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Vermittlung von Sportwetten über "D online Surfstationen" - LG Köln, Beschluss vom 14. Juli 2005, AZ: 105 Qs 80/05 -

Autor

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Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL. M.

Fachanwalt für IT-Recht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Leitsätzliches

Die Vermittlung von Sportwetten über sog. D-Automaten, die ein Spielhallenbetreiber aufstellt und über die Sportwetten an ein österreichisches Unternehmen vermittelt werden, fällt nach Ansicht des Gericht nicht unter § 284 StGB. Es hegt bereits Zweifel hinsichtlich des Vorliegen eines Glücksspiels, sowie die Einordnung des Tätigwerdens des Betroffenen als "Veranstalten" eines Glücksspiels.
Letztlich können diese Rechtsfragen allerdings dahinstehen, da die Strafvorschrift des § 284 StGB iVm den Vorschriften des Sportwettengesetz NW mit Blick auf die Gambelli-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 06.11.2003 (Az C-243/01) mit Gemeinschaftsrecht nicht zu vereinbaren und damit als Grundlage für eine Strafbarkeit des Betroffenen ausscheidet. Die Sicherstellung der Geräte war rechtswidrig, da unverhältnismäßig. Bitte vergleichen Sie zu diesem Thema auch unsere Serie zum Glückspiel und Sportwettenrecht! 

LANDGERICHT KÖLN

BESCHLUSS

Aktenzeichen: 105 Qs 80/05

Entscheidung vom 14. Juli 2005

In der Strafsache

...

hat die 5. Grosse Strafkammer des Landgerichts Köln durch ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom ... beschlossen:

 

wegen verbotenen Glücksspiels wird auf die Beschwerde des Betroffenen vom 22.02.2005  der Beschluß des Amtsgerichts Bergheim vom 31.01.2005  (Aktenzeichen 40 Gs 85/05) aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Staatskasse.

Gründe

Die gemäß § 304 zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Gegen den Betroffenen, der Geschäftsführer der H.H. M GmbH ist, wurde unter dem 06.09.2004 eine Strafanzeige wegen unerlaubter Veranstaltung eines Glücksspiels erstattet. Das Amtsgericht Bergheim erließ auf Antrag der Staatsanwaltschalft Köln unter dem 15.10.2004 einen Durchsuchungsbeschluss (Bl. 12 GA) .

Daraufhin wurde die vom Betroffenen betriebene Spielhalle ND auf der B- Str. ####1 in 50127 Bergheim am 29.10.2004 durchsucht und diverse Gegenstände sichergestellt. Außerdem wurden die Büroräume des Betroffenen durchsucht und auch hier schriftliche Unterlagen sichergestellt.

Während der Durchsuchung gab der Betroffene nach Belehrung bereitwillig Auskunft. Nach Rücksprache mit seinem Rechtanwalt war der Betroffene mit der Sicherstellung der Unterlagen einverstanden.

In den Räumlichkeiten befanden sich sog. D-Automaten. Dabei handelt es sich um Internetterminals, über die sich der Spieler in die Seiten des Sportwettenanbierters D in Österreich einwählen kann. Nach Abgabe seiner Spielwette bekommt er eine entsprechende Quittung ausgedruckt. Sollte er bei der Wette einen Gewinn erwirtschaftet haben, muß er die Spielquittung vom Gerät einscannen lassen und bekommt einen weiteren Ausdruck über den jeweiligen Gewinn. Diesen Ausdruck gibt er an der Spielaufsicht ab und erhält umgehend den Gewinn in bar ausgezahlt.

Unter dem 31.01.2005 hat das Amtsgericht Bergheim auf Antrag der Staatsanwaltschaft Köln die Beschlagnahme der sichergestellten Gegenstände angeordnet.

Unter dem 17.02.2005 wurde gegen den Betroffenen Anklage erhoben. Darin wird ihm vorgeworfen, gewerbsmäßig ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet zu haben : Ohne die nach § 1 Sportwettengesetz NW erforderliche Genehmigung habe der Betroffene in seiner Spielhalle vier "D online Surfstationen" sowie ein Internet-Wettannahmeterminal namens "Tipomat" aufgestellt, die die Teilnahme an Sportwetten des österreichischen Wettunternehmes "D Sportwetten" ermöglichten, wobei die österreichische Firma – was der Betroffene nach Aktenlage unwiderlegt vorträgt - eine ordnungsgemäße Konzession zum Veranstalten von Sportwetten ausgestellt durch die österreichischen Landesbehörden besitzt.

Die angeordnete Beschlagnahme war aufzuheben, weil die Voraussetzungen für ihren Erlaß nach den §§ 94, 98 StPO nicht vorliegen.

Eine Strafbarkeit des Verhaltens des Betroffenen und Beschwerdeführers gemäß § 284 StGB scheidet auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen schon aus Rechtsgründen aus.

So bestehen schon erhebliche Zweifel, ob die vom Betroffenen vermittelte Sportwette des österreichischen Anbieters D unter den Begriff des Glücksspiels fallen, wie ihn § 284 StGB voraussetzt. Insoweit erscheint fraglich, ob insoweit der Zufall im Vordergrund steht, oder ob das Ergebnis nicht auch wesentlich von Fähigkeiten, Kenntnissen und Informationsstand der Mitspieler abhängt.

Dabei geht die wohl h.M. bei der Sport- oder Rennwette davon aus, dass diese zu den Glücksspielen zu recnnen sind (BGH NStZ 03, 372 letztlich offen gelassen ; OLG Nürnberg SpuRt 01, 156; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Auflage, § 284 Rdn. 7 mwN, während nicht wenige andere Entscheidungen davon ausgehen, dass hier kein Glücksspiel vorliegt (so u.a. LG Bochum, NStZ-RR 02, 170; AG Karlsruhe-Durlach, NStZ 01, 254; AG München Urteil vom 24.06.2002 Az 1123 Cs 381 Js 32117/00; LG Berlin Urteil vom 23.09.2003 Az 526 Qs 214/03; vgl. zum Streitstand auch Janz in NJW 2003, 1694 ff. FN 14; Horn, NJW 2004, 2047 ff. jeweils mit weiteren Nachweisen).

Bedenken bestehen auch gegen die Einordnung des Tätigwerdens des Betroffenen als "Veranstalten" eines Glücksspiels. Veranstalten bedeutet nach Sinn und Zweck der Regelung, dass der Veranstalter als Unternehmer ein Glücksspiel idR auf eigene Rechnung ins Werk setzt. Rechtsprechung und Kommentierung differenzieren aber klar zwischen "Veranstalten" und bloßem "Vermitteln" (vgl. Dreher/Tröndle aaO Rdn. 11; Heine, wistra 03, 444 ff.; Horn, aaO 2052 f.; OLG Köln Beschluß vom 07.07.2004 Az 6 W 65/04).

Die weitere Alternativen des "Haltens eines Glücksspiels" scheidet ersichtlich ebenso aus wie die Alternative "Bereitstellung von Einrichtungen", denn dann würde das reine Bereitstellen von Interneteinrichtungen mit Zugang zu ausländischen Sportwettanbietern bereits einen Straftatbestand erfüllen.

Letztlich können diese Rechtsfragen allerdings dahinstehen, da die Strafvorschrift des § 284 StGB iVm den Vorschriften des Sportwettengesetz NW mit Blick auf die Gambelli-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 06.11.2003 (Az C-243/01) mit Gemeinschaftsrecht nicht zu vereinbaren und damit als Grundlage für eine Strafbarkeit des Betroffenen ausscheidet. Das SportwettenG NW verlangt, dass ein Unternehmer, der im Bereich von Nordrhein Westfalen Sportwetten anbieten will, sich als Wettunternehmer zuzulassen, wobei dies wiederum nur möglich ist, wenn der Träger des Antragstellers eine jurisitische Person des öffentlichen Rechts ist. Der Betroffene unseres Falles hätte eine solche Erlaubnis also überhaupt nicht erlangen können.

In der Gambelli-Entscheidung wurde festgehalten, dass eine derartige Regelung im Falle der Vermittlung von Sportwetten für einen Wetthalter, der seinen Sitz in einem anderen Land der europäischen Gemeinschaft hat und in diesem Land über eine Erlaubnis zur Durchführung von Sportwetten verfügt, eine Beschränkung der im EU-Vertrag vorgesehenen Niederlassungsfreiheit und der Freiheit des Dienstleistungsverkehrs darstellt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Beschlüssen vom 26.08.2004 und 15.12.2004 (1 BvR 1446/04 und 2495/04) in diesem Zusammenhang eindeutig festgestellt, dass die Gambelli-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes und die dort erfolgte Klärung von Rechtsfragen für deutsche Gerichte bindend ist. Dem haben sich – soweit ersichtlich – der Hessische VGH, GewArch 2004, 153 f. sowie das Sächsische OVG (Beschluß vom 22.12.2004 Az 3 BS 405/03) angeschlossen und im Rahmen der jeweiligen Eilverfahren dem Interesse der Betreiber am vorläufigen Weiterbetrieb ihrer Vermittlung den Vorrang gegeben.

Zuletzt verstößt die mit der Beschwerde angefochtene Entscheidung auch gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Der Beschwerdeführer hat seine Tätigkeit in tatsächlicher Hinsicht nie in Abrede gestellt und den Ermittlungsbehörden die gewünschten Informationen vollumfänglich erteilt. Streitig ist allein die rechtliche Bewertung des tatsächlich unstreitigen.

Die Durchsuchung der Geschäftsräumlichkeiten und Sicherstellung der Geräte und Aufzeichnungen mag daher zunächst unter dem Blickwinkel der Feststellung des Umfangs der Tätigkeit noch sinnvoll und geboten gewesen sein. Inwieweit aber nahezu 5 Monate nach der Durchsuchung und Sicherstellung noch ein Interesse daran bestehen kann, die Geräte und Unterlagen weiterhin dem Berechtigten vorzuenthalten, ist nicht ersichtlich. Soweit die Ermittlungsbehörden diese Gegenstände aus Beweisgründen zur Ermittlung des Umfangs der Geschäfte pp. benötigten, ist dieses Interesse mittlerweile überholt, bestand doch mehr als genügend Möglichkeit, die Gegenstände und Unterlagen auszuwerten. Die weitere Beschlagnahme erscheint daher angesichts des unstreitigen "Tathergangs" und der langen, für eine Beweissicherung und -auswertung mehr als ausreichenden Zeit, jedenfalls nunmehr unverhältnismäßig.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 467 StPO.

(Unterschriften)