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Zur Wirksamkeit einer Klausel über die Vorleistungspflicht in AGB eines Internet-System-Vertrages - LG Dresden, Urteil vom 20.08.2010, Az.: 4 S 26/10

Leitsätzliches

Gegenüber einem Gewerbetreibenden ist die Klausel über die Vorleistungspflicht von Kunden in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines als Werkvertrag zu qualifizierenden Internet-System-Vertrages wirksam.

 

LANDGERICHT DRESDEN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 4 S 26/10

Entscheidung vom 28. August 2010

In dem Rechtsstreit

...

gegen

...

hat die 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.02.2007 (...) für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichtes Dresden vom 17.12.2009, Az. 116 C 3095/09 abgeändert: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.284,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2.142,00 EUR seit dem 18.03.2007 sowie aus 2.142,00 EUR seit dem 18.03.2008 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Beklagten wird die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten.

Gründe

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.

Durch Vorbehaltsurteil ist der im Urkundenprozess erhobenen Zahlungsklage stattzugeben.

A.
Die Klage ist im Urkundenprozess statthaft. Denn sie ist auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme gerichtet und sämtliche anspruchsbegründenden Tatsachen sind durch Urkunden beweisbar (§ 592 Satz 1 ZPO). Die Klägerin hat vom Urkundenprozess nicht Abstand genommen.

B.

I.)
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Entgeltanspruch für das zweite und dritte Vertragsjahr in Höhe von insgesamt 4.284,00 EUR (= 2 × 1.800,00 EUR + 19 % Mehrwertsteuer) aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Internet-System-Vertrag vom 17.03.2006 i.V.m. § 631 Abs. 1 BGB zu.

1.
Nach neuester höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 04.03.2010, Az.: III ZR 79/09) handelt es sich bei einem „Internet-System-Vertrag” um einen Werkvertrag im Sinne von §§ 631 ff. BGB. Denn nach der Leistungsbeschreibung ist Gegenstand dieses Vertrages die auf einen bestimmten Zeitraum festgelegte Gewährleistung der Abrufbarkeit einer von der Klägerin für ihren Kunden erstellten und betreuen Webseite (homepage) im Internet und somit die Herbeiführung eines Erfolgs als Ergebnis der Tätigkeit der Klägerin.
An dieser rechtlichen Einordnung ändert nichts, dass vorliegend die Klägerin nicht die erstmalige Erstellung, sondern die künstlerische und grafische Bearbeitung der bereits vorhandenen Internet-Präsentationen der Beklagten vornehmen sollte.

2.
Der Vertrag ist nicht durch wirksame Kündigung der Beklagten beendet worden.

a) Der vorliegende Vertrag ist auf die Dauer von 36 Monaten fest geschlossen. Während dieser Zeit ist eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen. Eine Vertragslaufzeit von 3 Jahren ist nicht unangemessen. Bei Verträgen mit Verbrauchern, die die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen durch den Verwender zum Gegenstand haben, kann gemäß § 309 Nr. 9a BGB in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine feste Laufzeit von 2 Jahren geregelt werden. Bei der Beklagten als Betreiberin eines Friseursalons, die bei Abschluss des vorliegenden Vertrages in Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit gehandelt hat, handelt es sich um einen Unternehmer im Sinne von § 14 Abs. 1 BGB. Auf die von der Beklagten behauptete Eigenschaft als Minderkaufmann kommt es nicht an. Unter Berücksichtigung der Interessen und Bedürfnisse des unternehmerischen Rechtsverkehrs, die häufig längere Vertragslaufzeiten erfordern, verstößt eine Vertragsbindung von 3 Jahren nicht gegen §§ 307, 310 BGB.

b) Umstände, die eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund im Sinne von § 314 Abs. 1 BGB rechtfertigen, hat die Beklagte nicht vorgetragen.

3.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichtes ist hinsichtlich der Leistung der Klägerin keine Unmöglichkeit im Sinne von § 275 Abs. 1 BGB gegeben. Aus diesem Grund bestimmt sich die Gegenleistung der Beklagten nicht nach § 326 Abs. 2 BGB.

Zwar ist eine vollständige Leistungserbringung der Klägerin an der fehlenden Mitarbeit der Beklagten gescheitert. Darin liegt jedoch kein unbehebbares Leistungshindernis in der Person des Gläubigers, hier der Beklagten. Dafür ist nicht ausreichend, dass die Beklagte an der Durchführung des Vertrages kein Interesse mehr hat und deshalb nicht bereits ist, an der Erstellung einer individuellen Internetseite durch die Klägerin durch Überlassen von Unterlagen und Teilnahme an Besprechungen mitzuwirken.

4.
Die Beklagte ist vorleistungspflichtig. Aus der Vertragsurkunde vom 17.03.2006 und § 1 Abs. 1 Satz 2 der wirksam in den Vertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergibt sich, dass die Beklagte das Entgelt jährlich im Voraus zu zahlen hat.
Nach dem oben genannten Urteil des Bundesgerichtshofes vom 04.03.2010 (Rn. 28 f. zitiert nach Juris) ist die in den AGB zum Internet-System-Vertrag bestimmte Vorleistungspflicht des Kunden jedenfalls dann wirksam, wenn die Klausel gegenüber einem Unternehmer (§§ 14, 310 Abs. 1 BGB) verwendet wird.

a) Wie oben dargelegt, handelt es sich bei der Beklagten um einen Unternehmer im Sinne von § 14 Abs. 1 BGB.

b) Der Bundesgerichtshof hält die Vorleistungspflicht des Kunden aus sachlichen Gründen für gerechtfertigt. Denn die Klägerin muss bei dem hier vorliegenden „Internet-System-Vertrag” den überwiegenden Teil des von ihr zur Erfüllung ihrer Vertragspflichten zu erbringenden Gesamtaufwands, insbesondere die Erstellung und Einrichtung der Webseite, bei Vertragsbeginn tragen. Deshalb hat die Klägerin ein berechtigtes Interesse daran, mit der Bezahlung jeglichen Entgelts nicht bis zum Ende der Vertragslaufzeit, d.h. bis zur vollständigen Erbringung der von ihr geschuldeten Werkleistung, warten zu müssen. Darüber hinaus kann für die Klägerin die Zahlung monatlicher Ratenbeträge von lediglich - hier 150,- EUR zzgl. Umsatzsteuer - einen nicht unerheblichen buchhalterischen Aufwand bedeuten und sich deshalb als unpraktikabel erweisen.

c) Durch diese Vorleistungsklausel wird auch das berechtigte Interesse des Kunden hinreichend geschützt, das Druckmittel der Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 BGB) für die Durchsetzung seines Anspruches auf vertragsgerechte Erfüllung zu erhalten. Leistet die Klägerin im ersten Vertragsjahr nicht oder nicht wie vereinbart, so kann der Kunde die für die beiden Folgejahre geschuldeten Entgeltbeträge zurückhalten und Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüche geltend machen.

Das bedeutet, dass der Kunde Einwendungen gegen seine Vorleistungspflicht und den Zahlungsanspruch der Klägerin vortragen muss.

d) Die Beklagte hat hierzu lediglich vorgetragen, der Klägerin seien keinerlei ersichtliche Aufwendungen im Vertragsverhältnis entstanden, so dass sie sich sämtliche vertraglich vereinbarte Leistungen und damit verbundenen Aufwendungen infolge der Vertragsauflösung nahezu vollständig erspart habe. Damit genügt die Beklagte ihrer Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der ersparten Aufwendungen der Klägerin nicht. Zunächst muss die Beklagte, soweit ihr die Abläufe und Gegebenheiten der Vertragsdurchführung bekannt sind, aus ihrer Sicht konkret darlegen, welche Aufwendungen die Klägerin erspart hat. Erst danach ist die Klägerin im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast gehalten, hinsichtlich der ersparten Aufwendungen Angaben über innerbetriebliche und der Beklagten nicht zugängliche Vorgänge zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 17.02.2004, NJW-RR 2004, 989 ff.).

Der pauschale Vortrag der Beklagten, die Klägerin habe nahezu sämtliche Aufwendungen erspart, reicht nicht aus, um eine sekundäre Darlegungslast der Klägerin auszulösen.
Im Übrigen kann die Beklagte die von ihr eingewandte fast vollständige Aufwandsersparnis der Klägerin auch nicht mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln nachweisen.

e) Die Klägerin hat ihren Zahlungsanspruch für das zweite und dritte Vertragsjahr zu Recht mit der aus der Vertragsurkunde ergebenden Vorleistungspflicht der Beklagten begründet. Vortrag zu einer etwaigen Aufwandsersparnis gehört - anders als bei § 649 Satz 2 BGB - nicht zur schlüssigen Darlegung des Vergütungsanspruches.

Entgegen der Auffassung der Beklagten bestimmt sich der von der Klägerin geltend gemachte Entgeltanspruch nicht nach § 649 Satz 2 BGB. Diese Vorschrift ist vorliegend deshalb nicht anwendbar, weil es an der jederzeitigen Kündigungsmöglichkeit der Beklagten als Besteller fehlt. Nach den obigen Ausführungen unter B I.) 2. a) ist der vorliegende Vertrag wirksam auf die Dauer von 36 Monaten geschlossen, so dass während dieser Zeit eine ordentliche Kündigung ausscheidet.

II.)

Der zuerkannte Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 2 BGB.

Ausweislich des Antrages und der Begründung in der Klageschrift werden für das Entgelt des dritten Vertragsjahres Verzugszinsen ab dem 18.03.2008 geltend gemacht. Deshalb handelt es sich bei dem in der Berufungsbegründung beantragten Zinslauf ab 18.03.2009 um einen offensichtlichen Schreibfehler.

III.    

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Da die Beklagte dem Klageanspruch widersprochen hat, muss ihr die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten werden, ohne dass es dazu eines ausdrücklichen Antrages bedarf (Zöller-Greger, ZPO, Kommentar, 28. Aufl. 2010, § 599 Rn. 1).

(Unterschriften)