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Identifizierende Berichterstattung über einen Straftäter - OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.12.2009, Az.: 4 U 1546/08

Leitsätzliches

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verdient lediglich die tagesaktuelle Berichterstattung über Straftaten im allgemeinen den Vorrang, wägt man das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung gegen den damit zwangsläufig verbundenen Einbruch in den Persönlichkeitsbereich des Täters ab. Auch in Fällen der kleinen Kriminalität ist die tagesaktuelle Namensnennung, Abbildung oder sonstige Identifizierung des Täters zulässig, sofern das an sich geringe Interesse der Öffentlichkeit über leichte Verfehlungen im Einzelfall durch Besonderheiten etwa in der Person des Täters oder des Tathergangs aufgewogen wird. Mit zunehmender zeitlicher Distanz zur Straftat gewinnt demgegenüber das Interesse des Täters, vor einer Reaktualisierung seiner Verfehlung verschont zu bleiben, immer mehr Bedeutung.

OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 4 U 1546/08

Entscheidung vom 15. Dezember 2009

In dem Rechtsstreit

...,

- Klägers -

gegen

...,

- Beklagte -

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe aufgrund der mündlichen Verhandlung vom ...2009 durch die Richter ..., ... und ... für Recht erkannt:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilanerkenntnis- und Schlussurteil des Landgerichts Koblenz vom 14. November 2008 teilweise dahin abgeändert, dass die Verurteilung zur Zahlung von 4.000,- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.06.2008 entfällt. Auch insoweit wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin und die Beklagte zu je 1/2. Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 2/5, die Beklagte zu 3/5.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, die Zeitschriften verlegt, die Unterlassung einer Bild- und Wortberichterstattung sowie Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte.

In den Jahren 2003/2004 beging die Klägerin einen „Scheidungsbetrug“. Sie stellte bei dem Amtsgericht Bückeburg einen Scheidungsantrag gegen ihren damaligen Ehemann. Dieser erlangte von dem Scheidungsantrag zunächst keine Kenntnis, weil die Klägerin zugestellte Schriftstücke abfing und unter dem Namen ihres Ehemannes der Scheidung zustimmte. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.05.2004 erschien die Klägerin in Begleitung eines Mannes, der sich als ihr Ehemann (Beklagter des Scheidungsverfahrens) ausgab. In diesem Termin erging ein Scheidungsurteil, das die Klägerin anlässlich der Zustellung ebenfalls abfing.

Anschließend heiratete die Klägerin ein weiteres Mal.

In einem Strafverfahren wurde die Klägerin aufgrund dieses Sachverhalts wegen Betruges und Urkundenfälschung zu acht Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zusätzlich musste sie einen Betrag von 1.800,- Euro bezahlen. Über den vorgenannten Sachverhalt wurde im Sommer 2006 in verschiedenen Medien berichtet.

Die Beklagte ist Verlegerin der wöchentlich erscheinenden Zeitschrift „...“.

In der Ausgabe Nr. 2/2007 vom 03.01.2007 druckte die Beklagte im Innenteil der Zeitschrift auf Seite 28 ohne Einwilligung der Klägerin einen Beitrag ab, der sich in Wort und Bild mit dem vorstehend geschilderten Sachverhalt befasst. In der Folgezeit autorisierte die Klägerin selbst in vergleichbaren Zeitschriften identifizierende Berichterstattungen.

Die Klägerin ist der Auffassung, die von der Beklagten vorgenommene Veröffentlichung ihres nicht anonymisierten Bildnisses und die Nennung ihres Namens verletze ihre Persönlichkeitsrechte, zumal unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutzes von Ehe und Familie.

Die Klägerin hat beantragt,

I. der Beklagten bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchsten 250.000,- Euro; Ordnungshaft insge-samt höchstens 2 Jahre) zu verbieten,

1. das in „...“ Nr. 2/2007 vom 03.01.2007 auf Seite 28 veröffentlichte Bildnis der Klägerin erneut zu veröffentlichen,

2. in Bezug auf die Klägerin zu behaupten und /oder zu verbreiten bzw. behaupten und/oder verbreiten zu lassen: „Die Scheidung, die A... bewirkt hatte, wurde zurückgenommen. Auch ihre Ehe mit H... wurde für ungültig erklärt.“,

3. im Zusammenhang mit einer Berichterstattung über das gegen Frau A... E..., geschiedene F..., ergangene Strafurteil und das von ihr veranlasste Scheidungsurteil in der Art und Weise zu berichten, dass eine Identifikation der Klägerin möglich ist durch:

a) H...-J... F... (44) wurde geschieden, ohne etwas davon zu wissen: seine eigene Frau A... (48) hatte heimlich die Scheidung eingefädelt - sie wollte frei für ihren Geliebten sein. Sie fälschte die Unterschrift ihres Mannes und ging mit einem Fremden zum Scheidungsrichter.“

b) „H...-J... F... (43) hat seine Frau A... (48) immer geliebt. 10 Jahre war er mit ihr verheiratet, die beiden haben 3 gemeinsame Kinder. Aber nun ist das Eheglück zerbrochen: A... hatte sich in einen anderen Mann verliebt und sich heimlich scheiden lassen - ohne dass H...-J... F... davon etwas ahnte.“

c) „Scheidungs-Schwindlerin A... mit ihrem neuen Lebensgefährten H....“

d) „Als Fernfahrer war H...-J... F... beruflich viel unterwegs. Und da verliebte seine Frau sich in H... (45), seinen besten Freund. Doch statt das zu beichten, bereitete A... von langer Hand die Scheidung vor: Skrupellos setzte sie heimlich Schriftstücke im Namen ihres Mannes auf und fälschte seine Unterschrift. Eiskalt behauptete sie, dass er mit der Scheidung einverstanden sei. Und die Gerichtspost die an ihren Mann gerichtet war, ließ sie klammheimlich verschwinden.“

e) „So nahm das Scheidungsverfahren seinen Lauf - ohne dass H...-J... F... davon wusste. Und wenn er nach seinen langen Fahrten nach Hause kam, spielte A... ihm die liebende Ehefrau vor.“

f) „Am 26.05.2005 - ihr Mann war wieder mal auf Fahrt - trat A... F... vor die Scheidungsrichterin.“

g) „Und so waren die F...s in wenigen Minuten geschiedene Leute.“

h) „Ende 2005 wurde das erschlichene Urteil rechtskräftig und erst da erfuhr H...-J... F... davon: „Meine Frau präsentierte mir aus heiterem Himmel heraus einen Umschlag. Darin lag unser Scheidungsurteil. Mir blieb vor Schreck die Spucke weg. Und dann erfuhr ich, dass A... inzwischen schon meinen besten Freund geheiratet hatte.“ Kurze Zeit später der nächste Schock: „Meine Frau hatte auch noch mein Konto leer geräumt und mich aus unserer Wohnung ausquartiert.“ Da platzte H...-J... F... der Kragen.“

i) „Nun stand die untreue Ehefrau wieder vor Gericht - wegen Betruges und Urkundenfälschung. Sie musste alles gestehen, wurde zu 8 Monaten Haft auf Bewährung und 1.800,- Euro Geldstrafe verurteilt.“

j) „Die Scheidung, die A... bewirkt hatte, wurde zurückgenommen. Auch ihre Ehe mit H... wurde für ungültig erklärt.“

k) „Aber dafür hat nun H...-J... F... die Scheidung eingereicht. Er ist von seiner A... bitter enttäuscht ...“

- Äußerungen wie im Urteilstenor zu I. 1. bis I. 3. erkannt - ,

II. die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.000,- Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat den Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Klageanträge zu I. 2 und 3 f) vollständig und hinsichtlich der Anträge zu I. 3 h) und 3 k) teilweise anerkannt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage -soweit nicht anerkannt - abzuweisen und der Klägerin auch hinsichtlich des anerkannten Klageanspruchs die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die von der Klägerin beanstandete Berichterstattung sei auch ohne deren Einwilligung mit Bild- und Namensnennung zulässig.

Das Landgericht hat dem Unterlassungsantrag durch Teilanerkenntnis- und Schlussurteil voll und dem Zahlungsantrag teilweise (in Höhe von 4.000,- €) stattgegeben. Die Klägerin könne von der Beklagten gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1, 2 BGB analog in Verbindung mit §§ 22, 23 Kunsturhebergesetz (KUG) bzw. in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG Unterlassung der in dem beanstandeten Beitrag enthaltenen, identifizierenden Wort- und Bildberichterstattung verlangen. Nach dem abgestuften Schutzkonzept, das die Rechtsprechung aus §§ 22, 23 KUG entwickelt habe (vgl. BGH, NJW 2008, 3141 - Villa in Kenia) dürften Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet werden (§ 22 KUG). Hiervon mache § 23 Abs. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handele. Eine Abbildung sei jedoch auch bei Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte nicht zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt werde (§ 23 Abs. 2 KUG). Insoweit gelte für die Wortberichterstattung letztlich das Gleiche. Vorliegend würden nach Abwägung aller Umstände die berechtigten Interessen der Klägerin durch den beanstandeten Artikel verletzt. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit habe insbesondere auch wegen des eingetretenen Zeitablaufs hinter dem berechtigten Interesse der Klägerin an der Wahrung ihrer Anonymität zurückzustehen.

Daneben stehe der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 4.000,- Euro zu, da es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin handele (§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG). Die Klägerin werde durch die beanstandete Berichterstattung an den Pranger gestellt.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen die erfolgte Verurteilung, soweit sie nicht auf dem abgegebenen Anerkenntnis beruht.

Die Beklagte meint, ein über das Anerkenntnis hinausgehender Unterlassungsanspruch bestehe nicht. Die Klägerin sei eine relative Person der Zeitgeschichte. Sie, die Beklagte, habe dementsprechend wahrheitsgemäß über ein Ereignis der Zeitgeschichte berichtet. Eine identifizierende Berichterstattung sei im Grundsatz immer dann zulässig, wenn sich die Straftat - wie hier - aus dem Alltäglichen heraushebe. Nach der Rechtsprechung des Landgerichts sei demgegenüber eine identifizierende Berichterstattung nur bei Prominenten möglich. Dies widerspreche eklatant der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Ihre Berichterstattung habe auch einen ausreichenden Aktualitätsbezug. Die erstinstanzliche strafrechtliche Verurteilung habe im Zeitpunkt ihrer Berichterstattung noch nicht einmal ein halbes Jahr zurück gelegen. Die Bewährungszeit sei noch nicht abgelaufen gewesen. Im Zeitpunkt ihrer Berichterstattung sei die Tat noch nicht einmal ein halbes Jahr in der Öffentlichkeit bekannt gewesen.

Schließlich sei die Wiederholungsgefahr entfallen, da die Klägerin selbst zu einem späteren Zeitpunkt einer identifizierenden Veröffentlichung zugestimmt habe. Eine einmal entfallende Wiederholungsgefahr könne aber nicht wieder aufleben.

Selbst wenn ihre Berichterstattung rechtswidrig gewesen sei, könne sie jedenfalls keine Geldentschädigung auslösen, da sie im Kern wahrheitsgemäß gewesen sei und sich über einen zeitgeschichtlichen Vorgang verhalten habe. Die Schwelle zu einer Geldentschädigung sei nur bei ganz besonders schwer wiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen überschritten. Hierfür liege kein tragfähiger Grund vor. Entscheidend sei insofern auch, dass die Klägerin durch ihr Verhalten das Interesse der Öffentlichkeit selbst auf sich gelenkt habe und schon deswegen eine Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts hinnehmen müsse. Auch das Landgericht gehe davon aus, dass eine identifizierende Berichterstattung im aktuellen Zusammenhang möglich gewesen wäre. Dann könne aber eine Berichterstattung sechs Monate später jedenfalls keine Geldentschädigung mehr auslösen. Dass die Klägerin später selbst Zeitschriftenbeiträge mit identifizierender Berichterstattung autorisiert habe, zeige, dass kein unabwendbares Bedürfnis einer Geldentschädigung bestehe.

Die Beklagte beantragt daher,

die Klage in Abänderung des Urteils des Landgerichts Koblenz vom 14.11.2008 abzuweisen, soweit sie nicht anerkannt wurde.

Hilfsweise erklärt die Beklagte die Aufrechnung mit einem abgetretenen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 603,93 €.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Beklagte habe vorsätzlich falsch, ehrabschneidend und rufschädigend über sie berichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.

II.
Die Beklagte hat mit ihrer Berufung keinen Erfolg, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung zur Unterlassung richtet (siehe unten 1.). Die Berufung ist indes zulässig und begründet, soweit sie die Verurteilung zur Bezahlung einer Geldentschädigung angreift (siehe unten 2.).

1. Der ausgeurteilte Unterlassungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus den §§ 1004, 823 Abs. 1, 2 BGB analog in Verbindung mit §§ 22,23 KUG bzw. in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG.

Entgegen der Ansicht der Berufung hat das Landgericht die im Rahmen dieser Vorschriften vorzunehmende Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange rechtsfehlerfrei durchgeführt. Es ist keineswegs so - wie die Berufung meint - dass eine identifizierende Berichterstattung im Grundsatz immer zulässig ist, wenn sich die Umstände der Straftat aus dem Alltäglichen herausheben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verdient lediglich die tagesaktuelle Berichterstattung über Straftaten im allgemeinen den Vorrang, wägt man das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung gegen den damit zwangsläufig verbundenen Einbruch in den Persönlichkeitsbereich des Täters ab (BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 2009 -1 BvR 1107/09 - Tz. 19 mit weiteren Hinweisen). Auch in Fällen der kleinen Kriminalität ist die tagesaktuelle Namensnennung, Abbildung oder sonstige Identifizierung des Täters zulässig, sofern das an sich geringe Interesse der Öffentlichkeit über leichte Verfehlungen im Einzelfall durch Besonderheiten etwa in der Person des Täters oder des Tathergangs aufgewogen wird. Mit zunehmender zeitlicher Distanz zur Straftat gewinnt demgegenüber das Interesse des Täters, vor einer Reaktualisierung seiner Verfehlung verschont zu bleiben, immer mehr Bedeutung (vgl. BVerfG, a.a.O., Tz. 20, 21; BGH, Urteil vom 15.11.2005 - VI ZR 287/04, Tz. 14).

Bei dem „Scheidungsbetrug“ der Klägerin handelt es sich um eine Straftat aus dem Bereich der Kleinkriminalität. In Anbetracht der hohen Außergewöhnlichkeit der Tat spricht vorliegend unter Beachtung der aufgezeigten Grundsätze zwar vieles dafür, dass eine tagesaktuelle identifizierende Berichterstattung zulässig gewesen wäre. Diese Frage kann aber letztlich dahinstehen. Infolge des zwischenzeitlich eingetretenen mehrmonatigen Zeitablaufs war die streitgegenständliche Berichterstattung der Beklagten jedenfalls nicht mehr rechtmäßig. Dies hat auch das Landgericht unter zutreffender Würdigung aller Umstände des Einzelfalles erkannt und hat daher dem Unterlassungsantrag zu Recht stattgegeben.

Der Einwand der Berufung, nach der Argumentation des Landgerichts dürfe überhaupt nur dann in identifizierender Weise über Straftaten berichtet werden, wenn es sich um einen prominenten Täter handele, verfängt nicht. Nach den dargelegten, auch vom Landgericht angewandten Grundsätzen kann eine identifizierende Berichterstattung über nicht bekannte Täter durchaus zulässig sein.

Die Tatsache, dass die Klägerin zwischenzeitlich selbst an die Öffentlichkeit getreten ist und sich in von ihr autorisierten Zeitschriftenbeiträgen selbst identifiziert hat, steht dem Unterlassungsanspruch ebenfalls nicht entgegen. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht darauf abgestellt, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein vorübergehendes berechtigtes Berichtsinteresse der Beklagten an einer Identifizierung der Klägerin jedenfalls erneut entfallen war. Das von der Berufung zitierte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19.10.2004 - VI ZR 292/03 - steht dieser Annahme nicht entgegen. Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, dass eine zwischenzeitlich entfallene Wiederholungsgefahr nicht wieder aufleben kann. In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil hat das Bundesverfassungsgericht vielmehr ausgeführt: "Dem verbleibenden Gewicht der Belange des Persönlichkeitsschutzes der Beschwerdeführerin ist hinreichend Rechnung getragen, indem die Gerichte eine Befugnis zur erneuten Veröffentlichung dieser Lichtbilder von dem Fortbestehen eines aktuellen Informationsinteresses der Öffentlichkeit an der Krise der Ehe des Partners der Beschwerdeführerin mit seiner prominenten Gattin abhängig gemacht haben. ... Es bleibt der Beschwerdeführerin daher unbenommen, einer Verbreitung von Abbildungen entgegenzutreten, mit der diese zeitlichen ... Grenzen überschritten werden" (BVerfG, Beschluss vom 31.8.2006 -1 BvR 2606/04 - Tz. 36). Da die Rechtmäßigkeit einer Berichterstattung im engen Zusammenhang mit dem aktuellen Informationsinteresse der Öffentlichkeit steht, kann die Wiederholungsgefahr folglich bei Wegfall der Aktualität durchaus wieder aufleben. Eine erneute Erstbegehungsgefahr ist für den Unterlassungsanspruch hierbei nicht erforderlich.

2. Ein Geldentschädigungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte in Höhe von 4.000,- EUR besteht demgegenüber nicht. Er ergibt sich insbesondere nicht aus § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG.

Zwar hat das Landgericht zutreffend festgestellt, dass die beanstandete Berichterstattung der Beklagten das Persönlichkeitsrecht der Klägerin rechtswidrig verletzt hat (s.o. unter II.1.). Allerdings löst nicht jede rechtswidrige und schuldhafte Verletzung des Persönlichkeitsrechts und des Rechts am eigenen Bild einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens aus. Nur unter bestimmten erschwerenden Voraussetzungen ist das unabweisbare Bedürfnis anzuerkennen, dem Betroffenen wenigstens einen gewissen Ausgleich für ideelle Beeinträchtigungen durch Zubilligung einer Geldentschädigung zu gewähren. Das ist nur der Fall, wenn die Verletzung aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls als schwer anzusehen ist. Hierbei sind insbesondere die Art und Schwere der zugeführten Beeinträchtigung, die Nachhaltigkeit der Rufschädigung, der Grad des Verschuldens sowie Anlass und Beweggrund des Handelns zu berücksichtigen.

Vorliegend hat das Landgericht alle maßgeblichen Abwägungsgesichtspunkte erkannt. Dabei hat es jedoch einzelnen Gesichtspunkten nicht die Bedeutung beigemessen, die ihnen nach Ansicht des Senats zukommt. Bei richtiger Gewichtung aller Gesichtspunkte liegt im Ergebnis keine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts und des Rechts am eigenen Bild vor, die einen Geldentschädigungsanspruch rechtfertigt.

Die geforderte besondere Schwere des Eingriffs wird nicht etwa dadurch begründet, dass die Klägerin - wie vom Landgericht ausgeführt - durch die streitgegenständliche, bewusste Berichterstattung ohne Aktualitätsbezug vor einer breiten Öffentlichkeit an den Pranger gestellt worden ist. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Berichterstattung im Kern wahre Tatsachen wiedergibt (vgl. insoweit auch OLG Frankfurt, NJW-RR 2007, 1115 ff.; Thüringer Oberlandesgericht, OLG- NL 2005,171 ff.; OLG Celle, NJW-RR 2001, 335 ff.). Eine völlig ungerechtfertigte Falschverurteilung ergibt der Bericht nicht. Insgesamt wird von dem Artikel kein in jeder Hinsicht falsches Bild von der Klägerin vermittelt. In der Abwägung muss auch verstärkt berücksichtigt werden, dass die Beklagte durch die Aufsehen erregende Straftat selbst Anlass zu der Berichterstattung gegeben hat. Hinzu kommt, dass die Klägerin aufgrund der im Sommer 2006 erfolgten Berichterstattung bereits in einem gewissen Umfang identifizierbar gewesen ist und im Anschluss an die streitbefangene Veröffentlichung selbst identifizierende Beiträge in vergleichbaren Zeitschriften autorisiert hat. Diese Gesichtspunkte führen bei richtiger Gewichtung in der Abwägung mit allen übrigen Umständen dazu, dass im Ergebnis eine schwere Persönlichkeitsverletzung nicht vorliegt. Eine Entschädigung der Klägerin in Geld kommt somit nicht in Betracht. Über die hilfsweise von der Beklagten geltend gemachte Aufrechnung war daher mangels Bedingungseintritt nicht zu entscheiden.

Nach alldem hat die Berufung der Beklagten nur Erfolg, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung zur Bezahlung einer Geldentschädigung richtet. Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,- € festgesetzt. Der Unterlassungsanspruch ist nur insoweit Gegenstand des Berufungsverfahrens, als er im erstinstanzlichen Verfahren nicht anerkannt wurde. Der Senat bemisst den Wert des berufungsgegenständlichen Unterlassungsanspruchs mit 6.000,- €. Hinzu kommt der Geldentschädigungsanspruch in Höhe von 4.000,- €. Die nur hilfsweise geltend gemachte

Aufrechnung wirkt nicht streitwerterhöhend, da über sie keine Entscheidung ergangen ist (§ 45 Abs. 3 GKG).

(Unterschriften)