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Es bleibt dabei - Kein Porsche für € 5,50 bei eBay! - OLG Koblenz, Beschluss vom 03.06.2009, Az.: 5 U 429/09

Leitsätzliches

Grundsätzlich kann sich ein Verkäufer von seinem bei Ebay eingestellten Angebot nur lösen, wenn ihm ein Anfechtungs- oder Rücktrittsrecht zusteht. Löst sich der Verkäufer sich unberechtigt von seinem Angebot, hat der zu diesem Zeitpunkt Höchstbietende grundsätzlich einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Kaufgegenstandes gegen Zahlung des Höchstgebotes. Etwas anderes kann sich nur in krassen Ausnahmesituationen ergeben, wenn sich die Inanspruchnahme des Verkäufers als eine offentlich unzulässige Rechtsausübung darstellt, weil sich das tatsächliche Geschehen außerhalb der von beiden Beteiligten erkennbaren Risiken und Chancen bewegt.

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

HINWEISBESCHLUSS

NACH § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO

Aktenzeichen: 5 U 429/09

Entscheidung vom 3. Juni 2009

 
In dem Rechtsstreit

des Herrn ...

- Kläger und Berufungskläger -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...

gegen

Herrn ...

- Beklagter und Berufungsbeklagter -

Prozessbevollmächtigte: ... Rechtsanwälte

wegen Forderung

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichtes Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kaltenbach, sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Menzel und Goebel

am 03. Juni 2009 einstimmig beschlossen:

1.) Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beab­sichtigt, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.

2.) Den Parteien wird Gelegenheit gegeben, zu dem gericht­lichen Hinweis bis zum 25. Juni 2009 Stellung zu nehmen.

Gründe

Die Berufung hat aus den nachstehend dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg. Eine Entscheidung des Berufungsgerichtes nach § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 ZPO ist nicht erforderlich.

Das Landgericht geht zu Recht davon aus, dass dem Schadensersatzanspruch des Klägers der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB entgegensteht. Zur Vermeidung von Wie­der­holungen kann auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen werden. Die da­gegen ge­richteten Angriffe der Berufung vermögen nicht zu über­zeugen.

1.

Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass zwischen dem Kläger und dem Beklagten ein Kaufvertrag zustande gekommen ist und der Beklagte dem Kläger dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet ist.

Der Auffassung des Beklagten, ein Vertrag komme nur zustande, wenn auch die ursprünglich vorgesehene Bietezeit, hier von 10 Tagen, abgelaufen ist, vermag der Senat nicht beizutreten. In diesem Fall wäre der Bieter gerade der Willkür des Anbieters, der die Auktion dann jederzeit vor Ablauf der Bietezeit ohne nachteilige Rechtsfolge abbrechen könnte, ausgeliefert. Dafür bleibt unerheblich, wann der Anbieter die Auktion abbricht, weil es auch willkürlich wäre, den sehr kurzfristigen Abbruch zuzulassen, weil dem Anbieter ein ihm attraktiv erscheinendes Angebot außerhalb der Internetplattform vorliegt.

Der Beklagte konnte sich durch den Abbruch der Auktion mithin nur dann von seiner Angebotserklärung lösen, wenn ihm ein Anfechtungsgrund zur Seite stand.

Ein solcher Anfechtungsgrund ist nicht substantiiert dargetan. Der Beklagte führt hierzu lediglich aus, er habe den Vertrag mit Schreiben vom 15.09.2008 vorsorglich wegen Erklärungsirrtum angefochten (Bl. 15 GA). Worin dieser Erklärungsirrtum bestanden haben soll, wird nicht dargelegt. Auch das Schreiben vom 15.09.2008 (Anlage K6) enthält hierzu keine Begründung. Die Absicht des Beklagten mehr als 5 Bilder einzustellen, nämlich 7 sowie die Vergrößerung der Bilder zuzulassen, begründet jedenfalls keinen Erklärungsirrtum. 

Ausgehend von einem wirksamen Vertragsschluss steht die Pflichtverletzung und der sich daraus ergebende Schadensersatzanspruch des Klägers nicht ernsthaft in Zweifel.

2.

Der Senat vermag sich im Ergebnis der Auffassung des Landgerichtes anschließen, dass das bestehen auf der Durchführung des Vertrages und die daraus folgende Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches im konkreten Einzelfall rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB ist.

Der Einwand des Rechtsmissbrauchs ist eine in Rechtsprechung und Literatur anerkannte Fallgruppe des § 242 BGB, die von den Gerichten von Amts wegen zu berücksichtigen ist (BGHZ 12, 164 ff.; OLG München v. 15.11.2002 – 19 W 2631/02 – Online-Ticket). Dies zieht auch der Kläger nicht in Zweifel. Dass damit Wertungsfragen einhergehen, die wiederum zu Rechtsunsicherheit führen können, liegt in der Natur der Sache. Deshalb muss die Anwendung auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor.

Grundsätzlich kommt die Annahme einer unangemessenen Benachteilung des Anbieters und Verkäufers nur in krassen Ausnahmefällen in Betracht. Der Anbieter ist nämlich grundsätzlich durch die Möglichkeit der Angabe eines Mindestgebotes, der Größe der Bietschritte sowie der Bietezeit in der Lage, sein Risiko zu begrenzen. Nutzt er dies nicht, muss er sich an der Folge grundsätzlich festhalten lassen. Dies kann allerdings uneingeschränkt nur dann gelten, wenn die Auktion auch tatsächlich bis zum Ende der Bietezeit durchgeführt wurde und der Anbieter die Chancen eines niedrigen Startpreises insoweit genutzt hat und damit auch die Risken tragen muss. Diese – vom vorliegenden abweichende - Konstellation lag der Entscheidung des OLG Köln vom 08.12.2006 (19 U  109/06 = OLGR Köln 2007, 565 = MMR 2007, 446 = CR 2007, 598) zugrunde.

Wurde aber die Auktion vorzeitig abgebrochen, muss der konkrete Einzelfall betrachtet werden. Dabei ist von besonderem Gewicht, ob sich die wesentliche Begründung, um den Anbieter an seinem Angebot festzuhalten, den Bieter nicht seiner Willkür auszusetzen, sich im konkreten Einzelfall realisiert. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Unabhängig davon nach wie vielen Minuten der Beklagte die Auktion abgebrochen hat, handelte es sich jedenfalls um einen kurzen Zeitraum. Es liegt deshalb fern, dass der Beklagte sich gerade dem Gebot des Klägers entziehen wollte. Eine willkürliche Vorgehensweise des Beklagten bei einem gleichzeitig besonderen Schutzbedürfnis des Klägers vermag der Senat deshalb nicht zu erkennen. Es ist auch nicht erkennbar, dass dem Beklagten ein Abbruch der Auktion möglich gewesen wäre, noch bevor ein Angebot abgegeben wurde. Letztlich hatte der Beklagte aufgrund der Regelung in § 10 Nr. 6 AGB auch nicht die Möglichkeit durch eigene Gebote unter einem anderen Namen oder durch Einschaltung eines Dritten die aus seiner Sicht nachteilige Folge einer unzureichenden und nicht zu vergrößernden Anzahl von Bildern auszugleichen. Für den Kläger streitet allein, dass der Beklagte dem Kläger in diesem Zeitrahmen einen Hinweis darauf hätte geben können, dass er die Auktion abgebrochen und zugleich neu eingestellt (Anlage K 9 = Bl. 29 G
A) hat, so dass diesem die Option eines erneuten Gebotes eröffnet hätte. Dies für sich allein lässt jedoch den Einwand des      § 242 BGB nicht entfallen. 

Nicht ernsthaft zu bestreiten und als gerichtsbekannt zu unterstellen ist, dass sich ein Kaufpreis von 5,50 EUR bei einem vom Kläger selbst angegebenen Wert des Fahrzeuges von zumindest 75.005,50 EUR nicht mehr im Bereich eines „Schnäppchens“, d.h. eines besonders günstigen aber doch noch im erwartbaren Rahmen liegenden Preises, bewegt. Vielmehr liegt ein nur noch als extrem zu bezeichnendes Missverhältnis zwischen dem gebotenen Preis und dem Wert der Sache vor. Dies ist jedem verständigen Betrachter auch ohne weiteres nachvollziehbar. Unwidersprochen und letztlich durch die von dem Kläger selbst vorgelegten Unterlagen belegt ist auch der Umstand, dass bei der Durchführung der Auktion über die gesamte Bietezeit ein Erlös erzielt worden wäre, der das Höchstgebot des Klägers von 5,50 EUR und auch sein Maximalgebot von 1.100,00 EUR bei weitem überschritten hätte. Hierbei handelt es sich – anders als Kläger vorträgt – auch nicht um eine hypothetische Annahme. Vielmehr hat der Beklagte das Fahrzeug sofort erneut eingestellt und 10 Tage später einen Erlös von 73.450,00 EUR erzielt. Der Kläger selbst hat das Ergebnis dieser Auktion als Anlage K 9 (Bl. 29 GA) vorgelegt.

Zu dem gleichen Ergebnis führt auch eine andere Überlegung: Hätte der Beklagte für den Kaufgegenstand im Wert von rund 75.000 EUR einen Preis von 5,50 EUR in einem Internetportal angegeben, wäre nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen, dass er diese Erklärung wegen eines Erklärungsirrtums hätte anfechten können, ein Erklärungsirrtum, der ohne Zweifel auf der Hand gelegen hätte (vgl., zu einem ähnlichen Fall OLG Stuttgart v. 10.08.2006 – 12 U 91/06 = OLGR 2007, 360)   

Die zitierte Entscheidung des OLG Köln vom 08.12.2006 steht der vorstehenden Wertung nicht entgegen. Es handelt sich um eine abweichende Fallkonstellation. Dort war der Anbieter auf seinen Fehler im Angebot aufmerksam gemacht worden, bevor noch ein Angebot abgegeben wurde. Gleichwohl hat er nichts unternommen. Das OLG Köln hat dem dortigen Beklagten gerade vorgeworfen, dass er die Auktion nicht vorzeitig abgebrochen hat.

Die Entscheidung des LG Berlin vom 16.04.2004 (36 O 488/03) steht dem nicht entgegen, da es dort um eine andere Fallkonstellation ging, nämlich einen Sofortkauf.

Die in der Berufungsschrift angeführte Entscheidung des LG Bonn vom 12.11.2004 (1 O 307/04) steht den vorliegenden Hinweisen ebenfalls nicht entgegen. Die von der Berufung zitierten Aussagen sind nicht im Zusammenhang mit dem in dieser Entscheidung nicht behandelten § 242 BGB getroffen worden, sondern im Hinblick auf die Frage, ob der angenommene Kaufvertrag nach § 138 BGB sittenwidrig ist. Diese Frage steht wiederum hier nicht im Raum.

3.

Nach den vorstehenden Ausführungen bietet die Berufung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Eine Entscheidung des Berufungsgerichtes ist nach Auffassung des Senates unter Berücksichtigung der in § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 ZPO genannten Gründe nicht erforderlich. Die Kategorie des Rechtsmissbrauches ist zu § 242 BGB in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall begründet keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung. Hiervon gehen offensichtlich auch die Parteien aus, da sie in erster Instanz nicht beantragt haben, die Sache wegen grundsätzlicher Bedeutung vom Einzelrichter auf die Kammer zu übertragen. Eine Divergenz zu anderen Entscheidungen liegt wie dargestellt nicht vor, da diesen abweichende Fallkonstellationen zugrunde lagen.

Vor diesem Hintergrund beabsichtigt der Senat die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Zuvor wird den Parteien Gelegenheit gegeben zu den vorstehenden Ausführungen bis zum 25.06.2009 Stellung zu nehmen, ggf. unter Kostengesichtspunkten prozessuale Konsequenzen aus dem Hinweis zu ziehen.

(Unterschriften)