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LG Stuttgart: Internet-Apotheke III

Leitsätzliches

Betreibt eine "Internet-Apotheke" einen Versandhandel mit Arzneimitteln, dann kommt eine Untersagung des Versandhandels dann nicht in Betracht, wenn das Lager, von welchem aus die Bestellungen ausgeliefert werden, einem anderen Unternehmen gehört. Anders wäre der Fall nur dann zu beurteilen, wenn es sich bei diesem Lager um ein "outgesourctes" Auslieferungslager der "Internet-Apotheke" handelt.

LANDGERICHT STUTTGART

 

IM NAMEN DES VOLKES

 

URTEIL

 

Aktenzeichen: 17 O 548/00

Entscheidung vom 4. Januar 2001

 

 

 

Tatbestand

 

Die Verfügungsklägerin nimmt die Verfügungsbeklagte auf Unterlassung wettbewerbswidrigen Versandhandels mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln in Anspruch.

 

Die Verfügungsklägerin ist Arzneimittelgroßhändlerin. Die Verfügungsbeklagte mit Sitz in den Niederlanden betreibt unter der Domain "... .com" einen Versandhandel u.a. für apothekenpflichtige Arzneimittel. Der Versand der bestellten Waren erfolgt über die Firma G.

 

Ein Mitarbeiter der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg bestellte am 22.09.2000 bei der Verfügungsbeklagten per Internet die Arzneimittel "Sinupret forte" (100 Dragees), "ACC akut" (600 mg, 20 Brausetabletten) und "Canesten" (50 gr Creme). Am 25.09.2000 erhielt der Mitarbeiter eine Lieferung von der Verfügungsbeklagten beinhaltend "Sinupret forte" sowie "Canesten", jedoch statt "ACC akut" das Mittel "Acetylcysteine" (600 mg). Die beiden letzteren Medikamente enthielten auf der Verpackung und auf dem Beipackzettel Hinweise lediglich in niederländischer Sprache.

 

Das Paket, mit dem die Arzneimittel geschickt wurden, war u.a. beschriftet mit:

 

Absender:

...

 

Mit Schriftsatz vom 17.10.2000 beantragte die Verfügungsklägerin den Erlaß einer einstweiligen Verfügung und trug hierzu vor, daß es sich bei der Anschrift in Neuss um eine Niederlassung der Verfügungsbeklagten handle. Dies wurde durch Vorlage des Pakets glaubhaft gemacht. Es handle sich deswegen um einen reinen Inlandsfall, für dessen Beurteilung europarechtliche Erwägungen keine Rolle spielten.

 

Am 19.10.2000 erließ die Kammer eine einstweilige Verfügung (Bl. 18/20 d.A.), wonach es der Verfügungsbeklagten untersagt wurde, bestimmte Arzneimittel in Deutschland in den verkehr zu bringen sowie apothekenpflichtige Arzneimittel gewerbsmäßig im Wege des Versandhandels von dem Lager in Neuss aus zu versenden.

 

Hiergegen legte die Verfügungsbeklagte Wiederspruch ein und trug vor, daß es sich bei dieser Anschrift um ein Depot der Firma ... handle, welche die Versendung der Bestellungen ausführe. Dies wird von der Verfügungsklägerin nicht bestritten.

 

Die Verfügungsklägerin trägt nunmehr vor, daß die Verfügungsbeklagte zwar nicht, wie zunächst angenommen, dort eine eigene Niederlassung unterhalte, jedoch versende sie selbst von dieser Anschrift aus die bestellten Arzneimittel, so daß es sich nach wie vor um einen reinen Inlandsfall handle. Die Verfügungsklägerin hat hierzu in der mündlichen Verhandlung vorgetragen unter Vorlage von Internetausdrucken von ..., daß in der Vergangenheit die Verfügungsbeklagte die Pakete selbst im Depot der ... angeliefert habe, von wo aus der weitere Versand erfolgt sei.

 

Die Verfügungsklägerin beantragt,

 

die einstweilige Verfügung aufrecht zu erhalten.

 

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

 

die einstweilige Verfügung vom 19.10.2000 aufzuheben und den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

 

Die Verfügungsbeklagte trägt vor, daß auch in der Vergangenheit die Pakete stets am Sitz der Verfügungsbeklagten in den Niederlanden von einem Kurierdienst übernommen und von diesem hausintern gekennzeichnet worden seien.

 

Weiterhin sei auch der grenzüberschreitende Versand zulässig (E-Commerce-Richtlinie, Entscheidungen des EuGH "Kommission/Bundesrepublik Deutschland und "Schumacher", § 73 Abs. 2 Nr. 6 a AMG).

 

Im übrigen fehle es bereits an einem Verfügungsgrund, da die Verfügungsklägerin schon seit dem 08.06.2000 vom Internetangebot der Verfügungsbeklagten Kenntnis gehabt habe.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze samt den vorgelegten Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.12.2000 (Bl. 91 d.A.) verwiesen.

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

Die einstweilige Verfügung war auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen. Dies führte zu ihrer Aufhebung.

 

1. Ein Verfügungsgrund ist nicht gegeben.

 

a) Die Verfügungsklägerin hat den Erlaß der einstweiligen Verfügung beantragt auf der Grundlage des von ihr geschilderten Sachverhalts, wonach die Verfügungsbeklagte selbst eine Niederlassung bzw. ein Lager in Neuss unterhalte. Dies ist jedoch unstreitig nicht der Fall.

 

b) Daß die Verfügungsbeklagte das Depot der ... zumindest in der Vergangenheit nutzte wie ein "outgesourctes" Auslieferungslager, hat die Verfügungsklägerin nicht glaubhaft machen können. Die Vorlage der Internetausdrucke, welche den Ablauf einer Sendung dokumentieren, genügt hierfür nicht. Erforderlich wäre die Glaubhaftmachung, daß die Verfügungsbeklagte selbst mit eigenen Mitteln die streitgegenständliche Sendung zu dem Depot nach Neuss gebracht hätte. Dies hat die Verfügungsklägerin jedoch nicht glaubhaft gemacht; die Ausdrucke sagen hierzu nichts aus, insbesondere nicht, daß nicht etwa ein anderer Spediteur die Waren über die Grenze lieferte.

c) Somit konnte die einstweilige Verfügung vom 19.10.2000 keinen Bestand haben und war deshalb aufzuheben.

 

2. Demgegenüber kann offen bleiben, ob ein Verfügungsgrund vorliegt oder ein grenzüberschreitendes Versenden von apothekenpflichtigen Arzneimitteln durch die Verfügungsbeklagte zulässig ist.

 

Letztere Frage spielt deswegen keine Rolle, weil Gegenstand der einstweiligen Verfügung vom 19.10.2000 ausdrücklich nicht der Versand von den Niederlanden nach Deutschland war.

 

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

 

4. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.