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Zur Strafbarkeit wegen fahrlässigen Zugänglichmachens von in sonstiger Weise pornographischen Angeboten - KG Berlin Urteil vom 26. April 2004, AZ: (5) 1 Ss 436/03 (4/04)

Autor

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Dr. Volker Herrmann

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Leitsätzliches

Der Angeklagte wurde wegen fahrlässigen Zugänglichmachens von in sonstiger Weise pornographischen Angeboten nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) zu einer Geldbuße von 2000 € verurteilt.

Er hatte auf Internetseiten den Zugang zu pornographischen Inhalten lediglich durch das Altersverifikationssystem (AVS) „über18.de“, das allein auf der Eingabe einer  "Personalausweisnummer“, die unter anderem das Geburtsdatum des Ausweisinhabers enthält, einer beliebigen erwachsenen Person basiert.

LANDGERICHT BERLIN

BESCHLUSS

Aktenzeichen: (5) 1 Ss 436/03 (4/04)
(571) 75 Js 46/02 Ns (134/03)

Entscheidung vom 26. April 2004

In der Strafsache gegen

M Z,

geboren am ...,
wohnhaft in ...,

wegen fahrlässigen Verstoßes gegen das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte

hat der 5. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin
aufgrund der Hauptverhandlung vom 15. und 26. April 2004,
an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Kammergericht ...
als Vorsitzender,

Richterin am Kammergericht ...,
Richter am Kammergericht ...,
als beisitzende Richter,

Oberstaatsanwalt ...,
Oberstaatsanwalt ...
als Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft Berlin,

Rechtsanwalt ...
als Verteidiger,

Justizangestellte ...,
Justizangestellte ...
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

 

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. September 2003 im Schuldspruch und im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben. Im übrigen bleibt es aufrechterhalten.

2. Der Angeklagte wird wegen fahrlässigen Zugänglichmachens von in sonstiger Weise pornographischen Angeboten entgegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) zu einer Geldbuße von 2000 € verurteilt.

3. Der Angeklagte hat die Kosten der Revision zu tragen. Jedoch wird die Gebühr um ein Drittel ermäßigt; die Landeskasse Berlin hat ein Drittel seiner notwendigen Auslagen
im Revisionsrechtszug zu tragen.

Angewendete Vorschriften: § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, § 24 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 JMStV

G r ü n d e

Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin erließ am 30. August 2002 gegen den Angeklagten einen Strafbefehl, in dem ihm vorgeworfen wurde, fahrlässig pornographische Schriften (§ 184 StGB) „entgegen § 3 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über jugendgefährdende Schriften (GjS)“ an einem Ort, der Kindern oder Jugendlichen zugänglich ist oder von ihnen eingesehen werden kann, zugänglich gemacht zu haben. Auf seinen Einspruch verurteilte das Amtsgericht ihn am 25. Juni 2003 auf derselben rechtlichen Grundlage wegen eines „fahrlässigen Verstoßes gegen das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften“ zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 60 €. Seine hiergegen gerichtete Berufung verwarf das Landgericht Berlin durch das angefochtene Urteil vom 15. September 2003. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Schuldspruchs und des Rechtsfolgenausspruchs, hat aber im Ergebnis nur einen Teilerfolg.

Das Urteil stellt fest: Der Angeklagte betrieb zumindest am 26. November 2001 die Internetseiten www.h....de und www.H....de, auf denen - im Urteil näher beschriebene - pornographische Fotoaufnahmen zu sehen waren. Mindestens die letztere Website war – wie aus ihrer Bezeichnung folgt - für die Nutzer unentgeltlich. Die einzige Sicherung dieser Seiten vor dem Zugriff durch Jugendliche bestand darin, daß „die Personalausweisnummer“ einer beliebigen erwachsenen Person eingegeben werden mußte (UA S. 3, 4). Um Minderjährige von dem Angebot auszuschließen, verwendete der Angeklagte das Altersverifikationssystem (AVS) „über18.de“, das allein auf dieser Ziffernfolge beruht, die unter anderem das Geburtsdatum des Ausweisinhabers enthält. Der Angeklagte wußte, daß die Ziffernfolge nicht dem sie eingebenden Nutzer persönlich zugeordnet wurde und daß die Anbieter dieses Systems auf ihrer Internetseite mitteilen: „Bisher gibt es kein anerkanntes Jugendschutzsystem“. Der Angeklagte erachtete die verwendete Sicherung als eine „im Rechtssinne ausreichende Kontrolle darüber, daß nur Volljährige zum pornographischen Teil seiner Internetseiten gelängen.“ Das Landgericht hat diese Ansicht als Irrtum bezeichnet und dies näher begründet.

I.
Die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung ergibt, daß kein Verfahrenshindernis vorliegt. Insbesondere ist die Strafverfolgung nicht nach § 22 des Berliner Pressegesetzes verjährt, da es sich bei der Verbreitung jugendgefährdender Schriften oder sonstiger jugendgefährdender Medieninhalte nach keiner in Frage kommenden Vorschrift – § 184 Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB, §§ 3, 21 des seit dem 1. April 1997 als Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte (GjSM) bezeichneten ehemaligen GjS, §§ 4, 23, 24 Jugendmedienschutz- Staatsvertrag (JMStV) - um ein Presseinhaltsdelikt handelt (vgl. BGHSt 26, 40, 44 = NJW 1975, 1039; Steindorf in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze § 21 GjSM Rdn. 13). Ein Presseinhaltsdelikt liegt nur dann vor, wenn die Verbreitung des Druckwerks schlechthin verboten ist, nicht aber, wenn sie grundsätzlich erlaubt ist und nur dann strafbar wird, wenn dabei Vorschriften über Zeit, Ort oder Umstände des Verbreitens oder über einen bestimmten Abnehmerkreis verletzt werden (vgl. BGHSt 45, 41 = NJW 1999, 1979, 1982; BGH aaO; Jähnke in LK, StGB 11. Aufl., § 78 Rdn. 15 jeweils mit weit. Nachw.).

Die Verfolgung ist auch nicht aus anderen Gründen verjährt. Seit der Tatzeit am 26. November 2001 ist die drei Jahre betragende Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB, § 21 Abs. 3 GjSM) mehrfach unterbrochen worden, und zwar: - am 24. Januar 2002 durch die Anordnung der ersten Vernehmung (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB), - am 30. August 2002 durch den Erlaß des Strafbefehls (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 StGB), - am 2. Dezember 2002 und am 28. April 2003 jeweils durch die Anberaumung der Hauptverhandlung (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 StGB).

Eine Verkürzung der Verjährungsfrist auf sechs Monate durch § 24 Abs. 7 des am 1. April 2003 in Kraft getretenen Jugendmedienschutz- Staatsvertrages (JMStV) (siehe unten III.) läßt die bis dahin geschehenen Unterbrechungshandlungen nicht unwirksam werden (§ 78c Abs. 5 StGB). Am 25. Juni 2003 wurde die Verjährung abermals durch das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten unterbrochen (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 StGB). Seither ruht sie gemäß § 78 Abs. 3 StGB bzw. § 32 Abs. 2 OWiG.

II.

1. Die Urteilsfeststellungen weisen aus, daß sich der Angeklagte wegen fahrlässigen Verbreitens pornographischer Schriften im Internet nach §§ 21 Abs. 1 Nr. 3a, Abs. 3, 3 Abs. 1 Nr. 4 GjSM, das zur Tatzeit galt, strafbar gemacht hat. Entgegen der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft Berlin genügen die Urteilsgründe trotz ihrer auffällig knappen Fassung sowohl hinsichtlich der objektiven Beschreibung des Tatgeschehens, insbesondere der maßgeblichen technischen Einzelheiten, als auch in subjektiver Hinsicht noch den Anforderungen des § 267 StPO. Sie erlauben dem Senat die Nachprüfung des Urteils in allen wesentlichen Rechtsfragen.

2. Danach hat der Angeklagte den zur Tatzeit geltenden Tatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 3a GjSM in Verbindung mit dessen § 3 Nr. 4 in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt. Die im Internet verfügbaren Abbildungen sind Schriften im Sinne des § 11 Abs. 3 StGB. Ihre pornographische Natur (§ 6 Nr. 2 GjSM) folgt aus ihrer näheren Beschreibung im Urteil, wogegen die Revision nichts einwendet. Daß der Kunstbegriff angesichts der Banalität des Gezeigten keine Rolle spielt, liegt im vorliegenden Fall auf der Hand und wird auch von der Revision nicht vertreten, die lediglich an einer Stelle ohne Bezug zu der tatsächlichen Gestalt des Angebots kurz – zutreffend (vgl. BGHSt 37, 55), aber hier bedeutungslos - in den Raum stellt, daß sich Pornographie und Kunst nicht ausschließen.

a) Der Angeklagte hat die Abbildungen im Sinne der §§ 3 Abs. 1 Nr. 4, 21 Abs. 1 Nr. 3a GjSM zugänglich gemacht. Zugänglich gemacht ist eine pornographische Schrift dann, wenn der Täter bewirkt, daß sie derart in den Verfügungs- oder Wahrnehmungsbereich des Jugendlichen gerät, daß dieser die konkrete und naheliegende Möglichkeit unmittelbarer Kenntnisnahme der pornographischen Darstellung selbst erhält (vgl. OLG  Karlsruhe NJW 1984, 1975, 1976). Ein Zugänglichmachen liegt bereits dann vor, wenn eine Datei zum Lesezugriff ins Internet gestellt wird (vgl. BGHSt 47, 55 = NJW 2001, 3558). Zwar reicht es zur Bejahung dieses Tatbestandsmerkmals nicht ohne weiteres aus, wenn der Jugendliche erst auf rechtswidrige Weise vom pornographischen Inhalt der Schrift Kenntnis erlangt (vgl. OLG Karlsruhe aaO; zweifelnd auch insoweit BGHSt 34, 94; ablehnend OLG Hamburg NJW 1992, 1184). Eine rechtswidrige Handlung war vorliegend aber nicht erforderlich, da die Eingabe allein der „Personalausweisnummer“ einer beliebigen erwachsenen Person den Zugang zu den Bildern gestattete. Unter diesem Begriff, den das Gesetz über Personalausweise (PersAuswG) vom 21. April 1986 (BGBl. I S. 548) nicht definiert, ist die Gesamtheit aller in der Zone für das automatische Lesen (§ 1 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nrn. 4-8 PersAuswG) befindlichen Ziffern und Buchstaben zu verstehen.
Sie befinden sich auf der untersten Zeile des Personalausweises und setzen sich zusammen aus
- der Seriennummer des Personalausweises, die sich aus der Behördenkennzahl der Personalausweisbehörde und einer fortlaufend zu vergebenden Ausweisnummer zusammensetzt (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 PersAuswG),
- der Abkürzung „D“ für die Eigenschaft als Deutscher (Nr. 5),
- dem Tag der Geburt (Nr. 6),
- der Gültigkeitsdauer des Personalausweises (Nr. 7) und
- den Prüfziffern (Nr. 8).

Deren Kenntnis kann ein Jugendlicher aber ohne weiteres mit Zustimmung des Ausweisinhabers in seinem sozialen Umfeld erlangen. Deren anschließende Verwendung verletzt keine Rechtsnorm.

aa) Eine Strafbarkeit des Minderjährigen, der eine fremde oder nicht existente „Personalausweisnummer“ zur Überwindung des AVS verwendet, scheidet in der Regel aus. Der Tatbestand des Betruges ist schon deshalb nicht erfüllt, weil sich der Minderjährige keinen rechtswidrigen Vermögensvorteil verschaffen will und auch kein Vermögensschaden eintritt. Ebensowenig sind die Voraussetzungen der §§ 269, 270 StGB gegeben. Voraussetzung wäre, daß im Falle der Wahrnehmung der eingegebenen Daten eine unechte oder verfälschte Urkunde vorläge. Daran fehlt es hier, da nur ein tatsächlich vorhandenes Merkmal eines echten Personaldokuments oder ein vollständig erfundenes Merkmal, das keiner Urkunde zugeordnet ist, genutzt wird. Es kommt hinzu, daß der als „Personalausweisnummer“ zusammengefaßten Ziffern- und Buchstabenfolge im privaten Rechtsverkehr kein Beweiswert zukommt; denn sie dient ausschließlich den im Gesetz über Personalausweise genannten öffentlich-rechtlichen Zwecken.
Eine Strafbarkeit wegen Mißbrauchs von Ausweispapieren (§ 281 StGB) scheitert daran, daß der Nutzer der „Personalausweisnummer“ nicht im Rechtsverkehr über seine Identität (vgl. BGHSt 16, 33, 34) täuscht. Denn das AVS überprüft anhand der eingegebenen Ausweisnummer nur das Alter und die Plausibilität der Seriennummern sowie der Prüfziffern, nicht aber die Identität, da die Seriennummer und die Prüfziffern nach § 3 Abs. 1 PersAuswG keine Daten über die Person des Ausweisinhabers oder Hinweise auf solche Daten enthalten dürfen. Sie sind reine Ordnungsmerkmale, die der behördlichen Organisation des Ausweiswesens dienen. Eine Ordnungswidrigkeit nach § 4 PersAuswG scheidet jedenfalls auf Seiten des Nutzers aus. Es kommt vorliegend auch nicht darauf an, ob sich derjenige, der die Alterskontrolle überwindet, strafbar macht. Denn stellte man allein darauf ab, liefe der vom GjSM bezweckte Jugendschutz leer, wenn strafunmündige Kinder die Alterskontrolle umgehen.

bb) Die Eingabe wird nicht dadurch rechtswidrig, daß – dem Verteidigungsvorbringen zufolge - die Geschäftsbedingungen von „über 18.de“ es verbieten, eine fremde „Personalausweisnummer“ einzugeben. Denn die Rechtswidrigkeit der Handlung des Nutzers muß sich aus dem Gesetz ergeben, weil der Anbieter nicht in der Lage ist, mit einem Minderjährigen wirksam seine Geschäftsbedingungen zu vereinbaren. Eine solche nur aus Worten bestehende Rechtsbarriere wäre auch um keinen Deut stärker als ein ohne jedes AVS verbreitetes Angebot, das nur durch die Mitteilung geschützt wäre, daß derjenige, der es nutzen will, erklärt, volljährig zu sein (siehe den vom OLG Düsseldorf in seinem Urteil vom 17. Februar 2004 – III-5 Ss 143/03 – 50/03 I – vorgenommenen Vergleich mit dem ebenso unwirksamen Schild „Zutritt verboten“). Der vorliegende Fall läßt sich mit dem der Entscheidung des OLG Karlsruhe (NJW 1984, 1975) zugrunde liegenden Geschehen nicht vergleichen. Denn dort mußten Minderjährige sowohl die Aufmerksamkeit des in der Verkaufsstelle anwesenden Personals überwinden und anschließend die die pornographischen Magazine umhüllenden Schutzfolien einzeln körperlich zerstören. Entsprechende Hürden durch persönliche Kontakte oder die Überwindung materieller Hindernisse bestehen bei pornographischen Angeboten im Internet gerade nicht.

b) Der objektive Tatbestand ist nicht durch § 3 Abs. 2 Satz 2 GjSM ausgeschlossen, der die Geltung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 GjSM für den Fall aufhebt, daß „durch technische Vorkehrungen Vorsorge getroffen ist, daß das Angebot im Inland auf volljährige Nutzer beschränkt werden kann“. Denn der Angeklagte hat diese Vorsorge im Sinne des Gesetzes nicht getroffen. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist das von dem AVS „über18.de“ ausgehende, auf der Eingabe der „Personalausweisnummer“ beruhende Hindernis rechtlich untauglich und tatsächlich so niedrig,
daß es keinen Schutz bietet (vgl. Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl., § 184 Rdn. 15). Der Begriff „kann“ in § 3 Abs. 2 Satz 2 GjSM ist nicht so zu verstehen, daß es dem Anbieter freigestellt sein soll, ein Schutzsystem einzurichten. Ausreichend ist auch nicht irgendein System, unabhängig von seiner Wirksamkeit. Die Vorkehrung muß vielmehr geeignet sein, den visuellen Zugang Minderjähriger zu den pornographischen Schriften zuverlässig zu verhindern. Nur eine solche Auslegung wird dem Sinn des Gesetzes gerecht (vgl. OLG Düsseldorf aaO). Daß der Gesetzgeber gerade der Pornographie – und nicht etwa allgemein sexuellen Inhalten und Betätigungen - eine gesteigerte Gefährlichkeit zumißt und deshalb in besonders wirkungsvollem Maße sicherstellen will, daß Jugendliche und Kinder zu dem Schutz ihrer ungestörten Entwicklung davon ferngehalten werden, zeigt sich im gegenüber § 182 StGB erhöhten Schutzalter. Hierin liegt entgegen der Ansicht von Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl., § 184 Rdn. 10 kein Wertungswiderspruch. Denn das für die ungestörte Entwicklung der Jugendlichen Gefährliche erblickt der Gesetzgeber (vgl. zur Einschätzungsprärogative BVerfG NJW 1991, 1471, 1472) gerade darin, daß die schriftlichen oder bildlichen Beschreibungen der Sexualität stark vergröbert und – unter Weglassung aller begleitenden menschlichen Gefühle - auf das äußere Geschlechtliche
reduziert sind (vgl. altgriechisch: pornos: die Hure, graphein: (be)schreiben).

Zu einem solchen Schutz es erforderlich, daß zwischen der pornographischen Darstellung und dem Minderjährigen eine effektive Barriere – nicht nur eine mühelos zu umgehende Scheinbarriere - besteht, die er überwinden muß, um die Darstellung wahrnehmen zu können (vgl. BVerwGE 116, 5, 14 ff = NJW 2002, 2966, 2968 zum Pay-TV; BGH NJW 2003, 2838 = NStZ 2004, 148, 149 zur Automatenvideothek). Ein solches Wahrnehmungshindernis liegt beim Pay-TV nicht schon darin, daß die Ausstrahlung zur Nachtzeit erfolgt; sondern es müssen weitere Sicherungen - wie die verschlüsselte Ausstrahlung und der Verkauf von Decodern – hinzukommen, um sicherzustellen, daß nur Erwachsene die Sendungen empfangen können (vgl. BVerwG aaO). Ähnlich liegt es bei dem Betrieb einer Automatenvideothek; hier ist ein persönlicher Kontakt mit dem Kunden, verbunden mit einer Alterskontrolle, Ausgabe einer Chipkarte und PIN- Nummer sowie die Abnahme eines biometrischen Fingerabdrucks als ausreichende Sicherung erachtet worden (vgl. BGH aaO).

Ähnlich wirksame Vorkehrungen, die freilich keinen absoluten Schutz gegen jedwede Umgehung durch technisch versierte „Hacker“ darstellen können, sind auch von demjenigen zu fordern, der pornographische Schriften ins Internet stellt, weil er die von § 3 GjSM mißbilligte Gefahrenquelle setzt und daher die Voraussetzungen dafür zu schaffen hat, daß Minderjährige durch eine effektive Barriere gehindert werden, die pornographischen Seiten wahrzunehmen. Sie waren auf dem Markt auch vorhanden (vgl. etwa die Schilderung der technischen Maßnahmen in OLG Düsseldorf NJW 1984, 1977). Deshalb geht die Annahme der Revision, eine solche Sicherung bestehe auch darin, daß die Eltern den Computer so konfigurieren können, daß der Zugriff auf solche Seiten gesperrt ist, fehl. Denn nicht die Eltern haben die Gefahrenquelle geschaffen, sondern das hat der Angeklagte getan. In der Regel werden die Eltern diese technische Zugriffsmöglichkeit gar nicht kennen. Zudem muß auch berücksichtigt werden, daß es Familienverhältnisse gibt, in denen erzieherisches Handeln nicht oder nur unzureichend stattfindet.
c) Das AVS „über 18.de“ leidet wie alle auf der „Personalausweisnummer“ gestützte AVS – unabhängig von ihrer technischen Ausstattung im einzelnen (vgl. die Übersicht bei Döring/Günter MMR 2004, 231, 233f. - an einem grundsätzlichen Mangel, der sie für den eingesetzten Zweck untauglich macht. Nach dem ihnen zugrundeliegenden Konzept funktionieren sie eine dem gesetzlichen Leitbild zufolge ausschließlich öffentlichen Zwecken vorbehaltene Zahlenfolge in ein für den privaten Rechtsverkehr nicht vorgesehenes und daher nicht geschütztes Kontrollmedium um und nehmen sie so zu Unrecht für eigene wirtschaftliche Zwecke in Anspruch.

Soweit die Revision über die Basisfunktion von „über18.de“ hinausgehende ergänzende Sicherungsfunktionen vorträgt, sind diese urteilsfremd, da das Landgericht ihr Vorhandensein nicht festgestellt hat. Sie wären aber auch nicht geeignet, das erforderliche Hindernis zu schaffen.

Neben die Prüfung des in der „Personalausweisnummer“ enthaltenen Lebensalters tritt dem Revisionsvorbringen zufolge die Prüfung der regionalen Übereinstimmung des Wohnortes des Nutzers und des in der Seriennummer verborgenen Sitzes der den Personalausweis ausgebenden Behörde. Damit soll verhindert werden, daß nicht amtlich vergebene, sondern mit Hilfe von Internet- Generatoren - unter Verwendung des der „Personalausweisnummer“ zugrundeliegenden Algorithmus - plausibel geschaffene Nummern den Zugang ermöglichen. Außerdem soll das System verhindern, daß dieselbe „Personalausweisnummer“ mehrfach von verschiedenen Computern aus verwendet wird. Diese Prüfungen treffen in mehrfacher Hinsicht auf Bedenken. Zunächst: Der Wohnort des Nutzers ist und wird dem Anbieter nicht bekannt; feststellen kann er allenfalls den Standort des Computers. In der ergänzenden Revisionsbegründung ist in diesem Zusammenhang allerdings erstmals – urteilsfremd – von der Eingabe der Postleitzahl die Rede. Diese Prüfung verstärkt – unabhängig von ihrer genauen technischen Ausgestaltung - kaum die Wirksamkeit der Barriere. Echte „Personalausweisnummern“ volljähriger Personen kann sich der Jugendliche ohne weiteres in seinem sozialen Nahraum beschaffen. Sie enthalten dann die örtlich passende Behördenkennzahl. Auf plausibel erfundene Nummern muß er nicht zurückgreifen. Die geschilderte Prüfung hindert eher den von dem Ausstellungsort an einen anderen Ort umgezogenen oder einen fremden PC nutzenden Erwachsenen am Zugriff.

Daß bestimmte „Personalausweisnummern“ „verbraucht“ sind, stellt ebenfalls keine wirkliche Hürde dar; echte Personalausweise Erwachsener im sozialen Nahraum, auf deren rechtlich ungeschützte Nummern der interessierte Jugendliche zurückgreifen kann, gibt es in hoher Anzahl.
Sollte das insoweit nicht ganz eindeutige Revisionsvorbringen wirklich dahin zu verstehen sein, daß das AVS in der Lage ist, den Standort des Computers desjenigen festzustellen, der sich einwählen will, verstieße eine solche Prüfung gegen § 4 Abs. 2 PersAuswG. Die „Personalausweisnummer“ besteht aus mehreren Ziffernblöcken. Deren erster ist die Seriennummer, die unter anderem die Nummer der ausstellenden Behörde enthält, der zweite enthält das unverschlüsselte Geburtsdatum. Sie sind durch einen Algorithmus miteinander verbunden, so daß nicht jedwede Kombination von Ziffern eine mögliche „Personalausweisnummer“ ergibt. Die Seriennummer darf nach § 4 Abs. 2 PersAuswG nicht in der Weise verwendet werden, daß mit ihrer Hilfe ein Abruf personenbezogener Daten aus Dateien oder eine Verknüpfung von Dateien möglich ist. Der Gesetzgeber will damit verhindern, daß die Seriennummern als Personenkennzahl- Surrogat verwendet werden (vgl. Medert/ Süßmuth, Paß und Personalausweisrecht 3. Aufl., § 3 PersAuswG Rdn. 4, § 4 PersAuswG Rdn. 11). Der Standort des Computers, von dem aus der Nutzer die angewählte Datei abruft oder versucht abzurufen, und dessen Identität mit dem bisher verwendeten Rechner wird bei beiden Prüfungen offenbar. Beides sind personenbezogene Daten, weil sie den augenblicklichen Standort des Computers und damit den Aufenthaltsort des Nutzers preisgeben. Deren Verknüpfung mit der den Geburtstag und die ausstellende Behörde enthaltenden „Personalausweisnummer“ ermöglicht es, ein Bewegungsbild zu erstellen und ggf. sogar den Inhaber der „Personalausweisnummer“ zu ermitteln. Dasselbe Verbot nach § 4 Abs. 2 PersAuswG gilt für die mit der ergänzenden Revisionsbegründung – urteilsfremd – vorgetragene „Registrierung von negativ geprüften Internet-Nutzern“ in einer „Blacklist“, sofern diese Datenverknüpfungen auf Seriennummern von tatsächlich ausgegebenen Personalausweisen beruhen.

3. a) Entgegen der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft waren ergänzende Feststellungen dazu, ob der Angeklagte einem unvermeidbaren Verbotsirrtum unterlag, nicht erforderlich. Daß er selbst von der Erforderlichkeit eines Wahrnehmungshindernisses ausging, ergibt sich bereits aus der Tatsache, daß er das AVS „über18de.“ verwendete, dessen Internetseite auch darüber informierte, daß es bislang kein anerkanntes Jugendschutzsystem gibt, was dem Angeklagten ebenfalls bekannt war (UA S. 3). Zwar mag „nicht anerkannt“ auch lediglich bedeuten, daß es keine offizielle Zertifizierung für derartige Systeme gibt und nicht etwa einen Hinweis auf die Zweifelhaftigkeit oder Mangelhaftigkeit des Angebots enthalten, was bei einer werbenden Website auch fern läge. Gleichwohl weist die Formulierung aber darauf hin, daß der Nutzer die Verantwortung nicht auf den Anbieter des AVS schieben kann, sondern für die Wirksamkeit des Systems in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht selbst einstehen muß. Soweit sich der Revisionsführer darauf beruft, die Betreiber von „über18.de“ hätten ihr System als rechtlich unbedenklich und von einem Gutachten abgesichert (vgl. Berger MMR 2003, 773) dargestellt, ist dem entgegenzuhalten, daß diese Anpreisungen erkennbar ausschließlich wirtschaftlichen Interessen dienten und eine Feigenblattfunktion erfüllten (vgl. BGHR StGB § 17 Vermeidbarkeit 3 und 4). Da niemand sonst außer dem Anbieter diese Auffassung vertrat, liegt der Fall auch anders als in BGH NJW 2003, 2838, 2841 geschildert.

b) Näher läge es allerdings, als Schuldform Vorsatz – und damit eine Strafbarkeit nach § 184 Abs. 1 Nr. 1 StGB (vgl. Gercke ZUM 2003, 349, 351 mit weit. Nachw.) oder Nr. 2 (vgl. OLG Düsseldorf aaO; Tröndle/Fischer, § 184 StGB Rdn. 11 ) - anzunehmen, weil der Irrtum über die Geeignetheit von Schutzvorkehrungen in der Regel keine Tat-, sondern eine Rechtsfrage ist (vgl. OLG Düsseldorf aaO). In tatsächlicher Hinsicht unterlag der Angeklagte den Feststellungen zufolge ja keinem Zweifel über die technische Wirkungsweise von „über18.de“. Das Landgericht hat den von ihm festgestellten Irrtum dementsprechend als mit dem Begriff „im Rechtssinne“ beschrieben und damit als einen Irrtum rechtlicher Natur bezeichnet (§ 17 StGB), der den Vorsatz nicht berührt. Deshalb wird in Fällen wie diesem in der Regel Vorsatz und damit ein Vergehen nach § 184 StGB vorliegen.

Gleichwohl muß die Sache nicht deshalb zurückverwiesen werden, weil das landgerichtliche Urteil zur Frage des Vorsatzes schweigt und es sich aus diesem Grunde dem Vorwurf der Unvollständigkeit  ausgesetzt sähe. In dem hier zu beurteilenden Einzelfall liegen die Dinge nämlich ausnahmsweise anders. Dem Verfahrensgang, der dem Senat aufgrund der von Amts wegen durchzuführenden Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen zugänglich ist, läßt sich entnehmen, daß die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft von vornherein nur den hinreichenden Tatverdacht für einen Fahrlässigkeitsvorwurf erbrachten. Denn sie endeten mit dem Antrag auf Erlaß eines Strafbefehls wegen eines fahrlässigen Vergehens gegen § 21 Abs. 1 Nr. 3a, Abs. 3 GjSM. Dieses Ermittlungsergebnis läßt sich mit der Überlegung erklären, daß der Irrtum über die Wirksamkeit einer Sicherungsmaßnahme auch eine tatsächliche Komponente betreffen kann, und daß die Ermittlungen einen derartigen Irrtum ergeben haben. Der Angeklagte, der – im Gegensatz zu dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall - nicht zuvor abgemahnt worden war, kann aufgrund seiner sorglosen Einstellung nämlich auch falsche Vorstellungen über die tatsächlichen Möglichkeiten Jugendlicher, das AVS zu umgehen gehabt haben, weil er die leichte Verfügbarkeit der „Personalausweisnummern“ im sozialen Nahraum verkannte.

Ein solcher Irrtum, der zum Teil tatsächlicher und zum Teil rechtlicher Natur ist, führt entgegen der Revisionsbegründung (S. 8) allerdings nicht zur Straflosigkeit, sondern er schließt nur den Vorsatz aus (§ 16 StGB). War aber der Tatvorwurf in der geschilderten Weise bereits von der Anklagebehörde beschrieben, so stellt es keinen sachlich-rechtlichen Fehler des Urteils dar, wenn es sich mit der Schuldform des Vorsatzes nicht auseinandersetzt. Vielmehr ist dann trotz des Fehlens einer ausdrücklichen Darlegung dem Gesamtzusammenhang des Urteils die Charakterisierung des Irrtums als – auch – tatsächlicher Natur immanent. Nach dem geschilderten Verfahrensverlauf ist mit ergänzenden Feststellungen nicht mehr zu rechnen. Im übrigen wirkte ein etwaiger Rechtsfehler insoweit nicht zum Nachteil des allein revidierenden Angeklagten.

Der Irrtum führt zur Verurteilung wegen einer Fahrlässigkeitstat; denn er beruhte seinerseits auf Sorglosigkeit. Er war auch vermeidbar. Bei einer derart einfach zu überwindenden Hürde, die den Zugriff auf die Internetseiten problemlos ermöglichte, lag es äußerst nahe, daß die Sicherung in tatsächlicher Hinsicht nicht ausreicht und damit die rechtlichen Erfordernisse an eine „Vorkehrung“ im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2 GjSM nicht erfüllt sind. Wenn sich der Angeklagte gleichwohl bei einer kompetenten und zuständigen Stelle, die ohne eigenes wirtschaftliches Interesse an dem Vertrieb eines AVS über dessen Wirksamkeit informiert, sachkundig gemacht hätte, wäre er den Irrtümern nicht unterlegen.

4. Der Hinweis der Revision auf den Rundfunkstaatsvertrag in der seit dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung greift nicht durch. Nach § 1 Abs. 3 GjSM sind Schriften im Sinne dieses Gesetzes nicht Rundfunksendungen nach § 2 des Rundfunkstaatsvertrages. Weiterhin ist der durch den Rundfunkstaatsvertrag in der zur Tatzeit geltenden Fassung gewährleistete Schutz Minderjähriger wesentlich effektiver als das vom Angeklagten verwendete System. Denn nach § 3 Abs. 2 RfStV dürfen Sendungen mit jugendgefährdendem Inhalt nur nachts, also zu einer Zeit, zu der Minderjährige in der Regel durch die Eltern kontrolliert werden, ausgestrahlt werden. Überdies ist die Ausstrahlung von Sendungen, die den in § 1 GjSM aufgeführten Schriften entsprechen, grundsätzlich unzulässig. Eine Ausstrahlung ist in diesem Fall nur nach Gestattung der Landesrundfunkanstalten, mithin einem Kontrollorgan, zur Nachtzeit zulässig.

Demgegenüber waren die Internetseiten des Angeklagten tagsüber zugänglich und damit zu einer Zeit, zu der damit zu rechnen ist, daß Minderjährige unbeaufsichtigt sind.

5. Der Gesetzgeber war berechtigt, die Verbreitung pornographischer Aufnahmen im Internet zu beschränken. Das in Art. 5 Abs. 2 GG zum Ausdruck kommende verfassungsrechtliche Interesse
berechtigt ihn zu Regelungen, durch welche der Jugend drohende Gefahren abgewendet werden (vgl. BVerwG NJW 2002, 2966, 2970). Denn dem durch Art. 1 und Art. 6 GG erfaßten Jugendschutz kommt ein maßgebliches Gewicht zu (vgl. BVerfG NJW 1991, 1471; BGH NStZ 1990, 586). Deshalb wäre ein Eingriff in die Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. BVerwG NJW 2002, 2970) und in die Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) gerechtfertigt. Im übrigen verlangt § 3 Abs. 2 GjSM keinen absoluten Schutz Minderjähriger, sondern nur eine effektive Barriere. Auch bei Errichtung einer solchen Barriere bleibt es Erwachsenen unbenommen, diese zu überwinden. Ihre Rechte auf Zugang zu den von ihnen gewünschten Medienangeboten werden durch dieses Erfordernis nicht beeinträchtigt.

III.
Der Schuldspruch kann gleichwohl nicht bestehen bleiben. Denn das GjSM ist am 1. April 2003 aufgrund von § 30 des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2730) in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 des Jugend Medienschutz-Staatsvertrages (JMStV) außer Kraft getreten und durch die beiden genannten Gesetze ersetzt worden. Seither folgt die Strafbarkeit, soweit sie sich nicht aus dem durch den JMStV nicht derogierten (vgl. § 4 Abs. 1 JMStV „unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit“; vgl. auch Döring/Günter MMR 2004, 231, 232; Scholz/Liesching, Jugendschutz, 4. Aufl., § 23 JMStV Rdn. 3 und die in Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner RStV Kommentar Band III § 4 JMStV abgedruckte amtliche Begründung zu § 4 Abs. 1, die eine Harmonisierung der Vorschriften des StGB und des JMStV anstrebt) § 184 StGB ergibt, für Trägermedien aus dem mit den Strafvorschriften des GjSM vergleichbaren § 15 JuSchG und für Telemedien aus § 23 JMStV. Diese Vorschrift erklärt im Gegensatz zu § 15 JuSchG aber nur solche Handlungen für strafbar, die sich auf Angebote beziehen, die „offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit unter Berücksichtigung der besonderen Wirkungsform des Verbreitungsmediums schwer zu gefährden“. Die übrigen bislang nach § 21 GjSM strafbaren Handlungen sind überwiegend in § 24 JMStV als Ordnungswidrigkeiten ausgestaltet. Nach der seit dem 1. April 2003 geltenden Rechtslage ist die Tat des Angeklagten als fahrlässige Zuwiderhandlung gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, § 24 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 JMStV zu beurteilen.

1. Eine Strafbarkeit nach § 184 StGB ist mangels Vorsatzes nicht gegeben (siehe oben S. 13-15). Auch § 15 JuSchG ist nicht anwendbar. Das von dem Angeklagten veranstaltete Programm befand sich nicht auf einem Trägermedium (§ 1 Abs. 2 JuSchG), weil ihm die Gegenständlichkeit und Geeignetheit zur körperlichen Weitergabe fehlte. Vielmehr handelte es sich um ein Telemedium (vgl. Scholz/Liesching, § 1 JuSchG Rdnrn. 5-9), dessen Diensteanbieter (§ 3 Satz 1 Nr. 1 Teledienstgesetz – TDG) der Angeklagte war. Eine Strafbarkeit nach § 23 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 JMStV scheidet ebenfalls aus, weil die Feststellungen die offensichtliche Eignung zur schweren Gefährdung unter Berücksichtigung der besonderen Wirkungsform des Verbreitungsmediums nicht ergeben. Angesichts der Einordnung des Dargestellten in die sog. „einfache Pornographie“ (vgl. Tröndle, § 184 StGB Rdn. 5) sind ergänzende Feststellungen, die eine Strafbarkeit nach dieser Vorschrift begründen könnten, auszuschließen.

2. Die Handlungen des Angeklagten verstoßen nach jetzt geltender Rechtslage gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 24 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 JMStV. Seine Angebote waren unzulässig; denn sie waren in sonstiger Weise pornographisch (§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1). Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 ausnahmsweise zulässig waren sie nicht; denn von Seiten des Anbieters war nicht sichergestellt, daß sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden (geschlossene Benutzergruppe). Diesen Anforderungen genügte das AVS „über18.de“ erst recht nicht (vgl. Döring/Günter, MMR 2004, 231, 233f., 236f.). Inwieweit diese Formulierung an den Anbieter (noch) höhere Sicherheitsanforderungen stellt als § 3 Abs. 2 Satz 2 GjSM, braucht hier nicht entschieden zu werden; denn der Angeklagte genügte noch nicht einmal jenen. Diese unzulässigen Angebote hat der Angeklagte im Internet vorsätzlich zugänglich gemacht (§ 24 Abs. 1 Nr. 2 JMStV), wobei seine Irrtümer dazu führen, daß der Vorsatz entfällt (siehe oben S. 11) und eine lediglich fahrlässige Ordnungswidrigkeit angenommen werden muß, die nach § 24 Abs. 3 JMStV in Verbindung mit § 17 Abs. 2 OWiG mit einer Geldbuße bis zu 250.000 € geahndet werden kann.

3. Nach § 2 Abs. 3 StGB sind die milderen Vorschriften anzuwenden. Das sind hier diejenigen des JMStV; denn sie führen gegenüber der zur Tatzeit geltenden Rechtslage nur zu einer Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit. Daß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV für die geschlossene Benutzergruppe ggf. noch höhere Sicherheitserfordernisse aufstellen als § 3 Abs. 2 Satz 2 GjSM, steht dem nicht entgegen. Denn es können nicht einzelne Regelungen gegenübergestellt werden. Vielmehr gilt der Grundsatz der strikten Alternativität. Danach ist die Gesetzeslage jeweils als Ganzes zu vergleichen (vgl. Tröndle/Fischer, § 2 StGB Rdn. 9). Dieser Vergleich der im Unrechtskern gleichen Vorschriften (vgl. Tröndle/Fischer, § 2 StGB Rdn. 5) ergibt aufgrund der Herabstufung des Vergehens zur Ordnungswidrigkeit den Vorrang des § 24 JMStV.

4. Da nach der Entscheidung des Senats rechtskräftig feststeht, daß der Angeklagte nicht mehr wegen einer Straftat, sondern nur wegen einer Ordnungswidrigkeit verfolgt wird, und die Feststellungen des angefochtenen Urteils aufrechterhalten geblieben sind, ist er zur eigenen Sachentscheidung berechtigt (vgl. Hans OLG Bremen VRS 65, 36, 38; Steindorf in KK, OWiG 2. Aufl., § 83 Rdn. 13; Göhler, OWiG 13. Aufl., § 82 Rdn. 27, § 83 Rdn. 14 jeweils mit weit. Nachw.). Er spricht den Angeklagten daher der in der Urteilsformel bezeichneten Ordnungswidrigkeit schuldig.

IV.
Der auf eine Geldstrafe lautende Rechtsfolgenausspruch hat danach keinen Bestand mehr. Der Senat kann gemäß § 79 Abs. 6 OWiG die Geldbuße selbst festsetzen. Er hält eine Geldbuße von 2000 € für ausreichend. Daß der Gesetzgeber den Bußgeldrahmen bis 250.000 € reichend ausgestaltet hat, kann für die im vorliegenden Fall angemessene Sanktion kein Maßstab sein. Denn dessen Höhe zieht in Betracht, daß finanzkräftige Unternehmen Täter der Ordnungswidrigkeit sein können, die nur mit einer Buße in fünf- oder sechsstelliger Höhe beeindruckt und dazu veranlaßt werden können, ihre häufig sehr hohen Gewinne auf legale Weise zu erzielen. Zu dieser Gruppe gehört der vermögenslose Angeklagte nicht. Er verdient als Maschinenführer monatlich 1800 € und ist gegenüber seinen beiden minderjährigen Kindern zu Unterhalt verpflichtet. Seine Ehefrau verdient zum Familienunterhalt hinzu. Seine beiden Webseiten betreibt er nebenberuflich; Gewinne ließen sich nicht feststellen. Die Buße konnte daher im unteren Bereich des Rahmens gefunden werden, freilich nicht am untersten Rande. Denn die Tat betraf zwei verschiedene websites. Sie verwirklichte auch die vom Gesetzgeber ins Auge genommene Gefahr, die von pornographischen Darstellungen ausgeht, und erschöpfte sich deshalb nicht in einem – ebenfalls demselben Bußgeldrahmen unterliegenden – eher formalen Verstoß geringeren Unrechtsgehalts. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4
StPO. Da der Angeklagte einen Freispruch erstrebte, ist das Rechtsmittel überwiegend erfolglos geblieben. Der Senat hat aber aus Billigkeitsgründen die Gebühr um ein Drittel herabgesetzt und ein Drittel der notwendigen Auslagen der Landeskasse Berlin auferlegt. Denn die Aufhebung des Schuldspruchs und die Verurteilung nur wegen einer Ordnungswidrigkeit stellen einen Teilerfolg dar, der sich auch kostenrechtlich auswirken muß.

(Unterschriften)

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