Leitsätzliches
Der Geschäftsführer der CompuServe GmbH ist strafrechtlich nicht für den 1996 von der CompuServe Inc. vermittelten Zugang zu pornografischem Material in Newsgroups strafbar. Er handelte nicht vorsätzlich und ist weiter schon aufgrund von § 5 Abs. 3 TDG freizusprechen.LANDGERICHT MÜNCHEN I
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Aktenzeichen: 20 Ns 465 Js 173158/95 (AG München I)
Entscheidung vom 17. November 1999
Tatbestand
Der Angeklagte war als Geschäftsführer der CompuServe GmbH, einer 100%igen Tochtergesellschaft der amerikanischen CompuServe Inc., für die Bereitstellung von Einwählknoten zuständig, mittels derer den in Deutschland ansässigen Kunden der CompuServe Inc. der Zugang zur Nutzung von Inhalten auf in den USA installierten Servern vermittelt wurde. Für die deutschen Nutzer bestand dabei sowohl die Möglichkeit des Zugangs zum Internet als auch der Nutzung CompuServe Inc.-eigener und fremder Inhalte auf den Servern der CompuServe Inc. Für ihre Tätigkeit erhielt die CompuServe GmbH ein Entgelt in Höhe von 31 % der Einnahmen, die die Muttergesellschaft aus dem durch sie betreuten Geschäftsbereich erwirtschaftete. Im Zuge einer am 22.11.1995 durchgeführten Durchsuchung der GmbH-Geschäftsräume aufgrund des dringenden Verdachts der Verbreitung kinderpornographischer Schriften wurde dem Angeklagten mitgeteilt, dass auf dem Newsserver der amerikanischen Muttergesellschaft unter fünf Newsgroups kinderpornographische Darstellungen abrufbar seien. Diese Newsgroups wurden ihm genannt. Daraufhin übermittelte der Angeklagte unverzüglich die Namen der betroffenen Newsgroups an die Muttergesellschaft mit der Bitte um Sperrung der Newsgroups, die allein durch CompuServe Inc. vorgenommen werden konnte, da sie ihm selbst technisch nicht möglich war. Es wurden daraufhin die fünf Newsgroups dauerhaft gesperrt; schon am 29.11.1995 konnte auf die Dateien kein Zugriff mehr erfolgen. Weiterhin wurde dem Angeklagten am 8.12.1995 durch die Ermittlungsbehörden eine 282 Newsgroups umfassende Liste mit dem Hinweis übergeben, dass es sich hierbei um jugendgefährdende Inhalte handele. Die Liste enthielt auch die bereits gesperrten fünf Newsgroups, weil sie bereits vor der Durchsuchung erstellt worden war. Auch diese Liste wurde vom Angeklagten unmittelbar an die Muttergesellschaft mit der Bitte um Sperrung weitergeleitet, der nach einer Bedenkzeit weitgehend entsprochen wurde. Erst nachdem CompuServe Inc. seinen deutschen Kunden unentgeltlich die "Kinderschutz-Software" "Cyber Patrol" zur Verfügung stellen konnte, wurden die gesperrten Newsgroups der 282er Liste am 13.2.1996 wieder entsperrt. Die zuvor genannten fünf Newsgroups mit kinderpornographischen Inhalten blieben gesperrt. Anlässlich der Wiedereröffnung der Newsgroups wurde seitens der Verteidigung durch Schriftsatz vom 21.2.1996 klargestellt, dass die kostenlose Kinderschutz-Software der CompuServe Inc. lediglich Kinder und Jugendliche vom Zugriff auf ansonsten zulässige Pornographie abhalten solle; über die Strafbarkeit der Verbreitung verbotener harter Pornographie bestand kein Zweifel. In der Folgezeit gelang es den Ermittlungsbehörden im Zuge ihrer auch weiterhin intensiven Überprüfungen der CompuServe Inc.–eigenen Servern in den USA, insgesamt 13 dort abgelegte News-Artikel mit kinder-, tier- und gewaltpornographischen Inhalten über die Einwählknoten der CompuServe GmbH abzurufen. Dieses war nach den Feststellungen eines amerikanischen Sachverständigen weitgehend deswegen möglich, weil die von CompuServe Inc. angeordneten Sperrmaßnahmen ohne deren Verschulden technisch nicht vollständig griffen oder von den Verfassern der strafbaren Inhalte umgangen wurden.
Der Angeklagte soll weiterhin verabsäumt haben, sich Kenntnis über auf den Servern der CompuServe Inc. gespeicherte Computerspiele zu verschaffen, die durch die Bundesprüfstelle bereits als jugendgefährdende Schriften qualifiziert und im Bundesanzeiger veröffentlicht waren. Diese Spiele waren ebenfalls über die Einwählknoten der CompuServe GmbH für Kinder und Jugendliche abrufbar.
Der Angeklagte wurde am 28.5.1998 vom Amtsgericht München wegen der Verbreitung pornographischer und jugendgefährdender Schriften in 13 rechtlich zusammentreffenden Fällen gemäß §§ 184 Abs. 3 Nr. 2, 11 Abs. 3, 13, 14 Abs. 1 Nr. 1, 25 Abs. 2, 52, 53 StGB; 3 Abs. 1 Nr. 2, 1 Abs. 3, 21 Abs.1 Nr. 2, Abs. 3 GjS zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren auf Bewährung verurteilt. Dabei ging das Gericht vom bewussten und gewollten Zusammenwirken von Mutter- und Tochtergesellschaft aus, wodurch die Sperrung der eindeutigen Foren pflichtwidrig unterlassen wurde.
Gegen das Urteil legten der Angeklagte sowie die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Das Rechtsmittel hatte Erfolg.
Aus den Gründen
Die Berufungen sind begründet; der Angeklagte ist aus tatsächlichen, aber auch aus rechtlichen Gründen freizusprechen.
I. Der erstinstanzlich festgestellte Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht wurde vom Angeklagten im wesentlichen nicht bestritten. Allerdings gab der Angeklagte an, er sei ein Gegner der harten Pornographie und habe alles in seiner Macht stehende getan, um deren Verbreitung zu verhindern. Jedoch konnte die Kammer nicht zu der Überzeugung gelangen, dass CompuServe Inc. auch nach dem 13.2.1996 den Zugang zu den verbotenen Inhalten sperren wollte. Zwar kann der Zugriff auf einzelne Dateien aufgrund technischer Defekte möglich sein, andererseits ließ CompuServe Inc. ihr ursprünglich grundsätzliches Interesse an der Verbreitung harter Pornographie verlauten, indem darauf hingewiesen wurde, dass die Sperrung solange aufrecht erhalten bleiben solle, bis die Ermittlungen der deutschen Behörden abgeschlossen seien. Es ist aber klar, dass die Verbreitung und Veröffentlichung harter Pornographie, unabhängig vom Ermittlungsergebnis im konkreten Fall, immer strafbar ist.
II. Aufgrund der Feststellungen des AG kann die Kammer mittäterschaftliches Handeln des Angeklagten nicht feststellen. Mittäter kann er schon deswegen nicht sein, da er als Geschäftsführer der CompuServe GmbH seiner Muttergesellschaft völlig untergeordnet war. Insoweit fehlte ihm die Tatherrschaft, so dass lediglich Beihilfe in Betracht kommen kann. Als solche könnte gewertet werden, dass der Angeklagte nach dem 13.2.1996 nicht die komplette Sperrung der Verbindung zur Muttergesellschaft veranlasste, ferner, dass er nach diesem Zeitpunkt nicht erneut bei der Muttergesellschaft vorstellig wurde, um die Sperrung der Dateien zu fordern. Letztere Möglichkeit entfällt schon aufgrund mangelnder Ursächlichkeit. Es kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass CompuServe Inc. dem Wunsch des Angeklagten nicht entsprochen und die Sperrung unterlassen hätte. Hinsichtlich des weiteren Aufrechterhaltens der Verbindungen zur Muttergesellschaft trifft den Angeklagten keine rechtliche Pflicht zur Veranlassung einer Sperrung; die Annahme einer Garantenstellung ist in der vorliegenden Fallkonstellation nicht begründbar.
III. Die Strafbarkeit des Angeklagten scheidet bezüglich § 184 StGB auch mangels Vorsatzes aus. Selbst wenn man davon ausgeht, dass ihm die Verbreitung der in Rede stehenden Inhalte nach dem 13.2.1996 bekannt war, kann ihm nicht nachgewiesen werden, dass er dieses tatsächlich gewollt hat. Vielmehr wurden sämtliche Foren, darunter auch die 282 von der Polizei übergebenen, durch ihn an die Muttergesellschaft zur Sperrung weitergeleitet. Dieses Vorgehen des Angeklagten beweist, dass er diesbezüglich nicht mit dem Handeln der Muttergesellschaft einverstanden war. Gegenüber der Ermittlungsbehörde legte er darüber hinaus erneut dar, dass ihm weiterreichende Maßnahmen bis auf das kostenlose Installationsangebot zum Jugendschutz schlicht nicht möglich waren.
IV. Der Angeklagte ist jedoch auch aufgrund § 5 Abs. 3 TDG freizusprechen. Entgegen der herrschenden Auffassung vertritt die Kammer die Auffassung, dass die Bestimmungen des TDG keine Filterfunktion haben. Eine solche ist dem deutschen Strafrecht fremd. Selbst unter Berücksichtigung der Überlegungen seitens des Gesetzgebers ist nicht anzunehmen, dass er durch ein Nebengesetz den klassischen Aufbau des Strafrechts habe ändern wollen. Im übrigen kann der Wille des Gesetzgebers auch nicht entscheidend sein. Die objektive Theorie, dem sich das Gericht anschließt, berücksichtigt nur in geringem Maße den Willen des Gesetzgebers; vielmehr ist die Auslegung anhand des Gesetzeswortlauts vorzunehmen. Da die Bestimmungen des TDG Begriffe wie "Kenntnis" und "Verantwortlichkeit" enthalten, ist eindeutig der Hinweis auf die Schuldfrage gegeben.
Nach § 5 Abs. 3 TDG ist ein Diensteanbieter für fremde Inhalte, zu denen er lediglich den Zugang zur Nutzung vermittelt, nicht verantwortlich. Dem Diensteanbieter, der lediglich zu fremden Inhalten durchleitet, ohne auf sie Einfluss nehmen zu können, obliegt es nicht, für diese Inhalte einzutreten. Diese weitgehenste Verantwortlichkeitsbegrenzung kommt dem Angeklagten zugute. Die Bedenken des AG hinsichtlich des Umstandes, dass die CompuServe GmbH keinen eigenen Kundenstamm unterhält und die daraus abgeleitete Nichtanwendung des § 5 Abs. 3 TDG kann nicht geteilt werden. Es ist im Gesetz an keiner Stelle niedergelegt, dass die Norm nur auf Zugangsanbieter mit eigenen Kunden anzuwenden sei. Vielmehr übt der Zugangsanbieter mit oder ohne eigene Kunden dieselbe Tätigkeit aus, so dass die rechtliche Bewertung nicht von dieser Frage abhängig gemacht werden kann.
V. Bezüglich des fahrlässigen Verstoßes gegen § 21 GjS ist die Kammer der Auffassung, dass dem Angeklagten kein Vorwurf einer Fahrlässigkeit gemacht werden kann. Die Sorgfaltspflicht wäre überspannt, wolle man vom Angeklagten verlangen, dass er nicht nur den Bundesanzeiger, sondern auch die zahlreichen, mehr als 1.000 Spiele ständig kontrolliert, um den Zugang zu solchen Spielen zu verhindern. Im übrigen kommt dem Angeklagten auch in diesem Falle § 5 Abs. 3 TDG zugute.
Schlußplädoyer in der Strafsache gegen den Angeklagten Felix Somm vor dem AG München Az. 8340 Ds 465 Js 173158/95
am 28. Mai 1998 in München
Der folgende Text beruht auf der schriftlich vorbereiteten Entwurfsfassung des mündlichen Plädoyers vom 28. Mai 1998. Die aufgrund des Plädoyers der Staatsanwaltschaft im mündlichen Plädoyer vorgenommenen Ergänzungen und Änderungen wurden nachträglich eingefügt.
Die Verteidigung beantragt, den Angeklagten Felix Somm freizusprechen und die Kosten des Verfahrens der Staatskasse aufzuerlegen.
Die Verteidigung begrüßt den gleichlautenden Antrag der Staatsanwaltschaft vor allem im Interesse der Rehabilitation des Angeklagten, der in diesem Verfahren zum “Sündenbockâ€? für fehlende nationalstaatliche Lösungen im globalen Cyberspace gemacht wurde. Nach dem bisherigen Verfahrensgang und den Feststellungen der Hauptverhandlung ist diese Rehabilitation auch geboten: Im Anschluß an die einschlägigen Presseerklärungen der Staatsanwaltschaft und des Justizministeriums wurde der Angeklagte in der Öffentlichkeit zweieinhalb Jahre lang als Anbieter von Kinderpornographie bezeichnet – noch in der vorletzten Woche berichtete ein Presseorgan über den “Anbieter von Kinderpornographie vor Gerichtâ€?. Welche Belastung dies für den Angeklagten, seine Ehefrau und seine Eltern bedeutete, kann nur ermessen, wer mit ihm selbst oder seiner Familie darüber gesprochen hat. Die übereinstimmenden Schlußanträge von Staatsanwaltschaft und Verteidigung sind deswegen als Grundlage eines freisprechenden Urteils besser als alle Ehrenerklärungen geeignet, einen Schlußstrich unter diese Belastungen des Angeklagten zu ziehen, aber auch das Ansehen der bayerischen Justiz in diesem weltweit beachteten Verfahren wiederherzustellen. Die Verteidigung schätzt den gleichlautenden Antrag der Staatsanwaltschaft deswegen auch als einen Ausdruck der Fairneß, der Unabhängigkeit und der Fachkunde der deutschen Justiz.
Die Verteidigung begrüßt den Antrag der Staatsanwaltschaft aber auch aus Gründen, die über die Interessen des Angeklagten hinausgehen: In dem hier zu fällenden Urteil geht es nicht nur um die Rehabilitation eines unbescholtenen Bürgers. Dieses Strafverfahren betrifft auch die Freiheit des grenzüberschreitenden Datenverkehrs im Internet, das Unterlassen einer wirkungslosen Zensur sowie den Anschluß Deutschlands an die internationale Datenautobahn. Vor allem aber geht es auch um den Schutz unserer Kinder: Sie haben es verdient, daß auf die komplexen Herausforderungen von Kinderpornographie in globalen Datennetzen endlich mit wirksamen Maßnahmen reagiert wird und nicht länger mit unsinnigen Alibilösungen, wie sie der Anklage gegen Herrn Somm zugrunde liegen.
Aus diesen Gründen reicht es in dem vorliegenden Verfahren nicht aus, nur die Unschuld des Angeklagten festzustellen. Vielmehr wird neben dem Tenor des Urteils auch dessen Begründung entscheidend sein: um Herrn Somm zu rehabilitieren, um eine Wiederholung ähnlicher Anklagen zu verhindern, um Rechtssicherheit für Zukunftsinvestitionen zu schaffen und um strafbare Inhalte in Computernetzen wirksam zu bekämpfen.
Deswegen sind nach dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft noch Ausführungen der Verteidigung erforderlich; zunächst zu den Ergebnissen dieses Verfahrens (I), dann zu den Gründen der Unschuld von Herrn Somm (II) und schließlich zu den Konsequenzen des zu fällenden Urteils für eine wirksame Bekämpfung der Kinderpornographie (III).
I. Ablauf und Ergebnisse des Verfahrens
1. Ablauf des Ermittlungsverfahrens
Der Ablauf des Ermittlungsverfahrens gegen Herrn Somm läßt sich dabei auf einen knappen Nenner bringen: Das Verfahren begann unglücklich und lief dann – vielleicht, weil es in den Strudel der Politik kam – zweieinhalb Jahre lang schief:
Nachdem die von dem Angeklagten vertretene Firma CompuServe GmbH zunächst mit den Ermittlungsbehörden gut zusammenarbeitete, wurde diese Kooperation von den Strafverfolgungsorganen im Anschluß an eine ergebnislose Durchsuchungsaktion im November 1995 plötzlich beendet; die Gründe für diesen Richtungswechsel konnten bei der Befragung der zuständigen Polizeibeamten nicht aufgeklärt werden. Das Angebot von Herrn Rechtsanwalt Dr. Moritz, dem wirtschaftsrechtlichen Berater der Firma CompuServe GmbH, zu einer gemeinsamen Lösung der komplexen Probleme am “runden Tischâ€? blieb unbeantwortet. Die Ermittlungsbehörden teilten die – in Computernetzen neben positiven Inhalten leider auch festzustellenden – strafbaren Inhalte der Firma CompuServe GmbH in der Folgezeit nicht mehr mit, so daß diese die strafbaren Inhalte nicht mehr an die amerikanische Muttergesellschaft CompuServe Inc. mit der Bitte um Löschung weitergeben konnte. Die festgestellten strafbaren Inhalten wurden vielmehr geheimgehalten und fast ein Jahr lang gesammelt. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft erteilte den Auftrag, über den Netzknoten der Firma CompuServe GmbH und die Newsserver der Firma CompuServe Inc. regelmäßig und gezielt nach strafbaren Inhalten zu suchen. Kenner des Internet verwundert es nicht, daß die fünfköpfige Spezialgruppe der bayerischen Polizei, unterstützt vom Bayerischen Landeskriminalamt, hierbei fündig wurde: Entsprechende Ergebnisse hätten auch über jeden anderen Netzknoten abgerufen werden können. Die Resultate dieser fast einjährigen Recherche wurden in einer schlecht geführten Strafverfahrensakte (z.B. mit fehlenden Aktenseiten) zu einer eindrucksvollen Sammlung von Widerwärtigkeiten zusammengebunden und zum Gegenstand der Anklageschrift gegen Herrn Somm gemacht.
Die in der Strafverfahrensakte zusammengestellten Bilder weckten allerdings nur Emotionen gegen den Geschäftsführer der CompuServe GmbH, über dessen Netzknoten und dessen Muttergesellschaft in den USA die Bilder abgerufen wurden. Einen ernsthaft prüfenden Juristen konnte diese Strafverfahrensakte dagegen nicht beeindrucken: Als ich die Akte nach Abschluß der Ermittlungen erstmals einsah, waren die für eine Anklageerhebung wichtigsten Fragen überhaupt nicht hinterfragt worden: Diese Fragen sind: War der Geschäftsführer der CompuServe GmbH für diese Bilder rechtlich verantwortlich? Konnte er den Zugriff auf diese Bilder verhindern? Hatte er angesichts des Schweigens der Ermittlungsbehörden überhaupt einen Anlaß für den Versuch von Sperrmaßnahmen?
Wenn der damalige Sachbearbeiter der Staatsanwaltschaft die Akte vorurteilsfrei geprüft hätte, wäre zu diesen Fragen bereits vor Anklageerhebung nur Entlastendes zutagegetreten: Ein in dem Verfahren von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenes Gutachten des Landeskriminalamts stellte fest, daß die ermittelten Bilder niemals auf Computern der deutschen CompuServe GmbH gespeichert waren und daß die deutsche CompuServe GmbH den Zugriff auf diese Bilder auch kaum hätte wirksam verhindern können. Dieses – den Angeklagten entlastende – Gutachten wurde in der Anklageschrift nicht einmal erwähnt, dem Gericht auch nicht vorgelegt und später nur auf Drängen der Verteidigung zu den Gerichtsakten nachgereicht!
Die technischen Grundlagen für die zentrale Verantwortungsfrage dieses Verfahrens wurden vielmehr in ungewöhnlicher Weise ermittelt und “korrigiertâ€?: Der damals zuständige Staatsanwalt meldete sich bei der Telefonvermittlung des bayerischen Leibnitz-Rechenzentrums in München, ließ sich mit einer “nach eigenen Angaben für Internet und WWW sachkundigen Personâ€? verbinden und notierte deren Aussagen über die Filtermöglichkeiten des Newsdienstes auf einer einzigen handschriftlichen Seite. Dies heißt: Die Zentralfrage dieses Verfahrens, eine hochkomplexe technische Materie (über die in internationalen Gremien zahlreiche Informatiker tagelang diskutierten), wurde in einem kurzen Telefongespräch von einer durch die Telefonvermittlung ernannten Fachfrau beantwortet und von einem sachunkundigen Staatsanwalt auf einem Schmierzettel in genau drei Sätzen zu Papier gebracht! Diese handschriftliche Notiz (Blatt 660 der Akten) über den angeblich funktionierenden Pornofilter des Leibnitz-Rechenzentrums sollte nachweisen, daß der Geschäftsführer der CompuServe GmbH den Zugriff auf die in der Anklageschrift genannten Inhalte hätte verhindern können!
Unverständlich ist dabei nicht nur die Methode, mit der hier in einer Zentralfrage des Verfahrens Beweis erhoben wurde, sondern vor allem die Tatsache, daß die Auskunft der von der Telefonvermittlung ernannten Fachfrau in dem Vermerk nicht einmal richtig wiedergegeben wurde: Ich konnte dies in der vergangenen Woche durch einen Zufall feststellen und dem Gericht die Richtigstellung des stellvertretenden Leiters des Leibnitz-Rechenzentrums übergeben. Er bestätigte mir in der letzten Woche auch noch einmal am Telefon, daß die Auskunft in dem Aktenvermerk des damals zuständigen Staatsanwalts unvollständig wiedergegeben und aus dem Zusammenhang gerissen wurde.
Der unvollständige und aus dem Zusammenhang gerissene Vermerk des damals ermittelnden Staatsanwalts zeigte allerdings Wirkung, vielleicht gerade weil er so vereinfacht formuliert war: Das Amtsgericht ließ die Anklage auf der Grundlage dieser unrichtigen Aktennotiz zu. Ein einhundertseitiges substantiiertes Gutachten der Verteidigung blieb ebenso wirkungslos wie die gesetzliche Neuregelung von § 5 TDG – beide hätten zum Nachdenken anregen müssen. Erfolglos blieben auch die Gegenvorstellungen der Verteidigung, die über den ermittelnden Staatsanwalt hinausgingen. Für die Fehlentwicklung dieses Verfahrens ist deswegen nicht nur ein einzelner Sachbearbeiter verantwortlich, sondern auch ein politisches und öffentliches Umfeld, das einen Sündenbock für die fehlenden nationalstaatlichen Lösungen im Cyberspace verlangte.
All dies zeigt: Die Vorwürfe gegen Herrn Somm waren von Anfang an unberechtigt und hätten bei einer sorgfältigen Prüfung auch vermieden werden können. Eine entsprechende Rehabilitation von Herrn Somm durch ein klares freisprechendes Urteil ist daher geboten! Mehr soll mit dieser Darstellung des Verfahrensganges hier nicht bezweckt werden.
2. Ergebnis der Hauptverhandlung
Die Darstellung des Verfahrens und seiner Ergebnisse soll nach dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Freispruch hier insbesondere nicht zu einer pauschalen Kritik der Ermittlungsbehörden und der Staatsanwaltschaft führen: Das – leider unberücksichtigte – Gutachten des Landeskriminalamts war fair und für den Angeklagten entlastend. Vor allem aber lernten Herr Somm und die Verteidigung mit dem heute hier anwesenden Vertreter der Staatsanwaltschaft die Justiz von einer anderen Seite kennen als im Vorverfahren: Der heutige Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft hat die Anklage zwar mit Schärfe und Geschick vertreten (ich arbeite seit über 20 Jahren auf dem Gebiet der Computerkriminalität und kann ihm hier das Kompliment machen, daß er jede denkbare Möglichkeit für eine Verfolgung von Herrn Somm in der Hauptverhandlung erkannt und mit großem Geschick verfolgt hat). Mit Herrn von Hunoltstein traf die Verteidigung in diesem Verfahren jedoch erstmals auf einen Vertreter der Staatsanwaltschaft, der sich erfolgreich in die komplexe Materie internationaler Computernetze einarbeitete. Er hat die zentrale Feststellung des Sachverständigen Dr. Fuhrberg deswegen in der Hauptverhandlung frühzeitig erkannt und hieraus auch die Konsequenzen gezogen: Da Herr Somm den Abruf der in der Anklage genannten Inhalte nicht verhindern konnte, hat die Staatsanwaltschaft zutreffend einen Freispruch beantragt.
Dieser Antrag der Staatsanwaltschaft auf Freispruch bestätigt nicht nur die technischen Ergebnisse des von mir im vergangenen Jahr in der vorliegenden Strafsache erstellten Gutachtens. Er dient auch nicht nur der Rehabilitation von Herrn Somm und der von ihm vertretenen Firma. Ich freue mich über diese raschen Konsequenzen aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Fuhrberg vor allem auch im Interesse der bayerischen Justiz: Denn das vorliegenden Verfahren hat der bayerischen Justiz in der Presse – vor allem im Ausland – beachtlichen Schaden zugefügt. Amerikanische Kollegen fragten mich hämisch: Habt ihr in Deutschland eine neue Filtermaschine für Pornographie erfunden, von der wir in Amerika noch nichts gehört haben? Und mein Werben für den High-Tech-Standort Bayern und die durch das neue Teledienstegesetz garantierte Rechtssicherheit für Provider wurde von ausländischen Kollegen mit dem spöttischen Hinweis abgetan, daß diese Rechtssicherheit angesichts der fortdauernden Ermittlungen gegen Herrn Somm wohl das Papier des Gesetzes nicht wert seien, auf dem das Gesetz geschrieben wurde. Im englischen Fernsehen warb man mit diesem bayerischen Strafverfahren erfolgreich für den Industriestandort des Vereinigten Königreichs und man belächelte mitleidig die Absicht der Deutschen, ihr Land von strafbaren Inhalten im Internet abzuschotten.
Die Staatsanwaltschaft hat deswegen in den letzten Wochen viel dazu beigetragen, diesen Schaden zu begrenzen. Wenn nunmehr auch das Gericht in seinem Urteil klare Worte findet, so kann die Anklage gegen Herrn Somm als ein “Betriebsunfallâ€? in die Geschichte des Computerstrafrechts eingehen. Dies setzt allerdings deutliche Worte des Gerichts zur Unschuld von Herrn Somm voraus. Aus diesem Grunde beschäftigen sich die folgenden Ausführungen mit den Gründen, die zum Freispruch von Herrn Somm führen müssen.
II. Die Gründe für den Freispruch
Der Angeklagte ist in dem vorliegenden Fall nicht nur deswegen unschuldig, weil es ihm – insbesondere in dem vom Sachverständigen untersuchten X25-Netz der Jahre 1995/96 – technisch unmöglich und unzumutbar war, den Zugriff auf die in der Anklageschrift bezeichneten Inhalte zu sperren. Um den Angeklagten zu rehabilitieren, um die Wiederholung eines “Falles Felix Sommâ€? zu vermeiden, um der Informationsindustrie Rechtssicherheit zu geben und um Pornographie wirksam zu bekämpfen, ist der Angeklagte vielmehr aus mindestens drei – unabhängig voneinander bestehenden – Gründen freizusprechen: Erstens und vor allem, weil er insbesondere gem. § 5 Abs. 3 TDG für die in der Anklage vermittelten Inhalte nicht verantwortlich ist. Zweitens, weil ihm eine Filterung der in der Anklageschrift genannten Inhalte technisch unmöglich und unzumutbar war. Und drittens, weil er aufgrund der fehlenden Bekanntgabe dieser Inhalte durch die Ermittlungsbehörden keinen Anlaß zu irgendwelchen weitergehenden Kontroll- und Sperrmaßnahmen hatte. Auf diese drei Gründe ist im folgenden kurz einzugehen:
1. Freispruch aufgrund der fehlenden rechtlichen Verantwortlichkeit des Access-Providers CompuServe GmbH
a) Die fehlende strafrechtliche Verantwortlichkeit von Herrn Somm für die in der Anklage genannten Inhalte ergibt sich zunächst eindeutig aus Art. 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes, der aufgrund seines klaren Wortlautes Herrn Somm nach Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes Straflosigkeit garantiert. Zitat des Gesetzestextes: “Diensteanbieter sind für fremde Inhalte, zu denen sie lediglich den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich.â€? Die Vernehmung der Polizeibeamten in der Hauptverhandlung hat eindeutig ergeben, daß die von dem Angeklagten geleitete CompuServe GmbH lediglich den Zugang zu fremden Inhalten vermittelte und keine eigenen Server betrieb.
Entgegen der Staatsanwaltschaft liegt hier kein Fall des § 5 Abs. 2 TDG vor, nach dem Service-Provider im Falle ihrer positiven Kenntnis zu technisch möglichen und zumutbaren Maßnahmen verpflichtet sind. § 5 Abs. 2 TDG setzt voraus, daß Anbieter fremde Inhalte “zur Nutzung bereithaltenâ€?. Dieses Bereithalten zur Nutzung erfordert grundsätzlich. eine Speicherung der Inhalte auf eigenen Servern. Wenn man den Tatbestand extensiv auslegen will, so könnte man für das “zur Nutzung Bereithaltenâ€? im Sinne von § 5 Abs. 2 TDG rechtlich vielleicht auch noch eine sonstige – der Speicherung auf eigenen Servern vergleichbare – Herrschaftsmacht über die Inhalte genügen lassen; auch diese liegt hier nicht vor.
Diese Abgrenzung von § 5 Abs. 2 TDG und § 5 Abs. 3 TDG anhand der Kriterien der Speicherung oder der vergleichbaren Herrschaftsmacht folgt nicht nur aus dem Wortlaut der Vorschrift, sondern vor allem aus ihrer ratio: Der Grund für die unterschiedliche Behandlung des Access- und des Service-Providers in § 5 TDG liegt – wie ein von mir im letzten Jahr in der Zeitschrift “Computer und Rechtâ€? veröffentlichter Aufsatz zeigt (CR 1997, 581 ff., 653 ff.) – in der folgenden Überlegung des Gesetzgebers: Ein Access- oder Network-Provider, der Daten in Sekundenbruchteilen nur durchleitet, kann die übermittelten Daten nicht kontrollieren, weil dies – vor allem in der erforderlichen Echtzeit – technisch unmöglich ist, das Fernmeldegeheimnis verletzen würde und auf eine Totalüberwachung des Datenverkehrs hinauslaufen würde, die nicht einmal die chinesische Regierung erreicht. Ein Service-Provider, der die fremden Daten auf eigenen Computern speichert, kann diese dagegen problemlos löschen, wenn er positive Kenntnis von den konkreten rechtswidrigen Inhalten erhält. Die Gesetzgebungsmaterialien zum TDG stellen deswegen zutreffend fest, daß eine Datenlöschung in den Fällen des § 5 Abs. 2 für den Service-Provider in aller Regel möglich und zumutbar ist. Der Grund für die bedingte Verantwortlichkeit des Service-Providers, die über die Verantwortlichkeit des Access-Providers hinausgeht, liegt damit in seinen Einwirkungsmöglichkeiten und seiner Herrschaft über die auf eigenen Computern gespeicherten Daten. Diese Voraussetzung war bei der deutschen CompuServe GmbH jedoch gerade nicht gegeben: Sie leitete die Daten – in Sekundenbruchteilen – nur über ihren Netzknoten durch. Die Vernehmung des Sachverständigen Dr. Fuhrberg hat belegt, daß die CompuServe GmbH die übermittelten Daten gerade nicht kontrollieren konnte und keine Herrschaftsmacht über sie hatte – weder aufgrund der Speicherung der Daten auf eigenen Computern noch aufgrund sonstiger Gesichtspunkte, die vor der ratio von § 5 Abs. 2 TDG Bestand haben könnten.
Sieht man diese ratio von § 5 TDG, so wird deutlich, daß die von der Staatsanwaltschaft ins Feld geführten Gesichtspunkte für eine Anwendbarkeit von § 5 Abs. 2 TDG für die vorliegende Fragestellung völlig irrelevant sind. Genannt wurde in dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft unter dem Oberbegriff der “wirtschaftlichen Verflechtung zwischen der Firma CompuServe GmbH und der Firma CompuServe Inc.â€? zunächst die – auch im Firmennamen dokumentierte – Tatsache, daß die CompuServe GmbH eine 100prozentige Tochter der CompuServe Inc. war. Angeführt wurden sodann die weiteren Gesichtspunkte, daß die CompuServe GmbH den Zugang zum Internet und zu den Foren technisch über die Rechner der CompuServe Inc. leitete, sowie daß das Inkasso bei den Mitgliedern durch die CompuServe Inc. erfolgte und durch die CompuServe GmbH unterstützt wurde. Diese Tatsachen sind zwar sachlich richtig. Da sich aus ihnen jedoch weder eine Speicherung der Daten durch die CompuServe GmbH noch eine entsprechende Sachherrschaft der Gesellschaft ergibt, sind diese von der Staatsanwaltschaft geltend gemachten Unterschiede zwischen der CompuServe GmbH und anderen Access-Providern im Hinblick auf den Wortlaut und die ratio von § 5 TDG ohne Bedeutung. Sie sind für die vorliegende Fragestellung genauso irrelevant wie die Tatsache, daß Herr Somm blaue Blazer liebt, während die Geschäftsführer der anderen deutschen Access-Provider vielleicht häufig karierte Jacken tragen. Eine nähere Analyse der von der Staatsanwaltschaft genannten Gesichtspunkte macht dies offensichtlich:
Dies gilt zunächst für die gesellschaftsrechtliche Betrachtung: Er ist unerfindlich, warum die Rechtspflichten einer GmbH von der Frage bestimmt werden sollen, wem die Gesellschaftsanteile gehören. Eine entsprechende Herrschaftsmacht über Datenspeicher könnte sich für die CompuServe GmbH allenfalls aus dem Besitz von Gesellschaftsanteilen einer anderen Firma ergeben. Aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Betrachtung könnte damit vielleicht eine Herrschaftsmacht der Muttergesellschaft CompuServe Inc. über die Daten der Tochtergesellschaft CompuServe GmbH und damit das Bereithalten von deren Daten begründet werden, aber niemals der umgekehrte Fall. Die von der Staatsanwaltschaft hier eingeführten gesellschaftsrechtliche Betrachtung spricht daher nicht für, sondern gerade gegen die Anwendbarkeit von § 5 Abs. 2 TDG.
Gleiches gilt im Bereich der technischen und vertraglichen Abwicklung: Für den Wortlaut und für die ratio von § 5 Abs. 2 TDG ist es gleichermaßen irrelevant, daß die CompuServe GmbH den Zugang zum Internet technisch über die Rechner der CompuServe Inc. leitete und daß das Inkasso der CompuServe-Mitglieder durch die CompuServe Inc. erfolgte, jedoch von der CompuServe GmbH unterstützt wurde. Wenn diese Kriterien relevant wären, dann müßten wir – um zu dem Vergleich in der Einlassung für Herrn Somm zu Beginn der Hauptverhandlung zurückzukommen – Ron Sommer doch noch wegen der – auch Kindern zugänglichen – Sextelefonnummern der Telekom verfolgen: Denn diese Telefonnummern sind ebenfalls über einen bestimmten Knoten der Telekom erreichbar, die Telekom ist am Gebührenaufkommen der Sexdiensteanbieter ebenfalls prozentual beteiligt und sie führt für diese sogar das Inkasso durch. Trotzdem ist die Telekom nur ein Zugangsvermittler. Damit wird offensichtlich: Die genannten Gesichtspunkte haben mit dem Wortlaut von § 5 Abs. 2 TDG (“Zugang vermittelnâ€?) und der ratio der Vorschrift (der Speicherung von oder der Herrschaftsmacht über Daten) genauso wenig zu tun wie die blauen Blazer von Herrn Somm!
Diese Abgrenzung von § 5 Abs. 2 und 3 TDG wird bestätigt, wenn man die Gesetzesmaterialien zu § 5 TDG bzw. § 5 Mediendienste-Staatsvertrag untersucht: Man stößt dann nicht nur auf die Annahme des Gesetzgebers, daß § 5 Abs. 2 TDG eine Datenspeicherung und eine Herrschaftsmacht über die Daten voraussetzt. Man findet sogar den Fall einer ausländischen Gesellschaft diskutiert, die ihre Daten im Zusammenwirken mit deutschen Access-Providern anbietet. Die Gesetzesmaterialien wollen die Garantie des § 5 Abs. 3 TDG in diesem Fall durchbrechen, wenn – wörtliches Zitat – “ein bekannter in Deutschland wohnender Extremist als Zugangsprovider in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit Extremisten im Ausland ausschließlich den Zugang zu deren extremistischen Inhalte anbietet, deren Verbreitung in Deutschland möglicherweise strafbar ist.â€? Mit dieser Fallkonstellation hat das vorliegende Strafverfahren jedoch nichts zu tun. Ich verweise insoweit auf die Einlassung, in der ich zu Beginn des Hauptverfahrens mit ausführlicher Begründung eine Beihilfe oder Mittäterschaft von Herrn Somm zu möglichen Straftaten von Mitarbeitern der CompuServe Inc. abgelehnt habe; Sachverhaltsfeststellungen für eine derartige Konstruktion wurden vom Gericht in der vorliegenden Hauptverhandlung nicht näher untersucht.
Auch der von der Staatsanwaltschaft angeführte Umgehungsgesichtspunkt geht fehl: Die Staatsanwaltschaft hat vorgebracht, daß bei einer Anwendbarkeit von § 5 Abs. 3 TDG die Anbieter strafbarer Daten ihre Server ins Ausland verlegen und den Zugang zu ihnen straflos über Access-Provider in der Form von Tochtergesellschaften betreiben könnten. Diese Umgehungsmöglichkeit hat ihre Ursache jedoch nicht in der Anwendbarkeit von § 5 Abs. 3 TDG auf die Access betreibende Tochtergesellschaft, sondern in den allgemein fehlenden Kontrollmöglichkeiten aller Access-Provider im Internet. Dies wird deutlich, wenn man die Konsequenzen aus der Umgehungslösung der Staatsanwaltschaft genauer betrachtet: Denn bei der Konstruktion der Staatsanwaltschaft könnte der Anbieter strafbarer Inhalte seine Server gleichermaßen ins Ausland verlagern und den Zugriff über unabhängige Access-Provider vermitteln, die aufgrund der dann eindeutigen Anwendbarkeit von § 5 Abs. 3 TDG nicht verantwortlich gemacht werden könnten. Für die Bekämpfung strafbarer Inhalte entstände dann sogar eine sehr viel schlechtere Situation: Bei der Zugangsvermittlung durch unabhängige Access-Provider beständen nicht einmal mehr die informellen Einflußmöglichkeiten zwischen Tochter- und Muttergesellschaft, die im vorliegenden Fall dazu führten, daß die CompuServe Inc. aufgrund der Bitte von Herrn Somm die fünf kinderpornographischen Newsgroups sowie die Newsgroups auf der 282er Liste der Polizei sperrte. Dies bedeutet: Ob der Zugang ins Ausland durch Tochtergesellschaften oder durch unabhängige Access- und Network-Provider vermittelt wird, spielt keine Rolle. Aufgrund der globalen Vernetzung sowie der fehlenden Kontrollmöglichkeiten im internationalen grenzüberschreitenden Datenverkehr läßt sich der Zugriff auf die im Ausland gespeicherten Inhalte heute ganz allgemein nicht mehr verhindern.
b) Im übrigen wäre mit der Anwendbarkeit von § 5 Abs. 2 TDG die Verantwortlichkeit des Angeklagten noch nicht begründet. § 5 TDG ist lediglich ein zusätzlicher Filter, der über die allgemeinen Verantwortlichkeitsnormen hinausgehend erfüllt sein muß. Für die Prüfung dieser allgemeinen Verantwortlichkeitsvoraussetzungen ist dabei entscheidend, daß in der Hauptverhandlung keine einzige positive Handlung des Angeklagten deutlich wurde, mit der dieser eine Verbreitung strafbarer Inhalte in vorwerfbarer Weise förderte. Ein eventueller “Schwerpunkt der Vorwerfbarkeitâ€? – so das Abgrenzungskriterium der Rechtsprechung zu Tun und Unterlassen – liegt im vorliegenden Fall allenfalls im Bereich des Unterlassens. Da dem Angeklagten damit nur ein Unterlassen von Kontrollmaßnahmen bzw. – so die letzten Diskussionen in der Hauptverhandlung – der unterlassene Aufbau eines Parallelrechenzentrums mit einer Firewall und eigenen Kontrollsystemen – vorgeworfen werden könnte, würde eine strafrechtliche Verurteilung des Angeklagten eine entsprechende Garantenpflicht erfordern, die im vorliegenden Fall jedoch nicht besteht. Die ganz herrschende Ansicht – auch die von der Bayerischen Staatsregierung herausgegebene Broschüre “Verantwortung im Internetâ€? – lehnt eine derartige Garantenpflicht bei der bloßen Zugangsvermittlung ab. Dies gilt aufgrund der Aussage des Sachverständigen Dr. Fuhrberg gerade auch für den vorliegenden Fall: Da die Firma CompuServe GmbH und der Angeklagte die Inhalte auf den Servern der amerikanischen CompuServe Inc. nicht beherrschten, scheitert die allein in Betracht kommende Garantenpflicht aus Sachherrschaft an der fehlenden Herrschaft über die Gefahrenquelle. Die fehlende Beherrschung und Kontrolle der in der Anklageschrift genannten Inhalte durch den Angeklagten führt deswegen im vorliegenden Fall nicht nur – nach rückwirkend geltendem neuem Recht – zur Unanwendbarkeit von § 5 Abs. 2 TDG, sondern auch – nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen – zur Ablehnung einer Garantenpflicht der CompuServe GmbH, die gem. § 14 StGB auf Herrn Somm überwälzt werden könnte. Diese identischen Ergebnisse zu § 5 TDG und zur strafrechtlichen Garantenpflicht bestätigen hier die vorgenommenen Wertungen.
Eine mögliche Garantenpflicht der amerikanischen CompuServe Inc. könnte dagegen nicht auf den angeklagten Geschäftsführer des deutschen Tochterunternehmens CompuServe GmbH überwälzt werden. Dies folgt nicht nur aus dem klaren Wortlaut von § 14 StGB und Art. 103 Abs. 2 GG. Für § 14 StGB gelten auch die gleichen Wertungsgesichtspunkte wie für § 5 Abs. 2 TDG und die strafrechtliche Garantenpflicht. Dies heißt: Die Muttergesellschaft kann möglicherweise für das Verhalten einer von ihr beherrschten Tochtergesellschaft zur Rechnung gezogen werden, niemals aber ist die Tochtergesellschaft für das Verhalten der sie beherrschenden Muttergesellschaft verantwortlich. § 14 StGB verlangt von dem Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft keine Maßnahmen, die er rechtlich gar nicht erfüllen kann.
2. Technische Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit von Kontrollmaßnahmen
Die fehlende Beherrschung der in der Anklage genannten Daten durch die CompuServe GmbH und durch Herrn Somm schließt darüber hinaus die Tatbestandsmerkmale der “Möglichkeit und Zumutbarkeitâ€? von Verhinderungsmaßnahmen aus, die bei jedem Unterlassungsdelikt nach der allgemeinen strafrechtlichen Dogmatik erfüllt sein müssen und nach der Lösung der Staatsanwaltschaft von § 5 Abs. 2 TDG besonders und mit verschärften Anforderungen an den Vorsatz (Kenntnis in der Form des dolus directus) gefordert sind. Damit ist der zweite Grund für die Unschuld von Herrn Somm angesprochen: Das Strafrecht kann von dem Angeklagten nichts verlangen, was technisch unmöglich, unzumutbar oder unsinnig ist.
Im Hinblick auf die Rehabilitation von Herrn Somm und zukünftige Verfahren sind dabei allerdings die verschiedenen Gründe wichtig, die eine Filterung der Inhalte durch die CompuServe GmbH “unmöglich und unzumutbarâ€? machten:
Der erste – durch das Gericht und die Staatsanwaltschaft bei der Befragung des Sachverständigen Dr. Fuhrberg zutreffend herausgearbeitete – Grund für die technische Unmöglichkeit von Kontrollmaßnahmen des Angeklagten liegt in dem alten X.25-Netz der Firmen CompuServe GmbH und CompuServe Inc. Der Sachverständige Dr. Fuhrberg hat auf der Grundlage des technischen Papiers der Verteidigung bestätigt, daß die transportierten Datenpakete in dem X.25-Netz überhaupt nicht filterbar waren und der Aufbau eines neuen TCP/IP-Netzes mit einem Parallelrechenzentrum und verbesserten Filtermöglichkeiten zum Zeitpunkt des Anklagevorwurfs technisch gar nicht möglich gewesen wäre. Hinzu kommt, daß die CompuServe GmbH das X25-Netz sowie die – ebenfalls abzuändernde – Zugangssoftware der Mitglieder auch nicht ohne Mitwirkung der CompuServe Inc. verändern konnte. Diese Gesichtspunkte müssen in dem vorliegenden Fall eindeutig zum Freispruch von Herrn Somm führen!
Mit Blick auf zukünftige Verfahren und eine wirksame Verfolgung von strafbaren Inhalten in Computernetzen sind diese Überlegungen allerdings nicht ausreichend: Soll der Freispruch von Herrn Somm wirklich nur darauf beruhen, daß die CompuServe GmbH zum Tatzeitpunkt mit einem – heute teilweise überholten – X.25-Netz arbeitete? Ist für den Freispruch von Herrn Somm tatsächlich entscheidend, daß die von der Staatsanwaltschaft in der Beweisaufnahme geprüfte Installation eines deutschen Parallelrechenzentrums technisch nicht möglich und finanziell nicht bezahlbar war? Was wäre gewesen, wenn die CompuServe GmbH in einem modernen TCP/IP-Netz ein derartiges Parallelrechenzentrum mit einem Newsserver hätte aufbauen können? Aufgrund der Vernehmung des Sachverständigen Dr. Fuhrberg können wir diese Fragen heute ebenfalls beantworten. Die Antwort ist dabei eindeutig: An dem rechtlichen Ergebnis der “Unzumutbarkeitâ€? von Kontrollmaßnahmen hätte sich nichts geändert, weil der Aufbau eines derartigen Parallelrechenzentrums – selbst wenn es mit begrenzten Mitteln hätte erstellt werden können – sinnlos und unnütz gewesen wäre: Denn das bayerische News-Rechenzentrum hätte einen Zugriff auf die strafbaren Inhalte ebensowenig verhindern können, wie die chinesische Regierung die Datenzugriffe ihrer Bevölkerung kontrollieren kann: Die Kontrollversuche wären völlig nutzlos gewesen. Der Sachverständige Dr. Fuhrberg hat dazu bestätigt, daß beim Aufbau eines Parallelrechenzentrums der CompuServe GmbH die in der Anklage genannten Inhalte problemlos weiterhin über andere Echtzeitdienste des Internet – z.B. über WWW-Server – hätte erreicht werden können. Dies heißt: Eine Kontrolle des grenzüberschreitenden Datenverkehrs ist technisch einfach nicht möglich und – zur Vermeidung einer Totalüberwachung des grenzüberschreitenden Datenverkehrs – auch nicht wünschenswert. In meiner einleitenden Stellungnahme für Herrn Somm habe ich den Versuch einer grenzüberschreitenden Kontrolle des Datenverkehrs deswegen auch mit dem Versuch verglichen, den Ozean mit der Hand auszuschöpfen.
Die Sinnlosigkeit derartiger Kontrollmaßnahmen wäre noch deutlicher geworden, wenn das Gericht den von der Verteidigung benannten Sachverständigen Prof. Dr. Pfitzmann vernommen hätte. Prof. Dr. Pfitzmann ist nicht nur in Deutschland, sondern weltweit einer der führenden Fachleute für die Wirksamkeit derartiger Kontrollmaßnahmen – er beriet auf diesem Gebiet sowohl das Bundesforschungsministerium als auch internationale Gremien. Die Verteidigung hat es bis in die letzte Woche vermieden, ihn mit dem vorliegenden Verfahren vertraut zu machen, weil sie eine unbeeinflußte, neutrale Heranziehung des Sachverständigen und dessen ausschließliche Information durch das Gericht wünschte. Nachdem das Gericht den Sachverständigen Prof. Dr. Pfitzmann nicht zur Verhandlung geladen hatte und die Verteidigung deswegen zur Begründung ihrer Beweisanträge das überlegene Fachwissen von Prof. Dr. Pfitzmann in den hier relevanten Fragestellungen darlegen mußte, habe ich Herrn Prof. Dr. Pfitzmann in der vergangenen Woche angerufen. Ich habe ihn gefragt, ob er eine besondere Fachkunde habe, um nicht nur die Wirkung von Kontrollmaßnahmen, sondern auch die notwendigen Investitionen für Filtermaßnahmen in einem X25-Netz und dessen Umbau in ein TCP/IP-Netz abzuschätzen. Seine Antwort war bezeichnend: Er sagte: “Dies ist eine falsche Fragestellung, die auf einen falschen Nebenkriegsschauplatz führt. Die Höhe dieser Investitionen ist im Hinblick auf ihre Zumutbarkeit gar nicht wesentlich. Denn diese Investitionen in ein Parallelrechenzentrum mit einem eigenen Newsserver wären für eine Behinderung des Zugriffs auf strafbare Dateninhalte praktisch wirkungslos gewesen, egal wieviel Geld sie gekostet hätten. Entscheidend ist, daß die strafbaren Inhalte beim Aufbau eines Parallelrechenzentrums der deutschen CompuServe GmbH auf einfachste Weise mit anderen Echtzeitdiensten des Internet abrufbar gewesen wären, die nicht gefiltert werden können.â€?
Diese Gesichtspunkte sind für die rechtliche Beurteilung auch maßgebend: Alternative Zugriffsmöglichkeiten auf andere Verkörperungen der strafbaren Inhalte sind zwar – wie die Staatsanwaltschaft zutreffend ausgeführt hat – im Rahmen der hypothetischen Kausalität von Kontrollmaßnahmen unbeachtlich, nicht jedoch für die rechtliche Beurteilung der Zumutbarkeit. Hier gilt auch keine Ausnahme wie für die Betreiber der Server, bei denen in bestimmten Fällen alternative Speichermöglichkeiten unberücksichtigt bleiben. Diese Ausnahme für die Betreiber der Rechner beruht darauf, daß eine Beseitigung von strafbaren Inhalten in Computernetzen nur dann möglich ist, wenn diese Inhalte von allen Rechnerbetreibern gelöscht werden. Im Interesse eines effektiven, aber auch realistischen Bekämpfungskonzeptes wird deswegen von allen Betreibern von Servern eine Datenlöschung gefordert, auch wenn einzelne Betreiber dem rechtlichen Gebot nicht nachkommen. Für die technische Vermittlung des Zugangs gibt es ein solches Konzept dagegen nicht: Eine grenzüberschreitende Sperrung des Zugriffs auf ausländische Inhalte wäre – wie der Sachverständige Dr. Fuhrberg gezeigt hat – auch beim Zusammenwirken aller Access-Provider nicht möglich. Das folgende Beispiel soll dies verdeutlichen: Wenn in Hamburg eine – durch den Kontakt zwischen Menschen übertragbare – Krankheit ausbricht, dann kann es Sinn machen, alle Transportwege zwischen Hamburg und München zu sperren; im Interesse einer allgemeinen Durchsetzung des Verbotes kann sich dabei auch der Betreiber einer kleinen Landstraße nicht auf die noch offenen Autobahnen berufen, die sinnvollerweise ebenfalls gesperrt werden müssen. Anders sieht es dagegen aus, wenn die in Hamburg ausgebreitete Krankheit auch durch die Luft übertragen wird: In diesem Fall wären aufwendige Straßensperrungen zur Krankheitsbekämpfung sinnlos und damit unzumutbar. D.h.: Kontrollmaßnahmen sind unzumutbar, wenn sei keinerlei Resultat erbringen. Und genauso wäre es im vorliegenden Fall gewesen.
Vor allem auch im Interesse einer wirksamen Bekämpfung strafbarer Inhalte in Computernetzen sollten wir uns deswegen endlich von der Vorstellung lösen, daß der grenzüberschreitende Datenverkehr gefiltert werden kann. Eine derartige Kontrolle erreicht nicht einmal die chinesische Regierung mit totalitären Methoden. Das der Anklageschrift zugrundeliegende “Filterkonzeptâ€? ist deswegen eine Totgeburt, die schleunigst aus unseren Köpfen verschwinden sollte, damit endlich mit wirksamen Maßnahmen zur Bekämpfung strafbarer Inhalte in Datennetzen begonnen wird. Oder anders ausgedrückt und auf das vorliegende Verfahren bezogen: Das Gericht sollte die – auf einer umfassenden technischen Analyse beruhende – Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers über die Straflosigkeit der Zugangsvermittlung in § 5 Abs. 3 TDG endlich anerkennen und auch im vorliegenden Fall anwenden, nachdem der Sachverständige Dr. Fuhrberg die maßgeblichen Grundlagen dieser Entscheidung bestätigt hat.
3. Subjektiver Tatbestand
Herr Somm ist jedoch nicht nur erstens wegen seiner fehlenden rechtlichen Verantwortlichkeit und zweitens wegen seiner fehlenden Kontrollmöglichkeiten freizusprechen, sondern drittens auch aufgrund seines für eine Verurteilung fehlenden Vorsatzes: Denn Herr Somm hat alle ihm möglichen Maßnahmen zur Verhinderung eines Zugriffs auf strafbare Inhalte vorgenommen. Vor allem aufgrund der Informationspolitik der Ermittlungsbehörden hatte er keinen Anlaß, weitergehende Kontrollmöglichkeiten in Erwägung zu ziehen. Dies gilt sowohl für die Newsgroups (Anklagepunkte II.1) als auch für die in der Anklageschrift genannten Spiele (Anklagepunkte II.2 und 3). Die Vernehmung der Polizeibeamten hat dies klar bewiesen:
Als die Ermittlungsbehörden Herrn Somm auf fünf Newsgroups mit kinderpornographischen Inhalten hinwiesen, übermittelte er diese Newsgroups an die amerikanische CompuServe Inc., die sie sperrte. Als die Polizei Herrn Somm später auch noch eine Liste mit 282 Newsgroups übergab, die nach der klaren Aussage des Zeugen Möves lediglich die Repräsentanz von “Sex im Internetâ€? beweisen sollte, veranlaßte Herr Somm ebenfalls sofort eine erfolgreiche Sperrung der problematischen Newsgroups. Die Newsgroups mit kinderpornographischen Inhalten blieben gesperrt und wurden von der amerikanischen CompuServe Inc. – zumindest willentlich – nicht wieder eröffnet. Die Newsgroups mit einfachen Sexangeboten wurden dagegen erst wieder zugänglich gemacht, nachdem die Firmen CompuServe GmbH und CompuServe Inc. Millionenbeträge in Kinderschutzprogramme investiert hatten. Herrn Somm wurde von der amerikanischen CompuServe Inc. auch versichert, daß die renommierte amerikanische Firma Microsystems in die Inhaltskontrolle der Daten eingeschaltet wurde.
Herr Somm hat die Wirksamkeit der Sperrmaßnahmen und der Kindersicherungen – vor allem in der Zeit zwischen der Presseerklärung der CompuServe Inc. am 13. Februar 1996 und der Pressekonferenz der deutschen Firma CompuServe GmbH am 16. Februar 1996 – auch persönlich überprüft und bestätigt gefunden. Wenn später – vermutlich aufgrund technischer Unzulänglichkeiten in der hochkomplexen Umgebung von ca. 30 vernetzten Newsservern der amerikanischen CompuServe Inc. – die einzelnen Newsgroups gelegentlich wieder auftauchten, so beruhte dies allenfalls auf Fahrlässigkeit der amerikanischen Mitarbeiter der CompuServe Inc. und war Herrn Somm nicht bekannt. Herr Somm hatte keinen Anlaß, die Sperrungen bei der amerikanischen CompuServe Inc. zu reklamieren oder – erst recht – mit Millionenaufwand ein deutsches Parallelrechenzentrum zu planen, in dem die Identifizierung der rechtswidrigen Inhalte im übrigen zu den gleichen Problemen wie in dem amerikanischen Rechenzentrum geführt hätte. Dezentrale nationale Rechenzentren hätten die Kontrolle des Informationsangebots der CompuServe Inc. wahrscheinlich sogar noch sehr viel schwieriger gemacht!
Entsprechendes gilt für die in der Anklageschrift erwähnten Spiele aus den proprietären Foren der CompuServe Inc.: Herr Somm erhielt weder von den Ermittlungsbehörden noch von anderer Seite einen konkreten überprüfbaren Hinweis auf strafbare Spiele in den Foren der amerikanischen CompuServe Inc. Er konnte die zehntausende von Spielen auch nicht selbst überprüfen. Kenntnis (d.h. dolus directus) im Sinne des von der Anklage herangezogenen § 5 Abs. 2 TDG hatte er nicht. Ein Fahrlässigkeitsvorwurf im Sinne von § 21 Abs. 3 GjS steht aufgrund der Sperrwirkung von § 5 TDG nicht zur Diskussion: Nach der klaren Intention des Gesetzgebers gilt der Filter des § 5 TDG auch für die Fahrlässigkeitsnormen des GjS.
Zusammengefaßt läßt sich deswegen zum Vorsatz des Angeklagten feststellen: Die Ermittlungsbehörden haben es versäumt, Herrn Somm Kenntnis von strafbaren Inhalten auf den Rechnern der amerikanischen CompuServe Inc. zu geben. Wenn die Ermittlungsbehörden die strafbaren Inhalte dem Angeklagten mitgeteilt hätten, so wären diese Inhalte – ebenso wie die ihm zur Kenntnis gebrachten fünf kinderpornographischen Newsgroups und die 282 sonstigen Newsgroups – den Verantwortlichen amerikanischen CompuServe Inc. übermittelt worden und von diesen – soweit sie strafbare Inhalte enthielten – gesperrt worden. Wegen der fehlenden Information durch die Ermittlungsbehörden fehlt es darüber hinaus sowohl an einer Kenntnis des Angeklagten als auch an einer entsprechenden Kenntnis von Mitarbeitern der amerikanischen CompuServe Inc. Daß deswegen und aus anderen Gründen auch eine Beihilfe oder Mittäterschaft des Angeklagten im Hinblick auf vorsätzliche rechtswidrige Straftaten von Mitarbeitern der amerikanischen CompuServe Inc. ausscheidet, habe ich in der einleitenden Stellungnahme für den Angeklagten bereits ausführlich begründet.
4. Sonstige Gründe
Angesichts der überzeugenden Begründung der Staatsanwaltschaft für den Freispruch des Angeklagten braucht auf weitere Gründe für die Unschuld von Herrn Somm nicht eingegangen zu werden. Ich deute deswegen hier nur noch kurz an: Da die in der Anklage genannten Newsgroups mit der Zugangssoftware der CompuServe Inc. nicht abrufbar waren, fehlt es nach Auffassung der Verteidigung auch an einem Zugänglichmachen oder Verbreiten der Inhalte. Nur am Rande sei auch erwähnt, daß die Verteidigung hier nicht danach gefragt hat, ob den von der Polizei vorgelegten Bildern ein tatsächliches Geschehen zugrundeliegt. Dies wäre bis zu der gesetzlichen Neuregelung von § 184 StGB durch das Informations- und Kommunikationsdienstegesetz im vergangenen Jahr jedoch erforderlich, das inzwischen auch ein wirklichkeitsnahes Geschehen ausreichen läßt. Ein entsprechender Echtheitsnachweis hätte angesichts der heutigen Möglichkeiten der Bildmanipulation kaum erbracht werden können. Die Verteidigung hat diese Probleme nicht angesprochen. Ihr Ziel war es nicht, einen Freispruch von Herrn Somm mit Nachweisschwierigkeiten zu begründen. Im Interesse der Rehabilitation von Herrn Somm und der von ihm vertretenen Firma geht es ihr vielmehr um die Klarstellung, daß der Angeklagte für die hier vorgelegten Inhalte nicht verantwortlich war, daß er sie objektiv nicht verhindern konnte und daß er subjektiv von den Zugriffsmöglichkeiten auf strafbare Inhalte nichts wußte.
Die Verteidigung bittet darum, dies in dem freisprechenden Urteil klar festzustellen: im Interesse von Herrn Somm und seiner Familie, im Interesse der Rechtssicherheit und um zu verhindern, daß in der Zukunft ein anderer unbescholtener Access-Provider den gleichen unberechtigten Vorwürfen ausgesetzt wird, wie Herr Somm.
III. Ausblick
Abschließend sei noch auf folgendes hingewiesen: Der von der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung beantragte Freispruch von Herrn Somm ist keine Niederlage im Kampf gegen Kinderpornographie in Computernetzen. Im Gegenteil: Ein klares freisprechendes Urteil wird es erst ermöglichen, daß in der Zukunft statt billiger Alibilösungen nunmehr wirksame Maßnahmen zur Verfolgung strafbarer Inhalte im Internet ergriffen werden. Dies heißt, daß im Zusammenwirken von Ermittlungsbehörden und Industrie die Urheber strafbarer Inhalte zurückverfolgt werden müssen und daß darüber hinaus ein internationales System von Hotlines aufgebaut wird, durch das die Service-Provider Kenntnis von strafbaren Inhalten erhalten und diese dadurch löschen können. Der Angeklagte und die Verteidigung unterstützen ein derartiges Vorgehen. Nicht die Geheimhaltung strafbarer Inhalte und die Strafverfolgung der Access-Provider muß in der Zukunft das Motto sein, sondern die internationale Verfolgung der Urheber und die Mitteilung strafbarer Inhalte an die speichernden Service-Provider zum Zwecke der Löschung. Mit dem vorliegenden Strafverfahren gegen Herrn Somm wurde zweieinhalb Jahre lang ein falscher Ansatz verfolgt und Zeit vergeudet. Das freisprechende Urteil gegen Herrn Somm kann hier eine Wende einleiten. Dem Amtsgericht München und seiner Urteilsbegründung kommt dabei eine entscheidende Rolle zu: Die Notwendigkeit einer neuen Strategie zur Verfolgung von strafbaren Inhalten in Computernetzen wird dabei um so deutlicher werden, je klarer das Amtsgericht München in seinem Urteil feststellt, daß Access-Provider wie die CompuServe GmbH zur Verhinderung strafbarer Inhalte gem. § 5 Abs. 3 TDG nicht verpflichtet und auch nicht in der Lage sind.
In meiner Stellungnahme für den Angeklagten Felix Somm zum Beginn der Hauptverhandlung habe ich darauf hingewiesen, daß der amerikanische Supreme Court in seiner vielbeachteten Entscheidung des Jahres 1997 zur Verfassungswidrigkeit des amerikanischen Communication Decency Act feststellte, daß das Interesse an einem freien Meinungsaustausch in einer demokratischen Gesellschaft bei weitem die theoretischen Vorteile einer möglichen Zensur des Internet übersteigt. Für Deutschland habe ich ein ähnliches Urteil gewünscht. Die Ergebnisse der Hauptverhandlung machen ein solches Urteil nunmehr möglich. Sie, hohes Gericht, haben – nachdem sie dieses Hauptverfahren eröffnet haben – nunmehr eine Verantwortung zu erfüllen: Sie haben es mit Ihrer Urteilsbegründung in der Hand, daß der “Fall Felix Sommâ€? sich so leicht nicht wiederholen kann, daß Rechtssicherheit für die Informationsindustrie entsteht, daß internationale Provider in Deutschland wieder investieren und daß wirksame Strategien zur Bekämpfung strafbarer Inhalte in Computernetzen entwickelt werden.
Die Verteidigung bittet nicht nur um einen Freispruch für Herrn Somm, sondern auch um ein klares richtungsweisendes Urteil – im Interesse von Herrn Somm, im Interesse des Internet, aber auch im Interesse unserer Kinder, die ein besseres Schutzkonzept verdient haben als diese Anklage es verlangt!
Stellungnahme für den Angeklagten Felix Somm
– Entgegnung auf die Anklage der Staatsanwaltschaft in dem Strafverfahren vor dem AG München Az. 8340 Ds 465 Js 173158/95 am 12. Mai 1998 in München –
I. Persönliche Vorbemerkung: Zum Grund dieser Stellungnahme
Herr Felix Somm hat mich gebeten, seine Einlassung zur Anklage vor dem Amtsgericht München vorzutragen. Wenn ich dieser Bitte nachkomme, so ist dies für mich ein ungewöhnlicher Vorgang, der kurz begründet werden soll.
Bei der Verbreitung strafbarer Inhalte im Internet stehe ich normalerweise nicht auf der Seite der Verteidigung. Kinderpornographie verabscheue ich ebenso wie wohl alle hier Anwesenden. Computermißbrauch bekämpfe ich in Deutschland und Europa seit über 20 Jahren: bereits 1984 als Sachverständiger für den Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages bei der Entwicklung des heutigen Computerstrafrechts; dann über viele Jahre als Experte zur Bekämpfung von Computerdelikten für die OECD, den Europarat, die Europäischen Kommission, die G7-Staaten und die Vereinten Nationen; zur Zeit als Gutachter über eine verbesserte Verfolgung von Kinderpornographie in internationalen Datennetzen für das Bundesjustiz- und das Bundesforschungsministerium sowie als persönlicher Sonderberater eines EG-Kommissars. Sie finden mich häufig in der Kooperation mit dem Bundeskriminalamt, auch als Nebenkläger und Vertreter des Opfers, aber bisher nie als Verteidiger im Bereich des Computermißbrauchs.
Wenn ich heute gleichwohl hier am Tisch der Verteidigung den Anspruch von Herrn Somm auf rechtliches Gehör vertrete, so hat dies besondere Gründe, die nicht nur für die Beurteilung dieses Falles durch mich maßgeblich sind, sondern auch durch das Gericht und die Staatsanwaltschaft.
- Erstens: Mit Felix Somm wird heute die falsche Person angeklagt und für den Unrat verfolgt, den es im Internet neben positiven Inhalten ebenfalls gibt: Denn die heute verlesene Anklage beruht auf einem Mißverständnis von der Funktionsweise des Internet, auf einem Fehlverständnis der Aufgaben des Angeklagten und auf einer falschen Anwendung von § 5 Teledienstegesetz.
- Zweitens: Eine Verantwortung von Herrn Somm entsprechend der Anklage und entgegen § 5 des Teledienstegesetzes wäre für eine wirksame Bekämpfung der Kinderpornographie in Datennetzen nicht förderlich, sondern unter rechtspolitischen Gesichtspunkten sogar schädlich. Denn die Anklage antwortet auf komplexe Herausforderungen mit einer Alibilösung, die einen unbescholtenen Bürger zum “Sündenbockâ€? für fehlende nationalstaatliche Lösungen im globalen Cyberspace macht. Sie verhindert mit Scheinlösungen, daß wir uns endlich der Mühe unterziehen, verstärkt gegen die wahren Urheber von Kinderpornographie in Computernetzen vorzugehen.
- Drittens: Die heutige Anklage ist vor allem auch schädlich für die Entwicklung des Internet in Deutschland – für den technischen Fortschritt, die Meinungsfreiheit und den Wirtschaftsstandort Deutschland: In diesem Strafverfahren geht es auch um die folgenden Fragen: Wollen wir einen freien grenzüberschreitenden Datenverkehr oder eine staatliche Zensur, wie sie die chinesischen Regierung erfolglos versucht? Wollen wir den Anschluß Deutschlands an die internationale Datenautobahn mit der Schaffung von Arbeitsplätzen oder wollen wir die Verdrängung der Internet-Anbieter ins Ausland, wodurch Deutschland nicht nur Arbeitsplätze verliert, sondern auch noch seine letzten rechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten im Cyberspace?
Die heute verhandelten Vorwürfe gegen Herrn Somm führten während des Ermittlungsverfahrens zu einer vernichtenden Presse im Ausland, vor allem auch gegenüber dem “Weltpolizistenâ€? Deutschland, der bayerischen Justiz und dem Technologiestandort Bayern. Amerikanische Fachleute fragten mich hämisch: “Haben die Deutschen eine neue Filtermaschine für Pornographie erfunden, von der wir in Amerika noch nichts wissen?â€? Vor dem Goethe-Institut in San Francisco wurde deutsches Bier ausgegossen, um gegen die bayerische Justiz zu protestieren. Namhafteste US-Firmen wandten sich in der “Global Internet Liberty Campaignâ€? gegen dieses Verfahren in einem besorgten Brief an Bundeskanzler Kohl. Dies sind allerdings die falschen Reaktionen und Adressaten. Nicht die Politik, sondern ein unabhängiges Gericht muß hier entscheiden.
Sie, hohes Gericht, tragen deswegen in diesem Verfahren ebenso wie der Vertreter der Staatsanwaltschaft eine große Verantwortung: für den Angeklagten, für die Weiterentwicklung des deutschen Computerstrafrechts, für wirksame Lösungen bei der Bekämpfung der Kinderpornographie und für die Entwicklung des Internet, das die zukünftige globale Informationsgesellschaft prägen wird. Dieser Verantwortung möchte ich mich ebenfalls stellen: Deswegen bin ich heute hier. Und am Tisch der Verteidigung sitze ich, weil sich die hier verlesene Anklage gegen die falsche Person richtet und auf Mißverständnissen beruht:
Die Verteidigung will diese Mißverständnisse der Anklageschrift richtig stellen. Sie sucht das Verständnis des Gerichts und der Staatsanwaltschaft, weil das Verständnis dieses Falles und der technischen Zusammenhänge zum Freispruch des Angeklagten führen muß. Die folgende Einlassung für Herrn Somm legt dazu die maßgeblichen Gesichtspunkte dar. Da der Fall neuartige technische und rechtliche Fragen aufwirft, muß sie dazu etwas weiter ausholen als in anderen Fällen, wenn sie den Anspruch von Herrn Somm auf rechtliches Gehör zur Anklage gerecht werden soll.
II. Erklärung für den Angeklagten: Der maßgebliche Sachverhalt und seine rechtliche Beurteilung
Für das Verständnis des vorliegenden Falles ist entscheidend, daß im Internet drei Funktionen klar voneinander unterschieden werden und der Aufgabenbereich von Herrn Somm diesen Funktionen richtig zugeordnet wird: Damit ein Nutzer – im vorliegenden Fall war dies die bayerische Kriminalpolizei – Kinderpornographie abrufen kann, braucht man in einem offenen Computernetz mindestens drei Funktionsträger: den Content-Provider, den Access-Provider und den Service-Provider:
- Der Content-Provider oder Inhaltsanbieter ist die Person, die Information produziert oder zur Verfügung stellt. Sie ist – wenn Kinderpornographie angeboten wird – der eigentliche Straftäter.
- Der Access-Provider oder Zugangsvermittler ist die Person, die dem Nutzer den Zugang zum Computernetz vermittelt. Bei Access-Providern werden die Daten dabei nur – in Sekundenbruchteilen – durchgeleitet.
- Der Service-Provider steht zwischen diesen beiden Personen: Bei ihm sind die Daten zumindest für eine gewisse Zeit auf sog. Servern gespeichert.
Die Unterscheidung dieser drei Funktionen der Content-, Access- und Service-Providers sowie ihrer rechtlichen Verantwortlichkeit ist der Schlüssel zum Verständnis des vorliegenden Falles. Diese drei Funktionen sind deswegen hier in bezug zur Tätigkeit von Herrn Somm zu setzen.
1. Die Content-Provider der angeklagten Inhalte
Zunächst zu den Content-Providern der in der Anklage genannten Inhalte: Die Content-Provider oder Inhaltsanbieter, die Informationen produzierten oder in Computernetzen zur Verfügung stellten, waren – bei dem Anklagepunkt II.1 – die Urheber der pornographischen Daten in den Newsgroups bzw. – in den Anklagepunkten II.2 und 3 – die Urheber der indizierten Spiele. Diese Personen sind die eigentlichen Täter. Sie müssen innerhalb des Geltungsbereichs der deutschen Strafgerichtsbarkeit und des Geltungsbereichs der Entscheidungen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften mit Nachdruck verfolgt werden. Für sie gilt: Was offline strafbar ist, muß auch online strafbar sein und verfolgt werden. Die seit Mitte letzten Jahres geltende Bestimmung von § 5 Abs. 1 Teledienstegesetz formuliert dies zutreffend. Zitat: “Diensteanbieter sind für eigene Inhalte, die sie zur Nutzung bereit halten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich.â€?
Herr Somm war unbestritten kein derartiger Inhaltsanbieter. Er verabscheut kinderpornographische Inhalte ebenso wie Sie auch – um diese Klarstellung bittet er ausdrücklich. Er hat während seiner Zeit als Geschäftsführer der deutschen CompuServe GmbH alles ihm Mögliche getan, um die Anbieter kinderpornographischer Inhalte zu verfolgen, zu identifizieren und vor Gericht zu bringen. Die Akte des vorliegenden Falles bestätigt dies, vor allem weil sie viele Randermittlungen enthält: Sie zeigt zahlreiche Vorgänge, in denen die von Herrn Somm geführte deutsche CompuServe GmbH die Polizei bei der Ermittlung von Urhebern strafbarer Inhalte unterstützte. Herr Somm hat diese Unterstützung bei Anfragen der Polizei stets engagiert erteilt und nicht – was sein Recht gewesen wäre – auf richterlichen Anordnungen bestanden oder sich auf die Straffreiheit des Access-Providers im Hinblick auf diese Inhalte berufen. Mit diesen Inhaltsanbietern hatte Herr Somm – von ihrer Bekämpfung und Verfolgung abgesehen – daher nichts zu tun! Er befand sich eindeutig auf der Seite der Strafverfolgung, die er durch seine Kooperation oft erst ermöglichte.
2. Der Access-Provider deutsche CompuServe GmbH
a) Technische Grundlagen und Aufgaben von Herrn Somm
Herr Somm und die deutsche CompuServe GmbH standen nicht nur in der Sache auf der Seite der Strafverfolgung: Auch funktionell waren sie weit von den Urhebern der Kinderpornographie entfernt. Als Access-Provider vermittelte die deutsche CompuServe GmbH den deutschen Nutzern einen Zugang zu internationalen Computernetzen, der sowohl Daten aus dem internationalen (proprietären) Angebot der amerikanischen CompuServe Inc. umfaßte, als auch einen Zugang zum Internet. Diese – vom Angeklagten in bestimmten Umfang verantwortete – Funktion des Access-Providers ist dadurch gekennzeichnet, daß der Access-Provider Daten nicht speichert, sondern nur die erforderliche Kommunikationsstruktur für den Datenabruf schafft, ohne aber dabei auf die Inhalte Einfluß zu nehmen. Beim Access-Provider werden die Daten dabei – in der Form von simplen Nullen und Einsen – nur in Sekundenbruchteilen durchgeleitet.
b) Straflosigkeit von Herrn Somm aufgrund von § 5 Abs. 3 TDG
Diese – von Herrn Somm ausgeübte Funktion der Zugangsvermittlung – ist nach der klaren Regelung von § 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes bzw. § 5 Abs. 3 des Mediendienstestaatsvertrags eindeutig straflos. Zitat des Gesetzestextes: “Diensteanbieter sind für fremde Inhalte, zu denen sie lediglich den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich.â€? Genau diese Bestimmung gilt – nach § 2 Abs. 3 StGB auch rückwirkend – für die deutsche CompuServe GmbH und Herrn Felix Somm. Mit dieser Feststellung könnte das vorliegende Verfahren beendet werden. Da diese gesetzliche Regelung in dem vorliegenden Verfahren bisher noch nicht verstanden oder akzeptiert wurde, muß allerdings noch auf die Gründe eingegangen werden, die hinter § 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes stehen und die im übrigen – auch ohne die gesetzliche Spezialregelung – zur Straflosigkeit von Herrn Somm führen würden.
c) Die Begründung des § 5 Abs. 3 TDG
Hinter der eindeutigen gesetzlichen Regelung von § 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes stehen im wesentlichen drei Gründe:
Straflosigkeit von sozial nützlichem Verhalten
Der erste Grund für die Straflosigkeit der bloßen Zugangsvermittlung – und damit auch für Herrn Somm – ist rechtlicher Art. Er beruht darauf, daß wir sozial nützliches Verhalten nicht bestrafen, auch wenn es von dritten Personen zur Begehung von Straftaten ausgenutzt wird: Über 99% der Inhalte des Internet sind – ebenso wie die Daten der propietären Foren der amerikanischen CompuServe Inc. – nicht nur rechtmäßig, sondern meist auch nützlich. Wertvolle Informationen, die früher unerreichbar schienen, sind heute mit Hilfe von Computernetzen oft nur einen “Mausklickâ€? entfernt! Aus diesem Grunde ist die Rolle eines Zugangsvermittlers zu diesen Inhalten, grundsätzlich sozial wünschenswert. Sie wird in Deutschland auch durch staatliche Zuschüsse gefördert – in Bayern beispielsweise in Form des Bürgernetzes.
Ein strafbares Tun ist diese Zugangsvermittlung des Access-Providers zu fremden Daten deswegen nicht, auch dann nicht, wenn der Access-Provider im Einzelfall von dritten Personen zum Transport rechtswidriger Daten mißbraucht wird. Die deutsche Justiz verfolgt auch nicht den bayerischen Ministerpräsidenten, weil er der Bevölkerung mit dem Bayerischen Bürgernetz Zugang zum Internet gewährt. Dasselbe gilt für den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom, wenn über dessen Telefonleitungen einmal Verbrechen verabredet oder Sex-Dienste angeboten werden. Sie verurteilt ebensowenig den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Lufthansa, weil deren Bangkok-Flüge auch von Sex-Touristen benutzt werden. Auch der Vorstandsvorsitzende von Mercedes Benz wird nicht etwa deshalb bestraft, weil seine Autos gelegentlich als Tatmittel zum Abtransport von Diebesgut mißbraucht werden. Derartige Mißbräuche werden dem Verantwortlichen einer sozial nützlichen Infrastruktur grundsätzlich nicht mehr zugerechnet.
Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit von Zugangskontrollen bei Access-Providern
Der zweite Grund für die von § 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes garantierte Straflosigkeit des bloßen Access-Providing von Herrn Somm ist technischer Natur: Er liegt darin, daß das Recht nicht etwas fordern kann, was technisch unmöglich, unzumutbar oder unsinnig ist. Die in der Anklageschrift geforderten Filtermaßnahmen sind dies jedoch, nicht nur für Herrn Somm im konkreten Fall, sondern ganz allgemein: Die fehlende Kontrollmöglichkeit der Zugangsvermittlung beruht nicht nur wie im vorliegenden Fall auf dem konkreten X.25-Netz, das nur aus einfachen Telefonvermittlungsrechnern bestand und z.B. nicht die unmittelbare Anbindung an das Internet mit SLIP- oder PPP-Protokollen bot. Anschaulich formuliert bedeutet dieser technische Sachverhalt: Die Forderung einer Inhaltskontrolle in einem X.25-Netz ist mit der Forderung an eine taubstumme Telefonistin zu vergleichen, sie möge den weltweiten Telefonverkehr in über 150 verschiedenen Sprachen überwachen.
Vielmehr ist es ganz allgemein technisch nicht möglich, die im Internet übertragenen riesigen Datenmengen beim Access-Provider (insbesondere in Echtzeit) zu kontrollieren: Im Internet laufen heute über die gleichen Netzknoten nicht nur News, sondern – in zahlreichen, oft unbekannten und verschlüsselten Formaten – private Post, Geschäftskorrespondenz, Kreditkarteninformationen usw. Schon der gesunde Menschenverstand müßte die Unmöglichkeit verdeutlichen, all diese Dateninhalte – in Echtzeit (!) – lesbar zu machen, zu kontrollieren und strafbare Inhalte auszufiltern. Soll der Zugriff eines deutschen Nutzers z.B. auf amerikanische Informationsangebote denn erst erfolgen, nachdem die abgerufenen Daten – sofern überhaupt technisch realisierbar – von einem Kontrolleur geprüft worden sind? Sollen auch die ca. 300 unabhängigen Access-Provider in Deutschland blockiert werden, welche die gleichen Zugangsmöglichkeiten vermitteln? Wie will man die Tausende offener Telefonleitungen kontrollieren, die Verbindungen zu ausländischen Access- und Service-Providern ermöglichen? Solche Kontrollen sind unmöglich! Dies gilt auch für den Bereich der Newsgroups, da deutsche Nutzer bei einer Sperrung von Newsgroups auf deutschen Servern problemlos – z.B. über den WWW-Dienst – in Echtzeit auf zahlreiche ausländische (z.B. englische oder amerikanische) Newsserver zugreifen können, wenn der WWW-Zugriff und andere Dienste nicht ebenfalls kontrolliert werden, was einfach nicht möglich ist. Das Kontrollkonzept der Anklageschrift ist deswegen mit dem Versuch gleichzusetzen, den Ozean mit der Hand ausschöpfen zu wollen. Ist dem Verfasser dieser Anklageschrift überhaupt bewußt gewesen, mit welcher Hybris er hier ein gigantisches technisches Kontrollkonzept vorgeschlagen hat?
Freier Datenverkehr ohne Totalüberwachung
Es geht aber nicht nur um ein technisch unmögliches Kontrollkonzept: Zu dem technischen Gesichtspunkt kommt drittens ein rechtspolitischer Grund: Eine entsprechende Kontrolle des internationalen Datenverkehrs wäre aus gesellschaftlichen Gründen gar nicht wünschenswert: Weil die gleichen Netzknoten nicht nur News übermitteln, sondern z.B. auch private Post, Geschäftskorrespondenz oder Kreditkarteninformation, würde eine effektive Kontrolle der übermittelten News eine Gesamtkontrolle all dieser Daten erfordern. Es ist einfach falsch, wenn die Staatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme darauf hinweist, man bräuchte nur die strafbaren Inhalte zu kontrollieren. Weil man den Datenpaketen im Internet ihren Inhalt nicht ansieht, müßte vielmehr der gesamte Datenverkehr über die Netzknoten überprüft werden. Dies bedeutete eine Totalüberwachung der Bürger und der Wirtschaft, die in der Volksrepublik China zwar erfolglos versucht wird, für eine Demokratie jedoch unvorstellbar ist und gegen international verbürgte Menschenrechte verstoßen würde. Es stellt sich deswegen erneut die Frage: Ist sich der Verfasser der Anklageschrift bewußt gewesen, welch totalitäres Konzept einer Totalüberwachung seine Forderung bedeutet?
Den geschäftsmäßigen Erbringern von Tekekommunikationsdiensten ist es gemäß § 85 des Telekommunikationsgesetz aus guten Gründen untersagt, “sich oder anderen über das für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste erforderliche Maß hinaus Kenntnis vom Inhalt ... der Telekommunikation zu verschaffen.â€? und dienstliches Wissen für andere Zwecke zu verwenden oder weiterzugeben. Ist sich der Verfasser der Anklageschrift bewußt gewesen, daß sein Kontrollkonzept – konsequent durchgeführt – auch gegen den Schutz des Fernmeldegeheimnisses und elementare Grundsätze des Datenschutzes verstoßen würde, die derartige Kontrollen gerade verhindern wollen?
d) Konsequenzen
Kennt man diese – hinter § 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes stehenden – technischen, gesellschaftlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, dann wird der zentrale Vorwurf der Anklageschrift (Seite 14) abwegig. Zitat aus der Anklageschrift: “Für den Angeschuldigten wäre es ... zumutbar gewesen, nach Kenntnis der strafrechtlich einschlägigen Bereiche des Datennetzes diese aus dem Datenfluß durch die Installation geeigneter technischer Geräte herauszufiltern. ... So hätte er den Datenfluß aus den USA über eine elektronische Datenverarbeitungsanlage in Deutschland lenken können, die den Zugriff auf bestimmte Dateibereiche verhindert (sog. Firewall-Rechner).â€? Diese Ausführungen widersprechen nicht nur § 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes. Sie sind – gerade im Bereich eines X.25-Netzes – technisch unhaltbar. Sie beruhen auf einer Ideologie der Totalüberwachung, die wir sonst nur in totalitären Staaten finden und die wir – auch mit dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses und dem Datenschutz – in Deutschland verhindern wollen.
Der Gesetzgeber war jedenfalls klug beraten, als er aufgrund der dargestellten Gründe in § 5 Abs. 3 Teledienstegesetz klarstellte, daß Diensteanbieter – wie die deutsche CompuServe GmbH – für die bloße Zugangsvermittlung nicht verantwortlich sind. Da ich bei der Entwicklung von § 5 des Teledienstegesetzes sowohl das Bundesforschungsministeriums als auch den zuständigen Parlamentsausschuß beraten habe, kann ich Ihnen dazu versichern, daß die Straflosigkeit der Zugangsvermittlung in § 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes auch den Zweck haben sollte, im konkreten Fall einen Sachverständigenstreit darüber zu vermeiden, ob Kontrollen bei der Zugangsvermittlung vielleicht im Einzelfall noch möglich gewesen wären: Der Gesetzgeber wollte beim Zugangsvermittler keine derartigen Kontrollen und wollte auch keine Diskussion über die Zumutbarkeit einzelner Kontrollmaßnahmen. Der Gesetzgeber wollte – ohne wenn und aber – einen freien unkontrollierten Datenverkehr! Und er hat dies auch eindeutig im Gesetz geregelt: “Diensteanbieter sind für fremde Inhalte, zu denen sie lediglich den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich.â€?
Die – damit wohl begründete – Normierung von § 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes bedeutet für das vorliegende Verfahren: Sobald feststeht, daß die deutsche CompuServe GmbH strafbare Dateninhalte nicht speicherte, sondern mittels eines X.25-Netzes nur einen Zugang zu amerikanischen Servern vermittelte, muß Herr Somm von der vorliegenden Anklage freigesprochen werden. Weiterer Beweiserhebungen bräuchte es nicht.
3. Der Service-Provider CompuServe Inc. in den USA
a) Technische Grundlagen und rechtliche Anknüpfung
Das Gericht hat die Anklage allerdings mit einem zusätzlichen rechtlichen Hinweis auf eine Mittäterschaft von Herrn Somm zugelassen. Es sieht deswegen möglicherweise noch eine weitere klärungsbedürftige Frage, nachdem ich in meinem Rechtsgutachten vom 7. Juli 1997 das von der Anklageschrift geforderte “Filterkonzeptâ€? ad absurdum führte. Diesem Hinweis des Gerichts auf eine mögliche Mittäterschaft dürfte folgendes zugrundeliegen:
Neben der Funktion des Content-Providers (d.h. des Urhebers) und des Access-Providers (d.h. des Zugangsvermittlers) steht im Internet noch der Service-Provider, der die – für ihn fremden – Daten des Content-Providers auf seinen Servern speichert. Dieser Service-Provider war im vorliegenden Verfahren nach den Feststellungen der Ermittlungsbeamten die amerikanische CompuServe Inc., die Muttergesellschaft der deutschen CompuServe GmbH. Für das Gericht stellt sich deswegen wohl noch die – über die Anklage hinausgehende – Frage, inwieweit Herr Somm eventuell für mögliche Verstöße der Mitarbeiter der amerikanischen CompuServe Inc. verantwortlich ist. D.h.: Inwieweit haftet der Geschäftsführer einer untergeordneten Tochtergesellschaft in Deutschland für Verstöße, die möglicherweise in seiner Muttergesellschaft in den USA erfolgten?
Ansatzpunkt für die hierfür erforderliche Prüfung von möglichen Straftaten in der Muttergesellschaft CompuServe Inc. ist dabei die Tatsache, daß der Service-Provider – anders als der Access-Provider – Daten nicht nur durchleitet, sondern längerfristig speichert und sie deswegen löschen kann, wenn er sie konkret kennt. Derartige Löschungen bei konkreter Kenntnis des Speicherortes rechtswidriger Inhalte (z.B. der jeweiligen News und der Newsgroup) sind für den Service-Provider – anders als für den Access-Provider – technisch meist kein Problem.
Pro-aktive Kontrollen zur verläßlichen Ermittlung dieser Inhalte sind allerdings auch für den Service-Provider aufgrund der Massenhaftigkeit und der raschen Änderung der Daten im Ergebnis kaum möglich: Ein effektiver Newsserver enthält heute bis zu 45.000 Newsgroups mit mehreren Millionen von Einzelnachrichten. Bei größeren deutschen Service-Providern werden pro Tag News übermittelt, die dem Inhalt von täglich 20.000 Strafverfahrensakten entsprechen. Die in den Newsgroups gespeicherten Inhalte ändern sich laufend. Eine heute überprüfte und als rechtmäßig beurteilte Newsgroup kann bereits wenige Stunden nach der Überprüfung rechtswidrige Inhalte enthalten. Gesperrte Newsgroups werden – z.B. durch Ergänzung eines Buchstabens – geringfügig umbenannt oder gar getarnt und deren Inhalte sind somit wieder verfügbar. Sperrungen von Newsgroups haben im übrigen auch deswegen nur eine begrenzte Wirksamkeit, weil der Nutzer für einen Zugriff auf die gesperrte Newsgroup innerhalb seiner Newsreader-Software nur einen anderen frei zugänglichen Newsserver eintragen muß, der sämtliche Newsgroups zum Abruf bereitstellt.
§ 5 Abs. 2 des Teledienstegesetzes bestimmt deswegen, daß Service-Provider für die von ihnen gespeicherten fremden Daten nur bedingt und begrenzt verantwortlich sind. Zitat des Gesetzes: “Anbieter sind für fremde Inhalte, die sie zur Nutzung bereithalten, nur verantwortlich, wenn sie von diesen Inhalte Kenntnis haben und es ihnen technisch möglich und zumutbar ist, deren Nutzung zu verhindern.â€? Nach der ganz herrschenden Ansicht bedeutet “Kenntnisâ€? aufgrund der eindeutigen Formulierung im Gesetz sicheres Wissen in der Form des dolus directus unter Ausschluß des dolus eventualis. Die Kenntnis der rechtswidrigen Inhalte muß dabei so konkret sein, daß sie eine Datenlöschung unschwer ermöglicht. Diese Begrenzung der Verantwortlichkeit von Service-Providern wird dabei verständlich, wenn man die – vom Gesetzgeber berücksichtigte – Massenhaftigkeit des Datenaufkommens und die relative Unwirksamkeit von – selbst aufwendigen – Sperrmaßnahmen kennt.
b) Fehlende strafrechtliche Verantwortlichkeit von Herrn Somm
Da § 5 Abs. 2 des Teledienstegesetzes eine begrenzte Verantwortlichkeit des speichernden Service-Providers vorsieht, spricht das Gericht im Eröffnungsbeschluß zutreffend noch die folgende Frage an, die über das “chinesische Filterkonzeptâ€? der Anklage hinausgeht: Wurde möglicherweise durch einen Mitarbeiter der amerikanischen CompuServe Inc. eine Straftat nach deutschem Recht begangen, und ist es möglich, daß Herr Somm Gehilfe oder Mittäter dieser Straftat ist? Diese Frage ist zwar im Ansatz berechtigt. Sie ist jedoch im vorliegenden Fall – aus mindestens vier unabhängig voneinander bestehenden Gründen – zu verneinen:
Verbot der Umgehung von § 5 Abs. 3 TDG
Der erste Grund gegen eine Beihilfe oder Mittäterschaft von Herrn Somm zu Straftaten von Mitarbeitern der amerikanischen CompuServe Inc. liegt in § 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes, der den Access-Provider straflos stellt: Mit der Tätigkeit eines jeden Access-Providers ist es untrennbar verbunden, daß er auch die Infrastruktur schafft, die im Einzelfall Straftaten von Service- und Content-Providern ermöglicht. Wenn § 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes gleichwohl den Access-Provider grundsätzlich Straflosigkeit garantiert, so gilt dies auch für die mit jedem Access-Providing notwendig verbundene Unterstützung von möglichen Straftaten des Service- und Content-Providers. Es wäre eine Umgehung der gesetzlich garantierten Straflosigkeit des Access-Providers, wenn seine Strafbarkeit – quasi durch eine Hintertür – mit einer Beihilfe- oder Mittäterkonstruktion im Hinblick auf Handlungen des Service- und Content-Providers begründet werden könnte. Die Garantie der straffreien Zugangsvermittlung in § 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes ist hier die speziellere Norm, die nach ihrem klaren Wortlaut Straflosigkeit garantiert.
Der Gesetzgeber hat auch die Grenzen dieses Vorrangs von § 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes für eine Beihilfe- oder Mittäterlösung gesehen: Er hat dazu die extreme Fallkonstellation genannt, daß – wörtliches Zitat – “ein bekannter in Deutschland wohnender Extremist als Zugangsprovider in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit Extremisten im Ausland ausschließlich den Zugang zu deren extremistischen Inhalten anbietet, deren Verbreitung in Deutschland möglicherweise strafbar ist.â€? Mit diesem Fallbeispiel haben die Firmen CompuServe GmbH und CompuServe Inc. nichts zu tun. Sie gingen nicht über das sozial übliche Access-Providing hinaus und schafften kein erhöhtes Strafbarkeitsrisiko. Im Gegenteil: Sie vermittelten grundsätzlich rechtmäßige Inhalte und gehörten zu den Vorreitern einer Bekämpfung strafbarer Inhalte in Computernetzen.
Fehlende Beihilfe- oder Täterhandlung von Herrn Somm
Der zweite – nicht nur rechtlich, sondern vor allem auch moralisch entscheidende – Grund gegen eine Strafbarkeit von Herrn Somm als Gehilfe oder Mittäter von Mitarbeitern der amerikanischen CompuServe Inc. liegt in folgendem: Sowohl eine Verurteilung wegen Beihilfe als auch wegen Mittäterschaft würde voraussetzen, daß Herr Somm Straftaten im Bereich der CompuServe Inc. objektiv unterstützte. Dies war nicht der Fall: Auch bei mehrfachem Lesen der Anklageschrift findet sich kein einziger Satz, der konkrete Handlungen von Herrn Somm nennt, die nicht sozial nützlich (und durch § 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes ausdrücklich erlaubt!) waren, sondern die Verbreitung von Pornographie förderten. Im Gegenteil: Herr Somm bekämpfte strafbare Inhalte vehement. Er bat mich, dazu insbesondere die folgenden Tatsachen vorzutragen, die auch in meinem Rechtsgutachten dargelegt sind:
- Herr Somm unterstützte – wie erwähnt – die bayerische Polizei bei all ihren Ermittlungen gegen die Urheber strafbarer Inhalte.
- Er war nicht nur Geschäftsführer eines Tochterunternehmens des weltweit ersten Online-Dienstes, der spezielle Internet-Sperrsoftware entwickelte, sondern er unterstützte mit einem Aufwand (allein der deutschen CompuServe GmbH) in Höhe von mehr als 1 Millionen DM die Entwicklung von Kontrollsytemen wie Cyberpatrol, Parental Control und PICS.
- Er meldete darüber hinaus – obwohl dazu weder nach altem Recht noch nach § 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes verpflichtet – alle ihm bekannt gewordenen rechtswidrigen Inhalte sofort an die amerikanische CompuServe Inc. mit der Bitte um entsprechende Sperrung. Die Herrn Somm im November 1995 persönlich zur Kenntnis gebrachten fünf Newsgroups mit kinderpornographischen Inhalten wurden auf seine Veranlassung hin sofort von der amerikanischen CompuServe Inc. gesperrt und auch nie wieder eröffnet. Die ihm von der bayerischen Kriminalpolizei am 8. Dezember 1995 genannten 282 Newsgroups mit möglicherweise jugendgefährdenden Inhalten wurden von ihm ebenfalls mit der Bitte um entsprechende Sperrung sofort an die amerikanische CompuServe Inc. übermittelt und dort – mit Ausnahme der offensichtlich fehlerhaften Benennungen – zunächst ebenfalls sämtlich gesperrt. Konkrete Hinweise auf rechtswidrige Newsgroups erhielt Herr Somm von den Ermittlungsbehörden dann über ein Jahr lang bis zur Anklageerhebung nicht mehr. Als er erstmals wieder im Dezember 1996 durch eine Privatperson von möglicherweise strafrechtlich relevanten Inhalten auf den Servern der amerikanischen CompuServe Inc. erfuhr, setzte er sich wieder sofort bei der amerikanischen CompuServe Inc. für deren Sperrung ein, die auch erfolgte.
- Hinzu kommt eine Besonderheit, die das vorliegende Ermittlungsverfahren fast makaber macht: Die von Herrn Somm geleitete deutsche CompuServe GmbH überlies ihren Mitgliedern zum Zeitpunkt der angeklagten Taten eine Zugangssoftware, mit der Bilder überhaupt nicht betrachtet oder heruntergeladen werden konnten. Die bayerischen Polizeibeamten mußten – damit sie die in der Anklageschrift genannten Bilder ansehen konnten – den von der deutschen CompuServe GmbH ihren Mitgliedern zur Verfügung gestellten Newsreader gegen einen anderen Newsreader – z.B. der Firma Netscape – austauschen. D.h.: Die Polizei umging den standardmäßigen Newsreader der CompuServe Zugangssoftware, die der Angeklagte den deutschen Mitgliedern der CompuServe GmbH zur Verfügung stellte, weil die strafbaren Bilder mit dieser Infrastruktur der Firmen CompuServe GmbH und CompuServe Inc. gar nicht hätten beschafft werden können. Die Anklageschrift stellt jedoch gerade auf das Überlassen der Zugangssoftware ab. Wenn es hier nicht um eine zugelassene Anklage zum Amtsgericht München gehen würde, könnte man meinen, in einem schlechten Kriminalfilm zu sitzen!
Eine zusammenfassende Betrachtung ergibt damit, daß Herr Somm für die deutschen Internet-Benutzer das Risiko einer Verbreitung pornographischer Inhalte nicht erhöht, sondern durch zahlreiche Aktionen entscheidend vermindert hat. Herr Somm hat sich mit seinem Verhalten nicht nur sozial nützlich verhalten, sondern – vor allem im Vergleich mit sonstigen Access-Providern – Straftaten sogar in besonderer Weise erschwert.
Eine Unterstützung möglicher Straftaten in den USA durch positives Tun kann Herrn Somm damit (ganz abgesehen von § 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes) nicht vorgeworfen werden. Ein “Schwerpunkt der Vorwerfbarkeitâ€? – wie dies für die Abgrenzung von Tun oder Unterlassen gefordert wird – liegt in seinem Tun ganz sicher nicht.
Als möglicher Vorwurf bliebe damit wieder allein eine Unterstützung möglicher fremder Straftaten durch das Unterlassen von Kontrollmaßnahmen. Dieser Vorwurf scheitert jedoch – wie erwähnt – nicht nur an technischen, sondern auch an rechtlichen Gründen: Weder das alte noch das neue Recht kennt eine derartige Pflicht der deutschen CompuServe GmbH, die Herr Somm gemäß § 14 StGB hätte erfüllen müssen.
Damit bleibt nichts, was hier angeklagt werden könnte. Denn auch eine Verurteilung wegen Beihilfe oder Mittäterschaft entbindet nicht davon, ein vorwerfbares (und nicht nur sozial nützliches) positives Tun oder aber – im Falle des Unterlassens – eine Garantenpflicht von Herrn Somm festzustellen.
Fehlende Vorsatztat im Bereich der amerikanischen CompuServe Inc.
Beihilfe oder Mittäterschaft des Angeklagten zu Straftaten der Angestellten der amerikanischen CompuServe Inc. scheitern darüber hinaus an einem dritten Grund. Sowohl die Beihilfe als auch die Mittäterschaft würden eine vorsätzlich begangene Tat eines Angestellten der amerikanischen CompuServe Inc. voraussetzen, die dem Angeklagten zugerechnet werden kann. Aufgrund des – für Service-Provider geltenden – § 5 Abs. 2 des Teledienstegesetzes wäre dabei der Eventualvorsatz eines amerikanischen Mitarbeiters nicht ausreichend, sondern Kenntnis (dolus directus ) im Sinne von § 5 Abs. 2 des Teledienstegesetzes erforderlich. Diese Kenntnis muß sich auf den konkreten rechtswidrigen Inhalt beziehen, wobei sich unter anderem die Frage stellt, ob alleine die Kenntnis des Namens einer Newsgroup ausreichend im Sinne des § 5 Abs. 2 des Teledienstegesetzes ist, da Newsgroups unter Umständen hunderte von einzelnen Artikeln beinhalten. Diese Frage kann hier allerdings offen bleiben, da eine vorsätzliche Tat von Angestellten der amerikanischen CompuServe Inc. mit Kenntnis der rechtswidrigen Inhalte weder objektiv noch subjektiv ersichtlich ist:
- Auch die amerikanische Muttergesellschaft CompuServe Inc. und ihre Mitarbeiter haben sich um eine Sperrung der strafbaren Inhalte bemüht: Als der Angeklagte die Liste mit 282 möglicherweise jugendgefährdenden Inhalten übermittelte, wurden diese Newsgroups zunächst alle gesperrt. Harmlose Newsgroups – wie das Diskussionsforum “alt.sex.senator-exxonâ€? des amerikanischen Senators Exxon zur Bekämpfung von Kinderpornographie – wurden später wieder freigegeben, die übrigen Newsgroups, die zu diesem Zeitpunkt keine harte Pornographie enthielten, allerdings erst nach Zur-Verfügung-Stellung der genannten Kinderschutzprogramme Cyberpatrol, Parental Controls und PICS. Newsgroups mit festgestellter Kinderpornographie blieben gesperrt. Mit der Bewertung von Inhalten wurde die unabhängige Firma Microsytems betreut, die auch beim Rating für das Zugangskontrollsystem PICS federführend ist.
- Hiergegen spricht nicht, wenn die in der Anklageschrift genannten bayerischen Kriminalbeamten in der Folgezeit kinderpornographisches Material auf den Servern der amerikanischen CompuServe Inc. abrufen konnten. Dies kann – selbst bei identischen Newsgroupsnamen – vielfältige Gründe haben. Ich will insoweit nur ein einfaches Beispiel für diese technischen Fragen geben: Obwohl die Newsgroups zum Zeitpunkt ihrer Freigabe durch die CompuServe Inc. Anfang 1996 keine strafbaren Inhalte aufwiesen, so schließt dies nicht aus, daß sie später bei der polizeilichen Recherche mit Kinderpornographie infiziert waren: Die Inhalte der Newsgroups ändern sich laufend. Die Newsgroup darf deswegen nicht mit der konkreten News verwechselt werden, die der Diensteanbieter gemäß § 5 Abs. 2 des Teledienstegesetzes kennen muß. Hinter einem Newsgroup-Namen steht regelmäßig eine Vielzahl verschiedener News, die laufend ausgetauscht werden: Einzelne Newsgroups des Internet – wie beispielsweise die Newsgroup “alt.jobsâ€? – führen (in einer einzigen Newsgroup!) über 40.000 einzelne News. Die 282 in der polizeilichen Liste genannten Newsgroups enthielten deswegen Zehntausende einzelner News. Da sich diese News etwa alle 10 Tage änderten, dürften in den von der Polizei genannten 282 Newsgroups im Verlauf der etwa einjährigen Ermittlungen mehrere Millionen verschiedener News gespeichert gewesen sein. Ein Schluß von der 1996 festgestellten Pornographie auf einen fahrlässigen oder gar vorsätzlichen Verstoß von Mitarbeitern der amerikanischen Firma CompuServe Inc. ist daher völlig unzulässig! Ein nur fahrlässiges Verhalten von Mitarbeitern der amerikanischen CompuServe Inc. wäre für die Strafbarkeit des Angeklagten im übrigen ohne Belang: Fahrlässiges Verhalten könnte ihm weder im Wege der Beihilfe noch der Mittäterschaft zugerechnet werden.
Auf das Erfordernis einer vorsätzlichen Straftatbegehung innerhalb der amerikanischen CompuServe Inc. könnte man bei einer “Zurechnungâ€? fremder Straftaten nur dann verzichten, wenn Herr Somm amerikanische Straftäter in der Form der “mittelbaren Täterschaftâ€? wie willenlose Werkzeuge beherrscht und gesteuert hätte. Dies scheidet hier jedoch eindeutig aus: Im vorliegenden Fall hat vielleicht die Muttergesellschaft CompuServe Inc. ihre deutsche Tochtergesellschaft CompuServe GmbH gesteuert; der Geschäftsführer der Tochterfirma CompuServe GmbH beherrschte jedoch sicher nicht die Muttergesellschaft! Eine vom Gericht im Eröffnungsbeschluß möglicherweise erwogene mittelbare Täterschaft von Herrn Somm scheidet deswegen aufgrund der gleichen Wertungsgesichtspunkte aus wie die von der Staatsanwaltschaft nachträglich zur Rechtfertigung ihrer Anklage konstruierte Unternehmenseinheit von Mutter- und Tochtergesellschaft. Beide Konstruktionen würden gegen elementare Grundlagen des Wirtschaftsrechts und der Unternehmenspraxis verstoßen: Denn die Muttergesellschaft kann die Tochtergesellschaft beherrschen, aber nicht umgekehrt!
Damit ist festzustellen: Es fehlt auch an einer vorsätzlichen Straftat innerhalb der amerikanischen CompuServe Inc., die Herr Somm im Wege der Beihilfe oder der Mittäterschaft zugerechnet werden könnte.
Fehlender Vorsatz von Herrn Somm
Die Konstruktion einer Beihilfe oder Mittäterschaft des Angeklagten zu Straftaten im Bereich der amerikanischen CompuServe Inc. scheitert aber nicht nur an der gesetzlichen Regelung von § 5 Abs. 3 des Teledienstegesetzes, an der fehlenden Unterstützungshandlung des Angeklagten und an der fehlenden Vorsatztat von Angestellten der amerikanischen CompuServe Inc., sondern viertens auch am fehlenden Vorsatz des Angeklagten bezüglich der Unterstützung einer entsprechenden Straftat in den USA: Der Angeklagte ging davon aus, daß die amerikanische CompuServe Inc. die ihr gemeldeten strafbaren Inhalte sperrte und sorgfältig prüfte. Er wußte, daß die amerikanische CompuServe Inc. mit der Überprüfung von Inhalten die angesehene amerikanische Firma Microsystems beauftragt hatte, welche an der Entwicklung der führenden Zugangskontroll-Architektur PICS beteiligt war. Mit dem Newsreader-Programm der CompuServe-Zugangssoftware konnte er selbst – anders als die bayerischen Polizeibeamten mit anderen News-Readern – Bilder in den Newsgroups überhaupt nicht prüfen.
Begrenzte Reichweite des deutschen Verwaltungsrechts und des deutschen Strafrechts
Angesichts dieser klaren Rechtslage soll hier auf die Diskussion von weiteren Problemen verzichtet werden, die sich bei einer Beihilfe- oder Mittäterschaftskonstruktion vor allem im Hinblick auf die Anklagevorwürfe II.2 und 3 stellen würden. Ich deute deswegen nur noch kurz an:
- Will die Anklage – was im Falle einer Beihilfe- oder Mittäterschaftskonstruktion zwingend erforderlich wäre – ernsthaft die verwaltungsrechtlichen Entscheidungen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften auf das Territorium der USA und der anderen mehr als 150 Staaten mit Internet-Zugang erstrecken? Sollen die im Bundesgesetzblatt Deutschlands in deutscher Sprache veröffentlichten Entscheidungen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften in mehr als 150 Staaten gelesen und beachtet werden? Soll Entsprechendes für eventuelle Indizierungsentscheidungen von Behörden anderer Staaten gelten? Müssen deutsche Internet-Service-Provider dann aus den gleichen Gründen auch die Indizierung christlicher Inhalte durch islamische Staaten beachten? All diese Fragen müßten bejaht werden, wollte man dem Angeklagten statt des – in der Anklageschrift genannten – unterlassenen Filterversuchs in Unterhaching bei München nunmehr eine Beihilfe oder Mittäterschaft zu einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Haupttat in den USA vorwerfen, nachdem man die Unrichtigkeit der Anklage erkannt hat.
- Eine derartige Gehilfen- oder Mittäterschaftslösung würde darüber hinaus ganz allgemein auf Grenzen der Reichweite der deutschen Strafgerichtsbarkeit stoßen: Soll – außerhalb von § 6 Nr. 6 StGB – der Erfolg einer Straftat in Deutschland eintreten, wenn ein amerikanischer Service-Provider – nach amerikanischen Verhältnissen rechtmäßige – Daten in den USA speichert, die dann von deutschen Polizeibeamten in den USA abgerufen und nach Deutschland geholt werden?
- Hinzu kommt die Frage: Warum hielten die Ermittlungsbeamten ihre Kenntnis über konkrete News mit Kinderpornographie ein Jahr lang geheim? Eine einfache konkrete Mitteilung der strafbaren News mit Nennung der Newsgroup an den Angeklagten hätte sofort zur Löschung dieser Inhalte geführt, genauso wie dies bei dem ihm 1995 mitgeteilten fünf Newsgroups der Fall war. Warum wurden keine verwaltungsrechtlichen Polizeiverfügungen im Hinblick auf die in der Anklageschrift genannten Inhalte erlassen? Ich habe die Akte des vorliegenden Strafverfahrens deswegen auch mit immer größer werdendem Erstaunen gelesen: Hier wurden von einer ganzen Abteilung der Polizei unter Nutzung des Netzzuganges der deutschen CompuServe GmbH – über Monate! – nur Pornobilder aus dem Internet gesammelt. Niemand kam auf die Idee, die Dauerstraftaten der Urheber zu stoppen. Und vor allem dachte anscheinend niemand darüber nach, wer für diese Inhalte die rechtliche Verantwortung trägt. Nicht einmal die gesetzliche Neuregelung von § 5 des Teledienstegesetzes im Jahre 1997 gab Anlaß zu einer Prüfung dieser Frage. Ich will auf die Aktivitäten der Polizeibeamten nicht näher eingehen, da ich Ermittlungsmaßnahmen der Polizei im Internet – auch im internationalen Rahmen – rechtspolitisch unterstütze. Die Bekämpfung der Kinderpornographie durch die Polizei verdient grundsätzlich Unterstützung, auch wenn die Strafverfolgungsbehörde im Einzelfall bei einer neuen Problemstellung einmal den falschen Ansatz wählt. Dieses Verständnis darf aber nicht so weit gehen, daß jetzt in dieser Hauptverhandlung – trotz besserer Kenntnis – weiterhin die falsche Person verfolgt wird.
III. Zusammenfassung und Beweisanregungen
1. Zusammenfassung
Damit ist zusammenfassend in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht festzustellen:
- Der Angeklagte war nicht Urheber der in der Anklage bezeichneten strafbaren Daten. Die Strafverfahrensakte beweist vielmehr an zahlreichen Stellen, daß der Angeklagte die bayerische Polizei bei der Verfolgung der Urheber intensiv unterstützte.
- Der Angeklagte vermittelte vielmehr als Access-Provider dem deutschen Nutzer nur einen Zugang zu amerikanischen Informationsangeboten. Er übte damit genau die sozial wünschenswerte Tätigkeit aus, die in Bayern durch die Staatsregierung gefördert wird. Zum Einbau von Filterprogrammen war er nach der eindeutigen Regelung von § 5 Abs. 3 TDG nicht verpflichtet. Eine Filterung der übermittelten Daten in Echtzeit wäre im übrigen auch technisch nicht möglich gewesen, wie das chinesische Beispiel zeigt: auch nicht in einem Überwachungsstaat.
- Es ist auch keine positive Handlung des Angeklagten festzustellen, die über das durch § 5 Abs. 3 TDG ausdrücklich für rechtmäßig erklärte Access-Providing hinausgeht und eine Verbreitung strafbarer Inhalte durch Mitarbeiter des amerikanischen Service-Providers CompuServe Inc. förderte. Im Gegenteil: Der Angeklagte wirkte der Verbreitung von strafbaren Inhalten über Server der amerikanischen CompuServe Inc. nach besten Kräften entgegen: durch die Verfolgung der Urheber strafbarer Daten, durch die Entwicklung von Kinderschutzsoftware, durch die Übermittlung der Daten bekannt gewordener Inhalte zum Zweck der Sperrung. Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe oder Mittäterschaft scheitert deswegen nicht nur an § 5 Abs. 3 TDG, der die Straflosigkeit der Handlungen des Angeklagten ausdrücklich garantiert. Sie scheidet vor allem wegen seines fehlenden Tatbeitrags aus. Im übrigen fehlt es an einem Vorsatz des Angeklagten für eine derartige Förderung, an einem Vorsatz des Angeklagten im Hinblick auf eine möglicherweise vorsätzliche Straftat der amerikanischen Mitarbeiter; darüber hinaus auch am Nachweis der vorsätzlichen Tat eines amerikanischen Mitarbeiters nach § 5 Abs. 2 TDG, zu der Beihilfe oder Mittäterschaft hätte geleistet werden können. Ob die Mitarbeiter des amerikanischen Service-Providers CompuServe Inc. in der Umbruchsituation des Jahres 1996 fahrlässig Sperrmaßnahmen unterließen, spielt für das vorliegende Strafverfahren keine Rolle: Nach der deutschen Strafrechtsdogmatik gibt es keine Beihilfe und keine Mittäterschaft an einer fahrlässigen Tat.
Auch eine für die amerikanische CompuServe Inc. möglicherweise geltende Handlungspflicht nach § 5 Abs. 2 des Teledienstegesetzes hat der Angeklagte nicht verletzt, da derartige Pflichten gemäß § 14 StGB nur für die Mitarbeiter der amerikanischen CompuServe Inc. galten. Der Angeklagte hatte auch keine rechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Handlungen der amerikanischen CompuServe Inc.
Zusammengefaßt: Hier wird die falsche Person verfolgt und für Inhalte haftbar gemacht, für die sie nicht verantwortlich ist!
2. Beweisanregungen
Der Angeklagte Felix Somm und die Verteidigung bitten das Gericht deswegen, im Wege der Beweisaufnahme zunächst festzustellen, daß die in der Anklage bezeichneten Bilder und Texte niemals auf Servern der deutschen CompuServe GmbH gespeichert waren, die als bloßer Zugangsvermittler gemäß § 5 Abs. 3 TDG nicht für fremde Inhalte verantwortlich ist. Wenn dies – z.B. durch das Gutachten des bayerischen Landeskriminalamtes – feststeht, sollte der Angeklagte bereits freigesprochen werden.
Darüber hinaus könnte – über die Anklageschrift hinausgehend – noch Beweis darüber erhoben werden, daß der Angeklagte keine Tätigkeit vornahm, die über das – gemäß § 5 Abs. 3 TDG ausdrücklich für straflos erklärte – Access-Providing hinausging. Bisher ist keine derartige Handlung ersichtlich. Die in der Akte enthaltenen (und dort mehrfach abgelegten) Bilder sind keinerlei Beweis für ein entsprechendes Verhalten des Angeklagten. Sie wurden von den bayerischen Polizeibeamten in über einjähriger Sammeltätigkeit aus den USA nach Deutschland abgerufen, wozu sogar das Newsreader-Programm der amerikanischen CompuServe Inc. ausgetauscht werden mußte. Entsprechende Bilder sind in gleicher Weise über andere Access-Provider beschaffbar, die von den Betreibern der Newsserver völlig unabhängig sind.
3. Bedeutung des Verfahrens
Der amerikanische Supreme-Court stellte in seiner viel beachteten Entscheidung des Jahres 1997 zur Verfassungswidrigkeit des amerikanischen “Communication Decency Actsâ€? fest, daß das Interesse an einem freien Meinungsaustausch in einer demokratischen Gesellschaft bei weitem die theoretischen Vorteile einer möglichen Zensur des Internet übersteigt. Aus diesem Grunde wurde die erstinstanzliche Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit der Strafbestimmung des amerikanischen Communication Decency Acts von 1996 bestätigt. Diese beiden Entscheidungen haben weltweit Beachtung und Zustimmung gefunden.
Für Deutschland wäre ein ähnliches Urteil wünschenswert. Es wäre zu wünschen, daß Deutschland für die Entwicklung des Internet mehr beizutragen hat als die Strafverfolgung von Access-Providern, die für die übermittelten Inhalte nicht verantwortlich sind. Das vorliegende Strafverfahren bietet dazu die Möglichkeit.
AMTSGERICHT MÜNCHEN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Aktenzeichen: 8340 Ds 465 Js 173158/95
Entscheidung vom 28. Mai 1998
In der Strafsache gegen Somm Felix Bruno wegen Verbreitung pornographischer Schriften (...)
I. Der Angeklagte Felix Bruno Somm ist schuldig der Verbreitung pornographischer Schriften in dreizehn rechtlich zusammentreffenden Fällen, begangen in Mittäterschaft, sachlich zusammentreffend mit einem fahrlässigen Verstoß gegen das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen.
II. Er wird deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
2 Jahren
verurteilt.
III. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
IV. Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Angewendete Vorschriften: §§ 184 Abs. 3 Nr. 2, 11 Abs. 3, 13, 14 Abs. 1 Nr. 1, 25 Abs. 2, 52, 53 StGB; 3 Abs. 1 Nr. 2, 1 Abs. 3, 21 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 GjS.
Gründe
I. Die beruflichen und finanziellen Verhältnisse des Angeklagten sind geordnet. Der Angeklagte, der seine Tätigkeit als Geschäftsführer bei der Firma CompuServe Information Services GmbH zwischenzeitlich beendet hat, ist nach seinen Angaben nunmehr als Selbständiger tätig.
Der Angeklagte ist verheiratet. Seine Ehefrau arbeitet in seinem Geschäft mit.
Strafrechtlich ist der Angeklagte bisher nicht in Erscheinung getreten.
II. 1. Der Angeklagte hat als Geschäftsführer der Firma CompuServe Information Services GmbH (nachfolgend: CompuServe Deutschland) gemeinschaftlich mit der Firma CompuServe Incorporated (nachfolgend: CompuServe USA) den Kunden von CompuServe USA in Deutschland die auf dem News-Server von CompuServe USA zur Nutzung bereitgehaltenen gewalt-, kinder- und tierpornographischen Darstellungen zugänglich gemacht.
Der Angeklagte war Geschäftsführer der Firma CompuServe Deutschland mit Sitz in Unterhaching bei München.
Der Gegenstand des Unternehmens, das Ende 1995 ca. 170 Mitarbeiter beschäftigte, ist im Handelsregister des Amtsgerichts München wie folgt beschrieben:
"Vermittlung von Mitgliedschaften zum CompuServe Information Service, Gewährleistung des Kundendienstes für neue und bestehende Mitglieder des CompuServe Information Service, Beratung der US-Muttergesellschaft im Bereich Produkt-Marketing, Marketing-Kommunikation und anderer in Zusammenhang mit den CompuServe-Leistungen stehender Bereiche."
CompuServe Deutschland ist eine 100%ige Tochterfirma des weltweit tätigen Online-Service-Providers CompuServe USA mit in Arlington in USA.
CompuServe USA bietet seinen Kunden fremde Dienste (z.B. Newsdienste über eigene News-Server) und eigene (proprietäre) Dienste an.
Vertragspartner der mit den Kunden in Deutschland geschlossenen Dienstleistungsverträge ist ausschließlich CompuServe USA.
Zwischen CompuServe Deutschland und den Kunden bestehen keine Vertragsbeziehungen.
CompuServe Deutschland hat u.a. die Aufgabe, für Kunden von CompuServe USA in Deutschland Einwahlknoten bereitzustellen. Der jeweilige Kunde wählt sich bei dem für ihn nächstgelegenen Einwahlknoten in Deutschland ein. Er wird dann von dort ohne weitere Plausibilitätsprüfung via Standleitung zwischen Tochter- und Muttergesellschaft mit dem in den USA befindlichen Rechenzentrum der Muttergesellschaft verbunden.
Nach Überprüfung der Mitgliedschaft vermittelt CompuServe USA von ihrem Rechenzentrum über den nächstgelegenen Internet-Einwahlknoten (University of Ohio) ihren Kunden in Deutschland den Zugang zum Internet.
Darüber hinaus erhalten die Kunden in Deutschland nach Überprüfung der Mitgliedschaft den Zugriff auf die eigenen (proprietären) Dateninhalte.
Zweck der Standleitung ist es, Kunden in Deutschland einen möglichst nahegelegenen, mit geringen Telefongebühren verbundenen Einwahlknoten zu bieten.
Die Beziehungen zwischen Mutter und Tochter sind vertraglich geregelt. Die Firma CompuServe Deutschland erhält für ihre Tätigkeit von der Firma CompuServe USA ein Entgelt, das zu den Tatzeiten 31 % der Einnahmen der Firma CompuServe USA aus dem Geschäftsbereich, den die Firma CompuServe Deutschland betreut, betrug.
Am 22.11.1995 fand aufgrund es Beschlusses des Amtsgerichts München vom 16.11.1995 eine Durchsuchung der Geschäftsräume der Firma CompuServe Deutschland in Unterhaching statt.
Die Untersuchungsanordnung erging - wie auch in den Gründen dieses Beschlusses dargestellt - wegen Bestehens des dringenden Verdachts, daß über das Computersystem der Firma CompuServe kinderpornographische Schriften, die ein tatsächliches Geschehen wiedergeben, mit Billigung der Verantwortlichen verbreitet würden.
Im Rahmen dieser Durchsuchung wurde dem Angeklagten der Tatvorwurf auch mündlich zur Kenntnis gebracht. Es wurde ihm u.a. mitgeteilt, daß auf dem News-Server von CompuServe USA unter Foren, die gezielt auf kinderpornographische Inhalte hinweisen, kinderpornographische Darstellungen, die von Dritten stammen, gespeichert und abrufbar sind.
Im Anschuß an die Durchsuchung wurden dem Angeklagten von der Polizei beispielhaft für das Vorhandensein von eindeutigen Foren für Kinderpornographie folgende Newsgroups mit kinderpornographischen Inhalten persönlich zur Kenntnis gebracht:
alt.sex.pedophilia,
alt.sex.pedophilia.boys,
alt.sex.pedophilia.girls,
alt.sex.pedophilia.pictures,
alt.sex.pedophilia.swaps.
Der Angeklagte setzte die Muttergesellschaft sofort von der Durchsuchung und den vorgenannten Newsgroups in Kenntnis mit der Bitte um Sperrung oder Löschung.
Für CompuServe USA als Betreiberin des News-Servers war es technisch ohne nennenswerten Aufwand möglich, derartige Foren bzw. deren Inhalte zu sperren. Eine Sperrung dieser Foren bzw. deren Inhalte über die Standleitung war CompuServe Deutschland technisch nicht möglich.
Am 29.11.1995 wurde durch die ermittelnden Polizeibeamten bei einer Überprüfung der auf dem News-Server von CompuServe USA befindlichen Newsgroups festgestellt, daß die Newsgroups mit der Bezeichnung
alt.binaries.pictures.erotica.pre-teen,
alt.sex.pedophilia,
alt.sex.pedophilia.boys,
alt.sex.pedophilia.girls,
alt.sex.pedophilia.pictures,
alt.sex.pedophilia.swaps
zwar noch in der Newsgroup-Übersicht genannt wurden, jedoch ein Zugriff darauf und somit ein Download von Dateien nicht mehr möglich war.
Außerdem wurde durch die ermittelnden Polizeibeamten festgestellt, daß der Zugriff auf die Newsgroups mit den Bezeichnungen "alt.sex." bzw. "Alt.erotica" weiterhin möglich war und daß diese Newsgroups u.a. Bilddateien mit pornographischem Inhalt i.S.v. § 184 Abs. 1, 3 StGB enthielten.
So konnten am 29.11.1995 die Kunden der Firma CompuServe USA in Deutschland eine Bilddatei aus der Newsgroup "alt.sex.incest" beziehen.
(...) [es folgt eine detaillierte Beschreibung der Darstellung]
Am 8.12.1995 übergab die Polizei der Firma CompuServe Deutschland eine Liste - Stand 21.11.1995, 10.00 Uhr - mit den folgenden 282 auf dem Datenspeicher von CompuServe USA abrufbaren Newsgroups:
(...) [es folgt eine Aufstellung der 282 Newsgroups]
Diese Liste enthielt alle Foren, unter denen die gewalt-, kinder- und tierpornographischen Darstellungen, die Gegenstand der Verurteilung sind, den Kunden von CompuServe USA in Deutschland zugänglich waren. Die Liste enthielt insoweit die Foren
alt.binaries.pictures.erotica.bondage,
alt.sex.incest,
alt.binaries.pictures.erotica.pre-teen,
alt.sex.pedophilia,
alt.sex.bestiality.barney,
alt.binaries.picutres.erotica.bestiality.
Der Angeklagte hat die am 8.12.1995 übergebene Liste sofort an die Muttergesellschaft übermittelt mit der Bitte um Sperrung oder Löschung.
CompuServe USA sperrte daraufhin vom 22.12.1995 bis 13.02.1996 den überwiegenden Teil der auf der Liste befindlichen Newsgroups.
Am 27.12.1995 wurde bei einer polizeilichen Überprüfung auf dem News-Server von CompuServe USA befindlichen Newsgroups festgestellt, daß ein Zugriff auf die Newsgroups mit den Bezeichnungen "alt.sex." und "alt.erotica." nicht mehr möglich war und diese auch nicht mehr in der Gesamtübersicht erschienen.
Nach Entsperrung der bis 13.02.1996 gesperrten Newsgroups stellten die Polizeibeamten fest, daß auf dem News-Server von CompuServe USA erneut vornehmlich unter folgenden Newsgroups Kinderpornographie abrufbar war:
alt.sex.incest,
alt.binaries.pictures.erotica.pre-teen,
de.alt.pictures.sex.children.
In einem an die Kunden von CompuServe USA gerichteten, elektronisch abrufbaren Schreiben vom 16.02.1996 heißt es u.a.:
"Durch die Eröffnung der Zugriffskontrolle für Eltern gibt CompuServe seinen Mitgliedern neue Möglichkeiten, um ihrer Verantwortung ihren Kindern gegenüber gerecht zu werden. (...) Diese Möglichkeiten erlauben es CompuServe auch, den Jugendschutz ernst zu nehmen und gleichzeitig die vorübergehend gesperrten Newsgroups weitestgehend wieder zu öffnen."
Ein weiteres Schreiben stammt vom Angeklagten selbst. Hier heißt es in einem für Kunden von CompuServe USA in Deutschland am 20.02.1996 abrufbaren Brief der Geschäftsleitung u.a.:
"Der weltweite Aufruhr um die vorübergehende Sperrung der Newsgroups zeigt uns, daß CompuServe sich mit seinen seit langem andauernden Bemühungen um behutsamen Jugendschutz auf dem richtigen Weg befindet. (...) CompuServe Deutschland stellt seinen Mitgliedern unentgeltlich das Absicherungsprogramm ‘Cyber Patrol' (TM) zur Verfügung."
Mit Schreiben vom 21.02.1996 teilte der Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. (...) der Staatsanwaltschaft München I. u.a. mit, daß die Firma CompuServe USA und die Firma CompuServe Deutschland der Meinung seien, daß sie mit den neuen, in deutscher Sprache zur Verfügung stehenden Tools alles Zumutbare getan hätten, um den Zugriff auf strafbare Inhalte im Internet über den CompuServe-Informationsservice für Personen unter 18 Jahren zu verhindern.
Diesem Schreiben lag eine Mitteilung von CompuServe Nr. 06/1996 bei, in der es u.a. heißt:
"Bob Massey, Präsident und CEO von CompuServe erklärt dazu: ‘Die Einführung der Parental Controls gewährleistet, daß die Entscheidung über die Einschränkung des Zugangs dort liegt, wo sie hingehört - beim einzelnen Benutzer. Diese Neuerung und die Aufhebung der Zugangsbeschränkung unterstreicht unser Engagement für einen familienfreundlichen und sicheren Online-Service.'"
Ebenfalls mit Schreiben vom 21.02.1996 teilte die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München I dem Angeklagten persönlich folgendes mit:
"Bezugnehmend auf die jüngsten Presseveröffentlichungen teile ich Ihnen zur Klarstellung mit, daß die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München I nicht der Auffassung ist, die Firma CompuServe und ihre Verantwortlichen hätten mit der Installation von Parental Control die aus strafrechtlicher Sicht erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um Straftaten nach §§ 131, 184 StGB und § 21 des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften zu vermeiden."
Nach der Wiedereröffnung der Newgroups durch CompuServe USA waren unter den Foren
alt.binaries.pictures.erotica.bondage,
alt.sex.incest,
alt.cinareies.picutures.erotica.pre-teen,
alt.sex.pedophilia,
alt.sex.bestiality.barney,
alt.binaries.pictures.erotica.bestiality
für Kunden von CompuServe USA in Deutschland folgende gewalt-, kinder- und tierpornographische Darstellungen, deren Inhalte von Dritten stammen, abrufbar:
(...) [Liste der Darstellungen von 1. bis 12. mit detaillierten Beschreibungen]
Der Angeklagte handelte in allen Fällen in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit CompuServe USA, die pflichtwidrig die Sperrung dieser eindeutigen Foren unterlassen hat.
II. 2. Der Angeklagte hat die in Deutschland befindlichen Kunden von CompuServe USA mit dem Rechenzentrum der Muttergesellschaft über Einwahlknoten via Standleitung verbunden.
Die Muttergesellschaft hielt in ihrem eigenen Datenangebot unter Spielforen indizierte Spiele als eigene Spiele zur Nutzung bereit. Diese Spiele waren auch für Kunden von CompuServe USA in Deutschland, die ihren Computer in ihrer Wohnung haben, in denen auch Kinder und Jugendliche aufwachsen, abrufbar.
Bei den Spielen handelt es sich um die am 19.03.1996 abrufbaren Spiele "Doom" und "Heretic" und das am 01.04.1996 abrufbare Spiel "Wolfenstein 3 D", die CompuServe USA aufgrund eines Vertrages mit Dritten von diesen in ihren eigenen Foren als eigene Spiele angeboten hat.
Die Spiele wurden durch Entscheidungen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften in die Liste der jugendgefährdenden Schriften aufgenommen. Dies erfolgte im Hinblick auf ihre sozialethische Desorientierung (u.a. bedenkenloses, realistisch inszeniertes Töten) bzw. wegen den Nationalsozialismus verherrlichender Elemente.
Die Entscheidungen der Bundesprüfstelle wurden im Bundesanzeiger Nr. 100 vom 31.05.1994 ("Doom"), im Bundesanzeiger Nr. 141 vom 29.07.1995 ("Heretic") und im Bundesanzeiger Nr. 20 vom 29.01.1994 ("Wolfenstein 3 D") bekanntgemacht.
Der Angeklagte versäumte es pflichtwidrig, sich Kenntnis über die in die Liste aufgenommenen indizierten und bekanntgemachten Spiele zu verschaffen und zu überprüfen, ob indizierte Spiele im proprietären Dienst der Mutter unter entsprechenden Foren angeboten werden.
Bereits vor den Tatzeiten beschäftigte sich die Öffentlichkeit mit dem in den Datennetzen in vielfältigen Erscheinungsformen vorhandenem nationalsozialistischen, rassistischen und pornographischen Material.
Es gab in den Medien Hinweise, daß CompuServe indizierte Spiele auf ihrem Datenspeicher hat (vgl. z.B. Buschek, Digitaler als die Polizei erlaubt, PC Professionell, Ausgabe 12/95).
Dieser Sachverhalt steht zur Überzeugung des Gerichts fest. Er beruht auf den Erklärungen der Verteidigung, die diese für den Angeklagten abgegeben haben sowie auf den Angaben der hierzu vernommenen Zeugen KK , KHK, KHK, KOM, KK, KOK und (...). Er beruht weiter auf den Ausführungen des Sachverständigen Dr. (...) und der Inaugenscheinnahme der Bilddateien und Übertragungsprotokolle.
III. Die Feststellungen zur Organisationsstruktur von CompuServe Deutschland und CompuServe USA beruhen auf den Erklärungen des Angeklagten, mit denen die diesbezüglichen Bekundungen des Zeugen KK übereinstimmen.
Der Ablauf der polizeilichen Durchsuchung am 22.11.1995 sowie die Mitteilung der fünf Newsgroups mit kinderpornographischem Inhalt an den Angeklagten wird von diesem eingeräumt und ergibt sich auch aus den entsprechenden Bekundungen der Zeugen KK und KHK. Der Angeklagte hat erklärt, daß er die Muttergesellschaft von der Durchsuchung und den Namen der Newsgroups mit der Bitte um Sperrung oder Löschung sofort in Kenntnis gesetzt hat.
Die Feststellungen vom 29.11.1995 beruhen auf den Angaben des Zeugen KOM.
Die Feststellungen bezüglich der Übergabe der Liste am 08.12.1995 beruhen auf den Angaben des Zeugen KK und werden auch vom Angeklagten eingeräumt, der nach seinen Angaben diese Liste sofort der Muttergesellschaft mit der Bitte um Sperrung oder Löschung übermittelt hat.
Nach seinen Angaben hat daraufhin die Muttergesellschaft vom 22.12.1995 bis 13.02.1996 den überwiegenden Teil der auf der Liste befindlichen Newsgroups gesperrt.
Daß die Sperrung eindeutiger Foren bzw. deren Inhalte durch CompuServe USA ohne nennenswerten Aufwand möglich ist, hat der Sachverständige, Dr. (...), dessen Ausführungen sich das Gericht insoweit anschließt und an dessen Sachkunde kein Zweifel besteht, überzeugend dargestellt.
Das Gericht teilt auch die Meinung des Sachverständigen, daß es CompuServe Deutschland über die Standleitung technisch nicht möglich war, eine Sperrung dieser Newsgroups bzw. deren Inhalte vorzunehmen.
Die polizeilichen Feststellungen vom 27.12.1995 wurden vom Zeugen KOM bekundet.
Die polizeilichen Feststellungen bezüglich der abrufbaren Newsgroups der nach dem 13.02.1996 erfolgten Entsperrung wurden bestätigt durch den Zeugen KK.
Die Richtigkeit des elektronisch abrufbaren Schreibens vom 16.02.1996, das am 20.02.1996 abgerufenen Schreibens des Angeklagten, des Schreibens der Verteidigers vom 21.02.1996 nebst Mitteilung Nr. 06/1996 sowie des des Schreibens der Staatsanwaltschaft München I vom 21.02.1996 wurden vom Angeklagten auf entsprechenden Vorhalt eingeräumt.
Die nachfolgend benannten Zeugen haben bekundet, daß zu den folgenden Zeitpunkten die im Sachverhalt beschriebenen Bilddateien, deren Inhalte von Dritten stammen, und die den Zeugen jeweils vorgehalten wurden, abgerufen worden sind:
29.11.1995 Zeuge KK
20.02.1996 Zeuge KK (3 Bilddateien)
23.02.1996 Zeuge KK
26.02.1996 Zeuge KK
21.03.1996 Zeuge KK
22.03.1996 Zeuge KK
26.03.1996 Zeuge KK (2 Bilddateien)
Ende Juli/Anfang August 1996 Zeuge (...)
17.10.1996 Zeuge KOK
Sämtliche vorgenannten Bilddateien wurden in Augenschein genommen.
Die Bilddatei vom 12.03.1996 und das dazugehörige Übertragungsprotokoll wurden nach Vorhalt an den Angeklagten in Augenschein genommen.
Der Zeuge KK hat bekundet, daß die indizierten Spiele "Boome und "Heretic" am 19.03.1996 und das Spiel "Wolfenstein 3 D" am 01.04.1996 aus dem proprietären Dienst von CompuServe USA abgerufen wurden.
Daß die Spiele von CompuServe USA in ihren eigenen Foren als eigene Spiele angeboten wurden, ergibt sich aus dem Umstand, daß CompuServe USA die Spiele ohne Hinweis auf dritte Anbieter in ihren Foren angeboten hat.
Der Hinweis auf die Verbreitung jugendgefährdender Software wie des Spiels "Doom" durch CompuServe im Artikel "Digitaler als die Polizei erlaubt" von Buschek, PC Professionell, Ausgabe 12/95 wurde durch Vorhalt an den Zeugen KK in die Hauptverhandlung eingeführt.
Alle Zeugen haben das Geschehen - wie im Sachverhalt festgestellt - glaubwürdig und in sich widerspruchsfrei bekundet.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen beruhen auf den Angaben des Angeklagten.
IV. 1. Der Angeklagte ist schuldig der Verbreitung pornographischer Schriften in dreizehn rechtlich zusammentreffenden Fällen, begangen in Mittäterschaft gemäß §§ 184 Abs. 3 Nr. 2, 11 Abs. 3, 13, 14 Abs. 1 Nr. 1, 25 Abs. 2, 52 StGB.
Er hat pornographische Schriften, die Gewalttätigkeiten, den sexuellen Mißbrauch von Kindern und sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren zum Gegenstand haben, öffentlich zugänglich gemacht.
Ihm ist als Geschäftsführer von CompuServe Deutschland gemäß § 35 Abs. 1 GmbHG, d.h. als vertretungsberechtigtem Organ, das betriebsbezogene deliktische Handeln von CompuServe Deutschland gemäß § 14 Abs. l Nr. 1 StGB zuzurechnen.
A. Die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 184 Abs. 3 Nr. 2, 11 Abs. 3 StGB sind erfüllt.
1. Die im Sachverhalt beschriebenen Abbildungen sind pornographische Darstellungen, die in einem Fall Gewalttätigkeiten (Sachverhalt Nr. 10), in zehn Fällen sexuellen Mißbrauch von Kindern (Sachverhalt Tat 29.11.1995, Nrn. 1 bis 5, 7, 8, 11, 12) und in zwei Fällen sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren (Sachverhalt Nrn. 6, 9) zum Gegenstand haben (§ 184 Abs. 3 StGB, sogenannte harte Pornographie).
2. Bei den Abbildungen handelt es sich um Schriften i.S.v. §§ 184 Abs. 3, 11 Abs. 3 StGB.
Der Sammelbegriff der Schrift als dem praktisch häufigsten Anwendungsfall von Darstellungen steht stellvertretend für die übrigen Medien.
Den eigentlichen Oberbegriff bildet jedoch die Darstellung (Schönke/Schröder-Eser, Strafgesetzbuch, Kommentar, 25. Auflage 1997, § 11, Rn. 78; Tröndle, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 48. Auflage 1997, § 11, Rn. 44 m.w.N.).
Unter Darstellungen sind stoffliche Zeichen zu verstehen, die eine Gedankenäußerung verkörpern und sinnlich wahrnehmbar sind, wobei die stoffliche Verkörperung von gewisser Dauer sein muß (Schönke/ Schröder-Eser, § 11, Rn. 78; Tröndle, § 11, Rn. 40; BGHSt 13, 375, 376). Hierunter fallen auch die auf Datenspeichern gespeicherten Inhalte. Diese bereits vor Inkrafttreten des Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetzes (IuKDG) am 1. August 1997 bestehende Rechtslage hat der Gesetzgeber bei der Neufassung von § 11 Abs. 3 StGB durch die Hinzufügung des Begriffs Datenspeicher klargestellt (Artikel 4 Nr. 1 IuKDG). Die Merkmale des Begriffs der Darstellung liegen vor.
Denn die im Sachverhalt festgestellten, für die in Deutschland befindlichen Kunden von CompuServe USA auf dem News-Server von CompuServe USA abgespeicherten pornographischen Dateninhalte sind stoffliche Zeichen, die eine Gedankenäußerung verkörpern, deren stoffliche Verkörperung von gewisser Dauer ist (Derksen, NW 1997, 1878, 1881; OLG Stuttgart, NStZ 1992, 38; Walther, NStZ 1990, 523). Sie sind abrufbar und damit optisch wahrnehmbar.
3. Die pornographischen Schriften i.S.d. § 184 Abs. 3 StGB wurden öffentlich zugänglich gemacht.
Zugänglichmachen erfordert, daß einem anderen die Möglichkeit eröffnet wird, sich durch sinnliche Wahrnehmung vom pornographischen Inhalt der Schrift Kenntnis zu verschaffen (Lackner, Strafgesetzbuch mit Erläuterungen, 22. Auflage 1997, § 184, Rn. 5; Derksen, NJW 1997, 1878, 1881; BGH NJW 1976, 1984).
Dabei ist keine körperliche Überlassung der Darstellungen erforderlich. Ein Zugänglichmachen der Inhalte liegt vielmehr schon dann vor, wenn elektronisch gespeicherte Informationen abgerufen und auf dem Bildschirm des Empfängers angezeigt werden können (OLG Stuttgart, NStZ 1992, 38; Walther, NStZ 1990, 523; Stange, CR 1996, 424, 426).
Ob jemand von dem Zugänglichgemachten auch wirklich Kenntnis nimmt, ist gleichgültig (Tröndle, § 184, Rn. 39).
Die Zugänglichmachung erfolgte auch öffentlich.
Das Zugänglichmachen geschieht öffentlich, wenn es von einem größeren, individuell nicht feststehenden oder jedenfalls durch persönliche Beziehungen nicht verbundenen Personenkreis wahrgenommen werden kann (BGHSt 10, 194, 196; BGHSt 11, 282, 283; Schönke/Schröder-Lenckner, § 184, Rn. 32).
Der Angeklagte hat die Tathandlung in Mittäterschaft, d.h. gemeinschaftlich mit CompuServe USA begangen (§ 25 Abs. 2 StGB).
Mittäter ist, wer aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses im Rahmen eines gemeinsamen Tatplanes einen Beitrag zur Durchführung derselben Tat liefert (Schönk/Schröder-Cramer, § 25, Rn. 63 ff).
Sein Tatbeitrag muß ein Teil der Tätigkeit des anderen und dementsprechend das Handeln des anderen eine Ergänzung seines Tatbeitrags darstellen (Tröndle, § 25, Rn. 5 a).
Der Tatbeitrag den einen kann im Handeln, der des anderen im Unterlassen bestehen (Tröndle, § 25, Rn. 7 a).
Dabei ist die Frage der Mittäterschaft aufgrund aller von der Vorstellung der Beteiligten umfaßten Umstände in Werten der Betrachtung zu beurteilen.
Wesentliche Anhaltspunkte für diese Wertung sind das eigene Interesse am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft (Tröndle, vor § 25, Rn. 2 m.w.N.).
a) Der Tatbeitrag des Angeklagten bestand darin, daß er die in Deutschland befindlichen Kunden von CompuServe USA über die von ihm bereitgestellten Einwahlknoten via Standleitung zwischen CompuServe Deutschland und CompuServe USA mit dem Rechenzentrum der Muttergesellschaft verbunden hat.
Der Tatbeitrag von CompuServe USA bestand in der Zugangsvermittlung zum Internet, verbunden mit der Nutzungsbereithaltung der Dateninhalte auf ihrem News-Server, ohne die gewalt-, kinder- und tierpornographischen Inhalte herausgefiltert zu haben und der damit verbundenen Möglichkeit für die in Deutschland befindlichen Kunden, daß diese Dateninhalte abgerufen und auf dem Bildschirm der Kunden angezeigt werden können. Diesbezüglich ist von einem Unterlassen auszugehen.
Denn CompuServe USA wird nicht die Eröffnung der Kommunikationsverbindung der News-Dienste zur Last gelegt.
Die Vorwerfbarkeit besteht vielmehr darin, daß CompuServe USA es unterlassen hat, die Foren (Newsgroups), die eindeutig auf Gewalt-, Kinder- und Tierpornographie hinweisen, aus ihrem Datenspeicher herauszunehmen.
Hierfür hat CompuServe USA auch rechtlich einzustehen (§ 13 StGB).
Dies ergibt sich aus Garantenpflicht aus Sachherrschaft über eine Gefahrenquelle. Danach hat der Eigentümer oder Besitzer von Sachen die davon ausgehenden Gefahren zu kontrollieren, um zu verhindern, daß aus ihnen Schädigungen fremder Rechtsgüter entstehen, wenn ihm die Verhinderung des Erfolgs möglich und zumutbar ist (Schönke/Schröder-Stree, § 13, Rn. 43, 44).
Die auf dem News-Server gespeicherten und abrufbaren gewalt-, kinder- und tierpornographischen Darstellungen stellen eine Gefahrenquelle dar.
Denn von ihnen geht die Gefahr von Fehlentwicklungen bei Kindern und Jugendlichen und von Kindesmißbrauch durch Erwachsene aus.
Erwachsene könnten bei Gewaltpornographie Opfer von Tätern mit entsprechenden Neigungen werden (Schönke/Schröder-Benckner,184, Rn. 3).
CompuServe USA übt die tatsächliche Sachherrschaft über ihren News-Server aus.
Sie kann, wie der Sachverständige Dr. (...), dem sich das Gericht insoweit anschließt, festgestellt hat, sowohl Foren (Newsgroups), die gezielt auf harte Pornographie hinweisen, als auch die diesen Foren zugeordneten Newsbeiträge sperren bzw. entsperren.
CompuServe USA traf damit die Pflicht, die Zugänglichmachung dieser pornographischen Inhalte zu verhindern.
Diese Pflicht besteht auch, wenn das Entstehen der Gefahr auf Dritte zurückgeht (Schönke/Schröder-Stree, § 13, Rn. 43), d.h. wenn - wie hier - die entsprechenden Newsbeiträge durch dritte Personen eingespeist werden.
Durch Sperrung der eindeutig auf Gewalt-, Kinder- und Tierpornographie hinweisenden Newsgroups war es CompuServe USA möglich, das Zugänglichmachen der harten Pornographie zu verhindern.
Hätte CompuServe USA die einschlägigen Newsgroups aus ihrem Datenspeicher herausgenommen, wären diese den Kunden von CompuServe USA über den Datenspeicher von CompuServe USA nicht zugänglich gewesen.
Abzustellen ist hierbei begriffsnotwendig auf den Datenspeicher von CompuServe USA. Daß auch andere harte Pornographie über ihre News-Server öffentlich zugänglich machen, ist für die strafrechtliche Beurteilung des Unterlassens von CompuServe USA ohne Bedeutung.
Die Sperrung ist auch zumutbar.
Dem Unterlassenden ist eine Handlung zumutbar, wenn sie rechtlich zu fordern ist, insbesondere, wenn dadurch keine eigenen billigenswerten Interessen in erheblichem Umfang gefährdet werden (Tröndle, § 13, Rn. 15, 16).
Das Interesse von CompuServe USA an der Beibehaltung von Foren, die eindeutig auf harte Pornographie hinweisen, ist weder billigenswert noch schutzwürdig.
Vielmehr ist im Hinblick auf die Schwere der damit verbundenen Gefahren und die Bedeutung den Rechtsgutes Jugendschutz von CompuServe USA zu fordern, daß diese ihren News-Server frei von Foren hält, die eindeutig auf gewalt-, kinder- und tierpornographischen Inhalt hinweisen.
Das Zugänglichmachen erfolgte auch öffentlich.
Denn die im Sachverhalt aufgeführte harte Pornographie wurde vom Angeklagten und von CompuServe USA nicht lediglich einem geschlossenen Benutzerkreis zugänglich gemacht, sondern jedem Kunden von CompuServe USA in Deutschland.
b) Der Angeklagte muß sich den Tatbeitrag von CompuServe USA zurechnen lassen, da die Tatbeiträge beider aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses erfolgten.
Denn der Angeklagte und CompuServe USA wußten und wollten, daß die auf dem News-Server von CompuServe USA unter eindeutigen Foren gespeicherte, im Sachverhalt aufgeführte harte Pornographie öffentlich zugänglich gemacht werden sollte.
Dem Angeklagten wurde anläßlich der am 22.11.1995 in den Geschäftsräumen der Firma CompuServe Deutschland durchgeführten polizeilichen Durchsuchung mitgeteilt, daß auf dem News-Server von CompuServe USA unter Foren, die gezielt auf kinderpornographische Inhalte hinweisen, kinderpornographische Darstellungen gespeichert und abrufbar sind.
Ihm wurden beispielhaft für das Vorhandensein von eindeutigen Foren für Kinderpornographie die unter der Bezeichnung "alt.sex.pedophilia" abgerufenen folgenden fünf Newsgroups mit kinderpornographischen Inhalten persönlich zur Kenntnis gebracht:
alt.sex.pedophilia,
alt.sex.pedophilia.boys,
alt.sex.pedophilia.girls,
alt.sex.pedophilia.pictures,
alt.sex.pedophilia.swaps.
Am 08.12.1995 wurde der Firma CompuServe Deutschland eine Liste, Stand 21.11.1995, 10.00 Uhr, mit 282 auf dem News-Server von CompuServe USA abrufbaren Foren, die auf pornographische Inhalte hinweisen, übergeben. Diese Liste enthielt auch die dem Sachverhalt zugrundeliegenden gewalt-, kinder- und tierpornographischen Foren
alt.binaries.piatures.erotica.bondage,
alt.sex.incest,
alt.binaries.pictures.erotica.pre-teen,
alt.sex.pedophilia,
alt.sex.bestiality.barney,
alt.binaries.piatures.erotica.bestiality.
Der Angeklagte hat nach eigenem Bekunden alle ihm aufgrund der vorbezeichneten Vorgänge bekanntgewordenen rechtswidrigen Inhalte sofort an CompuServe USA übermittelt.
Der Angeklagte und CompuServe USA wußten nicht nur, daß auf dem News-Server der Muttergesellschaft gespeicherte harte Pornographie i.S.d. § 184 Abs. 3 StGB für die Kunden in Deutschland abrufbar war, sie wollten dies auch.
Der Tatwille beider äußerte sich in der Entscheidung von Mutter und Tochter, die harte Pornographie weiter zugänglich zu machen.
Dies ergibt sich nicht nur aus ihrem tatsächlichen Verhalten, sondern auch aus ihren eigenen Erklärungen.
Tatsächlich haben Angeklagter und CompuServe USA die im Sachverhalt beschriebenen Darstellungen öffentlich zugänglich gemacht.
Die Erklärung des Willens, diese Darstellungen öffentlich zugänglich zu machen, ergibt sich aus dem Schreiben des Verteidigers Dr. (...) vom 21.02.1996 an die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München I, in dem er u.a. mitteilt, daß die Firma CompuServe USA und die Firma CompuServe Deutschland der Meinung seien, sie hätten mit den neuen, in deutscher Sprache zur Verfügung stehenden Tools alles Zumutbare getan, um den Zugriff auf strafbare Inhalte im Internet über den CompuServe-Informationsservice für Personen unter 18 Jahren zu verhindern.
Dem entspricht die dem vorangegangenen Schreiben beigefügte Erklärung des Verantwortlichen von CompuServe USA - Bob Massey - gemäß Mitteilung Nr. 6/1996 über die Aufhebung der Zugangsbeschränkung mit dem Argument, daß mit der Einführung der 'Parental Controls' gewährleistet sei, daß die Entscheidung über die Einschränkung des Zugangs dort liege, wo sie hingehöre, nämlich bei dem einzelnen Benutzer.
Der Wille der Muttergesellschaft, die im Sachverhalt festgestellte harte Pornographie öffentlich zugänglich zu machen, ergibt sich auch aus ihrem an die Kunden von CompuServe USA gerichteten elektronisch abrufbaren Schreiben vom 16.02.1996, in dem u.a. unter Hinweis auf die Zugriffskontrolle für Eltern mitgeteilt wird, daß diese Möglichkeit es CompuServe auch erlaube, "die vorübergehend gesperrten Newsgroups weitestgehend wieder zu öffnen".
Auch der Angeklagte selbst hat in einem am 20.02 1996 für Kunden von CompuServe USA in Deutschland abrufbaren Brief der Geschäftsleitung bei der Vorstellung des Absicherungsprogramms "Cyber Pahrol" (TM) auf die vorübergehende Sperrung der Newsgroups hingewiesen und die Meinung vertreten, "daß sich CompuServe mit seinen seit langem andauernden Bemühungen um behutsamen Jugendschutz auf dem richtigen Weg befindet".
Die vom Angeklagten und der Muttergesellschaft geäußerte Auffassung, mit den genannten Absicherungsprogrammen sei "alles Zumutbare getan", vermag den Angeklagten nicht zu exculpieren. Denn die vorgenannten Absicherungsprogramme sind nicht geeignet, ein öffentliches Zugänglichmachen der harten Pornographie zu verhindern.
Hierauf wurde der Angeklagte auch von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München I mit einem an ihn persönlich gerichteten Schreiben vom 21.02.1996 hingewiesen.
Die Tatbeiträge des Angeklagten und von CompuServe USA erfolgten jeweils mit Täterwillen im eigenen Interesse.
Sowohl der Angeklagte als auch CompuServe USA haben aus eigenem wirtschaftlichen Interesse gehandelt. Es ging ihnen beim Zugmöglichmachen der gewalt-, kinder- und tierpornographischen Bilddateien unter eindeutigen Foren um Erhöhung ihrer Einnahmen durch Gewinnung von Kunden, Ausweitung der Marktanteile und Erhöhung der Nutzungsdauer. Das eigene wirtschaftliche Interesse des Angeklagten ergibt sich hierbei bereits aus der prozentual festgelegten Einnahmeaufteilung zwischen Tochtergesellschaft und Muttergesellschaft (31 % / 69 %).
Die Reaktion von CompuServe USA, die ursprünglich gesperrten 282 Newsgroups weitestgehend wieder zu öffnen, bestätigt das jeweils eigene wirtschaftliche Interesse von CompuServe Deutschland und CompuServe USA. Sie beruht auf der Besorgnis, bei Herausnahme der Foren (Newsgroups) für harte Pornographie aus dem News-Server von CompuServe USA wirtschaftliche Einbußen hinnehmen zu müssen.
Hinzu kommt, daß der Angeklagte zusammen mit CompuServe USA die Tatherrschaft besaß. Denn nur über die von ihm bereitgestellten Einwahlknoten war die von CompuServe USA auf ihrem News-Server zur Nutzung bereitgehaltene harte Pornographie deren Kunden in Deutschland zugänglich.
§§ 21 Abs. 1 Nr. 2, 6 Nr. 2 GjS, deren Voraussetzungen hier ebenfalls erfüllt sind, werden durch § 184 Abs. 3 Nr. 2 StGB verdrängt (Tröndle, § 184, Rn. 13).
B. Die Verantwortlichkeit den Angeklagten wird durch § 5 Abs. 2, 3 Teledienstegesetz (TDG) nicht eingeschränkt.
§ 5 TDG, der gemäß § 2 Abs. 3 StGB Anwendung findet, ist Teil des am 01.08.1997 in Kraft getretenen Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetzes IuKDG.
§ 5 Abs. 2, 3 TDG sieht für Diensteanbieter (§ 3 Nr. 1 TDG) Eingrenzungen der Verantwortlichkeit vor (zu grundsätzlichen Bedenken einer aufgabenbezogenen Haftungsprivilegierung vgl. Lehmann, CR 1998, 232 ff.; BT-Dr. 13/7385, S. 51, Nr. 4 f).
Nach § 3 Nr. 1 TDG sind Diensteanbieter natürliche oder juristische Personen oder Personenvereinigungen, die eigene (sogenannte Online-Provider) oder fremde (sogenannte Service-Provider) Teledienste zur Nutzung bereithalten oder den Zugang zur Nutzung vermitteln (sogenannte Zugangs- oder Access-Provider).
Bezogen auf die Rechtsfolgen (§ 5 TDG) ist jeweils aufgabenbezogen abzugrenzen (BT-Dr. 13/7385 S. 19, Zu § 3).
Ein Ausschluß der Verantwortlichkeit besteht unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 TDG für Diensteanbieter, die fremde Inhalte zur Nutzung bereithalten sowie gemäß § 5 Abs. 3 TDG für Dienstanbieter, die zu fremden Inhalten lediglich den Zugang zur Nutzung vermitteln.
1. Die Voraussetzungen für eine Freistellung von der Verantwortlichkeit gemäß § 5 Abs. 3 TDG liegen nicht vor.
Denn CompuServe Deutschland ist nicht Zugangs- (Access-)Provider (§ 3 Nr. 1, 3. Alt. TDG).
Ein Access-Provider vermittelt seinen Kunden direkt den Zugang zu Computernetzen, insbesondere zum Internet. CompuServe Deutschland dagegen hat keine eigenen Kunden und vermittelt auch nicht den Zugang zum Netz.
Den Zugang zum Netz vermittelt erst die Mutter, die auch die fremden Inhalte zur Nutzung bereithält. CompuServe Deutschland ist lediglich dafür zuständig, die Kunden von CompuServe USA in Deutschland über einen ortsnahen Einwahlknoten via Standleitung mit der Mutter zu verbinden.
Diese Standleitung zwischen Tochter und Mutter macht die Tochter nicht zum Access-Provider.
Bei der Standleitung handelt es sich um eine ausschließlich den Online-Service-Provider CompuServe USA betreffende technische Infrastruktur, die die Muttergesellschaft eingerichtet hat, um den deutschen Markt zu erschließen.
Der Zweck der Standleitung besteht darin, Kunden in Deutschland einen möglichst nahegelegenen, mit geringen Telefongebühren verbundenen Einwahlknoten zu bieten und damit CompuServe USA auf dem Online-Markt in Deutschland konkurrenzfähig zu machen.
2. Die Verantwortlichkeit ist auch nicht gemäß §§ 5 Abs. 2; 3 Nr 1, 2. Alt. TAG ausgeschlossen.
Nach § 5 Abs. 2 TDG sind Diensternbieter für fremde Inhalte, die sie zur Nutzung bereithalten, nur dann verantwortlich, wenn sie von diesen Inhalten Kenntnis haben und es ihnen technisch möglich und zumutbar ist, deren Nutzung zu verhindern.
a) § 5 Abs. 2 TDG findet auf CompuServe Deutschland Anwendung. Zwar hält CompuServe Deutschland isoliert betrachtet keine fremden Inhalte zur Nutzung bereit, sondern verbindet lediglich die in Deutschland befindlichen Kunden von CompuServe USA per Standleitung mit der Muttergesellschaft.
Die Nutzungsbereithaltung der fremden Inhalte selbst (die im Sachverhalt aufgeführten gewalt-, kinder- und tierpornographischen Bilddateien sind fremde Inhalte, da sie von Dritten in den News-Seryer eingespeist werden) erfolgt durch CompuServe USA auf deren News-Server.
CompuServe Deutschland bzw. der Angeklagte gelangen aber trotzdem grundsätzlich in den Genuß der Haftungsprivilegierung gemäß § 5 Abs. 2 TDG, da die Nutzungsbereitbaltung von CompuServe USA deren 100%iger Tochtergesellschaft CompuServe Deutschland zuzurechnen ist (vgl. BT-Dr. 13/7385, S. 51, Nr. 4 c).
Denn für die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 2 TDG ist auf die Gesamtorganisation von Mutter und Tochter abzustellen, da die Tochter arbeitsteilig für die Mutter dadurch tätig wird, daß sie durch Bereitstellen von Einwahlknoten deren Kunden in Deutschland über die Standleitung mit der Mutter verbindet.
b) Der Angeklagte hatte von den im Sachverhalt aufgeführten, auf dem News-Server von CompuServe USA zur Nutzung bereitgehaltenen gewalt-, kinder- und tierpornographischen Inhalten Kenntnis.
Kenntnis bedeutet Kennen der Umstände, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören (Schönke/Schröder-Cramer, § 15, Rn. 39; Tröndle, § 16, Rn. 2). Das bedeutet, daß der Angeklagte von den fremden Inhalten Kenntnis haben muß, d.h. er muß wissen, daß unter den im Sachverhalt aufgeführten eindeutigen Foren gewalt-, kinder- und tierpornographische Darstellungen zur Nutzung bereitgehalten werden.
Kenntnis erfordert jedoch nicht, daß dem Angeklagten die jeweiligen Beiträge der Gewalt-, Kinder- und Tierpornographie im einzelnen bekannt sind.
Die Kenntnis ergibt sich - wie bereits ausgeführt (vgl. A.3.b.) - aus den durch die Polizei übermittelten Informationen am 22.11.1995 und am 08.12.1995 und der Tatsache, daß der Angeklagte die ihm mitgeteilten rechtswidrigen Inhalte an die Muttergesellschaft weitergeleitet hat, was Kenntnis beim Angeklagten voraussetzt.
Auch wenn man die Meinung vertritt, daß bei Kenntnis von Inhalten gemäß § 5 Abs. 2 TAG konkretes Wissen dergestalt vorliegen muß, daß ein Auffinden der Inhalte unschwer möglich ist (so (...), CR 1997, 653, 667), liegt diese Voraussetzung hier vor.
Denn das Auffinden der gewalt-, kinder- und tierpornographischen Inhalte unter den im Sachverhalt aufgeführten Foren ist auch dem Laien problemlos in kürzester Zeit möglich. Bei allen im Sachverhalt aufgeführten harten pornographischen Dateninhalten geht es nicht um News-Beiträge, die getarnt unter beliebigen anderen Foren von Urhebern eingespeichert wurden, sondern ausschließlich um solche, die thematisch zugeordnet unter Foren gespeichert wurden, deren Namen eindeutig auf die gewalt-, kinder- und tierpornographischen Inhalte gemäß § 184 Abs. 3 StGB hinweisen.
Durch die Eingabe der Begriffe "alt.sex." bzw. "alt.erotica."listet der Newsreader dem Nutzer sämtliche sex- bzw. erotica-Foren alphabetisch geordnet auf.
Um nunmehr an die Foren für harte Pornographie zu gelangen, bedarf es lediglich der Eingabe von Begriffen - wie bondage (für Gewaltpornographie), incest, pre-teen, pedophilia (für Kinderpornographie) bzw. bestiality (für Tierpornographie).
c) Die Nutzungsverhinderung aller im Sachverhalt aufgeführten gewalt-, kinder- und tierpornographischen Inhalte war CompuServe USA technisch möglich und zumutbar, was dem Angeklagten zuzurechnen ist.
aa) Zwar hatten CompuServe Deutschland bzw. der Angeklagte isoliert betrachtet keine Einwirkungsmöglichkeit auf den Datenspeicher von CompuServe USA.
Bei der Frage des technisch Möglichen bzw. Zumutbaren ist jedoch nicht isoliert auf die Tochter als Teilorganisation von CompuServe USA, sondern auf die Gesamtorganisation abzustellen.
Denn der Angeklagte nimmt - wie bereits dargestellt (vgl. B. 2. a) - aufgrund der Gesamtbetrachtungsweise an der Privilegierung des § 5 Abs 2 TDG teil.
Wenn aber dem Angeklagten die Haftungsprivilegierung dadurch eröffnet wird, daß ihm die Nutzungsbereithaltung der Muttergesellschaft auf deren News-Server zugerechnet wird, so ist ihm umgekehrt auch die der Muttergesellschaft technisch mögliche und zumutbare Nutzungsverhinderung zuzurechnen.
Wenn der Angeklagte in den Genuß der Haftungsprivilegierung kommt, obwohl sich seine Funktion darauf beschränkte, die in Deutschland befindlichen Kunden von CompuServe USA über eine Standleitung durch Bereitstellung von Einwahlknoten mit der Muttergesellschaft zu verbinden und dementsprechend die technische Infrastruktur eingerichtet war, wäre es widersprüchlich, die Frage der technisch möglichen und zumutbaren Nutzungsverhinderung an dieser technischen Infrastruktur zu messen.
bb) Die Nutzungsverhinderung der im Sachverhalt unter eindeutigen Foren aufgeführten gewalt-, kinder- und tierpornographischen Inhalte war technisch möglich.
Das ergibt sich bereits daraus, daß die Muttergesellschaft auf Veranlassung des Angeklagten hin fünf Newsgroups mit kinderpornographischen Inhalten und vom 22.12.1995 bis 13.02.1996 auch den überwiegenden Teil der auf der Liste vom 08.12.1995 genannten Foren gesperrt hat.
Im übrigen hat der Sachverständige Dr. (...), dessen gutachtlichen Ausführungen sich das Gericht insoweit anschließt, bestätigt, daß die Sperrung von Foren, die gezielt auf harte Pornographie hinweisen, durch CompuServe USA problemlos möglich ist.
Das Gericht geht weiterhin mit dem Sachverständigen davon aus, daß es technisch nicht möglich ist, den Datenspeicher über die Standleitung zu kontrollieren.
Dies ist auch nicht Sinn und Zweck der Standleitung, die lediglich Verbindungsfunktion hat.
Für die rechtliche Beurteilung des technisch Möglichen kommt es auch nicht auf die Kontrollmöglichkeit über die Standleitung, sondern auf die Kontrollmöglichkeit des Datenspeichers unmittelbar durch die Muttergesellschaft an.
c) Die Nutzungsverhinderung der im Sachverhalt aufgeführten harten Pornographie unter eindeutigen Foren, d.h. deren Kontrolle und Sperrung im Datenspeicher, ist auch zumutbar.
Bei der Auslegung des Begriffs der Zumutbarkeit ist eine Interessenabwägung zwischen den tangierten Rechtsgütern vorzunehmen. Die widerstreitenden Interessen einschließlich des Grades der jeweiligen Gefahren sind gegeneinander abzuwägen. Je schwerer das drohende Übel, desto mehr kann an Opfern zugemutet werden (Schönke/Schröder-Stree, Vorbem. §§ 13 ff., Rn. 156).
Durch die Nutzungsbereithaltung der unter eindeutigen Foren gespeicherten gewalt,- kinder- und tierpornographischen Inhalte werden die durch § 184 Abs. 3 Nr. 2 StGB geschätzten Rechtsgüter tangiert.
Die Vorschrift dient zum einen dem Jugendschutz, nämlich der Bewahrung vor Fehlentwicklungen und mittelbar dem Schutz vor sexuellem Mißbrauch von Kindern.
Zum anderen sollen Erwachsene vor Beeinträchtigungen in ihrer seelischen Entwicklung und ihrer sozialen Orientierung geschätzt werden.
Die Vorschrift dient auch insofern dem Schutz Erwachsener, als diese bei der Gewaltpornographie das Opfer von Tätern mit entsprechenden Neigungen werden könnten (Schönke/Schröder-Lenckner, § 184, Rn. 3; Tröndle, § 184, Rn. 4).
Das Interesse von CompuServe USA besteht in der Beibehaltung der unter eindeutigen Foren für harte Pornographie auf ihrem News-Server gespeicherten gewalt-, kinder- und tierpornographischen Inhalte.
Es handelt sich um wirtschaftliche Interessen ((...), CR 1997, 581j 586), die auf Gewinnung von Kunden, Ausweitung der Marktanteile und Erhöhung der Nutzungsdauer gerichtet sind.
Der Schutz der Jugend ist ein Ziel von bedeutsamem Rang und ein wichtiges Gemeinschaftsanliegen (BVerfGE 30, 336, 348), ebenso wie der Schutz Erwachsener, insbesondere vor sexuell motivierter Gewalt.
Demgegenüber ist das Interesse von CompuServe USA an der Nutzungsbereithaltung von Foren für harte Pornographie für ihre Kunden in Deutschland nicht schutzwürdig.
Im Gegenteil, es besteht ein vitales Interesse der Gesellschaft, daß der technische Fortschritt im Teledienstebereich nicht dazu führt, daß rechtsfreie Räume entstehen, in denen so hohe Rechtsgüter wie Jugendschutz und Schutz vor sexuell motivierter Gewalt rein kommerziellen Interessen untergeordnet und damit geopfert werden.
Die Werteordnung des Grundgesetzes muß auch für wirtschaftliches Handeln gelten.
Bei dem Verlangen, den Kunden in Deutschland Foren für harte Pornographie nicht zugänglich zu machen, geht es weder darum, "für die deutschen Nutzer das Internet mit einer 'Firewall' lahmzulegen oder gravierend einzuschränken" ((...), CR 1997, 581, 588) noch geht es um die Frage, "inwieweit das für die Informationsgesellschaft den 21. Jahrhunderts zentrale Internet in Deutschland weiterhin als internationales Netz bestehen bleiben kann" ((...), Rechtsgutachten vom 4.7.1997, S. 5, Fußnote 1).
Es geht allein darum, daß im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen den tangierten Rechtsgütern CompuServe USA zuzumuten ist, seinen News-Server frei von Foren zu halten, die eindeutig als Thema Gewalt-, Kinder- und Tierpornographie haben und die damit verbundenen wirtschaftlichen Einbußen hinzunehmen (vgl. auch BT-Dr. 13/7385 S. 20, Zu Absatz 2 und S. 51, Nr. 4 e).
IV. 2. Der Angeklagte hat sich darüber hinaus eines fahrlässigen Verstoßes gegen das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften gemäß §§ 3 Abs. l Nr. 2, 1 Abs. 3, 21 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 GjS, 14 Abs. l Nr l. 52 StGB schuldig gemacht.
Denn er hat in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen fahrlässig handelnd eine Schrift, deren Aufnahme in die Liste bekanntgemacht ist, an einem Ort, der Kindern oder Jugendlichen zugänglich ist oder von ihnen eingesehen werden kann, zugänglich gemacht.
A. Die Voraussetzungen gemäß §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 1 Abs. 3, 21 Abs. l Nr. 2, Abs. 3 GjS liegen vor.
1. Bezüglich des Schriftenbegriffs ergeben sich keine Unterschiede zu den Ausführungen des § 184 Abs. 3 Nr. 2 StGB. Auch hier hat der Gesetzgeber durch die Änderung von § 1 Abs. 3 GjS klargestellt, daß Datenspeicher Schriften gleichstehen (Art. 6 Nr. 2 IuKDG).
Die auf dem eigenen Rechner von CompuServe USA im Rahmen ihrer Proprietären (eigenen) Dienste abgespeicherten und abrufbaren Computerspiele "Doom", "Heretic" und "Wolfenstein 3 D" stellen eine Gedankenäußerung dar, sind optisch wahrnehmbar und erfüllen das Erfordernis der stofflichen Verkörperung von gewisser Dauer.
2. Die Aufnahme des Spiels "Doom" in die Liste wurde gemäß Bundesanzeiger Nr. 100 vom 31.5.1994, des Spiels "Heretic'' gemäß Bundesanzeiger Nr. 141 vom 29.7.1995 und des Spiels ''Wolfenstein 3 D" gemäß Bundesanzeiger Nr. 20 vom 29.1.1994 bekanntgemacht.
3. Die Zugänglichmachung der Spiele erfolgte an einem Ort, der Kindern oder Jugendlichen zugänglich ist.
Für diese Personengruppe ist jeder Ort zugänglich, der von ihnen ohne Überwindung rechtlicher oder tatsächlicher Hindernisse betreten werden kann. Hierzu gehören auch Räumlichkeiten, die nur zum Betreten durch einen beschränkten Personenkreis bestimmt sind, wie z.B. die Wohnung, in der die Kinder bzw. Jugendlichen aufwachsen (Schönke/Schröder-Lenckner, § 184, Rn. 11).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, da sich beim Kundenkreis von CompuServe USA die zur Nutzung erforderlichen Geräte auch in deren Wohnungen befinden, in denen auch Kinder und Jugendliche aufwachsen und damit an einem Ort, der diesen Personen zugänglich ist.
4. Die indizierten Spiele wurden den Kunden von CompuServe USA in Deutschland auch zugänglich gemacht.
Für den Begriff des Zugänglichmachens wird auf die Ausführungen zu § 184 Abs. 3 StGB verwiesen.
Die Voraussetzungen des Zugänglichmachens liegen vor.
Denn den Kunden von CompuServe USA in Deutschland wurde durch Bereitstellung auf dem Datenspeicher im proprietären Angebot der Muttergesellschaft die Möglichkeit eröffnet, diese Spiele abzurufen und sich auf ihrem Bildschirm anzeigen zu lassen.
Das Handeln des Angeklagten war für die Tatbestandsverwirklichung ursächlich, da er die Kunden von CompuServe USA in Deutschland durch Bereitstellung von Einwahlknoten über eine Standleitung mit der Mutter verbunden hat.
Ohne diese Verbindung wäre es den Kunden in Deutschland nicht möglich gewesen, den Zugriff auf die proprietären Dateninhalte von CompuServe USA zu erhalten und die von der Muttergesellschaft zur Nutzung bereitgehaltenen Daten auch abzurufen.
Das Handeln des Angeklagten war somit eine nicht hinwegdenkbare Bedingung für das Zugänglichmachen.
5. Der Angeklagte handelte hierbei fahrlässig.
Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist, außer acht läßt und infolgedessen die Tatbestandsverwirklichung nicht voraussieht (Tröndle, § 45, Rn. 13 m.w N.).
Der Angeklagte hat dadurch, daß er die Verbindung der Kunden in Deutschland zur Muttergesellschaft herstellte, ohne zu prüfen, ob sich auf den Spielforen indizierte Spiele befinden, gegen seine Sorgfaltspflichten verstoßen.
Als Geschäftsführer von CompuServe Deutschland wäre er verpflichtet gewesen, sich Kenntnis über die im Bundesanzeiger bekanntgemachten indizierten Spiele zu verschaffen und diese Kenntnis jeweils auf dem neuesten Stand zu halten.
Mit Hilfe dieser Liste hätte der Angeklagte sich Kenntnis darüber verschaffen müssen, ob derartige Spiele von CompuServe USA auf eigenen Foren als eigene Spiele Kunden in Deutschland angeboten werden.
Der Angeklagte war als Geschäftsführer für den Geschäftsbereich in Deutschland verantwortlich. Es fiel in seine Zuständigkeit, darauf zu achten, daß die deutschen Gesetze eingehalten werden.
Es gehörte deshalb zu seinen Sorgfaltspflichten, dafür zu sorgen, daß den Kunden in Deutschland im proprietären Dienst keine indizierten Spiele angeboten wurden.
Die Erfüllung dieser Sorgfaltspflichten ist von jedem, der in dieser Position in diesem Bereich tätig ist, zu fordern.
Der Angeklagte konnte als für den Geschäftsbereich Deutschland Verantwortlicher auch nicht darauf vertrauen, daß die Muttergesellschaft keine in Deutschland indizierten Spiele zur Nutzung bereithält.
Daß sich auf den Spielforen der Muttergesellschaft indizierte Spiele befanden, war für den Angeklagten auch vorhersehbar.
Denn aufgrund der damaligen öffentlichen Diskussion, die sich schwerpunktmäßig mit dem in den Datennetzen in vielfältigen Erscheinungsformen vorhandenen nationalsozialistischen, rassistischen und pornographischen Material beschäftigte, hatten zumindest die im Teledienstebereich verantwortlichen Personen Kenntnis von der Existenz strafbarer Inhalte in Datennetzen (Derksen, NJW 1997, 1878, 1879, 1883 m.w.N.).
In diesem Zusammenhang wurde CompuServe mit dem Spiel "Doom" namentlich als Negativbeispiel benannt (Buschek, PC Professionell, Ausgabe 12795, Artikel "Digitaler als die Polizei erlaubt").
Angesichts dieser zumindest erkennbaren Umstände hätte der Angeklagte damit rechnen müssen, daß indizierte Spiele auch in den eigenen Spielforen als eigene Spiele der Muttergesellschaft angeboten werden.
Die Zugänglichmachung dieser Spiele war auch vermeidbar.
Denn der Angeklagte hätte das Zugänglichmachen der indizierten Spiele durch Unterbrechung der Verbindung zur Mutter bis zur Entfernung der Spiele aus den Spielforen durch die Mutter vermeiden können.
Dieses normgerechte Verhalten war dem Angeklagten als Geschäftsführer von CompuServe Deutschland, der zur Einhaltung der deutschen Gesetze verpflichtet ist, auch zumutbar.
B. Die Verantwortlichkeit des Angeklagten wird durch § 5 Abs. 2, 3 TDG nicht eingeschränkt. Denn gemäß § 5 Abs. 1 TDG sind Diensteanbieter für eigene Inhalte, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich.
Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 TDG liegen, wie bereits ausgeführt, nicht vor.
Eine Einschränkung der Verantwortlichkeit nach § 5 Abs. 2 TDG kommt nicht in Betracht, da nicht fremde, sondern eigene Inhalte zur Nutzung bereitgehalten werden.
Zwar handelt es sich bei den drei Computerspielen um von Dritten hergestellte Inhalte.
Dies ist jedoch unbeachtlich, denn CompuServe USA hat diese Inhalte auf ihren Foren als eigene Inhalte angeboten, d.h. CompuServe USA hat sich damit den jeweiligen Inhalt dieser Spiele in ihrem Dienstangebot zu eigen gemacht (vgl. BT-Dr. 13/7385, S. 19 f, Zu § 5/Zu Absatz 1, Zu Absatz 2).
V. Der Angeklagte hat folgende Beweisanträge hilfsweise für den Fall der Verurteilung gestellt:
A. Allgemeines (insbesondere Speicherung der Daten und Trennung der beiden Firmen)
1. Für die Tatsache:
Der Angeklagte, Mitarbeiter der Deutschen Firma CompuServe GmbH und/oder diese Firma war(en) nicht Urheber der in der Anklage genannten Bilder und Texte und haben sich diese auch nicht zu eigen gemacht. Vielmehr stammen die in den Anklagepunkten II.1 (Newsgroups) bezeichneten Bilder und Texte von unbekannten Dritten Personen, die in den Anklagepunkten 11.2 und 3 (Foren) bezeichneten Daten stammen von fremden Informartionsanbietern, die mit der amerikanischen Firma CormpuServe Inc. einen Informationsanbietervertrag geschlossen (und sich darin zur Einhaltung aller gesetzlicher usw. Regelungen verpflichtet) hatten.
Beweis:
a) Zeugenvernehmung des ehemaligen Mitarbeiters der deutschen CompuServe GmbH (...) sowie der ehemalige Mitarbeiter der amerikanischen CompuServe inc. (...) und (...), Adressen bereits benannt.
b) Verlesung eines - beispielhaft ausgewählten - Service-Vertrages als Urkunde in der Anlage l.b
c) Sachverständigengutachten, insbes. Sachverständigengutachten von (...), Adresse bereits benannt.
Begründung:
Die Beweistatsache belegt, daß die deutsche CompuServe GmbH nicht unter § 5 Abs. 1 TDG fällt (vgl. dazu die Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. (...) vom 4. Juli 1997, S. 28 f, 31 ff.).
2. Für die Tatsache:
Die in der Anklage bezeichneten Bilder und Texte waren niemals auf Rechnern gespeichert, die der deutschen CompuServe GmbH gehörten oder die von ihr beherrscht wurden; die deutsche Firma CompuServe GmbH hat über ihre Datenleitungen allenfalls den Zugriff auf diese - in anderen Rechnersystemen gespeicherten - Bilder und Daten ermöglicht:
Beweis:
a) Zeugnis wie oben 1.a
b) Inaugenscheinnahme der technischen Skizzen "Network Access-Services", "Global Internet Infrastructure" und Internet Peering Backbone ‘97" sowie des Technischen Handbuchs CompuServe X 25 Reference Guide in der Anlage 2
c) Sachverständigengutachten, insbes. Sachverständigengutachten von (...), Adresse bereits benannt.
Begründung:
Die Beweistatsache belegt, daß die deutsche CompuServe GmbH nicht unter § 5 Abs. 2 TDG fällt (vgl. dazu auch das Gutachten des bereits vernommenen sachverständigen Zeugen (...), Gutachten Nr. 41-461/6-40/96-95, VI 10 des Bayerischen Landeskriminalamtes vom 05. März 1996, S. 4-10 und 20 (von der Staatsanwaltschaft nachträglich zu den Gerichtsakten gegeben) sowie die Einzelheiten im Gutachten von Prof. Dr. (...), S. 28 f., 31 ff.).
3. Für die Tatsache:
Die deutsche CompuServe GmbH und die amerikanische CompuServe Inc. sind selbständige Gesellschaften. Der Angeklagte hatte als Geschäftsführer der deutschen CompuServe GmbH keinerlei rechtliche Einwirkungsmöglichkeiten auf Organe und Mitarbeiter der amerikanischen Muttergesellschaft CompuServe Inc. und konnte diese insbesondere nicht zur Löschung oder Sperrung von Daten (Anklagepunkt II.1, 2 und 3) oder zum Abschluß oder zur Kündigung der Informationsanbieterverträge (Anklagepunkte II.2 und 3), zur Änderung ihrer Netzwerkarchitektur, zur Änderung der Zugangssoftware von Kunden der CompuServe Inc. oder zu sonstigen Investitionen im Bereich der CompuServe Inc. zwingen.
Beweis:
a) Verlesung von Einleitung und Ziff. I und II (S. 1-4) der Urkunde der Notare (...) und (...) vom 21.12.1993 sowie von § 5 der beigefügten Satzung der deutschen CompuServe GmbH (Anhang S. 3) in der Anlage 3.b.
B) Zeugnis von (...) und (...), bereits benannt.
Begründung:
Die Beweistatsache belegt, daß zwischen den Gesellschaften CompuServe GmbH und CompuServe Inc. keine wirtschaftliche Einheit bestand mit der Folge, daß Verpflichtungen der amerikanischen CompuServe Inc. (insbesondere gemäß §§ 13, 14 StGB und § 5 Abs. 2 TDG) nicht auf Herrn Somm überbürdet werden können und daß auch keine Einwirkungsmöglichkeit von Herrn Somm auf die Geschaftsführung der amerikanischen CompuServe Inc. angenommen werden kann (vgl. zu den Einzelheiten das Gutachten von Prof Dr. (...), S. 26 ff, 30 ff, 33 f.). Die Beweistatsache belegt auch, daß Herr Somm keine Kontrollmaßnahmen (z.B. Aufbau eines Parallelrechenzentrums) vornehmen konnte, die aus technischen oder rechtlichen Gründen eine Mitwirkung der amerikanischen CompuServe Inc. erforderten. Die Beweistatsache führt weiter dazu, daß keine Beherrschung und Steuerung von Mitarbeitern der amerikanischen CompuServe Inc. durch Herrn Somm im Sinne der mittelbaren Täterschaft unterstellt werden kann.
B. Vorgänge im Bereich der deutschen CompuServe GmbH (strafrechtliche Unterstützungshandlung):
4. Für die Tatsache:
Die deutsche CompuServe GmbH hat ebenso wie andere Access-Provider in mindestens 99,9% ihres Datenaufkommens (sowohl bezogen auf das Gesamtdatenaufkommen als auch auf das Datenaufkommen der Newsgroups) den Zugang zu rechtmäßigen Inhalten (z.B. informativen Newsgroups, Geschäftsdaten zahlreicher renommierter Firmen, Behördendaten, Zeitungsarchiven, Wirtschaftsinformationen, Fahrplänen) vermittelt. Falls die in der Anklage genannten Bilder und Texte zu den genannten Zeitpunkten tatsächlich über Netzknoten der deutschen CompuServe GmbH beschafft wurden, so handelte es sich hierbei um die geringe Zahl der in offenen Datennetzen üblichen Ausnahmefälle, in denen strafbare Inhalte in einem ansonsten rechtmäßigen sowie sozial nützlichen internationalen Datenverkehr und seiner wirtschaftlich und sozial wünschenswerten Infrastruktur üblicherweise zu finden sind.
Beweis:
a) Zeugnis wie oben l.a
b) Inaugenscheinnahme von beispielhaften Informationsangeboten der amerikanischen CompuServe Inc. in der Anlage 4 b
c) Verlesung von Ziff. B.I-III und IV 4 (S. 5-9, 13-14) der Erklärung der Expertengruppe der Forschungsminister der G7-Staaten (Carnegie-Group) vom 17 10.1997 in der Anlage 4.c
d) Verlesung der Seite 65 (2. Hälfte) des Berichts Hochschulnetze in Bayern, herausgegeben vom Bayerischen Kultusministerium, 1997, in der Anlage 4.d e) Sachverständigengutachten, insbes. Sachverständigengutachen von (...), Adresse bereits benannt
Begründung:
Die Beweistatsache belegt, daß Herrn Somm kein positives Tun (auch keine Beihilfehandlung oder keine mittäterschaftliche Handlung als positives Tun) vorgeworfen werden kann und daß Herr Somm sich im Rahmen der durch § 5 Abs. 3 TDG für straflos erklärten normalen Tätigkeit eines Access-Providers bewegte (vgl. zu den Einzelheiten das Gutachten von Prof. Dr. (...), S 70 ff, 35 sowie ergänzende Stellungnahme vom 30 Oktober 1997, S 3 ff ).
5. Für die Tatsache:
Der Angeklagte nahm keinerlei aktive Handlungen vor, die eine Verbreitung der von der Staatsanwaltschaft möglicherweise festgestellten rechtswidrigen Inhalte unterstützte. Er nahm insbesondere auch keine Handlungen vor, die über den rechtmäßigen und/oder sozial üblichen Betrieb eines Access-Providers hinausgehen, der durch § 5 Abs. 3 TDG nunmehr auch ausdrücklich für straffrei erklärt ist.
Beweis:
a) Zeugnis wie oben l a .
b) Sachverständigengutachten, insbes. Sachverständigengutachen von (...), Adresse bereits
benannt
Begründung:
Die Beweistatsache belegt, daß Herrn Somm kein positives Tun (auch keine Beihilfehandlung oder keine mittäterschaftliche Handlung als positives Tun) vorgeworfen werden kann und daß Herr Somm sich im Rahmen der durch § 5 Abs 3 TDG für straflos erklärten normalen Tätigkeit eines Access-Providers bewegte (vgl. zu den Einzelheiten das Gutachten von Prof. Dr. (...), S 70 ff, 35 sowie ergänzende Stellungnahme vom 30 Oktober 1997, S 3 ff ).
6. Für die Tatsache:
Der Angeklagte unternahm im Gegenteil alles ihm Mögliche und Zumutbare, um den Abruf möglicher strafbarer Inhalte über die Vermittlungsrechner der deutschen CompuServe GmbH und/oder über die Server der amerikanischen CompuServe Inc. Zu verhindern. Für die Entwicklung von Kinderschutzprogrammen und -maßnahmen wurden von der deutschen CompuServe GmbH 1996/97 weit über 1 Million DM investiert. Soweit der Angeklagte Kenntnis von strafbaren Inhalten erhielt, die sich möglicherweise auf den Servern der amerikanischen CompuServe Inc. befanden, teilte er den entsprechenden Sachverhalt mit der nachdrücklichen Bitte um entsprechende Sperrung oder Löschung den Verantwortlichen der amerikanischen Firma CompuServe Inc. sofort mit.
Beweis:
a) Zeugnis wie oben 1.a
b) Verlesung der folgenden beispielhaft ausgewählten Dokumente in Anlage 6.b über Aktivitäten der deutschen Firemen CompuServe GmbH und der amerikanischen CompuServe Inc.
Zur Verbesserung des Schutzes gegen jugendgefährdende Inhalte:
aa) Dokument "CompuServe unterstützt die Initiative ‘Schulen ans Netz'"
bb) Dokument "Prädikat exzellent für Cyberpatrol, CompuServes Kindersicherung"
cc) Dokument "PICS, die Kindersicherung für's Internet, Filtersoftware für den Jugendschutz"
dd) Dokument "CompuServe, die ganze Welt per Tastendruck, CompuServe stellt Parental Controls Tools vor." Presseerklärung Nr. 06/1996
ee) Dokument "Neu Netscape (...)-Cyberpatrol Ihre elektronische Kindersicherung"
ff) Vollmacht von Herrn Felix Somm für Herrn (...) zur Anmeldung zum Rating-System des RSACI (vermutlich August 1996)
gg) Kostenaufstellung Aufwendungen der CompuServe GmbH über Kinderschutzprogramme" nebst zugehörigen Rechnungen
Begründung:
Die Beweistatsache belegt, daß Herrn Somm kein positives Tun (auch keine Beihilfehandlung oder keine mittäterschaftliche Handlung als positives Tun) vorgeworfen werden kann und daß Herrn Somm sich im Rahmen der durch § 5 Abs. 3 TDG für straflos erklären normalen Tätigkeit eines Access-Providers bewegte (vgl. zu den Einzelheiten das Gutachten von Prof. Dr. (...), S. 36 ff, 43, 44 ff, 46 f sowie ergänzende Stellungnahme vom 20. Oktober 1997, S. 9 ff.)
7. Für die Tatsache:
Die deutsche CompuServe GmbH und der Angeklagte hatten in dem von der Firma CompuServe Inc. und ihren zahlreichen ausländischen Tochterunternehmen betriebenen konkreten Netzwerk zum Zeitpunkt der in der Anklage vorgeworfenen Handlungen/Unterlassungen keine (zumutbare) technische Möglichkeit, die Übertragung der in der Anklageschrift genannten Bilder und Dateien (z.D. durch sogenannte Firewalls) zu blockieren. In dem konkret betriebenen Netzwerk (X.25) waren weder News oder Newsgroups aus dem Internet noch Dateien aus dem proprietären Angebot der CompuServe Inc. (Foren) filterbar. Der Aufbau von entsprechenden Kontrollmaßnahmen - insbes. eines deutschen Parallelrechenzentrums mit eigenen Newsservern oder entsprechenden Speichern der CompuServe GmbH - war in dem konkreten Netzwerk zu dem in der Anklageschrift genannten Tatzeitpunkt rechtlich-technisch unmöglich (weil hierzu aus technischen Gründen Mitwirkungshandlungen der CompuServe Inc. erforderlich gewesen wären, welche die CompuServe GmbH nicht erzwungen konnte), know-how-mäßig nicht möglich (weil der CompuServe GmbH die erforderlichen Netzwerkspezialisten nicht zur Verfügung standen), zeitlich unmöglich (weil entsprechende Maßnahmen ein bis zwei Jahre gedauert hätten) sowie wirtschaftlich-technisch unzumutbar (weil Investitionen in Höhe von zweistelligen Millionenbeträgen erforderlich gewesen wären). Entsprechende Kontrollversuche wären zur Bekämpfung strafbarer Inhalte auch sinnlos gewesen, weil die entsprechenden Inhalte den deutschen Nutzern aufgrund einfacher Möglichkeiten der Umgehung der Firewall zugänglich gewesen