art. 19 Satz 1 EV regelt, dass vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangene Verwaltungsakte der DDR wirksam bleiben. Sie können aufgehoben werden, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen des Einigungsvertrages unvereinbar sind (Art. 19 Satz 2 EV). Im Übrigen bleiben die Vorschriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten unberührt (Art. 19 Satz 3 EV). Art. 19 EV berührt nicht besondere Regelungen des Einigungsvertrages zur Fortgeltung von Verwaltungsentscheidungen, insbesondere Art. 41 EV und Anlage III zum Einigungsvertrag (vgl. BT-Drs. 11/7760, S. 364 zu Art. 19 EV). Der vorliegende Rechtsbereich einer Gewerbeerlaubnis betrifft weder Art. 41 EV (Regelung offener Vermögensfragen, vgl. BT-Drs. 11/7760, S. 377 zu Art. 41 EV) noch die Anlage III zum Einigungsvertrag (Verstaatlichung von Unternehmen, vgl. BT-Drs. 11/7760, S. 378, zum Protokoll zu Anlage III).

Die Fortgeltung eines Verwaltungsaktes der DDR nach Art. 19 Satz 1 EV hängt nicht davon ab, ob er mit der Rechtsordnung der DDR in Einklang stand; diese Vorschrift erfasst alle Verwaltungsakte, die nach der seinerzeitigen Staats- und Verwaltungspraxis der DDR als wirksam angesehen und behandelt wurden (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.03.1997 - 7 C 23.96 -, Buchholz 428 Nr. 108 = VIZ 1997, 348; vgl. hierzu allgemein: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., Einleitung RdNrn. 118 ff., § 35 RdNrn. 259 ff., § 43 RdNrn. 227 ff.). Dass die von der Stadt ... am 14.09.1990 erteilte Gewerbeerlaubnis von vornherein nichtig und deshalb nicht wirksam wäre, wird - soweit ersichtlich - nicht vertreten. Hinsichtlich des räumlichen Geltungsbereichs der Gewerbeerlaubnis gehen jedoch die Meinungen auseinander. Wie bereits oben (1. b) cc) ) erwähnt, gehen die Oberverwaltungsgerichte Nordrhein-Westfalen (Beschl. v. 13.12.2002, a. a. O.) und Niedersachen (Beschl. v. 04.03.2003, a. a. O.) in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die Sportwetten GmbH betreffend, davon aus, dass die Gewerbeerlaubnis vom 14.09.1990 nicht im ganzen Bundesgebiet gilt. Zur Begründung führen sie aus, vor dem Hintergrund, dass die Genehmigung von Wetten und Lotterien in die Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer falle, würde es die deutsche Rechtseinheit gerade nicht fördern, gälte eine noch von der DDR erteilte Sportwettenerlaubnis im ganzen Bundesgebiet (so auch Dietlein, a. a. O.). Eine andere Auffassung - Weitergeltung im gesamten Bundesgebiet - vertreten das Oberverwaltungsgericht Thüringen (Beschl. v. 21.10.1999 - 3 EO 939/97 -, GewArch. 2000, 118), das Verwaltungsgericht Gera (Urt. v. 30.08.2000 - 1 K 1271/96 GE -), die Literatur (Heine, a. a. O.; Janz, Rechtsfragen der Vermittlung von Oddset-Wetten in Deutschland, NJW 2003, 1694, 1697) sowie Prof. Dr. ... in dem vom Prozessbevollmächtigten des Antragstellers mit Schriftsatz vom 19.08.2003 vorgelegten Gutachten vom 11.08.2003 für die Odds Vermittlungs GmbH. In den Verfassungsbeschwerdeverfahren der Sportwetten GmbH sowie der Odds Vermittlungs GmbH gegen § 1 Satz 1 des Thüringer Staatslotterie- und Sportwettengesetzes vom 03.02.2000 (GVBl. S. 15) vor dem Bundesverfassungsgericht (1 BvR 2320/00) hat der Vizepräsident des Bundesverwaltungsgerichts mit Schreiben vom 27.06.2001 gegenüber dem Bundesverfassungsgericht unter Hinweis auf die Äußerung des 6. Revisionssenats des Bundesverwaltungsgerichts ausgeführt, das Bundesverwaltungsgericht habe bisher nicht entschieden, welche Bedeutung einer auf der Grundlage des Rechts der DDR erteilten Gewerbeerlaubnis zum Abschluss und zur Vermittlung von Sportwetten zukommt. Nach diesem kontroversen Stand der Diskussion muss daher die bisher obergerichtlich in einem Hauptsacheverfahren nicht geklärte Frage der räumlichen Reichweite einer Gewerbeerlaubnis der DDR zum Veranstalten von Sportwetten gleichfalls der Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten bleiben.

c. In wieweit unabhängig vom nationalen Recht Gemeinschaftsrecht entscheidungserheblich ist, bedarf ebenfalls der Klärung im Hauptsacheverfahren. Der Europäische Gerichtshof ist bisher davon ausgegangen, die Regelung der Art. 49 ff. EG über den freien Dienstleistungsverkehr stehe nationalen Vorschriften über den Vorbehalt staatlicher Veranstaltung von Wetten nicht entgegen, wenn diese durch Ziele der Sozialpolitik - Schutz der Gesundheit und des Vermögens der Spieler - gerechtfertigt sind (Urt. v. 21.09.1999 - Rs. C-124/97 -, GewArch. 1999, 476 u. v. 21.10.1999 - Rs. C-67/98 -, GewArch. 2000, 19; vgl. auch Stein, Die Entwicklung der europäischen Glücksspielrechtsprechung und deren Auswirkungen auf den deutschen Lotteriemarkt, EWS 2002, 416). In der beim Europäischen Gerichtshof noch anhängigen Rechtssache Gambelli (C-243/01) vertritt der Generalanwalt im Schlussantrag vom 13.03.2003 die Auffassung, dass vor dem Hintergrund zunehmender aggressiver Werbung konzessionierter Sportwetten-Veranstalter und damit einhergehender, nicht unmaßgeblicher staatlicher Interessen hinsichtlich positiver finanzieller Auswirkungen des Glücksspiels für den Staatshaushalt die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht mehr durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sei. Der Generalanwalt gelangt zu dem Ergebnis, dass Art. 49 ff. EG über die Dienstleistungsfreiheit dahin auszulegen ist, dass ihnen eine mitgliedstaatliche Regelung (in der Sache Gambelli: italienische), die strafbewehrte Verbote für die Tätigkeit des Sammelns, der Entgegennahme, der Bestellung und der Übermittlung von Wetten, insbesondere bei sportlichen Ereignissen vorsieht, dann entgegensteht, wenn diese Tätigkeiten von oder bei einem bzw. für einen Wettveranstalter vorgenommen werden, der in einem anderen Mitgliedstaat (in der Sache Gambelli: britischer Buchmacher) ansässig ist und der diese Tätigkeiten ordnungsgemäß entsprechend den dortigen Regelungen ausübt. Sollte der Europäische Gerichtshof dem folgen, stellte sich vorliegend für den Fall, dass die Gewerbeerlaubnis vom 14.09.1990 nicht bundesweit gelten sollte, möglicherweise das Problem der Inländerdiskriminierung (vgl. Bergmann, Recht und Politik der Europäischen Union, 2001, RdNr. 467 ff, m. w. N. zur Rspr. des EuGH), also eine Schlechterstellung der eigenen Staatsangehörigen gegenüber EU-Ausländern.

2.

Ist nach alledem angesichts offener tatsächlicher Fragen sowie der dargestellten verschiedenen Rechtsfragen der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, misst die Kammer dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers höheres Gewicht bei als dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der verfügten Untersagung. Dabei ist zugunsten des Antragstellers zu berücksichtigen, dass die gewerbliche Veranstaltung und Vermittlung von Oddset-Sportwetten dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG unterfällt und es einer kritischen Überprüfung durch den Gesetzgeber bedarf, ob die Veranstaltung von Sportwetten in staatlicher Monopolregie wirklich geeignet ist, die mit der Veranstaltung von Glücksspielen verbundenen Gefahren einzudämmen, wovon bei mit aggressiver Werbung einhergehender extremer Ausweitung des Spielangebots keine Rede sein kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.03.2001, a. a. O.; siehe auch VG Düsseldorf, Urt. v. 31.08.2001 - 18 K 11762/96 -, NWVBl. 2002, 393, 395, wonach die große Anzahl bestehender und den Ländern als Einnahmequellen durchaus willkommener Lotterien das Spielbedürfnis weit mehr als unbedingt erforderlich abdeckt und daher eher staatliche Vermittler und nicht vorrangig Private mittels aggressiver Werbung die Spielsucht fördern; vgl. auch Burkiczak, Teilnichtigkeit der nordrhein-westfälischen Lotterieverordnung?, NWVBl. 2002, 372). Hinzu kommt die Erwägung, dass der Hinweis auf den angeblich kriminellen Charakter des Glücksspiels nicht überzeugend ist, weil das Glücksspiel in weitem Umfang gesetzlich toleriert wird und ihm als solchem kein sozialethischer Unwert anhaftet (vgl. VG München, Urt. v. 04.04.2000, a. a. O.; Dickersbach, Probleme des gewerblichen Spielrechts, WiVerw. 1985, 23, 31). Denn bestraft wird nur das Glücksspiel, das ohne behördliche Erlaubnis betrieben wird. In wieweit bei Spielen i. S. des § 33 d GewO das Glücksspiel in die Erlaubnisregelung einbezogen wird, ist anhand materieller, vorrangig sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebender Maßstäbe zu beantworten (vgl. zum - verfassungswidrigen - Ausschluss von Privaten bei Spielbanken in Baden-Württemberg: BVerfG, Beschl. v. 19.07.2000 - 1 BvR 539/96 -, BVerfGE 102, 197 = NVwZ 2001, 790; sehr kritisch zur staatlich abgesicherten Monopolstellung von Lotterien und Glücksspielen auch Adams/Tolkemitt, Das staatliche Glücksspielunwesen, ZBB 2001, 170; dieselben, Das staatliche Lotterieunwesen, ZRP 2001, 511, mit dem jeweiligen Vorschlag der Einführung von Wettbewerb und Schaffung eines Glücksspielaufsichtsamts mit dem Ziel, den bisherigen Lotterie- und Glücksspielmarkt von staatlicher Günstlingswirtschaft zu befreien).

 

3.

Durch die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Untersagung der Veranstaltung von Oddset-Sportwetten liegen die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen (§ 2 LVwVG) nicht vor, weswegen auch die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die angedrohten Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung anzuordnen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

(Unterschriften)