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Dämliches Stück Hirn-Vakuum ist Persönlichkeitsrechtsverletzung und Schmähkritik - OLG Stuttgart, Urt. v. 29. November 2023; Az.: 4 U 58/23

Leitsätzliches

1. Die Bezeichnung „dämliches Stück Hirn-Vakuum“ in Bezug auf eine Politikerin ist als Schmähkritik unzulässig. Hiermit wird die von der Äußerung betroffene Person als dumme und hirnlose Politikerin charakterisiert, die aus der Politik verschwinden soll („abtauchen“). Es handelt sich um eine Äußerung, die auch durch die zusätzliche Verwendung des Begriffs „Stück“ (konkret dämliches Stück Hirn-Vakuum) eine die Person abwertende und diffamierende Komponente enthält, weil ein Mensch (oder dessen Teile) nicht als Stück bezeichnet wird, da ihm damit jede persönliche Würde abgesprochen wird (Art. 1 GG).
2. Die Aussage „Soll einfach abtauchen und die Sozialschulden ihrer Familie begleichen“ ist ebenfalls eine Schmähkritik. Sie enthält eine Herabsetzung von Immigranten, bei denen eine Pflicht zur Begleichung ihrer Schulden bestehen soll. Mit der Aussage, dass die Klägerin abtauchen soll, wird dieser angesonnen, zu verschwinden oder abzuhauen und den Mund zu halten. Sie wird darüber hinaus noch für Schulden ihrer Familie verantwortlich gemacht.

OBERLANDESGERICHT Stuttgart

4. Zivilsenat

Im Namen des Volkes

Urteil

Entscheidung vom 29. November 2023
Az.: 4 U 58/23

In Sachen

... gegen ...

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2023 am 29. November 2023 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht ..., Richter am Oberlandesgericht ... Richter am Landgericht ...

für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 22.03.2023 (8 O 85/22) abgeändert:

a. Der Beklagte wird verurteilt, für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen ein Ordnungsgeld in Höhe von 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß über die Klägerin die nachfolgende(n) Behauptung(en) aufzustellen und/oder zu verbreiten und/oder aufstellen und/oder verbreiten zu lassen

„Selten so ein dämliches Stück Hirn-Vakuum in der Politik gesehen wie S... C... . Soll einfach abtauchen und die Sozialschulden Ihrer Familie begleichen“; wenn dies geschieht, wie in F... Post vom 15.11.2020 mit der URL (https://www.f...comment_id=...).

b. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von EUR 540,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.10.2021 zu zahlen.

c. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.    

2. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

4. Das Urteil des Senats und – soweit die Berufung zurückgewiesen wurde – das Urteil des Landgerichts Heilbronn sind vorläufig vollstreckbar.        

Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.        

Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens:      10.000,00 €

Gründe

I.
1.    Die Klägerin verlangt Unterlassung und Geldentschädigung wegen eines Fxxxposts, der auf dem Konto des Beklagten veröffentlicht wurde.
Die Klägerin ist eine deutsche Politikerin, die von Dezember 2016 bis Dezember 2021 Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund und Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales in der Berliner Senatskanzlei war. Zuvor war sie von Januar 2014 bis Dezember 2016 stellvertretende Sprecherin des Auswärtigen Amts und von März 2010 bis Dezember 2013 Grundsatzreferentin für interkulturelle Angelegenheiten in der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport. Sie engagiert sich für junge Muslime und hat 2010 einen Berliner Arbeitskreis gegen Antisemitismus initiiert.
Am 13.11.2020 hat die Klägerin auf Txxx als Reaktion auf einen Beitrag von Dxxx Nxxx, der in seiner Sendung „Nxxx im Ersten“ mit unzutreffenden Tatsachen über ein Buch gesprochen hatte (K 2), folgenden Beitrag veröffentlicht:

„Immer wieder Dxxx #Nxxx: so ignorant, dumm und uninformiert. Er nur Witze auf Kosten von Minderheiten machen. Wie lange will @Axxx das mitmachen? Unabhängig davon: Kauft das Buch von @axxxhxxx und bildet euch antirassistisch. Ich verschenke ein paar davon zu Weihnachten.“

Jxxx Rxxx (CDU-Fraktionsvorsitzender im Landtag von Brandenburg) hat dazu am 15.11.2020 ausgeführt:
„Hat die politische Linke nun endlich einen Vorwand gefunden, einen der wenigen Kabarettisten, der nicht klar links der Mitte steht, vom Sender nehmen zu wollen? Dxxx Nxxx hat einen Fehler gemacht, ok. Er ist dennoch ein meist kluger und oft lustiger Beitrag zur Vielfalt in der Medienlandschaft.“

Auf dem Fxxxkonto des Beklagten wurde dieser Beitrag am gleichen Tag wie folgt kommentiert:
„Selten so ein dämliches Stück Hirn-Vakuum in der Politik gesehen wie Sxxx Cxxx. Soll einfach abtauchen und die Sozialschulden Ihrer Familie begleichen.“

Die Klägerin hat den Beklagten vorgerichtlich abmahnen lassen (Anlagen K 3, K 4). Der Beitrag ist mittlerweile gelöscht.

Zwischen den Parteien besteht Streit, ob

  • der Beklagte Urheber des Fxxxposts ist,
  • die Klägerin insoweit Unterlassung verlangen kann, weil es sich um eine Schmähkritik beziehungsweise eine üble Nachrede handelt,
  • insoweit ein Anspruch auf Geldentschädigung besteht.


2.    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Frage der Urheberschaft sei nicht entscheidend, wobei der Vortrag des Beklag-ten keine ernstlichen Zweifel wecken könne.
Die Äußerung sei noch von der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) gedeckt. Die Äußerungen seien als Werturteile zu qualifizieren, weil nicht behauptet werde, dass tatsächlich Sozialschulden bestünden, sondern die Praxis sozialer Unterstützung von Einwandererfamilien bewertet werde. Es sei nicht von Schmähkritik auszuge-hen, weil die Aussage vor dem Hintergrund der vorherigen Beiträge gefallen seien, damit noch ein Sachbezug bestehe. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass le-diglich die Sozialsphäre betroffen sei und die Klägerin als öffentliche Person auch polemische und überspitzte Kritik hinnehmen müsse. Die Klägerin habe die Diskussion selbst mit vergleichbarem Vokabular gestartet („ignorant und dumm“). Auch im Rahmen der strafrechtlichen Vorschriften überwiege die Meinungsfreiheit.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und zu den Feststellungen des Landgerichts wird auf das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 22. März 2023 (Az. 8 O 85/22) Bezug genommen (Blatt 85 - 92; § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

3.    Die Berufung der Klägerin will weiter eine Verurteilung im erstinstanzlich beantragten Umfang erreichen.
a.    Die Äußerung zum dämlichen Stück Hirn-Vakuum sei als Schmähkritik einzuordnen. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit diese Aussage eine Machtkritik darstellen solle. Es handle sich vielmehr um eine emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen die Klägerin. Ein Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung sei nicht erkennbar. Die Auffassung des Gerichts, dass die Diskussion durch die Klägerin mit einem vergleichbaren Vokabular gestartet worden sei, führe zu einer Preisgabe des Ehrschutzes, zumal die Aussage dumm und ignorant nicht gegenüber dem Beklag-ten gefallen sei.
Die Klägerin werde persönlich angegriffen, ohne dass eine sachliche Auseinandersetzung erkennbar sei. Mangels Anknüpfungspunkt stelle die Aussage keine Steigerung dar. Vielmehr erfolge die Bezeichnung der Klägerin als „dämliches Stück Hirn-Vakuum“ losgelöst von der Debatte und Kritik an Dxxx Nxxxs Äußerung. Diese feine Differenzierung habe das Landgericht völlig außer Acht gelassen.
b.    Die Aussage zu den Sozialschulden der Familie sei eine unwahre Tatsachenbehauptung, weil es sich um eine nicht erweislich wahre Tatsache handle, die geeignet sei, die Klägerin in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen (§ 186 StGB). Es könnte unerwähnt bleiben, sei aber zur Verdeutlichung der Intention der Aussa-ge des Beklagten dennoch zu erwähnen: Mit der Äußerung bringe der Beklagte gegenüber der Klägerin nach einem verständigen Durchschnittspublikum zum Ausdruck, dass die Klägerin als Kind einer Einwandererfamilie sowie ihre Familie auf Kosten des Staates in Deutschland gelebt hätte. Sie hätten „Sozialschulden“. Er fordere, dass die Klägerin „abtauchen“ solle. Damit meine der Beklagte, dass die Klägerin verschwinden soll. Der Kontext der Äußerung sei insgesamt herabwürdigend, diskriminierend und diffamierend. Es gehe nicht um die Auseinandersetzung zu der Debatte um Dxxx Nxxxs Äußerung.
Jedenfalls sei von einer abwägungsfreien Schmähkritik auszugehen, denn inso-weit handle es sich um ein Vorurteil mit rassistischen Elementen, dass Einwander-erfamilien an sich per se Sozialschulden hätten. Insoweit sei von einem Angriff auf die Menschenwürde auszugehen (Art. 1 GG). Denn diese pauschale Behauptung spreche Einwandererfamilien, im Besonderen der Klägerin und ihrer Familie, das Recht auf ein Existenzminimum ab. Einwandererfamilien wie die der Klägerin werde damit der Achtungsanspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG aberkannt. Es handle sich um eine rassistische Äußerung, weil die Klägerin und ihre Familie als Ausländer stereotypisiert würden und sich der Beklagte damit gegenüber der Klägerin und ihrer Familie abhebe.
Die Aussage des Gerichts, dass es eine solche Auffassung in Deutschland nun mal gäbe, verfehle die Auseinandersetzung mit dem Eingriff in die Menschenwürde der Klägerin und ihrer Familie.
Es handle sich um eine Schmähung, weil es bei der Debatte um die Aussagen von Jxxx Rxxx und der Klägerin zu Dxxx Nxxx gegangen sei, was nichts mit der Klägerin als Person und ihrer Familie zu tun habe. Ein politischer Hintergrund bestehe insoweit nicht.
Die Äußerung sei einer Abwägung nicht zugänglich, da die Menschenwürde der Klägerin betroffen sei.
c.    Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Geldentschädigung zu, weil die Aussage als schwerwiegender Eingriff zu bewerten sei. Bei den Bezeichnungen handle es sich um eine schwerwiegende Perso?nlichkeitsrechtsverletzung, da die Bedeutung und Tragweite der Äußerung in der Öffentlichkeit den Verdacht erwecke, die Kläge-rin und ihre Familie würden sich anrüchig oder kriminell verhalten.

4.    Die Klägerin beantragt:
Das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 22. März 2023 (8 O 85/22) wird abgeändert:

1. Der Beklagte wird verurteilt, für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß über die Klägerin die nachfolgende(n) Behauptung(en) aufzustellen und/oder zu verbreiten und/oder aufstellen und/oder verbreiten zu lassen

„Selten so ein dämliches Stück Hirn-Vakuum in der Politik gesehen wie Sxxx
Cxxx. Soll einfach abtauchen und die Sozialschulden Ihrer Familie begleichen“;
wenn dies geschieht, wie in Fxxx Post vom 15.11.2020 mit der URL (https://www.fxxx.com...?comment_id=2xxx)

2. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine Geldentschädigung in Höhe von 5.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins-satz seit dem 15.10.2021 zu zahlen.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von EUR 973,66 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.10.2021 zu zahlen.

5.    Der Beklagte beantragt:
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

6.    Der Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil.
a.    Es werde weiter bestritten, dass er die Klägerin attackiert habe. Er könne sich nicht erklären, wie es zu dem Post gekommen sei, er sei nicht dessen Urheber.
b.    Der Beitrag sei von der Meinungsfreiheit geschützt und nicht rechtswidrig. Eine Schmähkritik oder Beleidigung sei nicht gegeben, weil die Klägerin als Politikerin mit entsprechender Wortwahl (ignorant und dumm) die Diskussion begonnen habe, die Grenzen zulässiger Kritik bei ihr als Politikerin weiter zu ziehen seien, die Aus-sage in einer öffentlich-medialen Diskussion gefallen sei und damit Sachbezug gehabt habe.
Offensichtlich scheine die Klägerin aufgrund ihres Verhaltens und der von ihr selbst ausgehenden provokativen öffentlichen politischen Äußerungen und Belei-digungen gegen andere gerade solche Kommentare hervorrufen zu wollen, um dann offensichtlich politisch anders denkenden Diskussionsteilnehmer durch die Bemühung der Gerichte den Kampf anzusagen.
c.    Eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung könne nicht angenom-men werden. Die Klägerin selbst habe keine Anstrengungen unternommen, den streitgegenständlichen Post von Fxxx löschen oder mindestens sperren zu lassen. Die Klägerin habe hinsichtlich dieses Streites die Medien bundesweit informiert und eingebunden habe, so dass jeder Kenntnis von dieser Aussage nehmen konnte, nicht der Beklagte.
7.    Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsät-ze nebst den dazu vorgelegten Anlagen Bezug genommen. Hinsichtlich des Vortrags in der mündlichen Verhandlung und bezüglich der Angaben der Parteien wird außerdem auf das Protokoll der Sitzung vom 22.11.2023 verwiesen.

II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere innerhalb der vorgegebenen Fristen ord-nungsgemäß eingelegt und begründet worden. Erfolg hat lediglich der Antrag auf Unterlassung.

1.    Der Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB iVm Art. 1, 2 GG und § 1004 Abs. 1 S.2 BGB analog ist begründet, da die streitgegenständlichen Äußerungen als rechtswidrige ehrverletzende Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts be-ziehungsweise Schmähkritik anzusehen sind und von einer Wiederholungsgefahr auszugehen ist.

a.    Der Beklagte haftet als Täter (so die Diktion des I. Zivilsenats) beziehungsweise unmittelbarer Störer (so der VI. Zivilsenat), weil er seinen Rechner und seinen F...account nicht ausreichend vor fremden Zugriffen gesichert hat, insoweit gilt eine unwiderlegliche, jedenfalls eine widerlegliche Vermutung, nachdem insoweit die Rechtsprechung zum Urheber-, Marken- und Wettbewerbsrecht zu übertragen ist.
aa.    Täter beziehungsweise unmittelbarer Störer ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs derjenige, der die Merkmale der handlungsbezogenen Verletzungstatbestände selbst, in mittelbarer Täterschaft oder in Mittäterschaft erfüllt (BGH, Urteil vom 09.11.2011, I ZR 150/09, GRUR 2012, 304 Rn. 44 – Basler-Haar-Kosmetik).
Wenn der Inhaber eines Internetkontos nicht hinreichend dafür gesorgt hat, dass Dritte keinen Zugriff auf das Konto haben, muss er sich so behandeln lassen, als wenn er selbst gehandelt hätte (BGH, Urteil vom 11.03.2009, I ZR 114/06, MMR 2009, 391 Rn. 16 – Halzband für den Zugriff der Ehefrau auf ein ebay-Konto). In diesem Fall gilt zu Lasten des Kontoinhabers eine unwiderlegliche Vermutung der eigenen Täterschaft, weil Kontrolldaten und Passwort insoweit als besonderes Identifikationsmittel ein Handeln unter einem bestimmten Namen nach außen hin für jeden ermöglichen, der darauf Zugriff hat (BGH, Urteil vom 11.03.2009, I ZR 114/06, MMR 2009, 391 Rn. 18 – Halzband). Für einen Fxxxaccount kann nichts anderes gelten, da auch hier eine Nutzerkennung und ein Passwort einzugeben sind.
Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung trägt zwar der Anspruchssteller die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen eines Unterlassungs- oder Schadensersatzanspruchs. Bei Urheberrechtsverletzungen durch Downloadvorgänge besteht aber eine (widerlegliche) tatsächliche Ver-mutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers, dies gilt auch dann, wenn die-ser wie bei einem Familienanschluss regelmäßig durch mehrere Personen genutzt wird (BGH GRUR 2017, 1233 f. Rn. 14] – Loud; BGH GRUR 2016, 1280 [1282 Rn. 32 – 33] – Everytime we touch).
Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinrei-chend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wur-de. In solchen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekun-däre Darlegungslast. Diese führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der An-schlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Mög-lichkeit des Zugriffs von im Haushalt lebenden Dritten auf den Internetanschluss genügt hierbei nicht. Der Inhaber eines Internetanschlusses hat vielmehr nachvoll-ziehbar vorzutragen, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kennt-nisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu bege-hen. Entspricht der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sa-che der Klägerseite als Anspruchsteller, die für eine Haftung der Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzu-weisen (BGH GRUR 2017, 1233 [1234 Rn. 15] – Loud; BGHZ 200, 76 Rn. 15 ff. = GRUR 2014, 657 – BearShare; BGH GRUR 2016, 191 Rn. 37 u. 42 – Tauschbörse III; BGH GRUR 2016, 1280 Rn. 33 f. – Everytime we touch; BGH GRUR 2017, 386 [387 Rn. 15] = WRP 2017, 448 – Afterlife).
Die sekundäre Darlegungslast begründet keine Beweislast, sondern ist nur eine sogenannte Einlassungsobliegenheit (BGH NJW-RR 2009, 751 [752 Rn. 15]). Es geht nur um die Vervollständigung des Tatsachenvortrags der Parteien, nicht um die Beweisführung. Mit der sekundären Darlegungslast ist keine Umkehr der Beweislast verbunden (BGH NJW-RR 2015, 1279 [1280 Rn. 15]; BGH NJW 2012, 74 [75 Rn. 22 f.]; BGH NJW 2009, 1494 [1495 Rn. 16 ff.]). Eine zivilprozessuale Pflicht zur Vorlage von Urkunden der nicht beweisbelasteten Partei folgt jedoch nur aus den speziellen Vorschriften der §§ 422, 423 ZPO oder aus einer Anordnung des Gerichts nach § 142 Abs. 1 ZPO. Aus den Grundsätzen der sekundären Behauptungslast kann sie nicht abgeleitet werden (BGH GRUR 2017, 386 [387 Rn. 15] = NJW 2017, 1961 [1962 Rn. 15] – Afterlife; BGHZ 173, 23 [30 Rn. 16] = BGH NJW 2007, 2989 [2991]). Die sekundäre Darlegungslast führt beim Filesharing weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen (BGH GRUR 2017, 386 [387 Rn. 15] = NJW 2017, 1961 [1962 Rn. 15] – Afterlife).
Nur dann, wenn der Anschlussinhaber die ihm im Streitfall obliegende sekundäre Darlegungslast zur Nutzung seines Internetanschlusses durch einen Familienan-gehörigen im Tatzeitpunkt nicht erfüllt hat, greift die tatsächliche Vermutung und er haftet dem Anschlussinhaber täterschaftlich für die begangene Rechtsverletzung (BGH GRUR 2017, 1233 [1235 Rn. 29] – Loud).
In der Entscheidung Morpheus hat der Bundesgerichtshof im Rahmen von Ausführungen zu Feststellungen des Berufungsgerichts noch ausgeführt (BGH GRUR 2013, 511 [514 Rn. 34] – Morpheus),
Diese tatsächliche Vermutung ist im Streitfall jedoch entkräftet, da nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass allein ein Dritter und nicht auch der Anschlussinhaber den Internetzugang für die behauptete Rechtsverletzung genutzt hat.

Den Begriff der ernsthaften Möglichkeit hat er in neueren Entscheidungen nicht mehr verwandt, dieser stammt aus der Rechtsprechung zum Anscheinsbeweis, wo-nach der Beweis des ersten Anscheins durch die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs erschüttert werden kann. Der Gegner braucht nur die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Ablaufs vorzu-tragen und gegebenenfalls zu beweisen (BGH NJW 1991, 230 [231]; BGHZ 6, 169 [170]). Diese Rechtsprechung ist jedoch nicht auf die Konstellation der tatsächlichen Vermutungen zu übertragen, was sich auch aus den neueren Entscheidun-gen des Bundesgerichtshofs vom 30.03.2017 (I ZR 19/16, GRUR 2017, 1233 [1234 Rn. 18] – Loud) ergibt, in der insoweit ausgeführt wird,
Hingegen besteht keine generelle Vermutung, dass der Anschlussinhaber Täter einer Ur-heberrechtsverletzung ist, die von seinem Anschluss aus begangen worden ist und die er widerlegen oder erschüttern müsste, nur weil er Inhaber des Anschlusses ist. Dies kommt nur in Betracht, wenn für die Täterschaft des Anschlussinhabers der bei typischen Geschehensabläufen eingreifende Beweis des ersten Anscheins (Anscheinsbeweis) spricht.
 
Daraus ergibt sich, dass auch der Bundesgerichtshof zwischen tatsächlicher Vermutung und Anscheinsbeweis unterscheidet, für die Annahme einer Täterschaft des Anschlussinhabers jedoch gerade kein Anscheinsbeweis in Betracht kommt (der gegebenenfalls wegbewiesen werden müsste). Der Bundesgerichtshof nimmt vielmehr an,
Für die Annahme, der Inhaber eines Internetanschlusses sei ohne das Hinzutreten weiterer Umstände regelmäßig der Täter einer mittels dieses Anschlusses begangenen Urheber-rechtsverletzung, fehlt es an einer hinreichenden Typizität des Geschehensablaufs (BGH GRUR 2017, 386 [388 Rn. 20] – Afterlife).

Zudem muss nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs gerade nicht feststehen oder bewiesen werden, wie dies z.B. in der Entscheidung Ego-Shooter festgehalten wurde (BGH GRUR-RR 2017, 484 [485 Rn. 23 – 24]):

Rn. 23
Die Revision macht ohne Erfolg geltend, die tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers sei erst dann nicht mehr begründet, wenn Umstände feststünden, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ergäben, so dass der Beklagte hafte, weil er die von ihm behauptete Täterschaft seiner Ehefrau nicht habe beweisen können.

Rn. 24
Diese Auffassung der Revision entspricht nicht der ständigen Rechtsprechung des Senats, der zufolge der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast bereits dadurch genügt, dass er hinreichend konkret zur Möglichkeit der Täterschaft eines Dritten vorträgt; eine Umkehr der Beweislast ist hiermit nicht verbunden (vergleiche auch die dortigen Rn. 12, 13).

Die sogenannten tatsächlichen Vermutungen sind keine Tatsachenvermutungen gemäß § 292 ZPO, sondern es handelt sich um ein Konstrukt der Rechtsprechung um beweisrechtliche Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen. Tatsächliche Vermutungen beruhen auf allgemeinen Erfahrungswissen (Musielak/Voit/Huber, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 292 Rn. 1), lassen aufgrund der Lebenserfahrung (und /oder Typizität) zu ziehende Schlüsse zu (Stein/Jonas/Thole, ZPO, 23. Aufl., § 292 Rn. 9; Musielak JA 2010, 561 [563]). Erforderlich ist ein Erfahrungssatz des alltäglichen Le-bens, dessen Wahrscheinlichkeit so hoch ist, dass er im konkreten Einzelfall eine entsprechende Schlussfolgerung zulässt (Musielak JA 2010, 561 [563]).
Die tatsächliche Vermutung führt wegen der Bindung des Gerichts an anerkannte Erfahrungssätze, die nicht unberücksichtigt bleiben dürfen (BGH NJW 2002, 429 [432]; BGHZ 146, 298 [305]) jedenfalls dazu, dass eine Berücksichtigung im Rahmen der Beweiswürdigung zu erfolgen hat. Eine Umkehr der objektiven Beweislast sollte man nicht annehmen, da ansonsten Erfahrungssätzen eine normative Wir-kung zukommen könnte (Laumen in Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, Grundlagen, 4. Aufl. 2019, Kapitel 19 Rn. 36, 62 m.w.N.).

bb.    Der Beklagte hat lediglich vorgetragen,

Blatt 24 AkteLG
Der Beklagte konnte sich die Tatvorwürfe zunächst überhaupt nicht erklären. Es ist hier nicht auszuschließen, dass ein Dritter sich in welcher Weise auch immer, Zugang zum Account des Beklagten verschafft hat und Urheber dieses Posts ist. Trotz intensivster Bemühungen ist hier eine Aufklärung nicht mehr möglich. Der entsprechende Post wurde mittlerweile gelöscht. Der Beklagte distanziert sich auch im Zivilverfahren sowohl inhalt-lich auch von der Wortwahl her von derartigen Äußerungen.
Blatt 25 AkteLG
Der PC auch mit geöffneter Fxxxseite stand oft sowohl zu Hause bei der Familie als auch bei der Arbeit; es ist durchaus auch denkbar, dass sich ein Dritter hier einen „Spaß“ daraus gemacht hat, oder dass der Beklagte tatsächlich gehackt wurde. Weiteres kann dieser sich jedoch auch nicht erklären. Der PC war mit den üblichen Sicherheitsvorkehrungen versehen und Passwort geschützt. Es ist dennoch nicht auszuschließen, dass dieser gehackt wurde. Insofern wird auch nochmals die Behauptung der Klägerin ent-schieden zurückgewiesen, dass etwa nicht Sorge dafür getragen wurde, dass der Ac-count geschützt ist bzw. dass der Rechner für jedermann zugänglich war.
Blatt 81 AkteLG
Es ist so, dass mein Notebook nicht speziell gesichert ist, so dass es Zugriffen durch Dritte gegenüber recht leicht zu öffnen ist, so dass ich mir auch vorstellen könnte, dass Dritte hier über mein Notebook Zugriff auf mein Fxxx-Konto genommen haben. … Bei meinem Notebook ist das aber anders. Wenn das einmal an ist, dann bleibt es auch an und man muss nicht jedes Mal erneut das Passwort eingeben. Das ist nur erforderlich, wenn ich das Notebook heruntergefahren habe und komplett neu starte. Gleiches gilt auch für mein Fxxx-Konto. Da hier die Passwörter eingespeichert wurden, muss ich sie nicht jedes Mal wieder neu eingeben.

Damit hat der Beklagte schon keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen vorge-tragen, die eine Vermutungswirkung entfallen lassen könnten. Zum einen ist nicht plausibel, wie mögliche Dritte (wer?) Zugriff auf den Rechner haben konnten, wenn dieser doch passwortgeschützt sein soll. Der Vortrag in der mündlichen Verhand-lung vor dem Landgericht, dass er sein Notebook nicht speziell gesichert hat, führt dazu, dass der Beklagte sich so behandeln lassen muss, als wenn er selbst gehan-delt hätte.
Der Beklagte hat zudem keinerlei Vortrag gehalten, welche konkreten Nachfor-schungen er hierzu angestellt hat, obwohl ihm dies unschwer möglich gewesen wäre. Letzten Endes ist nur eine theoretische Möglichkeit des Zugriffs Dritter geschildert worden, die nach den oben dargestellten Grundsätzen gerade nicht ge-nügt, um die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung statuierte tatsächliche Vermutung zu widerlegen.
Der Beklagte kann sich deshalb auch nicht darauf berufen, er kenne die Klägerin gar nicht – immerhin schreibt er, er habe diese „in der Politik gesehen.“
Zudem ist der Senat nach den Ausführungen des Beklagten in der Berufungsverhandlung davon überzeugt, dass er den streitgegenständlichen Beitrag selbst verfasst hat, denn er hat ausgeführt, er habe sich mehrfach distanziert, der Beitrag tue ihm leid, diesen aber gleichzeitig damit verteidigt, dass es erlaubt sein müsse, auf die Klägerin als Politikerin zu reagieren, um diese angesichts ihres eigenen Verhal-tens (das näher beschrieben wurde) „fertig zu machen“. Diese Verteidigung des eigenen Verhaltens belegt, dass der Beklagte als Urheber anzusehen ist.

b.    Die Bezeichnung der Klägerin als „dämliches Stück Hirn-Vakuum“ ist als Schmähkritik anzusehen. Bei Meinungsäußerungen hat die Meinungsäußerungsfreiheit gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht stets zurückzutreten, wenn die Äußerung als Schmähkritik, Formalbeleidigung oder Angriff auf die Menschenwürde anzusehen ist. Der ansonsten zur Feststellung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung erforderlichen Abwägung der widerstreitenden grundrechtlichen Interessen im konkreten Einzelfall bedarf es ausnahmsweise nicht, wenn eine Aus-sage als Schmähung zu qualifizieren ist (BVerfG, Beschluss vom 19.08.2022, 1 BvR 2249/19, NJW 2021, 148 Rn. 14 ff.; BVerfG, Beschluss vom 29.06.2019, 1 BvR 2646/15, BeckRS 2016, 49376 Rn. 13 – Durchgeknallte Staatsanwältin). Das ist der Fall.
Jedenfalls führt die Abwägung der Meinungsfreiheit des Beklagten mit dem allge-meinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin, dass letzteres überwiegt.
aa.    Bei der Annahme einer Schmähung ist Zurückhaltung geboten. Sie folgt nicht schon aus einem besonderen Gewicht der Ehrbeeinträchtigung als solcher und ist damit nicht ein bloßer Steigerungsbegriff. Eine Äußerung nimmt den Charakter ei-ner Schmähung erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sa-che, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht, wenn eine Äuße-rung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Ausei-nandersetzung hat und es bei ihr nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht. Es sind dies Fälle, in denen eine vorherige Auseinandersetzung erkennbar nur äußerlich zum Anlass genommen wird, um über andere Personen herzuziehen oder sie niederzumachen, etwa in Fällen der Privatfehde (BVerfG, Beschluss vom 09.02.2022, 1 BvR 2588/20 Rn. 22; BVerfG, Beschluss vom 19.08.2022, 1 BvR 2249/19, NJW 2021, 148 Rn. 15). Gerade im In-ternet sind Schmähungen auch von Privatfehden losgelöst. Sie können persönlich nicht bekannte Personen, aber auch solche des öffentlichen Lebens betreffen, die im Schutz der Anonymität des Internets ohne jeden nachvollziehbaren Bezug zu einer Sachkritik grundlos aus verwerflichen Motiven wie Hass- oder Wutgefühlen heraus verunglimpft und verächtlich gemacht werden (BVerfG, Beschluss vom 19.12.2021, 1 BvR 1073/20 Rn. 29).
Wesentliches Merkmal der Schmähung ist mithin eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung (BVerfG, Beschluss vom 24.07.2013, 1 BvR 444/13 Rn. 21). Eine Schmähkritik zeichnet sich auch dadurch aus, dass der Anwurf auch aus der eigenen Sicht des Kritikers keine verwertbare Grundlage mehr hat (BVerfG NJW 1991, 1475 [1477]).
Davon abzugrenzen sind Fälle, in denen die Äußerung, auch wenn sie gravierend ehrverletzend und damit unsachlich ist, letztlich als (überschießendes) Mittel zum Zweck der Kritik eines Sachverhaltes dient. Dann geht es dem Äußernden nicht allein darum, den Betroffenen als solchen zu diffamieren, sondern es stellt sich die Äußerung als Teil einer anlassbezogenen Auseinandersetzung dar. Gerade darin unterscheiden sich diese Fälle von den Fällen der Privatfehde oder von den Fällen, in denen es sonst – insbesondere im Internet – bezugslos allein um die Verächtlichmachung von Personen geht. Demnach sind Herabsetzungen in der Ehre, auch wenn sie besonders krass und drastisch sind, nicht als Schmähung anzusehen, wenn sie ihren Bezug noch in sachlichen Auseinandersetzungen haben. Dass die Einordnung ehrkränkender Äußerungen als Schmähung eine eng zu handhaben-de Ausnahme bleibt, entspricht dem Grundsatz des Ausgleichs von Grundrechten durch Abwägung (BVerfG, Beschluss vom 19.08.2022, 1 BvR 2249/19, NJW 2021, 148 Rn. 17).
Bei Äußerungen der Öffentlichkeit wesentlich berührenden Fragen kommt eine Schmähkritik damit nur ausnahmsweise in Betracht (BVerfG, Beschluss vom 24.07.2013, 1 BvR 444/13 Rn. 21; BVerfGE 93, 266 [294]).
Die eine Abwägung entbehrlich machende und damit die Meinungsfreiheit ver-drängende Einordnung einer Äußerung als Schmähkritik gebietet es, diese Einord-nung klar kenntlich zu machen und sie in einer auf die konkreten Umstände des Falles bezogenen, gehaltvollen und verfassungsrechtlich tragfähigen Weise zu be-gründen. Diese Begründung darf sich bei der Schmähkritik nicht in der bloßen Be-hauptung erschöpfen, für den Äußernden habe die Diffamierung der Person im Vordergrund gestanden. Vielmehr sind die für diese Beurteilung maßgebenden Gründe unter Auseinandersetzung mit objektiv feststellbaren Umständen des Falles nachvollziehbar darzulegen. Insbesondere muss das Gericht deutlich machen, wa-rum aus seiner Sicht ein gegebenenfalls vorhandenes sachliches Anliegen des Äußernden in der konkreten Situation derart vollständig in den Hintergrund tritt, dass sich die Äußerung in einer persönlichen Kränkung erschöpft. Im Übrigen schließt die gerichtliche Feststellung des Vorliegens einer Schmähung eine – hilfsweise – Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Schutz der Per-sönlichkeit nach den konkreten Umständen des Falles nicht aus. Ein solches Vor-gehen bietet sich vielmehr in den vielfach nicht eindeutig gelagerten Grenzfällen an (BVerfG, Beschluss vom 19.08.2022, 1 BvR 2249/19, NJW 2021, 148 Rn. 18).
Das bei der Abwägung anzusetzende Gewicht der Meinungsfreiheit ist umso höher, je mehr die Äußerung darauf zielt, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, und umso geringer, je mehr es hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen geht (BVerfG, Beschluss vom 19.12.2021, 1 BvR 1073/20 Rn. 31; BVerfG, Beschluss 19.05.2020, 1 BvR 2397/19 Rn. 29). Bei der Gewichtung der berührten grundrechtli-chen Interessen ist der Gesichtspunkt der Machtkritik zu berücksichtigen, wonach Bürgerinnen und Bürger von ihnen als verantwortlich angesehene Amtsträgerin-nen und Amtsträger in anklagender und personalisierter Weise für deren Art und Weise der Machtausübung angreifen können, ohne befürchten zu müssen, dass die personenbezogenen Elemente solcher Äußerungen aus diesem Kontext her-ausgelöst werden (BVerfG, Beschluss vom 19.12.2021, 1 BvR 1073/20 Rn. 32 – 33). Allerdings bleiben die Gesichtspunkte der Machtkritik und der Veranlassung durch vorherige eigene Wortmeldungen im Rahmen der öffentlichen Debatte in eine Ab-wägung eingebunden und erlauben nicht jede auch ins Persönliche gehende Be-schimpfung von Amtsträgern oder Politikern. Auch hier sind Äußerungen desto we-niger schutzwürdig, je mehr sie sich von einem Meinungskampf in die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Fragen wegbewegen und die Herabwürdigung der betref-fenden Personen in den Vordergrund tritt (BVerfG, Beschluss vom 19.12.2021, 1 BvR 1073/20 Rn. 34). Dabei liegt insbesondere unter den Bedingungen der Verbrei-tung von Informationen durch „soziale Netzwerke“ im Internet ein wirksamer Schutz der Persönlichkeitsrechte von Amtsträgern sowie Politikern über die Bedeutung für die jeweils Betroffenen hinaus im öffentlichen Interesse, was das Gewicht dieser Rechte in der Abwägung verstärken kann. Denn eine Bereitschaft zur Mitwirkung in Staat und Gesellschaft kann nur erwartet werden, wenn für diejenigen, die sich en-gagieren und öffentlich einbringen, ein hinreichender Schutz ihrer Persönlichkeits-rechte gewährleistet ist (BVerfG, Beschluss vom 19.12.2021, 1 BvR 1073/20 Rn. 35).
Ob eine Schmähung vorliegt, kann erst nach der Ermittlung des Sinns einer Äuße-rung beurteilt werden (BGH NJW 2000, 3421 [3422]). Weichenstellend für die Prü-fung einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts ist die Erfassung des Inhalts der verfahrensgegenständlichen Äußerungen, insbesondere die Klärung, in welcher Hinsicht sie ihrem objektiven Sinn nach das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen des Ausgangsverfahrens beeinträchtigen. Maßgeblich für die Deutung ist weder die subjektive Absicht der sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines un-voreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums haben (BVerfG, Beschluss vom 19.12.2021, 1 BvR 1073/20 Rn. 28).
bb.    Mit der Aussage auf dem Fxxxkonto des Beklagten wird die Klägerin durch die Verwendung der Begriffe „dämlich“ und „Hirn-Vakuum“ als dumme und hirnlose Politikerin charakterisiert, die aus der Politik verschwinden soll („abtauchen“). Es handelt sich um eine Äußerung, die auch durch die zusätzliche Verwendung des Begriffs „Stück“ (konkret dämliches Stück Hirn-Vakuum) eine die Klägerin abwer-tende und diffamierende Komponente enthält, weil ein Mensch (oder dessen Teile) nicht als Stück bezeichnet wird, da ihm damit jede persönliche Würde abgespro-chen wird (Art. 1 GG). Bei einem Stück handelt es sich um die bestimmte Menge eines Stoffes, Materials oder einer Substanz, die ein in sich begrenztes Ganzes bil-det (und eine handelsübliche Form, Abmessung hat). Der Mensch (und dessen Gehirn) als Lebewesen sind aber keine abstrakte Materie, weshalb die die Klägerin mit der Äußerung auch entmenschlicht wird. In einem hierzu veröffentlichten Pres-sebeitrag wird treffend ausgeführt, auf die Klägerin werde nicht als Mensch erwidert, diese werde nicht als Person beschimpft, sondern als ein Objekt beschädigter (besser und treffender wohl: nicht vorhandener) Organmasse dargestellt (.lxxx.de/rxxx/mxxx/m/kommentar-sxxx-cxxx-poli¬ti¬kerin-beleidigung-fxxx-aeusserungsrecht/).
Die Bezeichnung als dämliches Stück Hirn-Vakuum in der Politik bedeutet insoweit die Charakterisierung der Klägerin als hirnlose Politikerin, dass die Klägerin nichts im Kopf hat.
Weiter ist zu bedenken, dass die Aussage im Kontext der Beiträge der Klägerin und des Jxxx Rxxx steht, sich darauf bezieht, die Aussagen also an eine – öffentlich ge-führte – Auseinandersetzung anknüpfen. Die Aussage des Beklagte hat jedoch nicht mehr die vorherigen Aussagen kommentiert und bewertet, ist völlig von der vorherigen Auseinandersetzung losgelöst, indem die Klägerin nur persönlich be-schimpft und angegangen wird. Der Aussage fehlt jeder Bezug zur vorherigen Aus-einandersetzung um den Fehler des Kabarettisten Dxxx Nxxx, es geht nur noch da-rum, die Klägerin persönlich herabzuwürdigen. Damit ging es nicht mehr um die Auseinandersetzung in der Sache, um den Meinungskampf zu der Frage, wie der Fehler von Nxxx zu bewerten ist, damit nicht mehr um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung, sondern lediglich um die Herabwürdigung und Diffamierung der Klägerin. Es handelt sich um eine bloße emotionalisierende Verbreitung von Stim-mungen gegen die Klägerin als einzelne Person.
Zwar hat die Klägerin zunächst selbst stark abwertende und ebenfalls persönlichkeitsrechtsverletzende Begriffe verwandt – „ignorant, dumm und uninformiert“ „nur Witze auf Kosten von Minderheiten“ –, weshalb sie damit rechnen musste, hierfür kritisiert und angegriffen zu werden. Die Kommentierung vom Konto des Beklagten kann jedoch nicht mehr als adäquate Reaktion auf das Vorverhalten der Klägerin angesehen werden (vgl. hierzu z.B. BVerfG, Beschluss vom 10.03.2016, 1 BvR 2844/13 Rn. 25, 29). Der unsägliche Kommentar ist von den Aussagen der Klägerin losgelöst, weil er deren Aussagen nicht aufgreift, sondern nur eine die Klägerin persönlich diffamierende Bewertung abgibt. Es wird nicht einmal im Ansatz ange-deutet, welches politische Wirken der Klägerin als hirnlos bewertet werden soll (die Bewertung des Fehlers Nxxx war kein politisches Wirken, sondern eine Kritik an dessen Leistungen). Zudem handelt es sich bei der Aussage des Beklagten schon begrifflich nicht um einen Gegenschlag im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, weil er von der Äußerung der Klägerin überhaupt nicht persönlich betroffen war.
Bei der zwischen der Klägerin und Jxxx Rxxx geführten Auseinandersetzung ging es auch nicht um Machtausübung im Rahmen politischer Ämter, sondern um einen Diskurs zu Medienfreiheit und Medienvielfalt in öffentlich-rechtlichen Medien, den die Klägerin mit ihrer Aussage offenkundig beschränken will. Die Aussage auf dem Fxxxkonto des Beklagten kann deshalb auch nicht als hinzunehmenden Machtkritik eingeordnet werden.
Der Beitrag auf dem Konto des Beklagten hat damit trotz der Aussagen der Klägerin eine neue und losgelöste Herabsetzungsqualität, weshalb deren Persönlichkeits-rechte gegenüber dem Recht auf Meinungsfreiheit höher zu bewerten sind.

c.    Es kann offen bleiben, ob auch ein Angriff auf die Menschenwürde anzunehmen ist.
aa.    Die Meinungsfreiheit muss stets zurücktreten, wenn die Äußerung einer Meinung die Menschenwürde eines anderen antastet. Denn die Menschenwürde als Wurzel aller Grundrechte ist mit keinem Einzelgrundrecht abwägungsfähig (BVerfG, Beschluss vom 04.02.2010, 1 BvR 369/04 – 1 BvR 371/04 Rn. 29; BVerfGE 93, 266 [293]; BVerfGE 107, 275 [284]). Da aber nicht nur einzelne, sondern sämtliche Grundrechte Konkretisierungen der Menschenwürde sind, bedarf es stets einer sorgfältigen Begründung, wenn angenommen werden soll, dass der Gebrauch eines Grundrechts auf die unantastbare Menschenwürde durchschlägt (BVerfG, Beschluss vom 04.02.2010, 1 BvR 369/04 – 1 BvR 371/04 Rn. 30; BVerfGE 93, 266 [293]; BVerfGE 107, 275 [284]).
Mit dem Begriff der Menschenwürde ist der soziale Achtungsanspruch des Men-schen verbunden, der es verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt. Dabei wird der Begriff der Menschenwürde häufig vom Verletzungsvorgang her beschrieben. Angriffe auf die Menschenwürde können in Er-niedrigung, Brandmarkung, Verfolgung, Ächtung und damit in allen Verhaltenswei-sen bestehen, die dem Betroffenen seinen Achtungsanspruch als Mensch absprechen. Damit übereinstimmend geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass allein die Verletzung der Ehre einer Person nicht als ein Angriff auf die Menschenwürde einzuordnen ist. Danach ist vielmehr erforderlich, dass der angegriffenen Person ihr Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen und sie als unterwertiges Wesen behandelt wird. Der Angriff muss sich mithin gegen den ihre menschliche Würde ausmachenden Kern der Persönlichkeit, nicht lediglich gegen einzelne Persönlichkeitsrechte, richten (BVerfG, Be-schluss vom 04.02.2010, 1 BvR 369/04 – 1 BvR 371/04 Rn. 31).
bb.    Unabhängig davon, dass Zweifel bestehen, ob die Aussagen vom Konto des Beklagten schon den Kern der Persönlichkeit der Klägerin betreffen, ihr als „dämliches Stück Hirn-Vakuum“ ihr Lebensrecht abgesprochen werden sollte, kann ange-sichts der Ausführungen zu aa. offen bleiben, ob die Aussage als Angriff auf die Menschenwürde einzuordnen ist.

d.    Aus den oben unter b. dargestellten Gründen tritt die Meinungsäußerungsfreiheit des Beklagten in der Abwägung mit dem Persönlichkeitsrecht der Klägerin zurück.

e.    Bei der Aussage,

       Soll einfach abtauchen und die Sozialschulden ihrer Familie begleichen.

handelt es sich entgegen der Auffassung der Klägerin lediglich um ein Werturteil.


aa.    Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekenn-zeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (BGH NJW 2018, 3254 [3256 Rn. 19]; BGH, Urteil vom 27.09.2016, VI ZR 250/13 Rn. 25).
Auch wenn man den Begriff der Sozialschulden als Rückzahlungsverpflichtung bezüglich erhaltener Sozialleistungen definiert – entsprechende Regelungen und Begrifflichkeiten sind dem SGB XII fremd, § 103 SGB XII regelt lediglich eine Ver-pflichtung zum „Kostenersatz“ bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigen Verhalten bezüglich der Herbeiführung von Leistungsvoraussetzungen beziehungsweise der Rechtswidrigkeit der Leistungsgewährung, der Begriff der Sozialschulden existiert rechtlich nicht – ist die Aussage als solches inhaltsleer und im Schwerpunkt der Äußerung darauf gerichtet, dass die Klägerin wegen ihrer Unfähigkeit abtauchen (also verschwinden) soll. Zudem geht es in erster Linie um die Bewertung, dass entsprechende Familien – also solche mit Migrationshintergrund – gegenüber dem Staat verpflichtet sind, erhaltene Leistungen zurückzuzahlen. Da es eine solche Regelung aber nicht gibt, vielmehr völlig offen bleibt, welche Schulden denn nun gemeint sind, handelt es sich lediglich um eine Meinungsäußerung.
Zudem ist nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin insoweit für ihre Familie – zu-mal welche – haften soll.
bb.    Die Aussage enthält eine Herabsetzung von Immigranten, bei denen eine Pflicht zur Begleichung ihrer Schulden bestehen soll. Mit der Aussage, dass die Klägerin abtauchen soll, wird dieser angesonnen, zu verschwinden oder abzuhauen und den Mund zu halten. Sie wird darüber hinaus noch für Schulden ihrer Fami-lie verantwortlich gemacht.
Auch insoweit fehlt jeglicher Bezug zu der Diskussion um den Fehler des Kabaret-tisten Dxxx Nxxx, weshalb auch diese Aussage nur dazu dient, die Klägerin ver-ächtlich zu machen – ergänzend wird insoweit auf die Ausführungen unter b. Bezug genommen. Jedenfalls die Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit dem Grundrecht des Beklagten auf Meinungsäußerungsfreiheit führt zu einem Überwiegen des Persönlichkeitsrechts, denn der Klägerin wird mit der Aussage – ohne jeden Bezug zum geführten Diskurs zwischen ihr und Rxxx – die Berechti-gung abgesprochen, sich zu äußern, dies mit der unsinnigen und offenkundig sachfremden Erwägung, dass sie Schulden ihrer Familie zu begleichen hätte.

f.    Nachdem schon die Ausführungen unter b. zu einem Unterlassungsanspruch führen, kann letzten Endes offen bleiben, ob auch der Tatbestand aus § 185 StGB (nicht § 186 StGB, weil keine Tatsachenbehauptung aufgestellt wird) erfüllt ist.

g.    Die einheitliche Betrachtung beider Sätze des Beitrags führt zu keinem anderen Ergebnis. Gerade durch die Aussage, dass die Klägerin „abtauchen“ soll, wird eine Verknüpfung zur Erstaussage eines „dämlichen Stücks Hirn-Vakuum“ hergestellt, weshalb die Aussage auch in ihrer Gesamtheit als Schmähkritik (aus den unter b. und e. dargestellten Gründen) anzusehen ist.

h.    Die Wiederholungsgefahr ist trotz der vom Beklagten vorgenommenen Löschung des Beitrags nicht entfallen, denn er steht auf dem Standpunkt, dass keine Unterlassung verlangt werden kann und hat zudem keine Unterlassungserklärung abgegeben.
aa.    Die Wiederholungsgefahr ist die Gefahr der erneuten Begehung einer konkre-ten Verletzungshandlung, die der Verletzer in gleicher oder im Kern gleichartiger Form bereits rechtswidrig begangen hat (BGHZ 173, 188 [Rn. 43] – Jugendgefährdende Medien bei ebay). Die Gefahr der Wiederholung setzt insoweit die Möglichkeit voraus, dass die konkrete Verletzungshandlung wiederholt werden kann, also eine Zuwiderhandlung möglich ist. Für die Bejahung einer solchen Gefahr muss eine gewisse Wahrscheinlichkeit einer weiteren Begehung bestehen (BGH GRUR 1992, 318 [319] – Rn. 24 – 26 in juris – Jubiläumsverkauf). Durch die tatsächliche Rechtsverletzung in Form einer rechtswidrigen Erstbegehung wird eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr begründet (BGH BeckRS 2013, 19376 Rn. 17 – Restwertbörse II; BGH GRUR 2008, 996 Rn 33 – Clone-CD). Diese Rechtsprechung gilt auch im Äußerungsrecht (BGH BeckRS 2018, 38385 Rn. 9; BGH GRUR 2017, 844 [848]; BGH BeckRS 2016, 02711 Rn. 30; BGH BeckRS 2015, 16604 Rn. 30; BGH NJW-RR 2009, 1413 Rn. 29).
Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung kann die durch eine Verletzungshandlung begründete Wiederholungsgefahr nur dann ausräumen, wenn sie den bestehenden gesetzlichen Unterlassungsanspruch nach Inhalt und Umfang voll abdeckt und dementsprechend uneingeschränkt, unwiderruflich, unbedingt und grundsätz-lich auch ohne die Angabe eines Endtermins erfolgt (st. Rspr., BGH GRUR 2018, 815 Rn. 14 - Buchführungsbüro; BGH GRUR 2002, 180 f. - Weit-vor-Winter-Schluss-Verkauf; BGH GRUR 1997, 379, 380 - Wegfall der Wiederholungsgefahr II; OLG München AfP 2016, 274 [276]). Da sich die durch eine Verletzungshandlung be-gründete Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht allein auf die genau identische Verletzungsform beschränkt, sondern alle im Kern gleichartigen Verletzungs-formen umfasst (st. Rspr., BGH GRUR 2002, 187, 188 - Lieferstörung; BGH GRUR 1997, 379, 380 - Wegfall der Wiederholungsgefahr II; BGHZ 166, 253 = GRUR 2006, 421 Rn. 39 - Markenparfümverkäufe; BGH GRUR 2008, 702 Rn. 55 - Internetverstei-gerung III; speziell zum Urheberrecht: BGH GRUR 2013, 1235 Rn. 18 - Restwertbör-se II), wobei kerngleich solche Handlungen sind, in denen das Charakteristische der Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt (BGHZ 166, 233 = GRUR 2006, 504 Rn. 36 m. zahlreichen w. N. aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs; BGH GRUR 2013, 1235 Rn. 18).
Demgemäß muss eine Unterlassungserklärung, um die Wiederholungsgefahr vollständig auszuräumen, auch alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen umfas-en, doch muss der Verletzer dies nicht ausdrücklich erklären, weil grundsätzlich auch hinsichtlich der Unterwerfungserklärung die Kerntheorie gilt und daher eine auf die konkrete Verletzungsform bezogene Unterwerfungserklärung die Wiederho-ungsgefahr auch für Varianten des Verhaltens entfallen lässt, die mit dieser kerngleich sind, es sei denn, eine Auslegung der Unterwerfungserklärung ergibt im Ein-zelfall, dass sie bewusst eng auf die bezeichnete konkrete Verletzungsform be-schränkt sein und kerngleiche Verletzungsformen nicht erfassen soll (BGH GRUR 2010, 745 Rn. 45 - Erinnerungswerbung im Internet; BGH GRUR 1997, 931, 932 - Sekundenschnell; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl., § 12 Rn. 1.140 und 1.141).
bb.    Unabhängig davon, dass der Beitrag gelöscht, steht der Beklagte weiter auf dem Standpunkt, dass es sich um eine zulässige Äußerung handelte. Die aus der rechtswidrigen Erstbegehung herzuleitende tatsächliche Vermutung ist damit nicht widerlegt.
Zudem hat der Beklagte keine Unterlassungserklärung abgegeben – auch deshalb besteht die Wiederholungsgefahr fort.

2.    Ein Anspruch auf Geldentschädigung besteht im konkreten Einzelfall nicht.
a.    In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass neben § 253 Abs. 2 BGB wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus § 823 Abs. 1 BGB mit Art. 1, 2 GG ein Anspruch auf Geldentschädigung bestehen kann (BVerfG NJW 2000, 2187 [2188]; BGH NJW 2005, 215 [217]). Der Anspruch setzt voraus, dass eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliegt, dem Schädiger ein schweres Verschulden vorzuwerfen ist und ein unabwendbares Bedürfnis für die Zubilligung einer Geldentschädigung besteht.
Zunächst muss für die Gewährung des immateriellen Schadenersatzanspruches ein unabwendbares Bedürfnis bestehen, das heißt, die zwingende Notwendigkeit der Gewährung eines billigen Ausgleichs in Geld und die Verschaffung einer Ge-nugtuung (BGH NJW 1995, 861 [864] - Caroline von Monaco I). In neueren Ent-scheidungen wird verlangt, dass die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise be-friedigend aufgefangen werden kann (BGH VersR 2022, 830 [834 Rn. 44]). Schon daraus ergibt sich, dass nicht jede Persönlichkeitsrechtsverletzung zum Ersatzan-spruch führen kann. Abgesehen vom fehlenden Vorliegen der weiteren An-spruchsvoraussetzungen fehlt es an einem unabwendbaren Bedürfnis dann, wenn der Störer freiwillig Genugtuung durch Abgabe einer öffentlichen Entschuldigung oder Berichtigungserklärung geleistet hat, wenn der Betroffene auf einen Wider-rufsanspruch bewusst verzichtet hat, wenn die schutzwürdigen persönlichen Inte-ressen des Betroffenen nur beiläufig tangiert werden oder wenn er sich durch sein eigenes Verhalten aus dem geschützten Kernbereich des Persönlichkeitsrechts hinaus begeben hat.
Bei dem zum immateriellen Schadenersatz führenden Eingriff muss es sich weiter um eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung handeln. Die Anforde-rungen an die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals müssen hoch angesetzt wer-den. Geringfügige Eingriffe oder Beeinträchtigungen, die durch das menschliche Zusammenleben geradezu zwangsläufig sind und insoweit im Rahmen der sozia-len Adäquanz als unabwendbar hingenommen werden müssen, scheiden von vornherein aus (hier soll es schon an einem unabwendbaren Bedürfnis fehlen). Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts muss objektiv erheblich ins Gewicht fallen (BGH NJW 1965, 1374; BGH NJW 1961, 2059). Die Art und Intensität des Eingriffs wie auch die Nachhaltigkeit einer Schädigung des Betroffenen geben hierfür ebenso Beurteilungskriterien ab, wie der Bereich des Eingriffs, Anlass, Be-weggrund und Verschulden des Verletzers (BGH VersR 2022, 830 [834 Rn. 44]; BGH GRUR 2014, 693 = NJW 2014, 2029 Rn. 38 - Sächsische Korruptionsaffäre; BGH NJW 2005, 215 [217]; BGH NJW 1996, 984 [985]; BGH NJW 1995, 861). Maß-geblich sind immer die Umstände des jeweiligen Einzelfalles (BGH VersR 2022, 830 [834 Rn. 44]; BGH NJW 2005, 215 [217]; BGH NJW 1995, 861). In der Rechtspre-chung sind hier Kriterien entwickelt worden, etwa im Rahmen der Prüfung des In-halts der beeinträchtigenden Äußerung, zur Frage der Darstellungsform, auch zur Frage eines so genannten hartnäckigen Vorgehens etc. (Einzelheiten bei Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3. Aufl. 2008, Rn. 959 - 983).
Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist auch ein erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen; der Titel und die mit ihm verbundenen Vollstreckungsmöglichkei-ten können den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen (BGH, Urteil vom 15.09.2015, VI ZR 175/14 Rn. 38). Denn die Zubilli-gung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsrechtsverlet-zung findet ihre sachliche Berechtigung in dem Gedanken, dass ohne einen sol-chen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verküm-mern würde (BGH, Urteil vom 15.09.2015, VI ZR 175/14 Rn. 38).
Die neuere Rechtsprechung verwendet folgende Formel (BGH, Urteil vom 22.02.2022, VI ZR 1175/20 Rn. 44):
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats begründet die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verlet-zung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung er-forderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden so-wie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (…). Die Zubilligung einer Geldent-schädigung kommt auch in Betracht, wenn das Persönlichkeitsrecht durch eine nicht er-weislich wahre rufschädigende Tatsachenbehauptung verletzt wird. In diesem Fall ist aber bei der Gewichtung der Schwere des Eingriffs die offen bleibende Möglichkeit mit zu be-rücksichtigen, dass die inkriminierte Behauptung wahr sein kann. Außerdem ist der be-sonderen Funktion der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen Rech-nung zu tragen, die sowohl in einer Genugtuung des Verletzten für den erlittenen Eingriff besteht als auch ihre sachliche Berechtigung in dem Gedanken findet, dass das Persön-lichkeitsrecht gegenüber erheblichen Beeinträchtigungen anderenfalls ohne ausreichen-den Schutz bliebe. Zudem soll die Geldentschädigung der Prävention dienen (…). Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist auch ein erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen; der Titel und die mit ihm verbundenen Vollstreckungsmöglichkeiten können den Geldent-schädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen (…).

b.    Die Abwägung der maßgeblichen Kriterien des Einzelfalls führt vorliegende zur Verneinung eines Anspruchs auf Geldentschädigung.
Insgesamt ist zwar mit den getätigten Aussagen von einer relativ schwerwiegenden Beeinträchtigung auszugehen, weil die Beschimpfung als dämliche, hirnlose Politi-kerin, die verschwinden soll, eine erhebliche Beeinträchtigung des sozialen Ach-tungsanspruchs bewirkt. Auf der anderen Seite hat die Klägerin jedoch selbst starke Worte benutzt und den Diskurs damit erst veranlasst.
Nachdem der Beklagte mit einer Strafanzeige der Klägerin überzogen wurde, er zu-dem den streitgegenständlichen Beitrag gelöscht (Blatt 81 AkteLG) und vorgetragen hat, er habe seit 2020 keinerlei Aussagen mehr bezüglich der Klägerin getätigt (Blatt 116 eAkte), habe auch kein Interesse, sich mit der Klägerin und ihren Ansichten zu beschäftigen (Blatt 116 eAkte), kann nicht mehr von einer Fortdauer der Rufschädi-gung ausgegangen werden. Da der Beklagte zur Unterlassung verurteilt wird, ist dem Persönlichkeitsrecht der Klägerin mit dem Unterlassungsanspruch Genüge getan, eine weitergehende Sanktion insoweit nicht mehr erforderlich.

3.    Die geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind nicht be-stritten, allerdings besteht nur ein Anspruch, soweit der Beklagte verurteilt worden ist.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revi-sion ist nicht zuzulassen, denn es handelt sich um einen Einzelfall, eine grundsätzliche Bedeutung ist nicht erkennbar.

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