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Schwarze Balken genügen zur Unkenntlichmachung nicht! - OLG Frankfurt a. M. - Urteil vom 26.07.2005, Az.: 11 U 13/03

Leitsätzliches

Zur Unkenntlichmachung im Rahmen einer Berichterstattung in der Presse reichen "schwarze Balken" über den Augen nicht aus, wenn Personen danach in ihrem näheren Umfeld noch anhand des Bildes identifiziert werden können, weil z. B. der Kopf, die Frisur und ein Teil des Gesichts oder auch der Körper vollständig erkennbar sind.

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Entscheidung vom 26. Juli 2005

Aktenzeichen: 11 U 13/03

 

In dem Rechtsstreit

...

gegen

...


hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.07.2005 für R e c h t erkannt:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 16.01.2003 (Az.: 2/3 O 369/02) wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann eine Vollstreckung in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,-- EUR und wegen der Kosten in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

G r ü n d e

I.
Die Klägerin wendete sich mit ihrer Klage gegen eine Berichterstattung in der von der
Beklagten verlegten Zeitschrift X.

Die Klägerin unterhielt in den Jahren 200… / 200… eine Beziehung zu dem damaligen Ehemann der A, B. In Heft .../2002 von X erschien unter der Überschrift „... A“ ein Bericht, wegen dessen Einzelheiten auf die Anlage K1 der Klage Bezug genommen wird.

In dem Artikel wird die Klägerin nicht namentlich genannt. Ein Lichtbild zeigt sie mit B bei einem .... Die Augenpartie der Klägerin ist mit einem Balken abgedeckt. Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Ergänzend wird festgestellt, dass die Klägerin am ...2003 in Begleitung von Herrn B an der Verleihung des ... im ... in O1 teilgenommen hat. Bei dieser Gelegenheit ließ sie sich zusammen mit Herrn B von Pressejournalisten fotografieren. Nachfolgend trat die Klägerin wiederholt zusammen mit ihm bei öffentlichen Anlässen wie ... auf.

Auf die Anlagen B 10, B 13 und B 14 wird verwiesen.

Die Klägerin, die die Berichterstattung für unzulässig hält, weil sie einen widerrechtlichen Eingriff in ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht darstelle, hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollstrecken an ihrem Komplementär, zu unterlassen, unter Bezugnahme auf die Klägerin zu verbreiten:

1. „B…“.
2. „B…“;
3. „B...“;
4. „…B...“.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, die Klägerin sei in dem beanstandeten Bericht nicht erkennbar, weil sie namentlich nicht genannt und auf dem Bild durch einen Augenbalken anonymisiert worden sei. Sie sei von dem Artikel auch nicht betroffen, weil dieser sich mit B befasse.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Wegen der Begründung wird auf das Urteil vom 16.01.2003 Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie ergänzt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag zur Frage der Erkennbarkeit der Klägerin und zum überwiegenden öffentlichen Informationsinteresse. Weiter meint sie, die Klägerin habe ihre Person und ihre Beziehung zu Herrn B am … 2003 anlässlich des Auftritts im ... zu O1 öffentlich gemacht, so dass jedenfalls die künftige Veröffentlichung der streitgegenständlichen Passagen zulässig sei.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 16.1.2003 (Az: 2/3 O 396/02) die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf den zweitinstanzlichen Schriftverkehr nebst Anlagen Bezug genommen.

II.
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht der Klägerin einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich der inkriminierten Textpassagen gemäß §§ 823 Abs. 1 und 2, 1004 (analog) BGB zuerkannt. Denn die Klägerin ist durch die Berichterstattung in einer ihr Persönlichkeitsrecht verletzenden Art und Weise individuell
betroffen.

Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die Klägerin sei in dem Artikel nicht erkennbar. Zwar wird der Name der Klägerin in dem Artikel nicht genannt. Aber auch jemand, dessen Name nicht genannt wird, ist erkennbar, wenn er durch andere Umstände von einem Teil des Adressatenkreises, etwa in seiner näheren persönlichen Umgebung, identifiziert werden kann (Soehring, Presserecht, Rn. 13.35; Prinz/Peters, Medienrecht Rn. 143 jeweils m.w.N.). Im vorliegenden Zusammenhang ergibt sich die Erkennbarkeit schon daraus, dass neben dem inkriminierten Text ein Bild der Klägerin veröffentlicht wurde. Zwar ist das Gesicht der Klägerin auf diesem Foto mit einem Augenbalken überdeckt. Dies schließt indessen nicht aus, dass Personen in ihrem näheren Umfeld die Klägerin anhand des Bildes und der Berichterstattung identifizieren, da trotz des Augenbalkens nicht nur der Kopf, die Frisur und ein Teil des Gesichts, sondern auch der Körper vollständig erkennbar sind, was die Identifizierung ohne weiteres erlaubt.

Darüber hinaus hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagte in einer Vielzahl vorausgegangener Veröffentlichungen über die Klägerin als „…B“ in Wort und Bild identifizierend berichtet hatte. Diese Feststellung ist für den Senat bindend (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Beklagte hat keine konkreten Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit dieser Feststellung aufgezeigt. Dass die Beklagte nicht – wie mit der Berufungsbegründung geltend gemacht wird – in Heft Nr. …/2002 und Nr. … /2002 von X identifizierend berichtet hat, steht der Feststellung nicht entgegen.

Die Klägerin hat – unwidersprochen – klargestellt, dass sich ihr Vortrag auf die Zeitschrift X Nr. …und …/02 bezog. Dem Senat ist darüber hinaus aus mehreren Parallelverfahren bekannt, dass über die Klägerin in zahlreichen – auch von der Beklagten verlegten – Zeitschriften in identifizierender Weise berichtet worden war. Für die Erkennbarkeit reicht es aus, dass über den Betroffenen in anderen Medien berichtet
wurde, so dass der Leser, der auch die anderen Artikel gelesen hat, weiß um wen es geht (LG Berlin, NJW –RR 92, 1379; Soehring a.a.O. Rn. 13.36).

Die Klägerin ist durch die Berichterstattung auch individuell betroffen.

Zu Unrecht meint die Beklagte, die inkriminierten Textpassagen bezögen sich nicht auf die Klägerin, sondern nur auf B und A. In dem Text ist wiederholt von „der ...“ des B die Rede und wird nicht zuletzt dessen Verhältnis zu seiner ... thematisiert. Im Gegenteil befasst sich der Artikel ausdrücklich damit, welche Absichten die Klägerin habe und dass B den Verdacht hege, sie habe einen Fotografen beauftragt, belastende Bilder von ihr und B zu machen. Dass damit auch über die Klägerin berichtet wird, kann keinem ernstlichen Zweifel unterliegen.

Die identifizierende Berichterstattung über eine Person greift in das von der Verfassung geschützte Verfügungsrecht über die Darstellung ein und tangiert damit auch das Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG). Inwieweit eine Berichterstattung zulässig ist, ist daher im Einzelfall aufgrund einer Interessenabwägung zu bestimmen.

Bei Personen, denen ein berechtigtes öffentliches Interesse nicht gilt, kommt eine Erörterung von Angelegenheiten ihres Privatlebens schon vom Ausgangspunkt her nicht in Betracht (Soehring, Presserecht, a.a.O., Rn. 19.14 c).

Zwar kann die Privatsphäre bei Personen, die aufgrund ihrer politischen, beruflichen oder sozialen Funktionen im Licht der Öffentlichkeit stehen, weniger und jedenfalls nicht schrankenlos geschützt sein. Derartige Einschränkungen zu Lasten der Privatsphäre der Klägerin sind jedoch nicht gerechtfertigt. Das gilt erst recht, wenn – wie hier – nicht ausschließlich die Privatsphäre betroffen ist, sondern schon die Grenze zur Intimsphäre zumindest teilweise überschritten wird.

Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass auch ein – zu unterstellendes – breites Interesse der Öffentlichkeit an dieser Angelegenheit es nicht rechtfertigt, Einzelheiten über die Klägerin in identifizierender Weise zu publizieren. Die Klägerin ist keine Person des öffentlichen Lebens und – wie der Senat bereits entschieden hat (Senatsurteil v. 2.9.2003, Az: 11 U 6/2003) – auch keine Person der Zeitgeschichte.

Selbst wenn der frühere Ehemann der A eine relative Person der Zeitgeschichte wäre, lässt sich daraus nicht herleiten, dass eine dritte Person, die intime Beziehungen zu ihm unterhält, dadurch ebenfalls zu einer relativen Person der Zeitgeschichte würde.

Insoweit hat bereits das Landgericht zutreffend darauf abgestellt, dass die Klägerin nicht freiwillig in die Öffentlichkeit getreten ist. Die Klägerin muss es daher grundsätzlich nicht hinnehmen, dass über sie und ihre privaten Lebensumstände in der Presse berichtet wird.

Eine andere Beurteilung ergibt sich – entgegen der Auffassung der Beklagten – schließlich nicht deshalb, weil die Klägerin sich zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich anlässlich eines öffentlichen Auftritts bei der Verleihung des … im … 2003 in O1 an die Öffentlichkeit gewandt und ihre Identität und ihre Rolle als neue Lebensgefährtin von B gegenüber der Boulevardpresse offen gelegt hat. Selbst wenn die Klägerin dadurch – vorübergehend – als Person, die im öffentlichen Leben steht, anzusehen wäre, würde dies nicht jegliche Art und Form der Berichterstattung über die Klägerin rechtfertigen. Auch bei Personen des öffentlichen Lebens endet das legitime Informationsinteresse in der Regel „an der Haustür“ (vgl. Soehring, a.a.O., Rn. 19.15).

War die Veröffentlichung des Artikels rechtswidrig, so ist die Rechtswidrigkeit auch nicht durch das spätere Auftreten der Klägerin in der Öffentlichkeit mit B entfallen. Das gilt für die inkriminierte Berichterstattung mindestens in gleicher Weise wie für die damit in Zusammenhang stehende Veröffentlichung von Fotos. Eine Berichterstattung über intime Einzelheiten ihrer Affäre mit B muss die Klägerin auch dann nicht hinnehmen, nachdem sie sich bei „offiziellen Anlässen“ mit ihm in der Öffentlichkeit gezeigt hat.

Das entspricht im Ergebnis auch der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 24.06.2004 (ZUM 04,651). Danach ist bei der Abwägung zwischen dem Schutz des Privatlebens und der Freiheit der Meinungsäußerung darauf abzustellen, ob Presseartikel zu einer öffentlichen Diskussion über eine Frage allgemeinen Interesses beitragen und Personen des politischen Lebens betreffen.

Soll die Veröffentlichung lediglich die Neugier eines bestimmten Publikums befriedigen, so ist unter diesen Umständen die Freiheit der Meinungsäußerung weniger weit auszulegen. Da die angegriffene Berichterstattung keinen Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse in einer demokratischen Gesellschaft leisten will und leistet, genießt das Persönlichkeitsrecht der Klägerin in diesem Fall Vorrang vor der Presse- und Meinungsfreiheit.

Darüber hinaus kann die Berufung schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Klägerin die Veröffentlichung in der Zukunft unter keinen Umständen hinnehmen muss. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 2.9.2003 (Az: 11 U 6 / 2003) unter II. 3.2 ausgesprochen hat, ist selbst bei einem überwiegenden Interesse an der Berichterstattung die Publikation von Bildern der Klägerin nicht zeitlich schrankenlos zulässig.

Gleiches gilt auch für eine Berichterstattung. Zeitlich wären solche Veröffentlichungen nur so lange als rechtmäßig zu bewerten, als das Scheitern der Ehe A/B noch als zeitgeschichtlicher Vorgang angesehen werden wtrp kann, an dem die Öffentlichkeit ein Interesse hat. Diese Zeitspanne ist zwischenzeitlich – nachdem die Ehe A/B schon seit nahezu 2 Jahren rechtskräftig geschieden ist - überschritten, so dass eine künftige Veröffentlichung des Artikels unter keinen Umständen mehr gerechtfertigt wäre.

Der Beklagten war der beantragte Schriftsatznachlass nicht mehr zu gewähren, weil der Schriftsatz der Klägerin vom 19.07.2005 keinen entscheidungserheblichen neuen Tatsachenvortrag enthält (Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl. § 283 Rn. 2 a).

Nach allem war die Berufung der Beklagten mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) liegen nicht vor, da der Senat nur anerkannte Grundsätze der Rechtsprechung im Einzelfall angewandt hat.

(Unterschriften)