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Rücktritt vom Kaufvertrag wegen fehlender Sitzheizung, trotz Zusage in ebay-Beschreibung - LG Bielefeld, Urteil vom 31.10.2007, Az.: 21 S 170/07

Leitsätzliches

Der Käufer ist dann zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt, wenn der Pkw keine Sitzheizung hat, obwohl der Verkäufer dies in der Beschreibung bei ebay angab. Ein nach dem Kauf auf der Aktionsplattform unterzeichneter "Kaufvertrag", der das Ausstattungsmerkmal nicht aufweisst, macht den zuvor getroffenen Vertrag nicht gegenstandslos. Er kann zu einer Abweichung führen, wenn die Parteien dies wollen.

LANDGERICHT BIELEFELD

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

 

Aktenzeichen: 21 S 170/07

Entscheidung 31. Oktober 2007

 

 

In dem Rechtsstreit

 

...

gegen

...

 

hat der ... Senat des Landgerichts Bielefeld auf die mündliche Verhandlung vom ... durch ... für Recht erkannt:

 

Auf die Berufung des Klägers wird das am 6. Juni 2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bielefeld abgeändert.

 

 

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3 300,– Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Dezember 2006 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung des Pkw BMW 318 tds, Fahrzeugidentifizierungs-Nr. WBACC51050ES09962.


Der Beklagte wird des Weiteren verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 186,82 Euro zu erstatten.

Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des Pkw BMW 318 tds in Annahmeverzug befindet.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


Gründe

I.
Von der Darlegung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 II, 313a I 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.

1.
Der Kläger hat – aus von seinem Sohn F.L. an ihn gem. § 398 BGB abgetretenem Recht – gem. §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 440, 323, 346, 348 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. € 3 300,00, Zug um Zug gegen Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs BMW 318 tds. Der zwischen dem Sohn des Klägers und dem Beklagten geschlossene Kaufvertrag ist infolge des wirksamen Rücktritts der Klägerseite rückabzuwickeln.

a)
Das streitgegenständliche Fahrzeug weist einen Mangel i.S.d. § 434 I BGB auf, da es – was unstreitig ist – nicht über eine Sitzheizung verfügt. Eine solche war jedoch nach dem Inhalt des Kaufvertrags geschuldet.

aa)
In der von dem Beklagten verfassten Ebay-Beschreibung ist u.a. davon die Rede, dass das Fahrzeug über eine Vollausstattung und insbesondere über eine Sitzheizung verfügt. Der Sohn des Klägers hat mit dem Beklagten über die Ebay-Plattform einen wirksamen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug geschlossen. Mit dem „Zuschlag“ bei Ebay – wobei dies kein Zuschlag i.S.d. § 156 BGB ist – schließen der Freischaltende des Angebots und der Höchstbietende einen rechtsverbindlichen Kaufvertrag i.S.d. § 433 BGB ab (BGH NJW 2002, 363, 364; BGH NJW 2005, 53, 54). Da das Höchstgebot über den Account des Sohnes des Klägers abgegeben wurde, ist dieser – und nicht der Kläger – nach Maßgabe des Empfängerhorizonts (§§ 133, 157 BGB) als Käufer aufgetreten.

bb)
Dem steht nicht entgegen, dass die Sitzheizung in dem schriftlichen Kaufvertragsformular vom 01.12.2006, das von dem Sohn des Klägers und dem Beklagten unterzeichnet worden ist, keine Erwähnung gefunden hat. Die Kaufvertragsparteien haben insoweit keinen neuen Kaufvertrag mit ausschließlich dem in dem Formular niedergelegten Inhalt mit der Folge geschlossen, dass der im Rahmen der Ebay-Auktion geschlossene Kaufvertrag nebst den darin enthaltenen Beschaffenheitsangaben gegenstandlos werden sollte. Vielmehr änderte diese Erklärung lediglich den zuvor geschlossenen Kaufvertrag ab, soweit dort abweichende Angaben enthalten waren, was jedoch in Bezug auf die Sitzheizung nicht der Fall war.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Kaufvertragsparteien den Inhalt des Kaufvertrags nach Maßgabe der Ebay-Beschreibung durch die Vereinbarung vom 01.12.2006 in einem derart gravierenden Maße abändern wollten. Statt dessen sollten die grundsätzlichen Eckdaten und Rahmenbedingungen des bei Ebay geschlossenen Kaufvertrags beibehalten und lediglich modifiziert werden.

Dies ergibt sich insbesondere aus dem Umstand, dass der Preis nahezu unverändert geblieben ist; die geringfügige Preisreduzierung von € 3 360,00 auf € 3 300,00 beruht nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers darauf, dass das Fahrzeug entgegen der Ebay-Beschreibung einige Dellen und Kratzer aufwies. Sofern sich der Beklagte von den weiteren o.g. Beschaffenheitsangaben hätte lossagen wollen und der Sohn des Klägers damit einverstanden gewesen wäre, hätte es nahe gelegen, dass die Kaufvertragsparteien eine deutlichere Preisreduzierung vereinbart hätten.

Dagegen spricht auch nicht, dass die Kaufvertragsparteien in dem Feld für Garantien keine Eintragung gemacht haben. Insoweit weicht der Inhalt der Vereinbarung nicht vom Inhalt des Kaufvertrags nach Maßgabe der Ebay-Beschreibung ab, da dort keine Garantien abgegeben, sondern lediglich Beschaffenheitsangaben gemacht wurden. Der Beklagte, der nicht als gewerblicher Verkäufer aufgetreten ist, wollte mit den Angaben in der Ebay-Beschreibung nicht das Vorhandensein dieser Merkmale und für die Folgen ihres Fehlens die Gewähr übernehmen, sondern lediglich die Beschaffenheit des Fahrzeugs beschreiben.

Auch der in der schriftlichen Vereinbarung enthaltene – im Hinblick auf § 309 Nr.7 BGB etwas enger gefasster – Gewährleistungssausschluss spricht nicht dafür, dass die Kaufvertragsparteien die Beschaffenheitsangaben in der Ebay-Beschreibung als obsolet angesehen haben. Ein Gewährleistungsausschluss befindet sich bereits in der Ebay-Beschreibung; gleichwohl hat der Beklagte ungeachtet dieses Gewährleistungsausschlusses dort weitere Beschaffenheitsangaben gemacht.

Bei der vorliegenden Sachlage sollte die Vereinbarung vielmehr lediglich Beweiszwecken dienen und dem Beklagten Gelegenheit geben, die Anzahl der Vorbesitzer (vermeintlich) klarzustellen und weitere Angaben schriftlich festzuhalten, wie z.B., dass ihm ein Unfallschaden nicht bekannt ist und dass der Sohn des Klägers eine Probefahrt gemacht hat.

b)
Die Gewährleistungsrechte des Klägers bzw. seines Sohnes sind auch nicht aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Parteien ausgeschlossen geworden. Zwar findet sich sowohl in der Ebay-Beschreibung als auch in der schriftlichen Vereinbarung vom 01.12.2006 ein Gewährleistungsausschluss. Dieser Gewährleistungsausschluss bezog sich jedoch ersichtlich nicht auf die vom Beklagten in der Ebay-Beschreibung bzw. der schriftlichen Vereinbarung vom 01.12.2006 ausdrücklich gemachten Beschaffenheitsangaben, wozu insbesondere das Vorhandensein einer Sitzheizung gehört. Es kann nicht einerseits eine bestimmte Beschaffenheit des Fahrzeugs explizit angegeben werden kann, andererseits jedoch für den Fall des Nichtvorliegens dieser Beschaffenheit die Haftung ausgeschlossen werden.

Außerdem handelte der Beklagte hinsichtlich dieser Angabe arglistig, so dass der Gewährleistungsausschluss ohnehin nach § 444 BGB unwirksam ist. Der Beklagte hat sich nicht dazu erklärt, warum er in die Ebay-Beschreibung eine Sitzheizung als Fahrzeugausstattung aufgenommen hat, obwohl eine solche ersichtlich nicht vorhanden ist. Es muss davon ausgegangen werden, dass ihm die Unrichtigkeit seiner Angaben bekannt war; zumindest hat er sich dieser Erkenntnis bewusst verschlossen bzw. diesbezüglich Angaben ins Blaue hinein gemacht, was ausreichend ist, um Arglist anzunehmen.

c)
Die Gewährleistungsrechte des Klägers bzw. seines Sohnes sind auch nicht nach § 442 I BGB ausgeschlossen. Es finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Sohn des Klägers bezüglich des Fehlens der Sitzheizung positive Kenntnis hatte. Keinesfalls wusste er im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags bei Ebay davon; auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass ihm dies bei der Unterzeichnung der schriftlichen Vereinbarung vom 01.12.2006 bekannt war. Der Vortrag des Beklagten, dass der Sohn des Klägers das Fahrzeug in Augenschein genommen und eine Probefahrt gemacht habe, zielt nur darauf ab, dass ihm diese Mängel in grob fahrlässiger Weise unbekannt geblieben sei. Insbesondere hat er nicht vorgetragen, dass dem Sohn des Klägers das Fehlen der Sitzheizung dabei tatsächlich aufgefallen ist. Eine grob fahrlässige Unkenntnis bewirkt aber keinen Gewährleistungsausschluss nach § 442 I BGB, da dem Beklagten hinsichtlich dieses Mangels Arglist zur Last fällt.

d)
Der Mangel in Gestalt der fehlenden Sitzheizung ist auch erheblich i.S.d. § 323 V 2 BGB. Bei der Frage der Erheblichkeit eines Mangels kommt es auf eine umfassende Interessenabwägung an, wobei im Falle der Arglist des Verkäufers eine unerhebliche Pflichtverletzung in der Regel zu verneinen ist (BGH NJW 2006, 1960, 1961, Rn. 11). Umstände, die den arglistig handelnden Beklagten entlasten, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil stellt auch bei einem vergleichsweise altem Fahrzeug das Fehlen einer Sitzheizung eine nicht unwesentliche Beeinträchtigung dar, die es rechtfertigt, den Kaufvertrag in seiner Gesamtheit rückabzuwickeln.

e)
Der Umstand, dass der Kläger bzw. sein Sohn dem Beklagten keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat, ist unschädlich, da die Nachfristsetzung nach § 440 S. 1 BGB entbehrlich war. Einem Käufer ist es nicht zuzumuten, dem Verkäufer, der ihn zuvor hinsichtlich eines Mangels des Kaufgegenstandes arglistig getäuscht hat, die Gelegenheit zu geben, diesen Mangel nunmehr zu beseitigen (vgl. Palandt-Weidenkaff, BGB, 66. Aufl. 2007, § 440, Rn. 8). Das Vertrauensverhältnis der Vertragsparteien ist durch das Verhalten des Verkäufers irreparabel gestört, so dass ein sofortiger Rücktritt mangels Schutzwürdigkeit des Verkäufers gerechtfertigt ist.

f)
Eine Rücktrittserklärung liegt vor. Unstreitig hat der Sohn des Klägers den Beklagten in einem Telefonat im Dezember 2006 unter Hinweis auf die streitgegenständlichen Mängel aufgefordert, das Fahrzeug zurückzunehmen und den Kaufpreis zu erstatten. Damit kommt zum Ausdruck, dass der Sohn des Klägers sich aufgrund der Abweichung der Angaben in der Ebay-Beschreibung von der tatsächlichen Beschaffenheit des Fahrzeugs nicht mehr an dem Kaufvertrag festhalten lassen will.

g)
Als Rechtsfolge ist der Vertrag gem. §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 440, 323, 346 BGB rückabzuwickeln. Der Kläger kann aus abgetretenem Recht die Rückerstattung des Kaufpreises i.H.v. € 3 300,00 verlangen, gem. § 348 BGB jedoch nur Zug um Zug gegen Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs.

Etwaige Nutzungsvorteile muss er sich nicht anrechnen lassen, da er unwidersprochen behauptet hat, dass das Fahrzeug nicht genutzt, sondern unmittelbar nach Erwerb und Feststellung der Schäden abgemeldet wurde.

2.
Der Zinsanspruch i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.12.2006 ist gem. §§ 280, 286, 288 BGB begründet, da der Kläger dem Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 13.12.2006 eine Frist zur Rückzahlung des Kaufpreises bis zum 22.12.2006 gesetzt hat.

3.
Der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs ist ebenfalls begründet. Der Beklagte befindet sich mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs gem. §§ 293 ff. BGB im Annahmeverzug, da ihn der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 13.12.2006 aufgefordert hat, das Fahrzeug bis zum 29.12.2006 abzuholen.

4.
Der Kläger hat ferner einen Anspruch auf Erstattung der von ihm geforderten vorprozessualen Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. € 186,82 aus §§ 280, 286, 288 BGB. Der Beklagte befand sich mit der Rückzahlung des Kaufpreises im Verzug, bevor der Prozessbevollmächtigte des Klägers durch die Anfertigung des Schreibens vom 13.12.2006 erstmals tätig geworden ist und das Entstehen der Geschäftsgebühr ausgelöst hat. Der Sohn des Klägers hat im Rahmen des Telefonats Anfang Dezember 2006 den Rücktritt erklärt und die Rückabwicklung des Kaufvertrags verlangt, was der Beklagte ernsthaft und endgültig zurückgewiesen hat, § 286 I, II Nr. 3 BGB.

III.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

(Unterschriften)