×

Rückruf vereinbaren

Ihre Nachricht an uns

Startseite
/
Urteile
/
Internetrecht
/
Inseratplattformbetreiber haftet für Impressumspflichtverstöße - OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 23.10.2008, Az.: 6 U 139/08

Leitsätzliches

Der Betreiber einer Inseratplattform hat dafür Sorge zu tragen, dass die Inserierenden den Anforderungen an ein ordnetliches Impressum genügen. Gewerbliche Anzeigenkunden müssen u. U. belehrt und gesondert aufgefordert werden.

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Entscheidung vom 23. Oktober 2008

Aktenzeichen: 6 U 139/08

 

In dem Rechtsstreit

...

gegen

...


hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2008 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 20.6.2008 verkündete Urteil der 12. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main – soweit es nicht durch teilweise Rücknahme des Eilantrages in der Berufungsinstanz wirkungslos geworden ist – abgeändert.

Den Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an ihren gesetzlichen Vertretern, für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, auf der unter www...de betriebenen Internet-Pattform Dritten die Gelegenheit zu gewähren, in den Kategorien „Gewerblicher Ankauf“, „Großhandelsposten“ und „Mode & Lifestyle/Beauty und Gesundheit“ Verkaufsangebote für Duftwässer der Marken A, B, C, D, E, F, G, H, I, J und K zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und dabei in der Weise zur Veröffentlichung von Anzeigen mit geschäftlichen Angeboten ohne Angabe von Name und Anschrift des Anbieters beizutragen, dass weder vor der Anzeigenaufgabe gegenüber dem Anzeigenkunden Maßnahmen zur Verhinderung eines solchen Verhaltens ergriffen werden, wie in der Angebotsmaske gemäß Anlage AS 31 und den Nutzungsbedingungen
gemäß Anlage AS 32 geschehen noch die erschienen Anzeigen von den Antragsgegnerinnen selbst daraufhin überprüft werden, ob sie geschäftsmäßige Angebote ohne Angabe von Name und Anschrift des Anbieters beinhalten.

Die Gerichtskosten des Eilverfahrens haben die Antragstellerin zur Hälfte und die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) jeweils zu ¼ zu tragen.

Die Antragstellerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner zu 3) zu tragen. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist rechtskräftig.

G r ü n d e :

Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II i.V.m. 313 a I, 1 ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung hat – soweit die Antragstellerin ihr Unterlassungsbegehren in der Senatsverhandlung weiterverfolgt hat – auch in der Sache Erfolg. Der Antragstellerin steht ein Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) in der Form des zuletzt gestellten Antrages aus §§ 3, 8 III Nr. 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht (vgl. grundsätzlich hierzu BGH GRUR 07, 890 – Jugendgefährdende Medien bei eBay) zu.

Die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) haben durch die Einrichtung und den Betrieb eines Portals für kostenlose anonyme Kleinanzeigen insoweit eine Gefahrenquelle für Wettbewerbsverletzungen nach §§ 4 Nr. 11 UWG i.V.m. 5 I Nr. 1 TMG geschaffen, als ein solches Portal auch für geschäftsmäßige Angebote genutzt werden kann und in diesem Zusammenhang typischerweise die nach den Gesamtumständen nahe liegende Möglichkeit besteht, dass Gewerbetreibende bei dieser Gelegenheit – aus Unkenntnis der gesetzlichen Regelungen, aus Nachlässigkeit oder zur Verschleierung ihrer gewerblichen Tätigkeit – entgegen § 5 I Nr. 1 TMG in der Anzeige ihren Namen und ihre Anschrift nicht nennen.

Ob die Antragsgegnerinnen unter diesen Umständen eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht (§ 3 UWG) zur Unterbindung oder Eindämmung solcher Verstöße trifft und welche zumutbaren Sicherungsmaßnahmen von ihnen insoweit zu verlangen sind, richtet sich einerseits nach der Bedeutung der Impressumspflicht nach § 5 I Nr. 1 TMG und andererseits danach, mit welchem Aufwand die in Frage kommenden Sicherungsmaßnahmen verbunden sind.

An der Beachtung der Impressumspflicht nach § 5 I TMG besteht ein nicht unerhebliches
Allgemeininteresse, da der Rechtsverkehr auf diese Weise in die Lage versetzt wird, sich über die Identität eines gewerblichen Anbieters in elektronischen Medien Klarheit zu verschaffen. Andererseits nimmt die Impressumspflicht innerhalb der Vielzahl anderer gesetzlicher Verpflichtungen, die beim Angebot gewerblicher Waren und Dienstleistungen zu beachten sind, keine besonders hervorgehobene Stellung ein; insbesondere ist ihre Bedeutung mit derjenigen der  Vorschriften über den Jugendschutz (vgl. hierzu BGH a.a.O.) bei weitem nicht zu vergleichen. Bei der Auferlegung von wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten darf im Übrigen nicht unberücksichtigt bleiben, dass angesichts der bereits angesprochenen Vielzahl von in Betracht kommenden Gesetzesverstößen die Gefahr besteht, den Sicherungspflichtigen zu überfordern, wenn von ihm in Bezug auf alle diese Verstöße weitgehende Maßnahmen zu deren Verhinderung verlangt würden.

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte trifft die Antragsgegnerinnen nach Auffassung des erkennenden Senats zwar im vorliegenden Fall eine gewisse Pflicht zur Eindämmung von Verstößen gegen § 5 I TMG. An Art und Intensität der hierzu erforderlichen Maßnahmen sind jedoch keine allzu hohen Anforderungen zu stellen.

Impressumsverstößen der in Rede stehenden Art kann zum einen etwa dadurch entgegengewirkt werden, dass die gewerblichen Anzeigenkunden vor Abgabe ihres Anzeigenauftrags in geeigneter Form über die Impressumspflicht belehrt, zur Preisgabe der Gewerblichkeit ihres Angebots bei der Anmeldung nachdrücklich angehalten und in diesem Fall zur Angabe ihres Namens und ihrer Anschrift gezwungen werden. Derartige Maßnahmen der „Vorsorge“ können Impressumsverstöße wtrp zwar nur in begrenztem Umfang verhindern; sie sind dafür aber mit verhältnismäßig geringem Aufwand verbunden. Zum andern können die erschienenen Anzeigen darauf untersucht werden, ob sie Anhaltspunkte für ein geschäftliches Angebot enthalten. Solche Maßnahmen der „Nachsorge“ versprechen einen höheren Erfolg, erfordern aber einen deutlich höheren Aufwand. Die in Betracht kommenden Sicherungsmaßnahmen stehen dabei in einer Wechselwirkung. So erscheint es einerseits denkbar, dass die Antragsgegnerinnen im vorliegenden Fall ihrer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht – an die aus den genannten Gründen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind – bereits durch effektive Maßnahmen im Bereich der „Vorsorge“ ausreichend nachkommen.

Andererseits können sie sich nicht mit Erfolg auf den großen Aufwand von Maßnahmen der „Nachsorge“ berufen, wenn sie geeignete Maßnahmen der „Vorsorge“ gänzlich unterlassen. 

Angesichts der Vielfältigkeit der in Betracht kommenden Sicherungsmaßnahmen, unter denen die Antragsgegnerinnen zudem wählen können, können den Antragsgegnerinnen im Rahmen eines Unterlassungstitels keine Vorgaben dazu gemacht werden, wie sie die erforderlichen Maßnahmen zu gestalten haben. Die Prüfung des Senats kann sich vielmehr nur darauf beschränken, ob das bisherige Verhalten der Antragsgegnerinnen den zu stellenden Anforderungen gerecht werden. Ist das nicht der Fall, kann sich auch ein Unterlassungstitel nur auf das Verbot dieses Verhaltens richten; dem hat der Antragstellervertreter mit dem zuletzt gestellten Unterlassungsantrag Rechnung getragen.

Die Antragsgegnerinnen sind bisher der sie treffenden Verkehrspflicht im Hinblick auf die Eindämmung von Verstößen gegen § 5 I TMG nicht nachgekommen. Sowohl die als Anlage AS 31 vorgelegte Anmeldemaske als auch die Nutzungsbedingungen (Anlage AS 32) lassen sämtliche Hinweise und Maßnahmen, die nach den obigen Ausführungen im Bereich der „Vorsorge“ zur Einhaltung der Impressumspflicht durch gewerbliche Anzeigenkunden beitragen könnten, vermissen.

Auch im Bereich der „Nachsorge“ haben die Antragsgegnerinnen selbst keinerlei Kontrollmaßnahmen ergriffen.

Den Antragsgegnerinnen war daher antragsgemäß ihr bisheriges Verhalten zu untersagen. Zur Klarstellung des Verbotsumfangs ist darauf hinzuweisen, dass die Antragsgegnerinnen dem vom Senat erlassenen Unterlassungstitel mit jeder ernsthaften, zur Eindämmung von Impressumsverstößen geeigneten Maßnahme im Bereich der „Vorsorge“ oder der „Nachsorge“ nachkommen können. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie hiermit auch den materiellrechtlichen Anforderungen an die sie treffende Verkehrspflicht gerecht werden; diese Frage müsste gegebenenfalls in einem neuen Erkenntnisverfahren geklärt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin den Eilantrag gegen die Antragsgegnerin zu 3) insgesamt zurückgenommen und das Eilbegehren gegen die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) zu einem erheblichen Teil nicht mehr weiter verfolgt hat. Der in erster Instanz gestellte und der in der Berufung angekündigte Hauptantrag waren nämlich darauf gerichtet, die Antragsgegnerinnen in jedem Fall, also unabhängig von etwaigen Maßnahmen der „Vorsorge“, zu bestimmten Maßnahmen im Bereich der „Nachsorge“ zu veranlassen; die Möglichkeit, dem Unterlassungsverlangen auch durch eine Änderung des Verhaltens im Bereich der „Vorsorge“ nachzukommen, ist den Antragsgegnerinnen erst durch den in der Berufung angekündigten Hilfsantrag eröffnet worden.

(Unterschriften)