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Verletzung des Rechts am eigenen Bild eines Kellners der einen Straßenmusikanten verschäucht - OLG Karlsruhe, Urteil vom 08.04.2009, Az.: 6 U 209/07

Leitsätzliches

Das Recht am eigenen Bild eines Kellners wird dadurch verletzt, dass ein Bild veröffentlicht wird, auf dem zu erkennen ist, wie der Kellner einen Straßenmusiker vor dem Restaurant auffordert, den Platz zu verlassen, wenn der Kellner der Veröffentlichung nicht zugestimmt hat.

OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 6 U 209/09

Entscheidung vom 8. April 2009

In dem Rechtsstreit

...,

- Klägers -

gegen

...,

- Beklagte -

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 25. März 2009 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht ...

Richter am Oberlandesgericht Dr. ...

Richter am Oberlandesgericht Dr. ...

für Recht erkannt:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 06.11.2007 (Az. 2 O 180/07) im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen wie folgt abgeändert:

Die gegen den Beklagten zu 2 gerichtete Klage wird abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 06.11.2007 (Az. 2 O 180/07) werden zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits sind wie folgt zu tragen:

Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Kläger 5/6, die Beklagte zu 1 1/6.

Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 tragen der Kläger 2/3, die Beklagte zu 1 1/3.

Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 trägt der Kläger.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten wegen Verletzung des Rechts am eigenen Bild in Anspruch.

Die Beklagte zu 1 gibt die überregionale Zeitschrift „M.“ heraus. Der Beklagte zu 2 ist deren Chefredakteur. Die Beklagte zu 1 berichtete in der „M.“-Ausgabe vom Mai 2007 über ein von ihr veranstaltetes „Bordsteinduell“, bei dem der mit seiner Band „R.“ bekannte Pop-Sänger R.G. und der bis dahin weniger bekannte Sänger P.W. in H. Straßenmusik gemacht hatten.R.G. hatte u.a. auch vor einem Restaurant musiziert, in dem der Kläger als Kellner arbeitet. Der Kläger hatte R.G. mit der Begründung weggeschickt, dieser dürfe vor dem Restaurant keine Musik machen; er (der Kläger) bekomme sonst Ärger mit seinem Chef. Diese Szene wurde von Mitarbeitern der Beklagten fotografisch festgehalten und in dem „M.“-Artikel verarbeitet. Er enthält eine halbseitige Fotografie, die den (deutlich erkennbaren) Kläger zeigt, wie er R.G. wegschickt; der zum Bild gehörende Text lautet:

„Fans in H.

Bitte weitergehen, Herr R.:

"Sie können hier keine Musik machen. Sonst bekomme ich Ärger mit meinem Chef", sagt ein Kellner.“

Der zugehörige Text im Artikel lautet:

„Dann stürmt plötzlich ein Kellner aus dem Restaurant. Auch sein Lächeln könntejetzt töten. ‚Bitte!‘, befiehlt er. ‚Sie können hier keine Musik machen. Gehen Sie bitte weiter!‘ R. kann sich ein Grinsen schwer verkneifen, entschuldigt sich, schüttelt dem Kellner die Hand und legt die Gitarre zurück in den Koffer. ‚Das ist wirklich authentisch‘, sagt er. ‚Die gleiche Erfahrung habe ich früher auch gemacht. Egal wie gut oder schlecht du spielst – irgendwann wirst du immer weitergeschickt.‘ Und der Kellner? Hat er R. erkannt? ‚Ja, schon. Das war doch der Herr R. – oder wie heißt er?‘ Und wird plötzlich unsicher. ‚War der das jetzt wirklich oder war das ein Double? Es tut mir ja leid. Aber ich mache nur meinen Job. Ich bekomme sonst Ärger mit meinem Chef.‘ Superstar hin oder her. Irgendwann hört in H. der Spaß auf. Und außerdem: Da könnte ja jeder kommen und behaupten er sei der Herr R..“

Der Kläger hat der Veröffentlichung der Fotografie nicht zugestimmt. In der Folge der Veröffentlichung wurde der Kläger sowohl von seinem Arbeitgeber als auch von anderen auf die Szene angesprochen; er sah sich mehrfach der Bemerkung ausgesetzt, er sei derjenige, bei dem der Spaß aufhöre und der R.G. weggeschickt habe.

Der Kläger hält die Veröffentlichung der Fotografie für eine schuldhaft begangene schwere Verletzung des Rechts am eigenen Bild, für die die Beklagten zum Ersatz immateriellen Schadens verpflichtet sei. Er hat in erster Instanz beantragt:

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger € 6 000 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von € 566,69 und außergerichtliche Kosten in Höhe von € 20,00 zu bezahlen.

Die Beklagten haben Klagabweisung beantragt.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht unter Abweisung der weitergehenden Klage die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung von € 2 000,00 nebst Zinsen sow ie die Beklagte zu 1 zur Zahlung außergerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von € 2 29,55 verurteilt. Es hat ausgeführt, die Beklagten hätten rechtswidrig in das Recht des Klägers am eigenen Bild eingegriffen. Der Kläger müsse die Veröffentlichung seines Bildes nicht nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG hinnehmen. Es handele sich ungeachtet des Umstands, dass der Kläger nur in seiner Sozialsphäre betroffen sei, um eine schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung, denn der Kläger sei unstreitig zum Gesprächsthema in der H. Gastronomieszene geworden und dem Spott zahlreicher Mitmenschen ausgesetzt gewesen. Zudem falle ins Gewicht, dass der Kläger, nachdem ihn ein Redakteur über die wahre Identität von R.G. aufgeklärt habe, weder über die geplante Veröffentlichung seines Bildes informiert noch nach seiner Erlaubnis gefragt worden sei, was einer bewussten Irreführung des Klägers nahekomme. Die vom Kläger erlittenen Beeinträchtigungen könnten nicht anderweitig ausgeglichen werden. Eine Entschädigung in Höhe von € 2 000 sei deshalb erforderlich, aber auch ausreichend.

Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Begehren auf vollständige Klagabweisung weiter. Die Berichterstattung über die Ereignisse im Zusammenhang mit dem „Bordsteinduell“ sei rechtmäßig gewesen; die Beklagte zu 1 sei deshalb auch nicht gehindert gewesen zu berichten, dass der Kläger den vor dem Restaurant musizierenden bekannten Sänger nicht erkannt und ihn gebeten habe, sich zu entfernen. Wenn gleichwohl ein Geldentschädigungsanspruch wegen des Anonymitätsinteresses des Klägers zugebilligt werde, führe dies im Ergebnis dazu, dass die Schilderung des zeitgeschichtlichen Ereignisses praktisch unmöglich werde, da es nicht mit der entsprechenden Bilddokumentation illustriert werden könnte, und das obwohl der Kläger im Artikel nicht namentlich erwähnt worden sei. Jedenfalls reiche der Umstand, dass die Veröffentlichung im Umfeld des Klägers leichtes „Aufsehen“ erregt und dazu geführt habe, dass der Kläger auf die Vorfälle angesprochen worden sei, nicht für eine nachhaltige negative Auswirkung auf das Persönlichkeitsbild aus, wie sie für die Bejahung eins Anspruchs auf immateriellen Schadensersatz erforderlich sei. Es fehle an einem schwerwiegenden Eingriff, der aufgrund seiner abträglichen Darstellung zu einer spürbaren Beeinträchtigung des Lebensbildes des Klägers führe. Denn wenn über das tagesaktuelle Ereignis habe berichtet werden dürfen, könne die Veröffentlichung der Fotos im Rahmen der entsprechenden Berichterstattung keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen. Von der Fotoveröffentlichung gehe keine soziale Prangerwirkung für den Kläger aus. Dem Kläger werde kein „Makel“ zugeschrieben; vielmehr werde er aufgrund des Missgeschicks, das jedem passieren könne, als menschlich und außerdem als pflichtbewusst dargestellt. Eine unmittelbare Zuordnung sei ohnehin nur demjenigen begrenzten Leserkreis möglich, der den Kläger kenne. Der Beklagte zu 2 als Chefredakteur sei für einen Anspruch auf Geldentschädigung ohnehin nicht passiv legitimiert.

Der Kläger beantragt unter Verteidigung der vom Landgericht erkannten Verurteilung die Zurückweisung der Berufung. Mit der Anschlussberufung verfolgt er sein erstinstanzliches Begehren nach einer Geldentschädigung in Höhe von (insgesamt) € 6 000 und nach Erstattung außergerichtlicher Kosten von (insgesamt) € 566,69 weiter, letzteres aber nur gegen die Beklagte zu 1. Die Verurteilung zu einer Entschädigung von nur € 2 000 trage weder der – zutreffend als bewusste Irreführung qualifizierten – Vorgehensweise der Beklagten noch dem Umstand ausreichend Rechnung, dass durch den Bericht der Ruf des Klägers in der H. Gastronomieszene hinsichtlich des Umgangs mit Personen des öffentlichen Lebens nachhaltig beschädigt worden sei. Nicht berücksichtigt sei ferner, dass die Beklagte ihr Interesse an einer Steigerung der Auflage über die schutzwürdigen Interessen des Klägers gestellt habe.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat hinsichtlich des Beklagten zu 2 Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet. Die zulässige Anschlussberufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Die Veröffentlichung des Lichtbildes, auf dem der Kläger deutlich zu erkennen ist, stellt eine Verletzung seines Rechts am eigenen Bild dar, das Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG) ist und durch §§ 22 ff. KUG konkretisiert wird.

Nach § 22 S. 1 KUG dürfen Bildnisse einer Person nur mit deren Einverständnis verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Beklagte hat das Bildnis des Klägers in der Mai-Ausgabe der Zeitschrift „M.“ ohne dessen Einverständnis verbreitet. Eine Ausnahme vom grundsätzlichen Erfordernis des Einverständnisses besteht, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, im Streitfall nicht. Der abgebildete Kläger war keine (relative) Person der Zeitgeschichte im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG.

Der Begriff der Zeitgeschichte ist nicht gegenstandsbezogen, etwa allein auf Vorgänge von historischer oder politischer Bedeutung, sondern vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her zu bestimmen (BVerfG NJW 2000, 1021 – Caroline von Monaco; NJW 2001, 1921 – Prinz Ernst August von Hannover). Da der Presse als Ausdruck der Pressefreiheit die Entscheidung obliegt, über welche Teile des Zeitgeschehens sie informiert (BVerfGE 120, 180 – Caroline IV; BGH NJW 2008, 3138), andererseits die Pressefreiheit aber Schranken in den Rechten der Abgebildeten finden kann, erfordert die Ausfüllung des Begriffs der Person der Zeitgeschichte eine einzelfallbezogene Abwägung (vgl. auch BVerfG NJW 2006, 2835 – Prinz Ernst August; BVerfG a.a.O. – Caroline IV). Soweit das Bild nicht schon als solches eine für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsame Aussage enthält, ist sein Informationswert im Kontext der dazu gehörenden Wortberichterstattung zu ermitteln. So können Bilder einen Wortbericht ergänzen und dabei der Erweiterung seines Aussagegehalts dienen, etwa der Unterstreichung der Authentizität des Geschilderten. Auch kann ein von Art. 5 Abs. 1 GG geschütztes Informationsanliegen darin liegen, durch Beigabe von Bildnissen der an dem berichteten Geschehen beteiligten Personen die Aufmerksamkeit des Lesers für den Wortbericht zu wecken. Trotz des damit umrissenen Spielraums der Presse darf diese keinen schrankenlosen Zugriff auf Bilder von Personen der Zeitgeschichte nehmen. Bildveröffentlichungen sind vielmehr nur insoweit als gerechtfertigt anzusehen, als dem Publikum sonst Möglichkeiten der Meinungsbildung vorenthalten werden (BVerfG a.a.O. – Caroline IV).

Im Streitfall kann danach nicht zweifelhaft sein, dass der Bericht der Beklagten zu 1 über das „Bordsteinduell“ den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG genoss und dass dieser Schutz auch die Illustration des Berichts durch Bildveröffentlichungen umfasste. Damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, ob auch die vom Kläger beanstandete identifizierbare Abbildung seiner Person rechtmäßig ist. Dabei ist der Informationswert einer Bildberichterstattung, soweit (wie hier) nicht schon das Bild als solches eine für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsame Aussage enthält, im Kontext der dazugehörenden Wortberichterstattung zu ermitteln (BGH NJW 2008, 3138).

Selbst wenn es der Beklagten – wie sie in erster Instanz geltend gemacht hat – um eine sozialkritische Berichterstattung über die Arbeit von Straßenmusikern gegangen sein sollte, ist nicht erkennbar, welchen Beitrag hierzu die gerade die identifizierbare Abbildung des Klägers leistete. Wie sich gerade aus dem Wortbericht ergibt, kam es auf die Person des Klägers überhaupt nicht an, sondern auf die allgemeine Aussage, dass Straßenmusiker regelmäßig von ihren Auftrittsorten vertrieben werden. Wenn der Vorfall, an dem der Kläger beteiligt war, hierfür als Beispiel dienen und mit Fotografien illustriert werden sollte, war es in Ermangelung eines Einverständnisses des Klägers möglich, seine Person mit üblichen, der Beklagten zu 1 als Presseunternehmen ohne weiteres zu Gebote stehenden Mitteln der Bildberichterstattung unkenntlich zu machen. Was dies an der Aussagekraft des Berichts im Sinne des behaupteten Anliegens geändert hätte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Insofern kann der Darstellung der Beklagten, die vom Kläger begehrten Rechtsfolgen machten eine Illustration des Geschehenen generell unmöglich, nicht gefolgt werden. Das Interesse, den Kläger als denjenigen zu identifizieren, dem das Missgeschick passiert ist, entweder eine berühmte Persönlichkeit nicht erkannt oder gerade auch gegenüber einer solchen Berühmtheit auf den Weisungen seines Chefs bestanden zu haben, betrifft keine die Öffentlichkeit berührende Frage. Auf der anderen Seite hat gerade die Identifizierbarkeit des Klägers auf dem beanstandeten Lichtbild zu den Beeinträchtigungen geführt, die das Landgericht als Folgen der Berichterstattung festgestellt hat, ohne dass die Beklagte diese Feststellung in erheblicher Weise angegriffen hat. Können diese Beeinträchtigungen nicht durch ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit über die Person des Klägers gerechtfertigt werden, so kann die Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG im Streitfall nicht eingreifen.

2. Der Senat teilt auch die Auffassung des Landgerichts, dass die hiernach rechtswidrige Bildberichterstattung die Beklagte zu 1 dem Grunde nach aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zur Zahlung einer angemessenen Geldentschädigung verpflichtet. Allerdings vermag nicht jede Verletzung des Persönlichkeitsrechts eines Betroffenen einen Anspruch auf immaterielle Geldentschädigung auszulösen. Vielmehr kommt ein solcher Anspruch nur dann in Betracht, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Dabei hängt die Entscheidung, ob eine hinreichend schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner auch von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (BGHZ 132, 13; BVerfG NJW-RR 2007, 1055). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.

Durch den mit einer Fotografie seiner Person unterlegten Bericht wird allerdings das Kerngeschehen – der Kläger schickt den berühmten Sänger weg, um keinen Ärger mit seinem Chef zu bekommen – wahrheitsgemäß wiedergegeben, auch wenn Einzelheiten der verwendeten Formulierungen streitig sind und die am Ende der zitierten Passage genannten Motive erkennbar eine Interpretation des Verfassers darstellen. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Kläger – wie das Landgericht erkennt – nicht in seiner Intim- oder Privatsphäre, sondern in seiner Sozialsphäre betroffen ist; der Bericht befasst sich mit seinem Verhalten in der Öffentlichkeit. Die Sozialsphäre ist von Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG nicht in gleicher Intensität gegen Indiskretion geschützt wie Intim- oder Privatsphäre.

Auch in der Sozialsphäre unterstehen aber der Geltungsanspruch und die Würde der Person dem Schutz der Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG AfP 2006, 550). In diesen Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts greift die Bildberichterstattung in schwerwiegender Weise ein. Zum einen wird der Kläger als derjenige erkennbar gemacht, der den berühmten Sänger R.G. nicht (jedenfalls nicht sicher) erkannt und von der Straße vor dem Restaurant, in dem er arbeitet, weggeschickt hat. Diese Darstellung wird nach Überzeugung des Senats von erheblichen Teilen der durchschnittlichen Leserschaft nicht nur mit menschlicher Anteilnahme, sondern mit Spott und Schadenfreude aufgenommen wird. Hinzu kommt, dass der Wortbericht ihm durch die gewählten Formulierungen und die ironische Art der Darstellung –

„…stürmt … plötzlich ein Kellner aus den Restaurant. Auch sein Lächeln könnte jetzt töten. „Bitte!“, befiehlt er … Superstar hin oder her. Irgendwann hört in H. der Spaß auf. Und außerdem: Da könnte ja jeder kommen und behaupten er sei der Herr R..“ (Hervorhebungen nur hier)

– Humorlosigkeit und subalterne Sturheit unterstellt. Durch die Kombination von Bild- und Wortberichterstattung wird der Kläger sozusagen herausgegriffen und mit seinen als hilflos und kleinkariert dargestellten Verhaltensweisen und Motiven zur Schau gestellt. Die vom Landgericht unbeanstandet festgestellten, durch den Bericht ausgelösten Reaktionen der Leser, insbesondere in der H. Gastronomieszene, belegen die von dem Bericht ausgehende Wirkung.

Es versteht sich, dass die Beklagte zu 1 berechtigt war, sich kritisch über das Verhalten eines Kellners zu äußern, der einen (berühmten) Straßenmusiker wegschickt. Der Eingriff in die Rechte des Klägers wird aber gerade dadurch begründet, dass er identifizierbar abgebildet wird. Diese Identifizierbarkeit wird nicht durch das Publikationsinteresse der Beklagten zu 1 gerechtfertigt, denn der streitgegenständliche Artikel befasst sich – wie dargestellt – überhaupt nicht mit der Person des Klägers, sondern allenfalls mit einem Verhalten, das als typisch gegenüber Straßenmusikern geschildert wird.

Zu Recht ist das Landgericht von einem schweren Verschulden der Beklagten im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Abbildung des Klägers ausgegangen. Ein Mitarbeiter der Beklagten hat den Kläger auf den zuvor fotografisch festgehaltenen Vorfall angesprochen, ohne ihn aber zugleich nach seiner Zustimmung zu einer Bildveröffentlichung zu fragen oder über eine derartige Absicht aufzuklären. In dieser Konstellation muss davon ausgegangen werden, dass die Mitarbeiter, die nach Überzeugung des Senats mit den presserechtlichen Erfordernissen im Zusammenhang mit Bildveröffentlichungen vertraut waren, wtrp hinsichtlich der Verletzung des Rechts des Klägers am eigenen Bild vorsätzlich gehandelt haben. Nimmt man hinzu, dass das von der Beklagten zu 1 vorgebrachte Publikationsanliegen keinen erkennbaren Anlass für eine identifizierbare Abbildung bot, sondern diese offenbar allein der Steigerung des Unterhaltungswerts des Artikels diente, und dass der Kläger als Folge der Veröffentlichung in seinem privaten und beruflichen Umfeld spürbaren tatsächlichen Beeinträchtigungen ausgesetzt war, ist von einem schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht auszugehen.

Eine anderweitige Möglichkeit, die erlittenen Beeinträchtigungen auszugleichen, besteht in Fällen der vorliegenden Art nicht. Dass die Beklagte zu 1 auf die Abmahnung hin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben und damit die Gefahr zukünftiger gleichartiger Verstöße ausgeräumt hat, ändert an der in der Vergangenheit liegenden Beeinträchtigung nichts. Sonstige presserechtliche Möglichkeiten zur Kompensation des Verstoßes sind nicht ersichtlich.

Damit besteht zugleich ein unabwendbares Bedürfnis für die Zuerkennung des Anspruchs (zu diesem Erfordernis vgl. Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 14 Rz. 127 ff.m.w.N.). Würde er verneint, bliebe nicht nur dem Geschädigten ein effektiver Ausgleich versagt; Presseunternehmen könnten auch weitgehend risikolos Unbeteiligte in der geschehenen Weise zur Steigerung des Unterhaltungswertes eines Beitrags in für sie peinlichen Überrumpelungssituationen zur Schau stellen. Denn die Abbildung ist nach der ersten Veröffentlichung regelmäßig „verbraucht“, so dass die Erfüllung des Unterlassungsanspruchs durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung das Unternehmen – von den Abmahnkosten abgesehen – typischerweise keine spürbaren Nachteile mit sich bringt.

3. Die Höhe der hiernach geschuldeten Entschädigung hat das Landgericht zutreffend mit € 2 000,– bemessen. Eine höhere Entschädigung ist entgegen der Auffassung des Klägers zum Ausgleich der ideellen Beeinträchtigungen nicht erforderlich. Der Kläger hat die angeblichen Nachteile für sein berufliches Fortkommen, die bei objektiver Würdigung wenig plausibel erscheinen, nicht konkretisiert. Der Umstand, dass Teile des Publikums sich über ihn lustig gemacht haben, ist vorübergehender Natur; die Bloßstellung, die der Kläger durch den Artikel erfahren hat, ist nicht von einer Art, die ein dauerhaft ablehnendes Verhalten seines Umfelds befürchten ließe. Ferner ist nicht ersichtlich, dass der Gedanke der Abschreckung oder der Gewinnabschöpfung eine höhere Festsetzung der Entschädigung geböte. Da eine Identifizierung des Klägers nur über die Abbildung möglich ist, werden nur Leser, die ihn kennen oder die mit ihm kurz nach der Lektüre des Berichts in Kontakt kommen, den Artikel mit ihm persönlich in Verbindung bringen. Deshalb kann die Auflagenstärke der Zeitschrift „M.“ eine Erhöhung der Entschädigung über den vom Landgericht erkannten Wert hinaus nicht rechtfertigen. Damit ist die Anschlussberufung des Klägers unbegründet.

4. Die Berufung des Beklagten zu 2 hat Erfolg. Er ist als Chefredakteur für den geltend gemachten Anspruch auf Entschädigung nicht passiv legitimiert (vgl. Burkhardt, a.a.O., Kap. 14 Rz. 141, 64). Dass er persönlich an der Erstellung und Veröffentlichung des beanstandeten Artikels beteiligt gewesen wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Eine Pflicht zur Überprüfung, ob alle in einer Zeitschrift wie „M.“ abgebildeten Personen der Veröffentlichung ihres Bildnisses zugestimmt haben, trifft den Chefredakteur nicht; hierfür ist der für das Sachgebiet verantwortliche Redakteur zuständig (Burkhardt a.a.O.). Dass der Beklagte aufgrund konkreter Hinweise Veranlassung zur Überprüfung des vorliegenden Einzelfalls gehabt hätte, ist ebenfalls nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

(Unterschriften)

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