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LG Berlin: Verbreitung pornographischer Schriften

Leitsätzliches

Der nicht vorbestrafte Angeklagte wird wegen Verbreitung pornografischer Schriften in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren ohne Bewährung verurteilt. Er hatte für seinen Bildbestand im Internet umfangreich geworben. Der verwendete PC nebst Zubehör wird als Tatmittel eingezogen.

LANDGERICHT BERLIN

 

IM NAMEN DES VOLKES

 

URTEIL

 

Aktenzeichen: 90 Js 1166/97

Entscheidung vom 14. Januar 1999

 

 

 

Strafsache (...) wegen Verbreitung pornographischer Schriften

 

Die 37. große Strafkammer des Landgerichts Berlin (...) hat für Recht erkannt:

 

Der Angeklagte wird wegen Verbreitung pornographischer Schriften in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von

 

zwei Jahren

 

verurteilt. Der bei ihm sichergestellte Personal-Computer im Big-Tower-Gehäuse einschließlich Netzkabel, Tastatur und Maus, der Monitor Marke Sony einschließlich Netzkabel und das Modem Cybermod einschließlich TAE-Kabel, Datenkabel und Netzteil werden eingezogen.

 

Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte zu tragen.

 

Angewandte Vorschriften: §§ 184 Abs. 3 Nr. 2, 11 Abs. 3, 53, 74 StGB

 

 

 

Gründe:

(abgekürzte Fassung gemäß § 267 Abs 4 StPO)

 

I.

 

Der heute 40-jährige Angeklagte wurde in Aschaffenburg geboren. Er hat zwei jüngere Geschwister, einen Bruder und eine Schwester. Er wuchs bei seinen Eltern auf. Seine Mutter, die den Beruf der Fremdsprachensekretärin erlernt hat, ist seit ihrer Heirat Hausfrau. Sein Vater, der Diplom-Kaufmann ist, arbeitete in einem größeren Kunstfaserunternehmen in der Position eines Abteilungsleiters und studierte nach seiner Pensionierung nochmals, um anschließend auch noch zu promovieren.

 

Wegen der Anstellung seines Vaters zog die Familie des Angeklagten 1959 in die Nähe von Düsseldorf. Im Jahr 1965 erfolgte eine weiterer Umzug nach Wuppertal. Dort besuchte der Angeklagte die Volksschule (Grundschule) und das Gymnasium, welches er nach Ende des 10. Schuljahres mit dem Schulabschluß der mittleren Reife verließ. Kurz vor seinem 18. Lebensjahr zog der Angeklagte dann mit seiner damaligen Freundin nach Berlin in eine gemeinsame Wohnung. Dort lebte er zunächst von den Einkünften aus verschiedenen Aushilfstätigkeiten. Er erwarb einen "Taxi-Schein" und gründete 1978 mit weiteren Personen ein Taxi-Unternehmen, aus dem er nunmehr seinen Lebensunterhalt bestritt. Nach einigen Jahren der Teilhaberschaft verließ der Angeklagte dieses Unternehmen und besuchte die Schule für Erwachsenenbildung, wo er 1984 das Abitur ablegte. Nach einem Semester Wartezeit begann er im Jahr 1985 das Studium der Medizin, welches er 1991 erfolgreich beendete. Er arbeitete nun für 18 Monate als Arzt im Praktikum (...) in Berlin in der Radiologie und im (...) Abteilung für innere Medizin und promovierte. Anschließend begann er seine Facharzt-Ausbildung zum Radiologen im (...) Klinikum, wo er eine Stelle als Assistenzarzt erhalten hatte. Zwischendurch arbeitete der Angeklagte für drei Monate auch am Klinikum (...) an einer geriatrischen Studie mit. Aufgrund seiner EDV-Kenntnisse erhielt er zudem die Stelle eines Tutors für Sozialmedizin. Auch wurde der Angeklagte im Rahmen seiner Tätigkeit als Radiologe ab 1996 im Bereich der Kinderradiologie und der Nuklearmedizin eingesetzt. Dabei handelt es sich um Tätigkeiten, die ihm auf seine fünfjährige Ausbildung zum Facharzt für Radiologie nicht angerechnet werden.

 

Die Tätigkeit des Angeklagten als Arzt endete kurz vor Abschluß seiner Facharzt-Ausbildung im Juni 1997 mit seiner Inhaftierung in vorliegender Sache. Aufgrund des zwischenzeitlich gegen ihn wegen der hier zugrundeliegenden Taten eingeleiteten Ermittlungsverfahrens, seiner Festnahme am 5. Juni 1997 und der sich anschließenden Untersuchungshaft war ihm seitens seines Arbeitgebers (...) mit Schreiben vom 19. Juni 1997 fristlos gekündigt worden. Die Kündigung, die von dem Angeklagten vor dem Arbeitsgericht angefochten worden war, ist aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landesarbeitsgerichts Berlin - 7 Sa 7/98 - vom 4. Juni 1998 wirksam. Im Zuge der gegen ihn erhobenen Tatvorwürfe ordnete die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales Berlin mit Schreiben vom 11. August 1997 das sofortige Ruhen seiner Approbation an. Der Angeklagte hat dagegen Widerspruch eingelegt und Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin erhoben. Eine Entscheidung ist dort noch nicht ergangen, weil das verwaltungsgerichtliche Verfahren bis zum Abschluß des vorliegenden Strafverfahrens ausgesetzt worden ist. Sollte ihm die Approbation endgültig entzogen werden, so will der Angeklagte versuchen, als Arzt im Ausland zu arbeiten oder aber - sollte auch dies nicht möglich sein - sich aus der Kombination seiner EDV-Kenntnisse und seines medizinischen Wissens eine neue Lebensgrundlage zu schaffen.

 

Seit 1993 ist der Angeklagte mit einer Ärztin, die er während seines Studiums kennengelernt hatte, verheiratet. Sie haben eine fünfjährige Tochter. Eine weitere Tochter wurde im November 1998 geboren. Der Lebensunterhalt der Familie wird zur Zeit von Einkünften der Ehefrau aus einer Teilzeitbeschäftigung als Ärztin mit einem Nettoeinkommen von etwa 2.000,- DM monatlich zuzüglich Kindergeld und aus Ersparnissen bestritten. Der Angeklagte ist seit seiner Haftentlassung im September 1997 dauerhaft arbeitslos. Zunächst erhielt er für ein Jahr Arbeitslosengeld in Höhe von etwa 1.600,- bis 1.800,- DM. Seit September 1998 besteht kein Leistungsanspruch mehr.

 

Der Angeklagte ist unbestraft.

 

II.

 

Seit seiner Studienzeit interessierte sich der Angeklagte für die EDV und lernte im Rahmen seiner Tätigkeit als Tutor in der Sozialmedizin auch das Internet kennen. Ihm stand in seiner Funktion als wissenschaftlichem Mitarbeiter (...) über deren Rechenzentrum ein sog. Account mit der Nummer (...) zur Verfügung, der ihn berechtigte, den Internet-Server der (...) zu nutzen. Dieser wiederum fungierte als Service Provider (Zugangsanbieter) und diente dazu, Studenten und Mitarbeitern der (...) zu wissenschaftlichen Zwecken den Zugang zum Internet und dem dort weltweit angebotenen Datenbestand zu ermöglichen. Der Angeklagte konnte über den Internet-Zugang mittels seines mit der hierfür erforderlichen Software und einem Modem ausgestatteten Computers über die Telefonleitung Verbindungen zu dem weltweiten Datennetz Internet aufnehmen.

 

Davon, daß über das Internet auch pornographische Bilddateien bezogen werden konnten, nahm der Angeklagte Anfang der neunziger Jahre erstmals Kenntnis. Er hatte damals jedoch noch kein Interesse an derartigen Dateien. Er nutzte das Internet zunächst im wesentlichen zur Suche nach fachlichen Artikeln und Informationen zu seinem Berufsgebiet. In Anspruch genommen wurde von ihm dabei als Internet-Dienst hauptsächlich das World Wide Web (WWW). Dort stieß er in der Folgezeit bei seinen "Sitzungen" jedoch immer häufiger auch auf Bereiche, in denen für pornographische Bilddateien geworben wurde. Ausgelöst durch Medienberichte über Kinderpornographie im Internet begann der Angeklagte sich dann etwa im Jahr 1996 auch für pornographische Dateien zu interessieren. Er fing aus Neugier an, gezielt danach im Internet - zunächst im World Wide Web - Ausschau zu halten. Dazu benutzte er seinen im Jahr 1996 zum Kaufpreis von etwa 3.000,- bis 3.500,- DM erworbenen Personal-Computer im Bigtower-Gehäuse, an den eine Tastatur, eine Maus, ein Monitor der Marke Sony und ein Modem Cybermod mit einem TAE-Kabel, einem Datenkabel und einem Netzteil angeschlossen und auf dessen Festplatte das Betriebssystem Windows NT Workstation 4.0 und die für die Recherche im World Wide Web erforderliche Software installiert waren. Über Fernsehberichte erfuhr der Angeklagte, daß vor allem über Kanäle des Internet-Dienstes IRC Dateien mit pornographischen - auch kinderpornographischen - Inhalten erhältlich seien. Er suchte in der Folgezeit diese Kanäle, die zum Austausch pornographischer Dateien benutzt wurden, auf und kommunizierte unter seinem Psyeudonym "LL" bzw. "LLK" mit den anderen Teilnehmern.

 

Hierbei erhielt er auch vereinzelt unaufgefordert Bilddateien mit kinderpornographischem Inhalt geschickt, die er auf seiner Festplatte speicherte, um sie sich anschließend anschauen zu können Dabei war er nach Übermittlung der ersten Bilddateien über deren Inhalt schockiert, empfand Abscheu und löschte die empfangenen Bilddateien wieder. In der Folgezeit wich jedoch die Empörung dem Interesse an derartigen Bilddateien, ihn reizte nunmehr das Verbotene, das in dem Bezug und Tausch von kinderpornographischen Bilddateien liegt, seine Neugier überwog. Die ihm weiterhin über IRC-Kanäle unaufgefordert zugeschickten Bilddateien mit pornographischen Inhalten löschte der Angeklagte nicht mehr, sondern begann, diese abzuspeichern, zumal er Bilddateien auch zum Tausch benötigte.

 

Im Herbst 1996 begann der Angeklagte über sog. DCC (Direct-Client-to-Client)-Verbindungen damit, direkten Kontakt zu anderen Teilnehmern in den einschlägigen pornographischen IRC-Kanälen aufzunehmen und erhielt auf diesem Weg eine Vielzahl pornographischer Dateien, die auch gewalt- und tierpornographische Darstellungen sowie Kinderpornographie umfaßten.

 

Die insoweit zur Anklage gelangten 180 Fälle (Fälle 1 bis 180 der Anklage) sind in der Hauptverhandlung mit dem Ziel einer Einstellung nach § 154 StPO abgetrennt worden.

 

In der Folgezeit nutzte der Angeklagte zum Austausch von Dateien auch den Internet-Dienst FTP (File-Transfer-Protocol), der mit einer wesentlich höheren Datenübertragungsgeschwindigkeit verbunden ist. Auch setzte hierbei der Dateienaustausch nicht mehr voraus, daß zuvor eine Kommunikation zwischen Anbieter und Empfänger stattfindet. Vielmehr wird über ein Paßwort der wechselseitige Zugriff auf den Dateienbestand eröffnet. Bis zum Frühjahr 1997 versandte und empfing der Angeklagte auf diesem Weg eine Vielzahl pornographischer Dateien, die auch kinderpornographische, gewalt- und tierpornographische Fotos und Videosequenzen umfaßten. Die insoweit zur Anklage gelangten vier Fälle (Fälle 181 bis 184 der Anklage) sind ebenfalls mit dem Ziel einer Einstellung nach § 154 StPO in der Hauptverhandlung abgetrennt worden.

 

Ab spätestens Anfang April 1997 bis zu seiner Festnahme am 5. Juni 1997 stellte der Angeklagte sodann über das bereits zuvor installierte FTP-Programm "SERVER-U32.EXE" seinen Rechner im wesentlichen als Server (Sender) für den Dateienaustausch im Internetdienst FTP bereit. Die von ihm bisher gesammelten Bilddateien hielt er auf seinem Computer gespeichert, um sie über das FTP anderen Internetteilnehmern zugänglich zu machen und über Tauschgeschäfte neue pornographische Bilddateien zu erhalten. Zu diesem Zweck setzte er in allgemein zugänglichen IRC-Kanälen, in denen Pornographie getauscht wurde, Werbetexte (sog. shouts) ab, in denen er zum Bezug von pornographischen Bilddateien von seinem als Server, dh. als Sender eingerichteten Computer aufforderte. In dem jeweils verwendeten Werbetext war von dem Angeklagten seine jeweilige IP-Adresse als Server-Adresse, Benutzername und das Paßwort angegeben, damit mögliche Interessenten Verbindung zu seinem Rechner aufnehmen konnten. In den Werbetexten war jeweils von dem Angeklagten auch eine sog. Ratio angegeben. Diese legte das Verhältnis fest, in welchem der Tausch von Bilddateien stattfinden konnte. Maßstab war dabei die Anzahl der Dateien oder die Byte-Zahl. Voraussetzung dafür, daß ein Interessent von dem Angeklagten pornographische Bilddateien beziehen konnte, war damit, daß der Interessent zunächst - entsprechend der Ratio - Bilddateien auf den Rechner des Angeklagten in das dort auf der Festplatte eingerichtete Upload-Verzeichnis übertragen mußte, bevor er die von ihm zuvor aus den Verzeichnissen des Angeklagten ausgesuchten, namentlich bezeichneten Bilddateien auf seinen Rechner kopieren konnte.

 

Um zu verhindern, daß ihm Bilddateien übermittelt wurden, die in den von ihm angelegten Dateiverzeichnissen bereits vorhanden waren, installierte der Angeklagte zusätzlich ein weiteres Computer-Programm, das sog. "Superlister"-Programm, welches bei den Tauschgeschäften automatisch einen Abgleich der Dateinamen der übersandten und bereits vorhandenen Dateien vornahm und nur das Heraufladen solcher Dateien zuließ, die ihrem Namen nach in den Verzeichnissen der Festplatte des Computers des Angeklagten noch nicht aufgeführt waren. Dies bewirkte, daß der Angeklagte bei den Tauschgeschäften im wesentlichen nur für ihn neue Bilddateien erhielt. Seinen Computer hatte der Angeklagte so konfiguriert, daß die Empfänger von Dateien, die den Computer des Angeklagten als Server nutzten, dort auf sämtliche unter dem Verzeichnis i:pix in Unterverzeichnissen vom Angeklagten abgespeicherten pornographischen - auch kinder-, gewalt- und tierpornographischen - Dateien Zugriff nehmen konnten, d h. diese - unter Berücksichtigung des vom Angeklagten vorgegebenen Tauschverhältnisses - auf ihren Computer übertragen, dort speichern und sich ansehen konnten.

 

Der gesamte Bestand, auf den so Zugriff genommen werden konnte, umfaßte zuletzt am 5. Juni 1997 mehr als 41.000 Dateien mit pornographischen Bildmaterial oder pornographischen Videosequenzen. Hiervon betrafen 9.260 Dateien kinderpornographische Darstellungen. Die Fotos und Videosequenzen zeigten u.a. gegenseitigen Oral- und Geschlechtsverkehr zwischen Kindern, Oralverkehr zwischen Kindern und Erwachsenen, Anal- und Vaginalgeschlechtsverkehr zwischen Erwachsenen und Kindern, das Einführen von Gegenständen in die Geschlechtsteile und den Anus von Kindern, der Samenerguß in das Gesicht, den Mund und auf den Körper von Kindern, das Urinieren auf den Körper eines Kindes, Großaufnahmen der Geschlechtsteile von Kindern, teilweise mit extrem gespreizten Beinen, Kinder in Posen, die ausschließlich die sexuell aufreizende Zurschaustellung von deren Geschlechtsteilen verfolgten und Kinder beim gegenseitigen Masturbieren und bei der Selbstbefriedigung. Mindestens 150 Dateien betrafen pornographische Darstellungen verbunden mit Gewalttätigkeiten, so Tötungen und Folterungen, insbesondere das Strangulieren, Auspeitschen und Anhängen von Gewichten an Geschlechtsteile und andere Quälereien vorzugsweise entkleideter Frauen. 397 Dateien betrafen tierpornographische Darstellungen, so insbesondere den Oralverkehr und den vaginalen Geschlechtsverkehr zwischen Menschen und Tieren.

 

Die dem an einem Tausch interessierten Internet-Nutzer zugängliche Bezeichnung der Verzeichnisse und Unterverzeichnisse, in die der Angeklagte die einzelnen Bilddateien sortiert hatte, wiesen in der Regel auf den Inhalt hin. So hatte der Angeklagte zum Beispiel kinderpornographische Bilddateien im wesentlichen in das Unterverzeichnis "preteen" einsortiert und dort nochmals eine Unterteilung mit den Unterverzeichnissen "action" (ausschließlich kinderpornographische Darstellungen) und "posing" (im wesentlichen FKK-Aufnahmen von Kindern) vorgenommen. Bilddateien mit tierpornographischen Darstellungen sortierte der Angeklagte vor allem in das Unterverzeichnis "animal" (Tier) und solche mit Gewaltpornographie in das Unterverzeichnis "pain" (Schmerz).

 

1.-12.

 

In der zuvor beschriebenen Art und Weise setzte der Angeklagte in 12 Fällen (Fälle 185. -196. der Anklage) zu nicht näher bestimmbaren Tatzeitpunkten im Tatzeitraum April 1997 bis einschließlich 27. Mai 1997 Werbetexte für die von ihm gesammelten pornographischen Bilddateien ab, um sie anderen Internet-Teilnehmern zugänglich zu machen.

 

Aufmerksam auf den Werbetext wurde zumindest jeweils auch der zum damaligen Zeitpunkt 17 Jahre alte Zeuge K, dem damit - wie jedem anderen Teilnehmer der von dem Angeklagten genutzten Kanäle auch - bei Einhaltung der vorgegebenen Ratio der Zugriff auf den gesamten pornographischen Datenbestand des Angeklagten einschließlich der darin enthaltenen kinder-, gewalt- und tierpornographischen Fotos und Videosequenzen eröffnet wurde. Hierbei kam es auch mehrfach zu einer Kontaktaufnahme zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen K, der dabei auch kinderpornographische Darstellungen aus dem Bestand des Angeklagten empfing und auf seiner Festplatte abspeicherte. Dem Angeklagten war dabei das jugendliche Alter des Zeugen nicht bewußt. Da der Zeuge K keine entsprechende Datei im Austausch weitergeben konnte, gab er wahrheitswidrig vor, technische Probleme mit dem Versenden seiner Dateien zu haben, so daß er ohne Gegenleistung das kinderpornographische Material erhielt.

 

Auch am 28. Mai 1997 setzte der Angeklagte zwischen 23:00 und 24:00 Uhr in einem von ihm aufgesuchten allgemein zugänglichen IRC-Kanal mit dem Namen "preteensexpics" erneut einen Werbetext ab, in dem er für die auf seinem Rechner befindlichen pornographischen Dateien einschließlich seiner kinderpornographischen Bilddateien warb und anderen Teilnehmern in dem IRC-Kanal den Zugriff auf diese Dateien unter Berücksichtigung der von ihm festgesetzten Ratio ermöglichte. Ein Austausch von Bilddateien erfolgte dann zu der genannten Tatzeit zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen H. Der Zeuge H lud zunächst einige Bilddateien, sog. "dummies", die keine pornographischen Darstellungen enthielten, auf den Rechner des Angeklagten, um anschließend aus dem Bestand des Angeklagten Bilddateien auf seinen eigenen Computer herunterladen zu können und sich diese anzusehen. Auf diese Weise erhielt er mindestens sechs Bilddateien von dem Angeklagten, die er u.a aus dem Unterverzeichnis "action" ausgesucht hatte und auf denen Geschlechtsverkehr zwischen Kindern und Erwachsenen dargestellt war.

 

14.- 16. (Fälle 198. - 200 der Anklage)

 

Auch am 2. Juni 1997, 3. Juni 1997 und 4. Juni 1997 setzte der Angeklagte wieder Werbetexte in den von ihm aufgesuchten allgemein zugänglichen IRC-Kanälen ab, in denen er weltweit für seinen gesamten Bestand an pornographischen Bilddateien warb und andere Teilnehmer in den IRC-Kanälen zu deren Bezug über den von ihm eingerichteten Server im Wege des Tauschs aufforderte.

 

Wie schon bei den zuvor begangenen Taten konnten die Interessenten die von ihnen ausgesuchten pornographischen, einschließlich der kinder-, tier- und gewaltpornographischen Bilddateien vom Rechner des Angeklagten auf ihren Computer herunterladen und sich ansehen, sofern sie entsprechend der im Werbetext angegebenen Ratio Bilddateien auf den Computer des Angeklagten heraufgeladen hatten. Der von dem Angeklagten am 3. Juni 1997 verwendete Werbetext lautete:

 

"PRIVMSG #100%_PERSONAL_SEX_PICS:FTP:141.20.199.190 L/P: xxx/xxx Please load up high quality amateur young cum pics in upload directory only (blacks preferred) / ratio 2:1; msg me for SUPERLISTER-TRADE !!!".

 

Sinngemäß läßt sich dieser Werbetext wie folgt übersetzen: Mein FTP-Server ist aktiv und derzeit unter der IP-Adresse 141.20.199.190 zu erreichen. Der Benutzername und das Paßwort lauten jeweils xxx. Bitte übertrage in das Eingangsverzeichnis Bilder von hoher Qualität mit jungen Amateurmodellen, auf denen Samenergüsse abgebildet sind (farbige Darsteller bevorzugt). Für eine eingespielte Datei können zwei kopiert werden.

 

Über den gesamten Tatzeitraum war der Angeklagte in seiner beruflichen Tätigkeit stark belastet. Die familiäre Situation bot insoweit keinen genügenden Ausgleich. Auch seine Ehefrau war beruflich stark eingebunden, eine befriedigende Kommunikation fand kaum noch statt. Der Angeklagte hatte es sich insoweit zur Gewohnheit werden lassen, viele Stunden seiner Freizeit vor dem Computer zu verbringen und sich mit dem Austausch und Sammeln von Dateien zu beschäftigen. Dabei ging es ihm nicht darum, sich an den pornographischen Bildern zu erregen oder sie in perverser Freude zu betrachten. Vielmehr hat der Angeklagte, wie er glaubhaft geschildert hat, das Sammeln an sich in den Vordergrund gestellt, verbunden mit der Beobachtung der Vorgänge im Internet aus einer vermeintlich neutralen Position heraus. Der Angeklagte nannte dies "soziologisches Interesse", wobei er nach seinem eigenen - durchaus nachvollziehbaren - Erklärungsversuch eine Abstraktion vorgenommen haben mag, die es ihm ermöglichte, die Bilder nur noch als "Ausgeburt männlicher Phantasien" und nicht als Abbildungen "realer Verbrechen" zu bewerten.

 

Nach dem festgestellten Sachverhalt hat sich der Angeklagte in sechzehn Fällen der Verbreitung pornographischer Schriften gemäß §§ 184 Abs. 3 Nr. 2 , 11 Abs. 3 StGB strafbar gemacht. Er hat jeweils seinen Bestand von pornographischen Bild- und Videosequenzdateien, die den pornographischen Schriften gemäß § 11 Abs. 3 StGB gleichstehen, und die Gewalttätigkeiten, den sexuellen Mißbrauch von Kindern und sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren darstellten, gemäß § 184 Abs. 3 Nr. 2 StGB öffentlich zugänglich gemacht. Zugleich hat er diese pornographischen Schriften i.S.d. § 184 Abs. 3 Nr. 3 StGB auf der Festplatte seines Computers auch vorrätig gehalten, um sie anderen öffentlich zugänglich zu machen.

 

Die Taten nach § 184 Abs. 3 Nr. 3 StGB werden jedoch durch die Taten nach § 184 Abs. 3 Nr. 2 StGB verdrängt, da das Vorrätighalten im Verhältnis zum Zugänglichmachen eine Vorbereitungshandlung darstellt. Die einzelnen Taten stehen zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB).

 

IV.

 

Im Rahmen der Strafzumessung fiel zugunsten des Angeklagten bei allen Taten erheblich sein umfassendes Geständnis ins Gewicht. Er hat damit den Umfang der Beweisaufnahme wesentlich verkürzt und insbesondere auch dazu beigetragen, daß den Schöffen die Augenscheinsnahme aller gewalt-, kinder- und tierpornographischen Bild- und Videosequenzdateien erspart blieb. Im Rahmen seines letzten Wortes hat der Angeklagte auch deutlich seine Einsicht in das Unrecht seines Tuns gezeigt, was ebenfalls strafmildernd zu berücksichtigen war. Zudem ist er unbestraft, was zu seinen Gunsten zu werten ist. Ebenso hat die Kammer strafmildernd die einschneidenden beruflichen Auswirkungen seiner Verurteilung berücksichtigt. Der Angeklagte hat infolge seiner Taten seinen Arbeitsplatz verloren und es wurde das Ruhen seiner Approbation angeordnet. Der Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ungewiß, der Angeklagte muß jedoch damit rechnen, daß er zumindest für eine gewisse Zeit als Arzt in Deutschland nicht tätig sein kann.

 

Darüberhinaus hat die Kammer berücksichtigt, daß die Hemmschwelle zur Begehung der einzelnen Taten nicht hoch war. Die Teilnahme im Internet ist anonym, die entsprechenden Aktivitäten erfordern, so die technischen Voraussetzungen einmal gegeben sind, nur noch einen ganz geringen Aufwand, der Datenaustausch im Internet wird letztlich zur Routine. Zudem ist es auch erst durch die moderne Computertechnik überhaupt möglich geworden, nach außen hin völlig unauffällig einen derart großen Bildbestand zu sammeln und jederzeit anderen zugänglich zu machen.

 

Strafschärfend war demgegenüber bei allen Taten zu berücksichtigen, daß der Angeklagte jeweils alle drei Arten der sog. harten Pornographie anderen zugänglich gemacht hat und daß es sich insoweit um mehr als 9.000 Einzelbilder gehandelt hat. Die kinderpornographischen Bilddateien umfaßten in der Darstellung alle denkbaren Arten des sexuellen Mißbrauchs von Kindern einschließlich des Geschlechtsverkehrs. Auch die gewaltpornographischen Fotos und Videosequenzen waren in ihrer Darstellung in den überwiegenden Fällen von fast schon unbeschreiblicher Brutalität. Für den größten Teil der Darstellungen gilt zudem, daß sie ersichtlich tatsächliches Geschehen wiedergeben, auch wenn die Kammer in diesem Zusammenhang nicht verkennt, daß es sich hierbei zum überwiegenden Teil um Fotos bzw. Filme aus den achtziger Jahren oder früher handelt, die bereits vor der Nutzung des Internets in den entsprechenden Kreisen ausgetauscht wurden. Zudem war zu Lasten des Angeklagten zu werten, daß für ihn der Empfängerkreis in keiner Weise bestimmbar oder kontrollierbar war und sein Dateibestand jedem Internet-Nutzer und damit - wie tatsächlich auch geschehen - auch Jugendlichen zugänglich war. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß § 184 StGB gerade auch dem Schutz Jugendlicher dient, mußte dies erschwerend ins Gewicht fallen.

 

Unter Abwägung aller Umstände war schon im Hinblick auf die Schwere jeder Einzeltat jeweils die Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich (§ 47 Abs. 1 StGB).

 

Da die Tatbegehung jeweils gleich war und sich der Dateienbestand zwischen den einzelnen Taten nur noch unwesentlich vergrößert hat, hat die Kammer für jede Tat gleichermaßen auf eine schuldangemessene und erforderliche, aber auch ausreichende Freiheitsstrafe von 5 Monaten erkannt.

 

Gemäß § 54 StGB war aus den verhängten Einzelstrafen eine Gesamtstrafe zu bilden, die die Kammer unter Erhöhung der Einsatzstrafe von fünf Monaten auf eine insgesamt schuldangemessene Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren festgesetzt hat. Sie hat hierbei neben den bereits bei der Bestimmung der Einzelstrafen berücksichtigten, für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungserwägungen vor allem das Geständnis des Angeklagten zu dessen Gunsten gewertet. Zudem war dem engen situativen und zeitlichen Zusammenhang der Taten und der Eigentümlichkeit des Mediums Internet in einem straffen Zusammenzug der Einzelstrafen Rechnung zu tragen. Der Täter agiert aus der Anonymität heraus, ist damit der gesellschaftlichen Kontrolle entzogen, die Gefahr der Aufdeckung ist gering und das Bewußtsein um die tatsächliche Anzahl der Dateien wird durch die Abspeicherung auf der Festplatte eher verdrängt.

 

Die Vollstreckung der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe konnte nicht gemäß § 56 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Zwar kann dem Angeklagten nach Maßgabe des § 56 Abs. l StGB eine günstige Sozialprognose gestellt werden. Es ist davon auszugehen, daß der unbestrafte, geständige und einsichtige Angeklagte, der den Rückhalt seiner Familie hat, künftig auch ohne Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Hierbei hat die Kammer auch maßgeblich berücksichtigt, daß bei dem Angeklagten pädophile Neigungen, die u.U. eine Wiederholungsgefahr begründen könnten, nicht festzustellen waren. Ebensowenig standen die Taten im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit des Angeklagten als Arzt. Der Angeklagte hat den ihm - wie auch jedem Studenten - von der Universität zur Verfügung gestellten Internetzugang nicht aus seiner besonderen Stellung als Arzt heraus zu den Taten mißbräuchlich genutzt, sondern er ist "bei Gelegenheit" in den Kreis der zahlenmäßig durchaus nicht unbedeutenden weltweit agierenden Internet-Nutzer, die in strafbarer Weise Pomographieaustausch betreiben, gelangt und hat sich dann in der festgestellten Form strafbar gemacht, ohne daß seinen Motiven strafschärfendes Gewicht beizumessen war.

 

Allerdings erfordert eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren zusätzlich besondere Umstände in der Tat oder der Persönlichkeit des Angeklagten, die eine Strafaussetzung zur Bewährung rechtfertigen können (§ 56 Abs. 2 StGB).

 

Vorliegend wiegen die Taten des Angeklagten so schwer, daß bereits die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Strafe gebietet. Für das allgemeine Rechtsempfinden und das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts müßte es schlechthin unverständlich erscheinen, wenn eine Bewährung zugebilligt werden würde.

 

Nicht nur der Umfang, sondern gerade der Inhalt der vom Angeklagten verbreiteten pornographischen Bilder mußte sich insoweit erschwerend auswirken. Die mißbrauchten Kinder und die der Gewalt ausgesetzten Menschen, vorzugsweise Frauen, sind durch die Art der Darstellung zum bloßen Objekt sexueller Begierde und Perversität degradiert worden, ohne Rücksicht auf die Menschenwürde. Es kann nicht hingenommen werden, daß eine solche Vielzahl im wahrsten Sinne des Wortes "menschenverachtender" Bilder in einer Gesellschaft, die sich in ihrer Verfassung der Würde des Menschen als oberstem Gebot verpflichtet fühlt, kursieren und letztlich nicht nur jedermann durch das Medium Internet darauf Zugriff nehmen kann, sondern die Bilder durch die Computertechnik auch wiederum selbst gleichsam vervielfältigend weitergegeben werden können.

 

Gegenüber diesem erheblichen Unrechts- und Schuldgehalt der Taten finden sich keine Milderungsgründe von so besonderem Gewicht, die dennoch eine Strafaussetzung zur Bewährung rechtfertigen könnten. Die bereits aufgezeigten mildernden Gesichtspunkte sind zwar bedeutsam, aber nicht so überragend, daß sie geeignet wären, einen genügenden Schuldausgleich herbeizuführen. In diesem Zusammenhang war insbesondere zu berücksichtigen, daß der Tatzeitraum ganz erheblich war, der Umfang des Bildbestandes eine Größenordnung aufwies, die bisher in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht zur Verurteilung gelangt ist und zudem dem Angeklagten nicht nur ein einmaliges Versagen zur Last gelegt wird.

 

Auch wenn die Kammer danach zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Strafaussetzung zur Bewährung ablehnt, so würde sie aufgrund der grundsätzlich günstigen Sozialprognose des Angeklagten doch eine Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe bereits nach Verbüßung der Hälfte der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe derzeit befürworten. Eine abschließende Entscheidung ist hierzu zu gegebener Zeit allerdings durch die dann zuständige Strafvollstreckungskammer zu treffen.

 

Als bei den Taten verwendete, dem Angeklagten gehörende Geräte waren der Personal-Computer im Big-Tower-Gehäuse einschließlich Netzkabel, Maus und Tastatur, der Monitor der Marke Sony einschließlich Netzkabel, sowie das Modem Cybermod einschließlich TAE-Kabel, Datenkabel und Netzteil gemäß § 74 Abs. 1, Abs. 2 Nr. l StGB einzuziehen. Die Einziehung der genannten Geräte ist angesichts des Schuld- und Unrechtsgehalts der Taten des Angeklagten und unter Berücksichtigung des Wertes der Gegenstände auch verhältnismäßig (§ 74 b Abs. 1 StGB).

 

V.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 StPO.