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Unautorisierte Veröffentlichung von Emails rechtswidrig! - LG Köln, Urteil vom 06.09.06, Az.: 28 O 178/06

Leitsätzliches

Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrecht eines Menschen ist neben der Privats- insbesondere auch die sogenannte Geheimsphäre. Diese umfasst den Bereich menschlichen Lebens, der der Öffentlichkeit bei verständiger Würdigung nicht preisgegeben werden soll, etwa der Inhalt von Gesprächen, Briefen aber auch eMails. Das ungefragte Veröffentlichen von Emails stellt daher einen klaren Verstoß gegen dieses Recht dar und begründet Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche.

 LANDGERICHT KÖLN

URTEIL

 Aktenzeichen: 28 O 178/06
Entscheidung vom 6. September 2007

In dem Rechtsstreit

...

Klägers, 

gegen 

...

Beklagten,

wegen: veröffentlichter Äußerungen 

hat die 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 16.08.2006 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht ..., den Richter am Landgericht Dr. ... und die Richterin am Landgericht ...

 

für  R e c h t  erkannt:

Der Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungs­geldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, 

persönliche E-Mails, welche vom Kläger verfasst worden sind, öffentlich zugänglich zu machen, wie aus Anlage K 1 und K 2 ersichtlich geschehen;

2. dem Kläger Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang er das unter Ziffer 1 ersichtliche Unterlassungsgebot verletzt hat und zwar unter Angabe

- des Datums der ersten Einstellung

- der Zugriffszahlen auf die betreffenden Webseiten.

3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen aus den unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen entstandenen und noch entstehenden Scha­den zu ersetzen.

4. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Forderung in Höhe von 671,80 € zu­züglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 06.05. 2006 gegenüber den Rechtsanwälten ... freizustellen.

5. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt. 

6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 8.000,00 €. 

 
Tatbestand:

Der Beklagte betreibt unter der Internetadresse …  eine Informationsplattform, über die er Informationen über die Aktiengesellschaft ... ver­breitet. Auf dieser Informationsplattform veröffentlichte der Beklagte zwei von dem Klä­ger in Angelegenheiten der C versandte vertrauliche E-Mails vom 01.07.2005 (Anlage K 1, BI. 7 ff. d.A.) und vom 11.05.2004 (Anlage K 2, BI. 10 d.A.). Wegen der Einzelheiten ihres Inhalts wird auf die Anlagen K 1 und K 2 dieses Urteils Bezug ge­nommen. Die Abmahnung des Klägers vom 07.02.2006 veröffentlichte der Beklagte ebenfalls auf seiner Webseite. Eine Unterlassungserklärung wurde seitens des Be­klagten nicht abgegeben.

Daraufhin erwirkte der Kläger gegen den Beklagten unter dem Aktenzeichen 28 O 78/06 (LG Köln) eine einstweilige Unterlassungsverfügung. Am 08.03.2006 forderte der Kläger den Beklagten zur Abgabe einer Abschlusserklärung sowie zur Anerkennung des Schadensersatzanspruches dem Grunde nach auf. Dieser Aufforderung kam der Beklagte nicht nach.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach sowie Freistellung von den Kosten der Abmahnung und des Abschlussschreibens in Anspruch. Er ist der Meinung, die Veröf­fentlichung der nicht an den Beklagten gerichteten E-Mail des Klägers greife in die In­tim-, jedenfalls aber in die Privatsphäre bzw. die Geheimsphäre des Klägers ein. Den Beklagten treffe auch ein Verschulden.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,

persönliche E-Mails, welche vom Kläger verfasst worden sind, öffentlich zu­gänglich zu machen, wie aus Anlage K 1 und K 2 ersichtlich geschehen;

2. dem Kläger Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang er das unter Ziffer 1 er­sichtliche Unterlassungsgebot verletzt hat und zwar unter Angabe

- des Datums der ersten Einstellung
- der Zugriffszahlen auf die betreffenden Webseiten;

3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen aus den unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen entstandenen und noch entste­henden Schaden zu ersetzen.

4. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger von der Forderung in Höhe von 671,80 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basisdis­kontsatz ab Rechtshängigkeit gegenüber den Rechtsanwälten … freizustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, er sei berechtigt, die von dem Kläger verfassten E-Mails zu veröffentlichen. Mit dem Versenden der E-Mail habe der Kläger den heimischen Bereich verlassen und sich in eine allgemeine Sphäre begeben. Berührt sei daher nur noch die Individualsphäre des Klägers. Ein schwerwiegender Eingriff in diese, der al­lein zu einer Persönlichkeitsrechtsverletzung führen könne, liege nicht vor.

Insoweit müsse auch berücksichtigt werden, dass der Beklagte mit der Veröffentlichung ein In­formations- und Schutzinteresse gegenüber anderen durch den Kläger geschädigten Personen verfolge. Die Adressaten der Internetseite hätten ein berechtigtes Interesse an den in der E-Mail enthaltenen Informationen. Demgegenüber sei ein besonderes Geheimhaltungsinteresse des Klägers nicht zu erkennen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Urkunden Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Dem Kläger stehen gegen den Beklagten die mit der Klage geltend gemachten An­sprüche zu.

1) Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823, 1004 BGB zu.

Die Veröffentlichung der streitgegenständlichen E-Mails des Klägers auf der Internetseite des Beklagten stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeits­recht des Klägers in Gestalt der Geheimsphäre dar. Die Geheimsphäre betrifft den Be­reich menschlichen Lebens, der der Öffentlichkeit bei verständiger Würdigung nicht preisgegeben werden soll (Wenzel Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichter­stattung, Kap. 5.40). In diesen Bereich fallen schriftliche sowie Tonbandaufzeichnun­gen, persönliche Briefe (Wenzel Burghardt, a.a.O., Kap. 5.40), aber auch solche Auf­zeichnungen und Briefe, die berufliche oder geschäftliche Fragen betreffen, insbeson­dere persönliche Aufzeichnungen zu beruflichen oder geschäftlichen Erlebnissen oder Planungen (vgl. Wenzel, a.a.O., Kap. 5.41 m.w.N.; BGH NJW 1962, 32).

Die Veröffentlichung der nicht an den Beklagten adressierten E-Mail des Klägers, mag sie auch geschäftliche Inhalte gehabt haben, stellt mithin einen Eingriff in die Geheimsphäre des Klägers dar. Entge­gen der beklagtenseits vertretenen Auffassung kann auch nicht davon gesprochen werden, dass der Kläger mit dem Versenden der streitgegenständlichen E-Mails den heimischen Bereich verlassen und sich in eine allgemeine Sphäre begeben hätte. Da­von könnte allenfalls gesprochen werden, wenn der Kläger an einen nicht abgegrenz­ten Personenkreis gerichtete E-Mails verfasst und versandt hätte, nicht jedoch im vor­liegenden Fall einer an eine bzw. zwei Personen gerichteten und versandten E-Mail.

Diese ist vergleichbar mit einem verschlossenen Brief, der durch das Absenden eben­falls nicht aus der Geheimsphäre entlassen wird und bei dem der Absender - anders als etwa im Falle einer offen versandten Postkarte - auch nicht damit rechnen muss, dass Dritte von seinem Inhalt Kenntnis nehmen.

Der Eingriff erfolgte widerrechtlich. Insoweit hat die Kammer berücksichtigt, dass es sich bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts um einen so genannten „offenen Tatbestand" handelt, bei dem die Widerrechtlichkeit nicht indiziert, sondern positiv festzustellen ist (vgl. hierzu Palandt-Sprau, BGB, § 823 Rn. 95). Insoweit ist ei­ne umfassende Güter- und Interessenabwägung erforderlich (Palandt-Sprau, BGB, § 823 Rn. 95). Auch wenn die Kammer dabei zugunsten des Beklagten unterstellt, dass dieser mit der Veröffentlichung die Aufklärung der Allgemeinheit über die Hintergründe des Schicksals der ... AG bezweckte.

Dieses an sich legitime Interesse rechtfertigt indes nicht die Veröffentlichung der streitgegenständlichen E-Mails des Klägers. Insoweit überwiegen die Geheimhaltungsinteressen des Klägers. Bei der In­teressenabwägung fällt dabei maßgeblich ins Gewicht, dass die Veröffentlichung von vertraulichen geschäftlichen E-Mails einen schwerwiegenden Eingriff in das Persön­lichkeitsrecht darstellt, der in seiner Wirkung weit schwerer wiegt als die bloße Mittei­lung des Inhalts derselben. Zu berücksichtigen ist ferner das Geheimhaltungsinteresse des Klägers an Angelegenheiten aus seiner geschäftlichen Sphäre. Dieses Geheim­haltungsinteresse war für den Beklagten hinsichtlich der zweiten E-Mail aus der Be­treffzeile, im Übrigen aber auch aus dem Inhalt der Mitteilung auch deutlich ersichtlich.

Zu berücksichtigen ist ferner der Umstand, dass die veröffentlichten E-Mails des Klägers offensichtlich auf unlautere Weise beschafft waren (vgl. hierzu Wenzel, a.a.O., Kap. 5.41; BGH NJW 1962, 32). Bei Würdigung dieser Umstände kann auch bei Zugrundelegung des von dem Beklagten vorgetragenen Zwecks der Veröffentlichung nicht mehr von einem vertretbaren Verhältnis zwischen dem von ihm angestrebten Zweck sowie der Form, Art und des Ausmaßes des Eingriffs gesprochen werden.

Es besteht auch eine Wiederholungsgefahr. Diese wird durch die erfolgte Verletzungs­handlung indiziert. Eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung, die allein geeignet gewesen wäre, die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen, hat der Beklagte nicht abgegeben.

2) Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Schadensersatz und Schmer­zensgeld aus der Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus §§ 823, 249 BGB, Art. 2, 1 GG. Insoweit ist der Feststellungsantrag auch gemäß § 256 ZPO zulässig. Das Feststellungsinteresse kann nicht bereits deshalb verneint werden, weil ein möglicher immaterieller Schaden bereits feststeht und deshalb bezifferbar wäre. Jedenfalls hinsichtlich der Höhe des Anspruchs, die sich am Verbreitungsgrad orientie­ren kann, ist der Kläger auf die zu erteilenden Auskünfte des Beklagten angewiesen (vgl. Wenzel-Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, Rn. 14.144).

Der Beklagte handelte bei der Veröffentlichung der E-Mail schuldhaft. Für ihn war aus der Empfängerzeile sowie der Betreffzeile und dem Inhalt der Mitteilungen deutlich er­sichtlich, dass der Kläger mit der Veröffentlichung der E-Mail nicht einverstanden war und ein Geheimhaltungswille bestand. Über diesen setzte er sich vorsätzlich hinweg. Dem Kläger steht darüber hinaus ein Auskunftsanspruch hinsichtlich des Umfangs der Verletzungshandlung aus §§ 823, 1004, 242 BGB zu.

Die zwischen den Parteien be­stehenden Rechtsbeziehungen bringen es vorliegend mit sich, dass der Kläger in ent­schuldbarer Weise über den Umfang der Verletzungshandlung, der den Umfang und die Höhe des Schadensersatz- bzw. Schmerzensgeldanspruches des Klägers be­stimmt, im Ungewissen ist. Er weiß nicht, in welchem Umfang die Veröffentlichung er­folgt ist. Der Beklagte ist auf der anderen Seite zur Erteilung der Auskunft unschwer in der Lage (vgl. zum Auskunftsanspruch aus § 242 BGB: Palandt - Heinrichs, BGB, § 261 Rn. 8).

3) Der Kläger hat ferner einen Anspruch gegen den Beklagten auf Freistellung von den Verbindlichkeiten gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten in der klageweise gel­tend gemachten Höhe. Der Beklagte schuldet die Kosten der Inanspruchnahme an­waltlicher Hilfe zum einen unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes gemäß §§ 823, 249 BGB, zum anderen unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 677, 683, 670 BGB.
Die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Darüber hinaus stellen sowohl die berechtigte Abmahnung eines Verletzers als auch die Aufforderung zur Abgabe einer Ab­schlusserklärung ein Geschäft für diesen dar, das seinem Interesse und Willen ent­spricht und für das er dem Geschäftsführer Aufwendungsersatz schuldet (vgl. Palandt­Sprau, BGB, § 683 Rn. 7 a m.w.N.). Die Gebührenforderung ist in der Klageschrift un­ter Berücksichtigung der in Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG geregelten Anrech­nung auf die Verfahrensgebühr zutreffend berechnet worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.

(Unterschriften)