×

Rückruf vereinbaren

Ihre Nachricht an uns

Startseite
/
Urteile
/
Internetrecht
/
OLG Köln zur Zulässigkeit der Nutzung markenrechtlich geschützter Begriffe für Konkurrenzprodukte (OLG Köln; Urt. v. 23.09.2012; Az.: 6 U 86/11)

Leitsätzliches

1. Für die Benutzung eines mit der geschützten Marke identischen Zeichens "für Waren und Dienstleistungen" ist nicht erforderlich, dass das Zeichen in der Werbeanzeige (Adword) selbst vorkommt; es genügt vielmehr, dass dem Internetnutzer mit der Adword-Werbung eine Alternative zum Angebot des Markeninhabers aufgezeigt wird.
2. Für eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion ist vor allem die Kennzeichnung, Platzierung und konkrete Gestaltung der Werbung im Einzelfall von Bedeutung.
3. Wenn in der Anzeige selbst weder das Zeichen noch sonst ein Hinweis auf den Markeninhaber oder auf die von diesem angebotenen Produkte enthalten ist und der angegebene Domain-Name vielmehr auf eine andere betriebliche Herkunft hinweist, ist i.d.R. anzunehmen, dass der durchschnittliche Internetnutzer aus der Anzeige zu erkennen vermag, dass die beworbenen Waren oder Dienstleistuntgen nicht vom Markeninhaber oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen stammen.

OBERLANDESGERICHT Köln

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

 

 Aktenzeichen: 6 U 86/11

Entscheidung vom 23.09.2012

 

In dem Rechtsstreit...

... für Recht erkannt



Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 13.04.2011 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die einstweilige Verfügung der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 27.10.2010 – 31 O 536/10 – wird bestätigt, soweit der Antragsgegnerin damit unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt worden ist,

im geschäftlichen Verkehr für die Dienstleistung der Vermittlung von Hotelzimmern und/oder Reiseleistungen

bei der Suchmaschine von Google Werbeanzeigen zu schalten, die nach Eingabe des Suchbegriffs „hrs“ und/oder „hrs.de“ erscheinen, wenn dies geschieht wie nachfolgend wiedergegeben bei den mit Hotel Reservation ab 9,- € überschriebenen Anzeigen:

und/oder

Im Übrigen wird die einstweilige Verfügung aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

 

G r ü n d e


I. Die Antragstellerin sieht in den in der Urteilsformel in Schwarzweißkopie (in der Antragsschrift farbig) wiedergegebenen Werbeanzeigen der mit ihr konkurrierenden Antragsgegnerin, die nach Eingabe von „hrs“ bzw. „hrs.de“ auf der Webseite der Internet-Such­­maschine Google mit den Überschriften Hotel Reservation ab 9,-€ und www.Ab-In-Den-Urlaub.de  oberhalb (im Original rosa unterlegt) bzw. neben der Trefferliste erscheinen, eine Verletzung ihrer u.a. für den Betrieb eines Hotel-Reservierungs-Systems eingetragenen deutschen Wortmarke „HRS“. Das Landgericht hat die Werbung antragsgemäß verboten und die erlassene einstweilige Verfügung durch sein mit der Berufung angefochtenes Urteil bestätigt.


II. Die zulässige Berufung hat in der Sache den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg.

1. Zu Recht hat das Landgericht den Verfügungsgrund als gegeben angesehen. Auch ohne analoge Anwendung des § 12 Abs. 2 UWG auf markenrechtliche Unterlassungsansprüche (dagegen u.a. OLG München, GRUR 2007, 174; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 54 Rn. 19 ff.; Köhler / Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 12 Rn. 3.14; dafür KG, MarkenR 2008, 219; Fezer, MarkenR, 4. Aufl., § 14 Rn. 1081 ff.; offen lassend Senat, GRUR-RR 2003, 187; GRUR 2005, 1070; WRP 2010, 1413) sind die Voraussetzungen der §§ 935, 940 ZPO zu bejahen. Nach der Rechtsprechung des Senats (GRUR-RR 2010, 493) ist es – ohne Bindung an feste Fristen – in der Regel als dringlichkeitsschädlich anzusehen, wenn der Antragsteller, nachdem er von dem beanstandeten Rechtsverstoß erfahren hat, länger als ungefähr einen Monat bis zur Einleitung des gerichtlichen Verfahrens zuwartet. Im Streitfall können die Anzeigen – wie glaubhaft gemacht ist – frühestens am 20.09.2010 zur Kenntnis von Entscheidungsträgern der Antragstellerin gelangt sein; weil der Sachverhalt – zumal nach der im Namen auch der Antragsgegnerin abgegebenen Stellungnahme der Reisen.de Service GmbH vom 01.10.2010 (Anlage K 3) – in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht sorgfältiger Prüfung bedurfte, wahrte der am 21.10.2010 angebrachte Verfügungsantrag noch die Dringlichkeit.

2. Der von der Antragstellerin – gemäß ihrer Klarstellung in der Berufungsverhandlung nur – auf die deutsche Wortmarke „HRS“ und § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 MarkenG gestützte Verfügungsanspruch auf Unterlassung steht ihr unter den Umständen des Streitfalles nur gegenüber der durch die Anzeigen mit der Überschrift Hotel Reservation ab 9,-€ festgelegten konkreten Verletzungs­form zu. Soweit sie sich gegen die Schaltung von Anzeigen wie mit der Überschrift www.Ab-In-Den-Urlaub.de gewendet hat, erweist sich die Berufung dagegen als begründet.

a) Der durch die eingeblen­deten Bildschirmansichten in Verbindung mit der Antragsbegründung hinreichend bestimmte Verfügungs­antrag richtet sich gegen die Schaltung sogenannter Adword-Anzeigen bei Google, die bei einer Suche nach der Wortmarke der Antragstel­le­rin (oder der um die Top­leveldomain „.de“ ergänzten Wortmarke) unstreitig deshalb in dem oberhalb oder rechts neben der Trefferliste befindlichen Anzeigenblock erscheinen, weil die Antragsgegnerin diesen Such­begriff als Schlüs­sel­wort gebucht hat (Keyword-Advertising).

b) Für die in tatsächlicher Hinsicht den nationalen Gerichten überlassene markenrechtliche Beurteilung solcher Werbemaßnahmen hat der Bundesgerichtshof nach den schon vom Landgericht erörterten Vorabentscheidungen des Europäi­schen Ge­richts­hofs (GRUR 2010, 445 – Google France; GRUR 2010, 451 – BergSpechte; GRUR 2010, 641 – Eis.de; GRUR 2010, 841 – Por­ta­­ka­­bin / Primakabin; vgl. dazu jetzt noch WRP 2011, 1129 [Rn. 94 ff.] – L’Oréal / eBay) mit der erst während des Berufungsverfahrens veröffentlichten Begründung seines Urteils vom 13.01.2011 (GRUR 2011, 828 = WRP 2011, 1160 – Bana­nabay II; vgl. dazu Hackbarth, WRP 2011, 1124) nunmehr klärende Vorgaben gemacht.
Danach ist für die Benutzung eines mit der geschützten Marke identischen Zeichens „für Waren und Dienstleistungen“ nicht erforderlich, dass das Zeichen in der Werbeanzeige selbst vorkommt; es genügt, dass dem Internetnutzer mit der Adword-Wer­bung eine Alterna­tive zum Angebot des Markeninhabers aufgezeigt wird (BGH, a.a.O. [Rn. 20]). Eine die Funktionen der Marke beeinträchtigende Benutzung des als Schlüsselwort verwendeten Zeichens steht damit aber noch nicht fest. Für eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion ist vor allem die Kenn­zeichnung, Platzierung und konkrete Gestaltung der Werbung von Bedeutung (a.a.O. [Rn. 21 ff., 25]). Weil Adword-Werbung in einem von der Trefferliste deutlich abgesetzten Anzeigenblock erscheint, wo der verständige Internetnutzer – gegebenenfalls neben Werbung des Markeninhabers – auch bezahlte Anzeigen Dritter erwartet, ist sie grundsätzlich anders zu beurteilen als die Trefferliste beeinflussende unsichtbare Zeichen­verwen­dungs­formen (a.a.O. [Rn. 28 m.w.N.]; ebenso Senat, MMR 2008, 50; KG, GRUR-RR 2009, 61; MD 2009, 20). Um anzunehmen, dass der durchschnittliche Internetnutzer aus der Anzeige nicht oder nur schwer zu erkennen vermag, ob die beworbenen Waren oder Dienstleistungen vom Markeninhaber, einem mit ihm verbundenen Unternehmen oder von einem Dritten stammen (EuGH, GRUR 2010, 445 [Rn. 83 ff.] – Google France; GRUR 2010, 641 [Rn. 24 ff.] – Eis.de), bedarf es zusätzlicher Anhaltspunkte (BGH, a.a.O. [Rn. 26]). Daran fehlt es, wenn die Anzeige selbst weder das Zeichen noch sonst einen Hinweis auf den Markeninhaber oder auf die von diesem angebotenen Produkte enthält, der angegebene Domain-Name vielmehr auf eine andere betriebliche Herkunft hinweist (a.a.O. [Rn. 27; amtl. Leitsatz]).
Eine rechtserhebliche, vom Markeninhaber nicht hinzunehmende Beeinträchtigung der Werbe­funk­tion oder anderer Markenfunktionen scheidet unter solchen Umständen ebenfalls aus (a.a.O. [Rn. 29 f.]).
Indem der Bundesgerichtshof maßgeblich auf die Platzierung der Adword-Werbung abstellt und das in der Suchzeile sichtbar bleibende Suchwort zur Herstellung einer Verbindung zum Markeninhaber nicht ausreichen lässt (a.a.O. [Rn. 27 f.]), verwirft er die nach Erlass der EuGH-Entscheidungen (wiederum) vertretene engere Auffassung, auf die Kennzeichnung als Anzeige und deren Abgegrenztheit von der Trefferliste komme es nicht an (OLG Braunschweig, GRUR-RR 2011, 91 [93] – Most-Pralinen) oder eine funktionsbeeinträchtigende Benutzung der als Schlüsselwort verwendeten Marke sei nur zu verneinen, wenn sich aus dem Inhalt der Anzeige entgegen der Erwartung des Nutzers bei Eingabe des Suchwortes unzweifelhaft ergebe, dass damit keine Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens angeboten werden (OLG Frankfurt am Main, MMR 2011, 548 – Schlüsselwort). Der vom Europäischen Gerichtshof für möglich gehaltene Fall, dass Adword-Werbung eine zwischen dem Werbenden und dem Markeninhaber bestehende wirtschaftliche Verbindung sug­geriert oder so vage gehalten ist, dass der Nutzer aus dem Werbelink und der ihn begleitenden Werbebotschaft das Fehlen einer solchen Verbindung nicht oder nur schwer erkennen kann, wird – angesichts des vom Bundesgerichtshofs betonten Unterschieds von Suchergebnissen und bezahlter Werbung in der Wahrnehmung der Internetnutzer – bei einer deutlich abgesetzten Anzeige erst anzunehmen sein, wenn diese weitere hinreichend konkrete Anlehnungen an das Angebot des Markeninhabers oder andere zu einer Zuordnungsverwirrung führende Elemente ohne aufklärenden Zusatz enthält (vgl. in diese Richtung OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2011, 94 [95] – Hapimag-Aktien).

c) Gemessen an diesen Maßstäben ist im Streitfall eine rele­vante Verwendung des mit der Marke der Antragstellerin identischen Zeichens „HRS“ zwar in Bezug auf die Anzeigen mit der Überschrift Hotel Reservation ab 9,-€, nicht aber in Bezug auf die mit www.Ab-In-Den-Urlaub.de überschriebenen Anzeigen festzustellen.

aa) Die bei der Suche nach der Buchstabenkombination „hrs“ im rechts neben der Trefferliste stehenden Anzeigenblock erschei­nende Werbung der letztgenannten Art setzt sich von der Trefferliste und der oberhalb davon sichtbaren Eigenwerbung der Antragstellerin („Das Hotelportal – weltweit über 250.000 Hotels – tagesaktuelle Niedrigpreise bei HRS …“) sowohl räumlich als auch inhaltlich deutlich ab. Der gezielt nach der Marke „HRS“ der Antragstellerin suchende Internetnutzer verbindet damit – auch wenn ihm das Firmenschlagwort „Hotel Reservation Service“ nicht unmittelbar vor Augen steht – die Vorstellung eines bestimmten Anbieters auf dem Gebiet der Hotelzimmervermittlung und -reservierung. Dagegen bezieht sich der Anzeigentext „Angebote aller Reiseveranstalter zu Top Preisen weltweit buchen!“ allgemein auf Reisen und damit im Zusammenhang stehende Dienstleistungen, deren Vermittlung von höchst verschiedenen Unternehmen angeboten wird. Hinzu kommt der schon in der Überschrift und nochmals im abschließenden Werbelink deutlich herausgestellte Domainname „Ab-in-den-Urlaub“, der von der Antragsgegnerin – wie den Senatsmitgliedern als angesprochenen Verbrauchern bekannt ist – auch in anderen Medien (Fernsehen, Plakate) als Portal ihres Online-Reisebüros stark beworben wird und von den angesprochenen Verkehrskreisen deshalb nicht nur als beliebiger Ausruf und Slogan, sondern seinerseits als Kennzeichen eines bestimmten Unternehmens verstanden wird. Eine Verbindung zum Inhaber der im Anzeigentext nicht erwähnten, völlig unterschiedlichen Marke „HRS“ wird der verständige Internetnutzer hier nicht herstellen.
Für die oberhalb der Trefferliste sichtbar werdende, nahezu textgleiche Werbung gilt im Ergebnis das Gleiche, wenngleich die räumliche Abgrenzung zu den mit Hilfe der Suchfunktion erzeugten Treffern hier weniger deutlich erscheint. Der inzwischen auch an solche Anzeigen in einem – in der Bildschirmansicht farbig unterlegten – Block oberhalb der Trefferliste gewöhnte Internetnutzer (vgl. Hackbarth, WRP 2011, 1124 [1127]) wird sie aber angesichts des Farbrahmens, der Rubrikbezeichnung „Anzeigen“, des stark herausgestellten eigenen Domainnamens und des im Anzeigentext fehlenden Bezuges zum Suchbegriff „hrs.de“ weder unmittelbar noch mittelbar dem Unternehmen der Antragstellerin zuordnen, so dass eine relevante Beeinträchtigung der Herkunfts- oder Werbefunktion  ihrer Marke nicht anzunehmen ist.

bb) Anders liegt es dagegen bei den jeweils oberhalb der Trefferliste erscheinenden und dort unmittelbar auf die eigene Werbung der Antragstellerin folgenden Anzeigen mit der Überschrift Hotel Reservation ab 9,-€ und dem Text „www.Hotelreservierung.de  Hier zum Tiefpreis Ihr Hotel buchen. Alle Hotels im Vergleich!“
Indem die Antragsgegnerin mit diesen Anzeigen den mittels der Marke „HRS“ nach dem Hotel-Reservierungs-System der Antragstellerin suchenden Internetnutzern ihr Alternativangebot nicht nur unter Verwendung von Allgemeinbegriffen aus dem Branchen- und Dienstleistungsähnlichkeitsbereich, sondern von Begriffen und Bezeichnungen nahezu­bringen versucht, die eine ganz erhebliche Nähe zur Unternehmens­bezeich­nung („HRS – Hotel Reservation Service“) und zur Dienstleistung der Antragstellerin aufweisen (nicht nur „Hotelreservierung“, sondern sogar „Hotel Reservation“), suggeriert sie dem Internetnutzer – mangels aufklärender Zusätze und erkennbarer Zusammenhänge zwischen diesen und den auf „www.Ab-in-den-Urlaub.de“ verweisenden Anzeigen – eine nicht vorhandene Verbindung ihrer Werbung zum Unternehmen der Markeninha­berin.
Diese durch die Platzierung und farbige Unterlegung der Anzeigen allein nicht beseitigte Zuordnungsverwirrung hat das Landgericht zu Recht als nicht erforderlich und der Antragstellerin nicht zumutbar angesehen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.