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Sportwettenvermittlung innnerhalb EU nicht strafbar - LG Berlin Urteil vom 23. September 2003, AZ: 526 Os 214/03

Autor

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Rechtsanwalt Michael Terhaag, LL. M.

Fachanwalt für IT-Recht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Leitsätzliches

Bei Sportwettenvermittlung ins EU-Ausland an dort zulässig lizenzierte Wettbetreiber ist in Deutschland keine Strafbarkeit ersichtlich.

LANDGERICHT BERLIN

BESCHLUSS

Aktenzeichen: 526 Os 214/03

Entscheidung vom 10. März 2003

In der Ermittlungssache gegen ...
wegen unerlaubten Veranstaltens von Glücksspiel

 

 

1) wird auf die Beschwerde des Beschuldigten der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 25 Juli 2003 - 350 Gs 3291/03 - aufgehoben.

2) Die dort aufgeführten Gegenstände sind herauszugeben.

G r ü n d e

  1. Der Beschuldigte bietet in Berlin die Möglichkeit an, Wetten auf das Ergebnis von Fußballspielen oder anderen sportlichen Ereignissen zu festen Gewinnquoten ( sog. "Oddset-Wetten") abzuschließen. Er ist jedoch nicht selbst der Buchmacher bzw. Wetthalter; dies ist die auf der Isle Man ansässige M... Online /) Betting Limited, ... Street, Isle of Man, ... welche ordnungsgemäße Inhaberin einer entsprechenden britischen Lizenz ist. Dementsprechend haben der Beschuldigte und die M... Online Betting Ltd. am 15. Oktober 2002 und am 20. März einen sog. "Wettvermittlungsvertrag" abgeschlossen, in welchem der Beschuldigte als "Vermittler" bezeichnet wird. Auf die näheren Einzelheiten dieser Verträge wird verwiesen (BI. 159 - 164 Bd. I d.A.).

    Der Antrag der Staatsanwaltschaft Berlin, die dem Beschuldigten und weiteren gesondert verfolgten deshalb das unerlaubte Veranstalten eines Glücksspiels gemäß § 284 Abs. 1 StGB vorwirft, bestätigte die Ermittlungsrichterin des Amtsgerichts Tiergarten in dem angefochtenen Beschluss gemäß § 98 Abs. 2 StPO die durch die Polizei bei dem Beschuldigten am 12. Juni 2003 vorgenommene Beschlagnahme von Wettunterlagen und diversen Computern, welche offensichtlich zur Weiterleitung von Wetten an die M... (I.O.M.) Betting Ltd. dienten, da diese Gegenstände als Beweismittel gemäß § 94 StPO für die Untersuchung von Bedeutung sein könnten.

    Die Beschwerde ist zulässig § 304 Abs. 1 StPO. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

    Eine Strafbarkeit des Beschuldigten nach § 284 Abs. 1 StGB ist nicht ersichtlich, so daß keine Berechtigung zur weiteren Beschlagnahme der unter I. aufgeführten Gegenstände besteht.

    1. Es kann dahingestellt bleiben, ob Sportwetten überhaupt Glücksspiele im Sinne des § 284 Abs. 1 StGB sind (vgl. zum Streitgegenstand: Janz, Rechtsfragen der Vermittlung von Oddset-Wetten in Deutschland, NJW 2003, 1694 ff, dortige Fn. 14).

    2. Nach Auffassung der Kammer stellt das Gewerbe der Beschuldigten jedoch keine strafbare Veranstaltung von Glücksspiel im Sinne von § 284 Abs. 1 StGB, sondern lediglich eine (nicht strafbare) Sportwettenvermittlung dar, Wetthalter und Veranstalter ist die M... Online ( I.O.M.) Betting Ltd. Diese zeichnet für die Durchführung der Oddset-Wette organisatorisch wie finanziell verantwortlich. So hat der Beschuldigte z.B. keinen Einfluß auf die Wettquoten und steht auch im übrigen nicht wirtschaftlich hinter dem Veranstalter, sondern erhält von diesem ein monatliches Fixum.

    Entgegen der Auffassung des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 28.11.2003 - 4 StR 260/02) unterfällt der verfahrensgegenständliche gewerbliche Vermittlung von Sportwetten nicht unter die Tatbestandsalternative des § 284 Abs. 1 StGB, weil ansonsten der Veranstaltungsbegriff unzulässig entgegen dem Wortlaut überdehnt werden würde. Insoweit ist zwischen dem Veranstalten und dem gewerblichen Vermitteln von Glücksspiel zu entscheiden ( vlg. KG; Beschluss vom 11.12.1996 - Kert 1/96, KG-Report 1997, 153, 156, BGH, Beschluss vom 9.03.1999 - KVR 20/97, NJW-RR 1999, 1266 ff; AG Karlsruhe-Durlach, NStZ 2001, 254 f).

    Diese Auslegung wird durch die Materialien zur Neuerfassung des § 287 StGB ("Unerlaubte Veranstaltung einer Lotterie oder einer Ausspielung") unterstützt, wonach von "einer Pönalisierung des Aufforderns oder Sicherbietens zur Vermittlung von Spielverträgen oder der Entgegennahme von Angeboten zur Vermittlung von Spielverträgen abgesehen ( wird), da sie (...) nach überkommener Interpretation des § 286 StGB dem straflosen Vorfeld des 'Veranstaltens' zuzurechnen sind" (BGH, NJW-RR 1999. 1266 ff; Janz a. a.a.O.m.w.N; auf BT-Drs. 13/9064, S. 21). Zum anderen wird sie von den eingehenden Ausführungen des Generalanwalts bei dem Europäischen Gerichtshof vom 13. März 2003 in der Rechtssache C-243/01 gegen Gambelli u.a. getragen, wo nach es sich bei dort verfahrensgegenständlichen italienischen Datenübermittlungszentrum um keine Niederlassung des englischen Buchmachers handele, vielmehr sei dies im Wege des (erlaubten) "Dienstleistungsverkehrs" tätig.

    Das Gewerbe des Beschuldigten unterfällt daher auch nicht dem "Bereitsstellen von Einrichtungen" zum Betreiben eines Glücksspiels im Sinne von § 284 Abs. 1. 3. Alt. StGB. Denn des Wettvermittler stellt neben einem Raum letztlich nur ein technisches Übermittlungsgerät (z.B. einen internetfähigen Computer) nebst einen Tisch bereit; also keine Dinge; die bauartbedingt für ein Glücksspiel geeignet oder bestimmt sind (vgl. eingehend Janz, a.a.O, § 1696 f.). Mit anderen Worten: Die vom Beschuldigten bereitgestellte Einrichtung ermöglicht lediglich die Vermittlung von Sportwetten, nicht aber das Veranstalten von Glücksspielen.

    Da auch eine anderweitige Strafbarkeit des Beschuldigten nicht ersichtlich ist, war der angefochtene Beschluss aufzuheben.

    Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.

    (Unterschriften)