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Zur Abgrenzung von Tatsachen- und Meinungsäußerungen vor dem Hintergrund der Klimaproblematik - LG Köln, Urteil vom 26.10.2006, Az.: 28 O 456/05

Leitsätzliches

Das Landgericht Köln beschäftigt sich in diesem Rechtsstreit zwischen einer großen Umweltschutzorganisation und einem der größten Entergieversorgers Europas mit der Einschätzung von Aussagen in einem Flyer als Meinungsäußerungen oder Tatsachenbehauptungen. Zudem beschäftigt sich das Gericht mit der Formulierung von presserechtlichen Unterlassungsanträgen.  

LANDGERICHT KÖLN

URTEIL

Aktenzeichen: 28 O 456/05

Entscheidung vom: 26. Oktober 2005

In dem Rechtsstreit

...

gegen

...

hat das Landgericht Köln durch ... auf die mündliche Verhandlung vom ... für Recht erkannt:

1. Die einstweilige Verfügung vom 19. August 2005 wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag - in der nach übereinstimmender Teilerledigungserklärung durch die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 30. September 2005 zuletzt gestellten Fassung - zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand:

Der Verfügungsbeklagte ist eine international bekannte Umweltschutzorganisation; die Verfügungsklägerin ein führendes Wasser- und Stromversorgungunternehmen. Aufgrund zahlreicher eigenen Kraftwerke ist der Konzern der Verfügungsklägerin unstreitig einer der größten Kohlendioxid-Emmitenten Europas. Die Verfügungsklägerin war einer der Sponsoren des Weltjugendtages 2005 in Köln. Über ihre Konzerngesellschaften stellte sie dabei u.a. Flächen für den Abschlussgottesdienst mit dem Papst zur Verfügung, das sog, "Marienfeld". Das Marienfeld macht mit 2,6 qkm ein Viertel der Fläche des früheren Braunkohletagebaus Frechen mit rd. 11,5 qkm aus, in dem von 1952 bis 1986 aus bis zu 250 m Tiefe 334 Mio. Tonnen Braunkohle für die Brikettherstellung und für die Stromerzeugung gefördert wurden.

Von den Organisatoren des Weltjugendtages wurde eine Broschüre an die Teilnehmer des Weltjugendtages verteilt, in der u.a. Informationen über das Marienfeld gegeben wurden und in der u.a. nachstehende Anzeige der Verfügungsklägerin (Anlage ASt 1, Bl. 12 d.A.) abgedruckt war:

- Es folgt eine einseitige Darstellung des Werbeprospektes. –

Auch die Verfügungsklägerin verteilte Material, u.a. eine Broschüre mit dem Titel "Destination Marienfeld" (Anlage AG 2, Bl. 47 ff. d.A.). Auf der Rückseite dieser Broschüre war die oben abgedruckte Anzeige in Deutsch und Englisch abgedruckt. Sie wurde ferner zweisprachig als Flugblatt verteilt. Der Verfügungsbeklagte verteilte demgegenüber seit dem 16. August 2005 nachstehendes Flugblatt (Bl. 3 d.A.) unter Verwendung von Namen, Logo und Design des Flugblattes der Verfügungsklägerin und damit unter Nutzung von deren Wort-/Bildmarke (Anlage ASt 4, Bl. 16 ff. d.A.). Das Flugblatt enthielt am Rande quergedruckt Angaben zur Verfügungsbeklagten. Bezweckt war, dieses Flugblatt an die Teilnehmer des Weltjugendtages in Köln zu verteilen.

- Es folgt eine einseitige Darstellung des Werbeprospektes. –

Parallel erstellte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland LV NRW e.V. ebenfalls in Anlehnung an die Anzeige der Verfügungsklägerin ein Flugblatt. In diesem war die o.a. Anzeige der Verfügungsklägerin einer verfremdeten Eigendarstellung gegenübergestellt, welche allerdings – anders als diejenige des Verfügungsbeklagten - nicht unter Nutzung von Namen und Logo der Verfügungsklägerin etc. erstellt war. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage AG 4 f., Bl. 58 f. d.A. verwiesen.

Auf die Antragsschrift vom 19. August 2005 hat die Kammer dem Verfügungsbeklagten mit Beschluss vom gleichen Tag verboten, das oben abgebildete Druckstück zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen. Dagegen hat der Verfügungsbeklagte unter dem 19. August 2005 Widerspruch eingelegt.

Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, das Flugblatt sehe der eigenen Anzeige zum Verwechseln ähnlich. Erst bei genauerer Lektüre werde dem Leser klar, dass die darin getätigten Aussagen nicht von ihr stammen können. Es handele sich um eine bewusst hervorgerufene Zuordnungsverwirrung. Selbst wenn der Leser Zweifel bekomme, könne er durch den bewusst klein gehaltenen Hinweis auf den Verfügungsbeklagten nicht ohne weiteres erkennen, von wem die Informationsschrift stamme. Hinzukomme, dass gerade Flugblätter vom Durchschnittsadressaten nur flüchtig wahrgenommen würden und gerade dies zu Zuordnungsverwirrungen führe, zumal die Eigenwerbung der Verfügungsklägerin den Teilnehmern des Weltjugendtages nicht zeitgleich präsent gewesen sei. Hier sei es dann besonders perfide, wenn der Verfügungsbeklagte sich hinter der vermeintlichen Autorenschaft eines Unternehmens verstecke und dieses "Selbstbezichtigungen" von sich geben lasse.

Auch in der Sache enthalte der Flyer zudem Äußerungen, die nicht nur in grober Weise herabsetzend und geschäftsschädigend, sondern falsch und irreführend seien. So sei es unstreitig unzutreffend, dass durch den Braunkohletagebau im Tagebau Frechen – und nur dieser sei in der Erstmitteilung in Bezug genommen - "über eine Milliarde Tonnen" des Klimagases CO2 freigesetzt wurde. Auf den Tagebau entfielen unstreitig nur ca. 350 Mio. Tonnen.

Ferner sei (unstreitig) falsch, dass pro Tonne geförderter Braunkohle 650 m3 Wasser gefördert werden und "dieses Wasser" – also das gesamte Wasser - "ungenutzt" in Flüsse abgeleitet werde. Etwa die Hälfte des Wassers werde unstreitig als Trinkwasser oder zur Versorgung von Unternehmen oder im Interesse des Naturschutzes (Versickerungsmaßnahmen zum Erhalt von Feuchtgebieten) genutzt. Dass dann Trinkwasservorräte "unseren Nachkommen fehlen werden" sei ebenfalls eine falsche Tatsachenbehauptung – und nicht etwa nur eine Prognose und Meinungsäußerung, da die Frage bereits heute einem wissenschaftlichen Beweis zugänglich sei. Nachweislich stünden Trinkwasservorräte in ausreichender Menge zur Verfügung; die Trinkwasserversorgung werde durch die Grundwasserentnahme beim Braunkohleabbau weder beeinträchtigt noch gefährdet. Dies gelte – wie in der mündlichen Verhandlung ergänzend vorgetragen wurde – vor allem auch deswegen, als in Flüsse geleitetes Wasser oder in Kraftwerken verdunstetes Wasser zurück in den Wasserkreislauf gelange.

Die Bezeichnung der Verfügungsklägerin als "der größte Klimakiller Europas" sei keine Meinungsäußerung, sondern die in einem Wort zusammengefasste falsche Tatsachenbehauptung, dass sie aufgrund ihrer unternehmerischen Tätigkeit einen das Klima zerstörenden Beitrag leiste. Es handele sich um eine unzulässige Schmähkritik, da sie die Weiterentwicklung modernster Technologien zur Klimagasreduktion etc. fördere und sich um einen nachhaltigkeitsorientierten Einsatz von Kohle bemühe. In diesem Kontext sei falsch, dass die Verfügungsklägerin "statt auf nachhaltige CO2-ärmere Technologien auf fossile und rückständige Braunkohle" setze. Die Verfügungsklägerin gewinne ihren Strom aus einem Mix von Braunkohle, Kernenergie, Steinkohle, Gas, Wasserkraft, Wind- sowie Solarenergie. Sie arbeite an fortschrittlichen Technologien zur Energiegewinnung wie z.B. der Erforschung und Entwicklung von Brennstoffzellentechnologie bzw. der Förderung von Offshore Windparks, etc. Schließlich seien fossile Energieträger nicht "rückständig", da ca. 65 % der weltweiten Stromerzeugung darauf basieren und weiterhin basieren werden.

In rechtlicher Hinsicht ist die Verfügungsklägerin der Ansicht, ihr stünden Unterlassungsansprüche aus §§ 823, 824, 1004 BGB bzw. §§ 12, 1004 BGB zu, da grob unrichtige Tatsachen über ihren Geschäftsbetrieb verbreitet würden bzw. der Verfügungsbeklagte "im Gewand" der Verfügungsklägerin auftrete und dazu deren Unternehmenskennzeichen/Marke im außergeschäftlichen Verkehr widerrechtlich nutze .

Im Termin wurde mit den Parteien angesichts der Beendigung des Weltjugendtages in Köln die Frage der Wiederholungsgefahr erörtert. Die Verfügungsklägerin hat daraufhin die Hauptsache insofern für erledigt erklärt, als sie sich gegen den Flyer in seiner konkreten Verbreitungsform gerichtet hat. Im Übrigen hat sie sich gegen die bereits zuvor beanstandeten Äußerungen als solche gewendet.

Sie beantragt zuletzt wörtlich,

die einstweilige Verfügung der Kammer vom 19. August 2005 mit der Maßgabe zu bestätigen, dass dem Antragsgegner bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zum 250.000,00 € ersatzweise Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten untersagt werden soll:

 

1. Daß pro Tonne geförderter Braunkohle 650 Kubikmeter Wasser gefördert werden und dieses Wasser ungenutzt in Flüsse abgeleitet wird - Trinkwasservorräte von hervorragender Qualität, die unseren Nachkommen fehlen werden?

2. Daß dieser Tagebau von 1952 bis 1986 Braunkohle geliefert hat, aus der Brennstoffe erzeugt und vor allem über eine Milliarde Tonnen des Klimagases Kohlendioxid freigesetzt wurden?

3. Daß S einer der international führenden Energieversorger der größte Klimakiller Europas ist, der statt auf nachhaltige CO2-ärmere Technologien auf fossile und rückständige Braunkohle setzt?

Der Verfügungsbeklagte hat sich der Teilerledigungserklärung angeschlossen und beantragt im Übrigen wörtlich,

 

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Der Verfügungsbeklagte bestreitet die Aktivlegitimation, da der Tagebau von dem selbständigen Unternehmen Q AG betrieben wurde und die Verfügungsklägerin von den darauf bezogenen Äußerungen gar nicht betroffen sei. Ferner liege jedenfalls keine unzulässige Namensanmaßung o.ä. vor. Wie die Verfügungsklägerin selbst einräume, könne bei genauerer Lektüre kein Irrtum eintreten, da der Text ironisch zu verstehende Selbstbezichtigungen und eine programmatische Aussage zur Zerstörung des Klimas enthalte, die von der Verfügungsklägerin nicht zu erwarten seien. Es handele sich um eine zulässige Form der Satire, die durch die Textänderungen ab dem 2. Spiegelstrich, durch den hervorgehobenen Satz "Die Zerstörung des Klimas. Dafür setzen wir uns ein. Mit ganzer Kraft." sowie das eindeutige Impressum auch klar als solche erkennbar sei. Dies gelte umso mehr, als den Teilnehmern des Weltjugendtages die massive Werbung der Verfügungsklägerin bekannt gewesen sei und man daher sogleich erkannt habe, dass dieser Flyer etwas anderes sein müsse.

In der Sache seien auch die einzelnen angegriffenen Äußerungen zulässig. So seinen unstreitig "über eine Milliarde" Tonne CO2 aus der Verstromung der Braunkohle des (gesamten) Tagebaus des rheinischen Braunkohlereviers – der mit der Äußerung gemeint gewesen sei – freigesetzt worden, nämlich ca 3 ½ - 4 Milliarden Tonnen. Der Tagebau Frechen habe dazu einen erheblichen Beitrag geleistet, was man – im Zuge einer zulässigen Schätzung - herausheben dürfte, zumal mit der Angabe "über 1 Milliarde" vom Leser keine detaillierten Angaben verlangt würden.

Dass pro Tonne geförderter Braunkohle etwa 650 m2 Wasser gefördert würden, hat der Verfügungsbeklagte zuletzt zwar ebenfalls als unzutreffend bestätigt. Ungeachtet dessen werde das geförderte Grundwasser dennoch zu weiten Teilen in Flüsse und Sümpfungstrichter abgeleitet, eine echte Nutzung finde für gut die Hälfte nicht statt, sondern nur – wie in der mündlichen Verhandlung eingeräumt – für die andere Hälfte. Wegen der Einzelheiten wird auf S. 19 f. von Anlage AG 7, Bl. 136 ff. d.A. verwiesen. Im Kern sei es bei der Erstmitteilung nur um die Trinkwassernutzung gegangen, die (unstreitig) mit dem geförderten Wasser kaum stattfindet. Ungeachtet dessen reduziere Braunkohleförderung Grundwasservorräte und beeinträchtige deren Qualität. Ihre Behauptung über die Trinkwasservorräte der Zukunft sei daher eine naheliegende Prognose, die - wie jede Prognose - unter die Meinungsfreiheit falle.

Die Verfügungsklägerin werde zuletzt durch ihre Bewertung als "der größte Klimakiller Europas" nicht verunglimpft, da es zumindest eine zulässige Meinung sei, dass Braunkohlegewinnung und –verfeuerung und die dadurch hervorgerufenen CO2-Emmissionen klimaschädlich seien. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Verfügungsklägerin in ihrem Geschäftsbericht selbst angebe, dass Braunkohle nach wie vor ihr wichtigster Energieträger mit einem Anteil von ca. 31% sei, während nicht fossile Energieträger nur 2,7% ausmachen.

Mit nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 14. und 17. Oktober 2005 hat die Verfügungsklägerin klarstellende Hinweise zu ihren zuletzt protokollierten Anträgen gemacht. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Auch den Widerspruch der Verfügungsbeklagten war – auch unter Berücksichtigung der übereinstimmenden (Teil-) Erledigungserklärungen und der im Termin neu gefassten Anträge - wie tenoriert zu entscheiden.

1. Die zuletzt gestellten Verfügungsanträge waren unklar gefasst und zunächst im Wege der Auslegung entsprechend §§ 133, 157 ZPO so auszulegen, dass die Verfügungsbeklagte beantragt hat, die einstweilige Verfügung der Kammer vom 19. August 2005 mit der Maßgabe zu bestätigen, dass dem Verfügungsbeklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zum 250.000,00 € ersatzweise Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten untersagt werden soll, die folgenden Äußerungen zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen: (1) Daß pro Tonne geförderter Braunkohle 650 Kubikmeter Wasser gefördert werden und dieses Wasser ungenutzt in Flüsse abgeleitet wird - Trinkwasservorräte von hervorragender Qualität, die unseren Nachkommen fehlen werden? (2) Daß der Tagebau Frechen von 1952 bis 1986 Braunkohle geliefert hat, aus der Brennstoffe erzeugt und vor allem über eine Milliarde Tonnen des Klimagases Kohlendioxid freigesetzt wurden? (3) Daß S einer der international führenden Energieversorger der größte Klimakiller Europas ist, der statt auf nachhaltige CO2-ärmere Technologien auf fossile und rückständige Braunkohle setzt? Die Anträge der Verfügungsbeklagten waren dann als Antrag auf Aufhebung des Beschlusses und Zurückweisung des zuletzt gestellten Verfügungsantrages zu interpretieren.

2. Die so verstandenen Anträge sind zwar zulässig, aber in der Sache unbegründet. Denn der geltend gemachte Unterlassungsanspruch der Verfügungsklägerin aus §§ 1004, 823 BGB besteht nicht.

Dabei stellt die Kammer vor allem darauf ab, dass die Verfügungsklägerin bei ihren Anträgen schon nicht hinreichend differenziert hat und die Äußerungen in den einzelnen "Spiegelstrichen" des Flyers komplett angegriffen hat, anstatt sich – was grundsätzlich im Presserecht erforderlich ist (vgl. BGH, Urt. v. 08.07.1980 - VI ZR 159/78, GRUR 1980, 1105, 1107 f.; Burkhardt, in: Wenzel, Handbuch der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2005, Rn. 12.79, 82) – allein auf die konkrete Verletzungsform zu beschränken. Ein solches Vorgehen ist nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer jedenfalls dann nicht zulässig, wenn – wie hier – unstreitig zulässige Passagen (insbesondere wahre Tatsachenbehauptungen) von dem beantragten pauschalen Unterlassungstenor miterfasst würden und die im Kern angegriffene Äußerung auch ohne weiteres isoliert angreifbar gewesen wäre - ohne dass dadurch etwa wichtige Sinnzusammenhänge unterbrochen würden ( Burkhardt, a.a.O., Rn. 12.82) oder gar die engen Voraussetzungen für ein sog. Gesamtverbot vorliegen (dazu Burkhardt, a.a.O., Rn. 12.91). In solchen Fällen obliegt es auch nicht der Kammer, die eigentlich relevanten und ggf. beanstandungswürdigen Teile "herauszuschälen" und darüber - sei es nach § 938 ZPO und/oder durch Teilabweisung - zu entscheiden. Die korrekte Antragsfassung – auf die im Termin hingewiesen wurde – obliegt nach den zivilprozessualen Grundsätzen grundsätzlich allein der Verfügungsklägerin.

Im Übrigen fehlt es aber auch in der Sache selbst an den Voraussetzungen für Unterlassungsansprüche der Verfügungsklägerin.

Im Detail:

aa) Besonders gravierend sind die Mängel der Antragstellung bei dem Antrag zu (2). Dort ist unstreitig, dass "der Tagebau Frechen von 1952 bis 1986 Braunkohle geliefert hat, aus der Brennstoffe erzeugt" (wurden). Hier wäre ein Verbotsantrag ersichtlich darauf zu beschränken gewesen, zu untersagen, zu verbreiten, dass mit aus der vom Tagebau Frechen gelieferten Braunkohle über eine Milliarde Tonnen des Klimagases Kohlendioxid freigesetzt wurde. Das aber ist gerade nicht erfolgt, der Antrag damit in dieser weiten Fassung unbegründet, weil er sich gerade nicht auf die konkret zu beanstandenden Passagen beschränkt.

Selbst wenn man dies ausblenden würde, sind auch in der Sache keine Ansprüche der Verfügungsklägerin aus §§ 1004, 823 BGB ersichtlich. Zwar bestehen keine Zweifel an der Aktivlegitimation der Verfügungsklägerin als S-Holding als Muttergesellschaft und zwar ist unstreitig, dass die Verstromung der Kohle allein aus dem Tagebau Frechen ungleich weniger CO2 freigesetzt hat.

Doch ist nach Auffassung der Kammer bei dem - von der Verfügungsklägerin befürworteten - engen Verständnis der Äußerung als eine isoliert nur über den Tagebau Frechen die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfallen. Jedwede Aussage allein über diesen speziellen einzelnen rekultivierten Tagebau erfolgte ersichtlich – wie der Flyer in seiner konkreten Form – streng anlassbezogen nur wegen der Papstmesse auf dem "Marienfeld" und war ausschließlich nur vor diesem Hintergrund überhaupt von gewissem Interesse. Die Vermutung einer Wiederholungsgefahr wäre daher hier zumindest durch Zeitablauf ausgeräumt, da sich die Parteien in der Sache einig sind, dass diese Mengenangaben bezogen allein auf den Tagebau Frechen zu hoch wären und der Kammer nicht ersichtlich ist, wo und weshalb Äußerungen über CO2-Mengen speziell aus diesem Teil des rheinischen Braunkohlereviers nochmals virulent werden sollten.

Daneben bestehen – worauf es dann nicht mehr ankommt - aus Sicht der Kammer aber Zweifel daran, ob man die von der Verfügungsbeklagten vorgenommene strenge Lesart, dass damit nur eine unwahre Tatsachenbehauptung über diesen einen konkreten Tagebau verbunden sein sollte, teilen muss. Da bei mehrdeutigen Erklärungen wegen der Wertung des Art. 5 Abs. 1 GG im Zweifel eine noch zulässige Lesart heranzuziehen ist, kann die Äußerung auch als generelle Aussage über das gesamte Braunkohlerevier – zu dem der Tagebau Frechen und das "Marienfeld" unstreitig gehört hat – entnommen werden. Zwar ist der Flyer zum "Marienfeld" erstellt worden, doch enthält die angegriffene Äußerung gerade keine klare Angabe dazu, was unter "diesem Tagebau" genau zu verstehen ist und wo die räumlichen Grenzen zu ziehen sind. Dass im gesamten Revier – das durchaus dem Tagebau zugerechnet werden kann und umgekehrt - dann aber noch größere Mengen CO2 freigesetzt wurden, ist zwischen den Parteien auch unstreitig.

bb) Durchgreifende Bedenken an der Antragsfassung bestehen daneben auch bei Antrag (3), da die Verfügungsklägerin unstreitig einer der international führenden Energieversorger ist. Hier wäre der Antrag auf die Passage "größter Klimakiller Europas, der statt auf nachhaltige CO2-ärmere Technologien auf fossile und rückständige Braunkohle setzt" zu beschränken gewesen. Dies mag aber dahinstehen, denn auch hier bestehen jedenfalls in der Sache keine Ansprüche. Keinesfalls liegt etwa in der Titulierung als "Klimakiller" eine (unwahre) Tatsachenbehauptung. Es handelt sich – wie hier gerade auch der bei der Bewertung zu berücksichtigende Gesamtzusammenhang und Kontext (vgl. Burkhardt, a.a.O., Rn. 4.2) zeigt – ersichtlich nur um eine Bewertung, eine reine Meinungsäußerung. Maßgeblich ist dabei vor allem der Kontext, in dem zwar je nach Fallgestaltung "Killer" durchaus eine Tatsachenbehauptung als Synonym für Totschläger/Mörder sein kann (BGH, Urt. v. 04.06.1974 - VI ZR 68/73, GRUR 1974, 797 - "Fiete Schulze"). Dies gilt aber ersichtlich nicht für einen "Klimakiller", zumal man das Klima als solches nicht töten, sondern eben nur schädigen kann. Es handelt sich um eine Metapher, die gerade zur Verdeutlichung der vorgenommenen Bewertung herangezogen wurde. Erst recht gilt dies bei Würdigung der weiteren Inhalte des Flyers, aus denen letztlich hervorgeht, wie die Bewertung "Klimakiller" zustande gekommen sein mag. Da die Verfügungsklägerin unstreitig – und im Übrigen auch gerichtsbekannt – unzählige Kraftwerke betreibt und dort große Mengen CO2 freigesetzt werden, die – ebenfalls unstreitig und auch gerichtsbekannt – dem globalen Klimahaushalt zumindest nicht förderlich sind, bestehen an der Zulässigkeit einer solchen Bewertung keinerlei Zweifel.

Insbesondere handelt es sich auch ersichtlich nicht etwa um eine unzulässige Schmähkritik, die ein Verbot aus §§ 1004, 823 BGB hätte tragen können. Solche liegt nämlich nur vor, wenn allein und ausschließlich die Diffamierung eines Rechtssubjekts im Vordergrund steht und jedweder sachliche Bezug der Äußerungen fehlt (st. Rspr, vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 26.06.1990 - 1 BvR 1165/89, NJW 1991, 95, 96 – Zwangsdemokrat). So liegt der Fall hier gerade ersichtlich nicht, da der Flyer Fragen der Klimaveränderung, der Braunkohlereviere etc. anspricht und es sich vor diesem Hintergrund auch um eine nachvollziehbare und aus Sicht der Verfügungsbeklagten auch in sich schlüssige Bezeichnung handelt. Insbesondere verkennt die Verfügungsklägerin, dass es sich bei der Fallgruppe der Schmähkritik wegen der Bedeutung des Art. 5 Abs. 1 GG auch um eine sehr enge Ausnahme handelt ( Prinz/Peters , a.a.O., Rn. 32) und es gerade hier um Fragen geht, die Gegenstand laufender öffentlicher Auseinandersetzungen handelt und bei denen daher besonders großzügige Maßstäbe anzulegen sind (vgl. auch OLG Köln, Urt. v. 28.10.2004 - Az: 15 U 125/04, NJOZ 2005, 3518 – Gen-Milch).

Dann liegt schließlich auch in der Äußerung, die Verfügungsklägerin "(setze) statt auf nachhaltige CO2-ärmere Technologien auf fossile und rückständige Braunkohle" ersichtlich ebenfalls nur eine zulässige Meinungsäußerung auf Basis der als solches unstreitigen Tatsache, dass die Verfügungsklägerin 1/3 ihrer Energie mit Braunkohle erzeugt und regenerative Energien (in absoluten Zahlen) keine gewichtigen Anteile an ihrem "Energie-Mix" haben. Keinesfalls ist die Äußerung etwa bei Würdigung des Gesamtkontextes als Mitteilung (unwahrer) innerer Tatsachen (Absichten) der Verfügungsklägerin zu verstehen, sondern eben allein als eine bewertende Erläuterung des zuvor genutzten Begriffs des "Klimakillers". Dass sich die Verfügungsklägerin auch für nachhaltigere Braunkohlenutzung o.ä. einsetzen mag, rechtfertigt dann keine andere Bewertung, da es der Verfügungsbeklagten unter Inanspruchnahme des Schutzes des Art. 5 Abs. 1 GG frei steht, diese Bemühungen als unzureichend anzusehen und allein aufgrund der Tatsache, dass die Verfügungsklägerin noch mit fossilen Brennstoffen arbeitet (und ggf. arbeiten muss), daraus seine eigene Bewertung abzuleiten und kundzutun.

cc) Ebenfalls zu umfassend und unklar gestellt, ist dann auch der Antrag zu (1), zumal der Satz mehrere Bestandteile enthält. Insofern ist nach Auffassung der Kammer dabei dann aber ohne Belang, dass pro Tonne geförderter Braunkohle – wie nunmehr unstreitig ist - nicht 650 Kubikmeter Wasser gefördert werden. Denn diese Passage ist nämlich – bei gebotener Würdigung des Gesamtkontextes – nicht der Schwerpunkt der angegriffenen Passage. Dieser liegt vielmehr darin, dass Trinkwasservorräte von hervorragender Qualität ungenutzt in Flüsse abgeleitet werden und dies in der Zukunft zu Problemen führen wird. Dabei handelt es sich aber erneut um eine zulässige Bewertung, da die von der Verfügungsklägerin vorgetragenen Nutzungshandlungen sich zu weiten Teilen eben nicht auf eine Trinkwassernutzung beziehen und das Beschwören eine Gefahr für die Zukunft ebenfalls dann wieder eine durch Elemente der Stellungnahme geprägte Bewertung darstellt. Dies hat die Verfügungsklägerin ebenfalls hinzunehmen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 92 ZPO, da die Verfügungsklägerin nach dem Vorgenannten mit ihrem Antrag unterlegen ist und entsprechend § 91 Abs. 1 ZPO dafür die Kosten zu tragen hat. Im Gegenzug hat jedoch die Verfügungsbeklagte für den – hinsichtlich der oben diskutierten Äußerungen wirtschaftlich identischen - ursprünglichen Antrag gemäß der auch im einstweiligen Verfügungsverfahren anwendbaren Regelung in § 91a ZPO die Kosten zu tragen. Bei umfassender Würdigung und aufgrund der teilweise bestehenden wirtschaftlichen Identität hielt die Kammer dabei dann eine Anwendung des § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO für sachlich geboten.

Soweit der Flyer in seiner konkreten Ausprägung zur Verteilung am Weltjugendtag Gegenstand des ursprünglichen Antrages war, ist aufgrund der wirksamen übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien im Termin eine Kostenentscheidung unter Berücksichtigung des derzeitigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu treffen gewesen. Dies führte dazu, die (anteiligen) Kosten nach § 91a ZPO dem Verfügungsbeklagten zu überbürden, da er ohne das erledigende Ereignis voraussichtlich unterlegen wäre und zudem Anlass zum Rechtsstreit gegeben hat.

Zwar hätte ein Unterlassungsanspruch der Verfügungsklägerin – entgegen der unklaren Normenkette im Beschluss vom 19. August 2004 – dabei nicht auf §§ 1004, 823 BGB als äußerungsrechtlicher Unterlassungsanspruch begründet werden können. Insofern kann auf das bereits oben zur Antragstellung Gesagte verwiesen werden. Der Flyer enthält unstreitig eine Vielzahl von wahren Tatsachenbehauptungen (etwa erster Spiegelstrich) bzw. zulässigen Bewertungen und Meinungsäußerungen (etwa dritter Spiegelstrich), so dass ein "Gesamtverbot" des Flyers – wie beantragt und im o.a. Beschluss ausgesprochen – darüber ersichtlich nicht zu rechtfertigen gewesen wäre.

Indes stand der Verfügungsklägerin ein Unterlassungsanspruch aus §§ 1004, 12 BGB zu in Anlehnung an die vom OLG Karlsruhe im Urteil vom 1.9.1972 - 10 U 137/72, NJW 1972, 1810 ff = DÖV 1974, 285 zu einer Nutzung des Signums CDU für "falsche" Wahlplakate herausgebildeten Grundsätze. Diese Maßstäbe haben in ähnlicher Form auch das OLG Düsseldorf im Urt. v. 27.9.1983 - 20 U 80/83, GRUR 1983, 794 ff. wtrp, für den Fall einer "falschen Zeitung" und offenbar auch das LG Hamburg in der bei Film und Recht 1981, 102 nur zusammengefasst wiedergegebenen Entscheidung zu verfremdeten "Jägermeister"-Werbungen aufgegriffen. Dem – nachstehend zu erklärenden - Ansatz schließt sich auch die Kammer trotz der Kritik an den Entscheidungen von Soehring , Presserecht, 3. Aufl 2000, Rn. 20.17 im Ergebnis zumindest für solche Fälle an, in denen es sich – wie hier - nicht um eine ganz offensichtlich erkennbare Satire handelt und in denen eine Herkunftstäuschung ersichtlich nicht ernsthaft in Betracht kommt (auf die Erkennbarkeit abstellend wohl auch Burkhardt a.a.O., Rn. 3.35 und im Ergebnis OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.03.1986 - 4 O 300/85, NJW 1987, 1413 – Heino bzw. für untergeschobenen Leserbrief – allerdings tendenziell weitgehend - LG Berlin, Urt. v. 19.2.1998 - 27 O 672-97, NJW -RR 1998, 1037 f.).

Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, dass der Verfügungsbeklagte sich der Unternehmensbezeichnung der Verfügungsklägerin bedient hat, um dieser eine vermeintlich eigene Erklärung "unterzuschieben" Damit handelt es sich gerade nicht um dem Fall einer - regelmäßig nicht für einen Verstoß gegen § 12 BGB genügenden – bloß verfremdeten Reklame unter einem zugleich eindeutig verfremdeten Namen wie im Fall BGH, Urt. v. 17.4.1984 – VI ZR 246/82, GRUR 1984, 684 – Mordoro vor oder um ein Aufgreifen nur einzelner Komponenten einer einprägsamen Unternehmenswerbung ohne jedwede Nutzung des Namens/Unternehmenskennzeichens wie bei KG, Urt. v. 20.8.1996 – 5 U 4311/96, NJW-RR 1997, 937. Diese Fallgestaltungen sind – wie auch die von den Parteien ebenfalls angesprochenen Fälle einer u.U. sogar markenmäßigen Nutzung von Markennamen für Scherzartikel wie z.B. bei BGH, Urt. v. 10.2.1994 – I ZR 79/92, GRUR 1994, 808 ff. – Mars (vgl. dazu auch Rohnke/Bott/Jonas/Asschenfeldt , GRURInt 2005, 419, 421 m.w.N.) ersichtlich mit der vorliegenden Fallkonstellation überhaupt nicht vergleichbar, so dass der Parteivortrag teilweise etwas am Problem vorbeiging.

Denn vorliegend ging es vielmehr um eine bewusste Nutzung des Namens der Verfügungsklägerin gerade zur Herbeiführung einer Zuordnungsverwirrung. Nach Auffassung der Kammer verletzt der Handzettel durch seine Aufmachung als vermeintliche "Beichte" der Verfügungsklägerin in ihrem eigenen Namen ganz offen deren Namensrecht. Dass diese nämlich auch für ihr Unternehmenskennzeichen als Abkürzung ihres vollen Namens und als zugleich deutschlandweit bekannte Wort-Bild-Marke, im außergeschäftlichen Verkehr den Schutz des § 12 BGB genießt, ist nicht zu bezweifeln. Das Zeichen wird in der Regel zur Bezeichnung der Verfügungsklägerin im Alltagsleben gebraucht; die Abkürzung S hat zudem die Verkehrsgeltung, die zur Gewährung von Namensschutz für Buchstabenfolgen erforderlich ist.

Ein Gebrauch des Namens im Sinne von § 12 BGB liegt vor, wenn der Name in einer Weise verwendet wird, die auf den Namensträger als Urheber hinweist, wenn also Identität mit diesem vorgetäuscht wird. Verballhornungen und satirische Verfremdungen sind zwar in aller Regel bloße Namensnennungen, da sie gerade den Bezug zu dem Namensträger aufrechterhalten (vgl. jurisPK-BGB/ Martinek , 2. Aufl. 2004, § 12 Rn. 51). Indes ist die Grenze fließend und es ist zu prüfen, ob eine klar erkennbare satirische Verfremdung vorliegt, die einen Identitätsirrtum sicher ausschließt. So liegt der Fall hier jedoch gerade nicht: Ein Identitätsirrtum wird im Betrachter des Flyers aus Sicht der Kammer unbedingt hervorgerufen. Dabei kommt es – anders als die Verfügungsbeklagte meint – nicht darauf an, ob und wie die Teilnehmer des Weltjugendtages die Werbung der Verfügungsklägerin kannten und ihnen daher eine Abgrenzung hätte klar sein müssen. Das Zeichen S ist nämlich in Verbindung mit dem gesamten Design etc. und insbesondere mit der fast unlesbar klein und quergedruckten Impressumsangabe bewusst so eingesetzt worden, dass der Anschein erweckt wird, es handle sich um einen Flyer der Verfügungsklägerin. Dies führt zwangsläufig dazu, dass derjenige, der den Flyer sieht, zunächst annimmt, es handele sich um eine Werbung für die Verfügungsklägerin. Beim Lesen des Textes merkt – worüber sich die Parteien in der Sache einig sind - der kundige Betrachter zwar, dass es sich um eine gegen die Verfügungsklägerin gerichtete Informationsschrift und nicht um deren Eigenwerbung handeln muss. Sinn und Zweck des Flyers besteht dennoch zunächst darin, einen solchen Identitätsirrtum hervorzurufen. Das ist gerade "der Witz an der Sache" – wie das OLG Karlsruhe a.a.O. für den ähnlichen Fall verfremdeter Wahlplakate treffend formuliert hat. Durch den bewusst hervorgerufenen Identitätsirrtum will die Verfügungsbeklagte gerade besondere Effekte und besondere Aufmerksamkeit erreichen.

Der unbefugte Gebrauch ihres Namens verletzt nach Sicht der Kammer auch die berechtigten Interessen der Verfügungsklägerin als Namensträgers. Sie braucht es sich nicht gefallen zu lassen, dass ihr Namen als "Waffe gegen die selbst" bei einer vermeintlichen "Selbstbezichtigung" ins Feld geführt wird. Insofern verweist die Kammer auf die ganz ähnliche Problematik des Unterschiebens von Zitaten – was der Betroffene ebenfalls kraft seines Persönlichkeitsrechts nicht hinzunehmen hat.

Soweit sich die Verfügungsbeklagte demgegenüber auf Kunstfreiheit, Satire und Parodie berufen hat, greifen diese Erwägungen nicht. Eine Parodie ruft keinen Identitätsirrtum über den Urheber hervor, wenn sie die Eigentümlichkeit einer Person oder eines Werks durch Übersteigerung ins Lächerliche zieht. Dasselbe gilt für die Satire als literarische Form. Dies unterscheidet den vorliegenden Fall auch von denjenigen, die die Parteien diskutieren. In den – üblicherweise nicht zu Verboten führenden parodistischen Darstellungen wird gerade nicht der Name als Waffe gegen den wahren Namensträger ins Feld geführt.

Diese Auslegung verletzt auch nicht das Recht der freien Meinungsäußerung der Verfügungsbeklagten. Das Recht der freien Meinungsäußerung steht nach Art. 5 Abs.2 GG unter dem Vorbehalt der allgemeinen Gesetze. Zu diesen allgemeinen Gesetzen gehören die Normen des bürgerlichen Rechts und daher auch § 12 BGB. Zwar müssen die allgemeinen Gesetze nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ihrerseits im Lichte der Bedeutung dieses Grundrechts gesehen und so interpretiert werden, dass der besondere Wertgehalt dieses Rechts, der in der freiheitlichen Demokratie zu einer grundsätzlichen Vermutung für die Freiheit der Rede in allen Bereichen, namentlich aber im öffentlichen Leben, führen muss, auf jeden Fall gewahrt bleibt; es sind als Grundrecht und "allgemeines Gesetz" in Wechselwirkung zueinander zu würdigen. Die Abwägung des Rechts der Verfügungskl ägerin gegen Missbrauch ihres Namens vorzugehen gegen die Freiheit der Meinungsäußerung des Beklagten führt nach Auffassung der Kammer dann dazu, dass das allgemeine Gesetz des § 12 BGB nach Art. 5 Abs. 2 GG der Verfügungsbeklagten die von ihr gewählte Form der Meinungsäußerung untersagt. Denn ihr stehen alle möglichen Formen frei, ihre Meinung über die Verfügungskl ägerin zu äußern. Dies muss aber gerade nicht so geschehen, dass sie sich dazu Flyern bedienen muss, die die Verfügungskl ägerin als Urheberin ausgeben. Liegen – anders als im vom OLG Karlsruhe entschiedenen Fall – hier freilich auch nicht deshalb ganz besonders schutzwürdige Namensrechte wie der Schutz von Parteien in der "heißen" Wahlkampfphase vor, gilt aber ganz generell, dass auch und gerade im öffentlichen Meinungskampf, in dem sich Verfügungskl ägerin und Verfügungsbeklagte befinden, der Schutz des Namens eines Gegners gegen den Gebrauch seines Namens im Sinne des § 12 BGB gleichzeitig auch der Offenheit und Fairneß des Meinungskampfes dient. Der Gegner muss sich folgerichtig als solcher zu erkennen geben und darf nicht mit einem fremden Namen und dem Mitteln der Selbstbezichtigung operieren. Dadurch wird seine Freiheit, die Meinung über den jeweiligen Gegner zu sagen, nicht beschränkt. Er kann sie sagen, muss es aber im eigenen und nicht unter Mißbrauch des Namens des Gegners mit offenem Visier tun. Daher streitet hier auch nicht das oben zur Frage der Schmähkritik angesprochene Faktum zugunsten der Verfügungsbeklagten, dass es sich um Fragen von besonderen öffentlichen Interesse handelt, die hier diskutiert werden. Denn auch diese Fragen hätte die Verfügungsbeklagte leicht ohne Verletzung des Namensrechts im Zuge einer geistigen Auseinandersetzung thematisieren können.

Schließlich wird auch die Freiheit der Kunst aus Art. 5 Abs. 3 GG nicht verletzt, wenn dem Beklagten der Missbrauch des Namens verwehrt wird. Trotz der vom Wortlaut her absolute Freiheit garantierenden Formulierung des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist die Kunstfreiheit eben nicht von jeder Schranke frei, sondern findet ihre Schranke in anderen Gütern von Verfassungsrang und widerstreitenden Grundrechten Dritter. Speziell mit dem auch verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrecht Dritter kann die Kunstfreiheit in Konflikt. Der Kunstfreiheit steht insofern das Namensrecht gegenüber, wie ihr das Recht am eigenen Bilde und das Recht der persönlichen Ehre gegenüber stehen. So wenig wie die Berufung auf die Freiheit der Kunst einem Fotografen oder Maler gestatten kann, jemanden unter Verletzung des § 22 KUG zu fotografieren oder zu malen, oder einem verleumderischen Gedicht den Charakter der Verleumdung nimmt, macht sie einen unbefugten Namensgebrauch rechtmäßig. Dies mag im Einzelfall zwar u.U. anders sein, doch kann sich gerade hier – wie auch das Beispiel des Flyers des BUND zeigt - Kunst gerade auch ohne einen solchen Einbruch in die Rechte Dritter entfalten. Zwar ist die Idee der Verfügungsbeklagten fraglos originell, da die Leser zum kritischen Nachdenken angeregt werden. Indes zeigt der Flyer des BUND eindrucksvoll, dass dies auch mit ungleich milderen Mitteln – sei es einer Verfremdung des Namens – zumindest ebenso gut möglich gewesen wäre.

Gründe die im Zuge der Billigkeitsentscheidung ausnahmsweise dazu hätten führen können, die Kosten der Verfügungskl ägerin zu überbürden, sind nicht ersichtlich.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 6 ZPO für den auf die streitige Entscheidung entfallenden Teil und ergibt sich im übrigen daraus, dass über die Teilerledigung an sich auch hätte durch sofort vollstreckbaren Beschluss entschieden werden können.

Streitwert:

bis zum 30.9.2005: 100.000 €

ab dann: 45.000 € (3 x 15.000 €)