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LG Freiburg: Einbeziehung von Bildschirm-AGB III

Leitsätzliches

Allgemeine Geschäftsbedingungen, die am Bildschirm dargestellt werden, werden nur dann Vertragsinhalt, wenn es sich um relativ kurze Texte handelt, die klar gegliedert sind und sich problemlos abrufen lassen.

LANDGERICHT FREIBURG

 

IM NAMEN DES VOLKES

 

URTEIL

 

Aktenzeichen: 9 S 139/90

Entscheidung vom 7. April 1992

 

 

 

In dem Rechtsstreit (...)

 

hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Freiburg i. Br. (...) für Recht erkannt:

 

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Titisee-Neustadt vom 15.10.1990 - 1 C 207/90 - abgeändert:

 

Die Klage wird abgewiesen.

 

2. Die Klägerin trägt die Kosten beider Instanzen.

 

Auf die Darstellung des Tatbestands wird gem. § 543 ZPO verzichtet.

 

 

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig und begründet.

 

Ein Vertrag, aus dem sich der von der Klägerin geltend gemachte Zahlungsanspruch allenfalls ergeben kann, ist zwischen den Parteien nicht geschlossen worden. Denn der Beklagte hat keinen Antrag abgegeben, der einen Vertrag hätte herbeiführen können.

 

Ein wirksames Angebot auf Abschluß eines Vertrages muß inhaltlich so bestimmt sein, daß die Annahme durch die bloße Zustimmung des Vertragspartners erfolgen kann. Diesen Anforderungen entspricht der vom Beklagten abgegebene "GBG-Antrag" nicht, denn er beinhaltet selbst keine Regelung über das zu entrichtende Entgelt und die GBG-Bedingungen der Klägerin, mit deren Hilfe sich die Höhe des Nutzungsentgelts bestimmen ließe, sind nicht Bestandteil der abgegebenen Erklärung geworden.

 

Bei den von der Klägerin verwandten GBG-Bedingungen handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.v. § 1 AGBG, über deren Einbeziehung nach § 2 AGBG zu entscheiden ist. Nach der genannten Vorschrift werden Allgemeine Geschäftsbedingungen nur dann Vertragsbestandteil, wenn ausdrücklich auf sie hingewiesen wurde, für den Vertragspartner die Möglichkeit bestand, von ihrem Inhalt in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen, und er mit ihrer Geltung einverstanden war.

 

Was zur zumutbaren Kenntnisnahme gehört, richtet sich grundsätzlich nach den Umständen des Vertragsabschlusses und nach den Bedürfnissen der beteiligten Kundenkreise. Von den in gedruckter Form den Kunden vorliegenden AGB ist zu verlangen, daß sie für einen Durchschnittskunden mühelos lesbar sind, ein Mindestmaß an Übersichtlichkeit sowie ein im Verhältnis zur Bedeutung des Geschäfts vertretbaren Umfang aufweisen (vgl. Palandt/Heinrichs, 51. Aufl., § 2 AGBG, Rnr. 13). Für durch Btx übermittelte Allgemeine Geschäftsbedingungen sind, aufgrund ihrer erschwerten sinnlichen Wahrnehmbarkeit, noch strengere Anforderungen zu stellen.

 

Denn der über Bildschirm angezeigte Text bleibt in jedem Fall flüchtig, auch bei längerer Einblendung. Der Durchschnittskunde kann daher allenfalls wenige kurze Sätze in zumutbarer Weise aufnehmen und nach kurzer Einblendung auf dem Bildschirm ihre Bedeutung erfassen. Die Möglichkeit der Kenntnisnahme vom Inhalt Allgemeiner Geschäftsbedingungen wird bei der Darstellung auf dem Bildschirm weiter dadurch erschwert, daß auf einer Bildschirmseite nur ein Bruchteil des Inhalts einer beschriebenen DIN A 4-Seite (etwa 1/7 bis 1/8 des Seitenumfangs) abgebildet werden kann. Auf dem Bildschirm kann der Kunde deshalb immer nur ein verhältnismäßig kleines Bruchstück einer umfangreichen Gesamtregelung lesen, ohne sich einen Gesamtüberblick verschaffen zu können. Schließlich ist es - anders als beim Blättern von Papierseiten - auch kaum möglich, bei der Bildschirmdarstellung von einer bestimmten Klausel der AGB ohne weiteres zu einer anderen (zurück) zu wechseln, um den Zusammenhang beider Klauseln zu prüfen (vgl. LG Aachen, NJW 91, 2159).

 

Daraus folgt, daß eine zumutbare Kenntnisnahme bei durch Bildschirmtext übermittelten AGB nur dann möglich ist, wenn es sich um vergleichsweise kurze Texte handelt, die klar gegliedert sind und sich problemlos abrufen lassen (vgl. Bartel DB 1982, 1101; Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz 9. Aufl., § 2, Rnr. 49 a).

 

Bei der Vorführung des Btx-Angebots durch den Geschäftsführer der Klägerin im Kammertermin konnte sich die Kammer nicht davon überzeugen, daß die Darstellung der AGB der Klägerin den oben aufgeführten Anforderungen genügen.

 

Die vorgeführten Btx-Seiten mit den AGB der Klägerin trugen das Datum vom 06.11.1988 und sind für die Prüfung zugrundezulegen, da der Beklagte nicht behauptet hat, daß bei seinem Abruf des Btx-Angebots der Klägerin am 30.09.1989 andere AGB der Klägerin Geltung hatten.

 

Die "Allgemeinen GBG-Teilnahmebedingungen" der Klägerin nehmen ausgedruckt zwei eng beschriebene DIN A 4-Seiten in Anspruch und etwa 14 Btx-Bildschirmseiten. Angesichts dieses Umfangs der AGB der Klägerin stellt es schon für den normalen Leser überdurchschnittliche Anforderungen, um sich einen Überblick über die einzelnen Bestimmungen zu verschaffen. Dies gilt in weit höherem Umfang für den Btx-Nutzer, der Bildschirmseite für Bildschirmseite lesen muß, ohne etwa durch einen schnellen Blick nach oben oder unten wie bei einer ausgedruckten Seite vergleichen oder wiederholen zu können.

 

Offensichtlich hat diese Schwierigkeiten auch die Klägerin erkannt, denn in ihren GBG-Teilnahmebedingungen mit Datum vom 01.01.1990 ist der Hinweis aufgenommen worden, daß es nicht erforderlich ist, sich die vorstehenden Allgemeinen GBG-Teilnahmebedingungen ausdrucken zu lassen, da diese auf Wunsch gerne zugesandt werden.

 

Bei der Vorführung und Simulierung eines GBG-Antrags fiel auch auf, daß die von der Klägerin als Rubriken bezeichneten einzelnen Anzeigensparten schon mit Kreuzen versehen waren, so daß der Btx-Nutzer entgegen der üblichen Vorgehensweise die Markierung vor einer Rubrik, die er nicht bestellen will, wieder beseitigen muß. Daß dies offenbar zu Mißverständnissen führt, ist daran ersichtlich, daß in nicht wenigen vorgelegten Fällen ein Btx-Nutzer bei der Klägerin die Freischaltung aller 10 Rubriken beantragt hatte, was u.a. zu Zweifeln an der Ernsthaftigkeit des Antrags geführt hatte.

 

So ist vorliegend auch der Beklagte davon ausgegangen, 9 Rubriken bestellt zu haben, weil die Rubrik "Er sucht Sie" nicht angekreuzt war, sondern sich zwischen den Klammern ein "o" befand.

 

Auf der Bildschirmseite mit dem GBG-Antrag ist hierzu ausgeführt: "Rubrik mit # bestätigen oder löschen".

 

Im Widerspruch hierzu ist in Ziff. 3 der AGB ausgeführt, daß der Btx-Nutzer die ihn interessierenden Rubriken, für die er die GBG-Freischaltung beantragen will, "mit Zeichen seiner Wahl" zu markieren hat.

 

In den schon oben zitierten AGB der Klägerin vom 01.01.1990 fehlt die Rubrik "männliche Modelle" im BGB-Antrag. Dagegen ist dort ausgeführt "jedes Zeichen zählt".

 

Hieraus ergibt sich für die Kammer wiederum, daß die Klägerin selbst ihre AGB als verbesserungsbedürftig erkannt hat und die Schwierigkeit für den Btx-Nutzer, die AGB bzw. den GBG-Antrag der Klägerin gleichsam richtig zu bedienen.

 

Weiterhin fiel bei der Demonstration auf, daß nach der ersten Betätigung der Funktionstaste, mit der eine Rubrik im BGB-Antrag bestätigt oder gelöscht wurde, ein entsprechender Hinweis über die Handhabung auf dem Bildschirm verschwand.

 

Weiterhin ist die Kammer der Auffassung, daß der GBG-Antrag hinsichtlich der Kosten für die GBG-Einrichtung und den GBG-Zugang je Rubrik bzw. pro Jahr und Rubrik nicht in ausreichender Form darstellt. Die Demonstration hat gezeigt, daß der Hinweis auf die Btx-Seiten (...) und die dort genannten Kosten (Ziff. 5) nicht ausreichend ist, da sich der Btx-Nutzer erst wieder in umständlicher Weise Gewißheit über diese Kosten verschaffen müßte.

 

Die Kammer ist daher der Auffassung, daß der GBG-Antrag der Klägerin derart zu gestalten ist, daß die jeweiligen Kosten, die beim Absenden des Antrags entstehen, auf dem Antrag mitaufzunehmen sind.

 

Wenn dies - wie der Geschäftsführer der Klägerin meinte - aus Platzgründen bei 9 oder 10 Rubriken je GBG-Antrag nicht möglich ist, so müßte dieser Antrag ggf. auf 5 Rubriken reduziert werden, um Platz für Preisangaben zu schaffen.

 

Wegen Verstoßes gegen § 2 AGBG sind somit die GBG-Bedingungen der Klägerin nicht Vertragsinhalt geworden mit der Folge, daß mangels Vereinbarung eines Entgelts ein Vertrag nicht zustande kam.

 

Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob ggf. ein möglicher Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechtbar wäre bzw. ob auf einen derartigen Vertrag § 656 BGB entsprechend anzuwenden wäre.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.