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EuGH: "Zustimmung bei Vertrieb von Waren innerhalb des EWR"

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Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL. M.

Fachanwalt für IT-Recht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Leitsätzliches

Die Zustimmung des Inhabers einer Marke zum Vertrieb im EWR von Waren, die außerhalb des EWR in den Verkehr gebracht worden sind, muss mit Bestimmtheit zum Ausdruck gebracht werden, sei es ausdrücklich oder konkludent. Dies ist nicht der Fall bei einem bloßen Schweigen des Markeninhabers. (Leitsatz des EuGH

EUROPÄISCHER GERICHTSHOF

 

URTEIL DES GERICHTS

 

20. November 2001

 

Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-414/99, C-415/99 und C-416/99

 

 

Davidoff ist Inhaberin zweier Marken, "Cool Water" und "Davidoff Cool Water", die im Vereinigten Königreich für Toilettenartikel und Kosmetika eingetragen sind. Die fraglichen Erzeugnisse tragen Identifikationsnummern und werden von ihr oder für sie sowohl inner- als auch außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) verkauft.

 

A & G Imports übernahm Bestände von Erzeugnissen, die ursprünglich von Davidoff oder mit ihrer Zustimmung in Singapur in den Verkehr gebracht worden waren. A & G führte diese Bestände in die Gemeinschaft (hier in das Vereinigte Königreich) ein, wo sie mit ihrem Verkauf begann. Diese Erzeugnisse unterscheiden sich von anderen Erzeugnissen der Marke Davidoff nur durch die Entfernung oder Unkenntlichmachung der Identifikationsnummern.

 

Die Gesellschaften Levi Strauss sind Inhaberinnen der Marken "Levi's" und "501", die im Vereinigten Königreich u. a. für Jeans eingetragen sind.

 

Tesco und Costco erwarben echte Levi's 501 Jeans von Lieferanten, die sie aus Ländern außerhalb des EWR in die Gemeinschaft eingeführt hatten, und verkauften sie im Vereinigten Königreich. Levi Strauss hatte sich stets geweigert, solche Jeans an Tesco und Costco zu verkaufen.

 

Davidoff und Levi Strauss haben Verfahren beim britischen High Court of Justice mit der Begründung anhängig gemacht, dass die Einfuhr und der Verkauf dieser Waren in der Gemeinschaft eine Verletzung der Rechte darstellten, die ihnen aufgrund der Eintragung ihrer Marken zustünden.

 

In den drei Rechtssachen berufen sich A & G Imports sowie Tesco und Costco auf die Erschöpfung der Rechte aus der Marke.

 

Im Gemeinschaftsrecht untersagt es der in der Markenrichtlinie vorgesehene Grundsatz der Erschöpfung dem Markeninhaber, sich auf das ausschließliche Recht aus dieser Marke zuberufen, wenn die damit versehenen Waren vom Inhaber oder mit seiner Zustimmung in der Gemeinschaft (seit dem EWR-Abkommen: im EWR) in den Verkehr gebracht worden sind.

 

Mit den Fragen, die der High Court of Justice dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorgelegt hat, sollen in erster Linie die Voraussetzungen für diese Erschöpfung und insbesondere der Begriff der Zustimmung geklärt werden. Ihre Bedeutung hat fünf Regierungen (die deutsche, die französische, die italienische, die finnische und die schwedische Regierung) dazu veranlasst, Erklärungen abzugeben.

 

Der Gerichtshof verweist zunächst auf die Wirkung der Richtlinie im Allgemeinen. Die Richtlinie beschränke die Erschöpfung des dem Markeninhaber gewährten Rechts auf die Fälle, in denen die Waren im EWR in den Verkehr gebracht worden seien, und gestatte es dem Inhaber, seine Waren außerhalb dieses Gebietes zu vertreiben, ohne dass dieser Vertrieb seine Rechte innerhalb des EWR erschöpfe. Ferner ist der Gerichtshof der Auffassung, dass die Richtlinie durch die Klarstellung, dass das Inverkehrbringen außerhalb des EWR nicht das Recht des Inhabers erschöpfe, sich der ohne seine Zustimmung unternommenen Einfuhr dieser Waren zu widersetzen, dem Markeninhaber gestatte, das erste Inverkehrbringen der mit der Marke versehenen Waren im EWR zu kontrollieren.

 

Der Gerichtshof prüft ferner, wie die Zustimmung des Markeninhabers zu einem Inverkehrbringen im EWR zum Ausdruck kommen muss; muss die Zustimmung ausdrücklich erfolgen oder kann sie konkludent sein?

 

Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass die Zustimmung, die einem Verzicht des Inhabers auf sein ausschließliches Recht gleichkomme, Dritten zu verbieten, mit seiner Marke versehene Waren einzuführen, das entscheidende Element für das Erlöschen dieses Rechts darstelle. Es sei Sache des Gerichtshofes, den Begriff der Zustimmung zu einem Inverkehrbringen im EWR einheitlich auszulegen, um einen unterschiedlichen Schutz je nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten zu vermeiden.

 

Angesichts der Bedeutung der Wirkung - Erlöschen des ausschließlichen Rechts des Markeninhabers - müsse die Zustimmung auf eine Weise geäußert werden, die einen Willen zum Verzicht auf dieses Recht mit Bestimmtheit erkennen lasse. Dieser Wille ergebe sich in der Regel aus einer ausdrücklichen Erteilung der Zustimmung. In bestimmten Fällen könne er sich jedoch konkludent aus Anhaltspunkten und Umständen vor, bei oder nach dem Inverkehrbringen außerhalb des EWR ergeben, die einen eindeutigen Verzicht des Inhabers auf sein Recht erkennen ließen.

 

Der Gerichtshof prüft schließlich die Möglichkeit einer konkludenten Zustimmung aufgrund des bloßen Schweigens des Markeninhabers.

 

Der Gerichtshof stellt fest, dass die Zustimmung positiven Ausdruck gefunden haben müsse; die Anhaltspunkte, die für die Feststellung des Vorliegens einer konkludenten Zustimmung berücksichtigt würden, müssten einen Verzicht des Markeninhabers darauf, sich auf sein ausschließliches Recht zu berufen, mit Bestimmtheit erkennen lassen. Demzufolge obliege es nicht dem Markeninhaber, die fehlende Zustimmung nachzuweisen, sondern vielmehr dem Wirtschaftsteilnehmer, der sich auf das Vorliegen einer Zustimmung berufe, den Beweis dafür zu erbringen.

 

Eine konkludente Zustimmung zu einem Vertrieb im EWR von Waren, die außerhalb dieses Gebietes in den Verkehr gebracht worden seien, könne sich nicht aus dem bloßen Schweigen des Markeninhabers ergeben. Ferner könne sich eine konkludente Zustimmung nicht daraus ergeben, dass das Eigentum an den mit der Marke versehenen Waren ohne vertragliche Beschränkungen übertragen worden sei, dass der Markeninhaber über seinen Widerspruch gegen einen Vertrieb im EWR nicht unterrichtet habe oder dass ein Verbot des Inverkehrbringens im EWR auf den Waren nicht angegeben sei.

 

(Quelle: Europäischer Gerichtshof, www.curia.eu.int)