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Gegendarstellungsanspruch bei rhetorischer Frage - OLG Karlsruhe, Urteil vom 23. Juni 2006, Az.: 14 U 86/06

Leitsätzliches

...Entgegen der Auffassung der Beklagten steht beiden Klägern ein Anspruch auf Abdruck einer eigenen Gegendarstellung zu. Dies ergibt sich daraus, daß von der Erstmitteilung nicht nur der Kläger Nr. 1, sondern - was mit der Berufung auch nicht (mehr) in Frage gestellt wird - die Klägerin Nr. 2 als seine Ehefrau betroffen ist (hierzu Burkhardt, a.a.O. Rdn. 11.77 ff.). Grundsätzlich hat nämlich jeder, der Gegenstand einer Erstmitteilung geworden ist, das Recht, mit einer eigenen Darstellung zu Wort zu kommen ...

OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Geschäftsnummer: 14 U 86/06

Urteil vom 23. Juni 2006

In dem Rechtsstreit

1. H. L.
2. V. L.
- Antragsteller / Berufungsbeklagte -

gegen

M. GmbH
- Antragsgegnerin / Berufungsklägerin -

wegen einstweiliger Verfügung (Gegendarstellung)

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juni 2006 unter Mitwirkung von Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Bauer Richter am Oberlandesgericht Dr. Krauß Richterin am Oberlandesgericht Dr. Bauer

für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Offenburg vom 05.04.2006 - 2 O 106/06 - und das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Offenburg vom 05.04.2006 - 3 O 110/06 - abgeändert:

a) Der Beklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung auferlegt, auf der Titelseite der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen Ausgabe der Zeitschrift „N. W“ im gleichen Bereich, in dem im Heft 09/06 die Erstmitteilung „H. L. - Ehebruch schon in der Hochzeitsnacht? - Sein Freund hat es erzählt“ erschienen ist, mit gleichen Schrifttypen wie sie für die Erstmitteilung verwendet wurden, unter gegenüber dem - gleichfalls in Fettdruck zu haltendem - Fließtext durch drucktechnische Anordnung und Schriftgröße erfolgender Hervorhebung des Wortes „Gegendarstellung“ als Überschrift sowie der Wörter „H. L.“, „Ehebruch schon in der Hochzeitsnacht?“ und „Sein Freund hat es erzählt“ - ohne Einschaltungen und Weglassungen die folgende Gegendarstellung abzudrucken, wobei die Schriftgröße gegenüber der Erstmitteilung lediglich in der Weise reduziert sein darf, daß der Abdruck nicht weniger als 150 % der Fläche des Textteils der Erstmitteilung einnimmt:

Gegendarstellung

Auf der Titelseite von „N. W.“ Nr. 9 vom 25.02.2006 schreiben Sie:
„H. L.
Ehebruch schon in der Hochzeitsnacht?
Sein Freund hat es erzählt“

Hierzu stelle ich, H. L., fest:

Weder in der Hochzeitsnacht noch zu einem späteren Zeitpunkt habe ich Ehebruch begangen.

Berlin, 01. März 2006

H. L.

Hierzu stelle ich, V. L, fest:

Mein Mann hat in der Hochzeitsnacht keinen Ehebruch begangen. Vielmehr habe ich die gesamte Hochzeitsnacht mit ihm verbracht.

Berlin, 01. März 2006

V. L.


b) Im übrigen werden die Anträge auf Erlaß zweier einstweiliger Verfügungen zurückgewiesen.

2. Die weitergehenden Berufungen der Beklagten werden zurückgewiesen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

4. Für die Zeit bis zur Verbindung der Berufungsverfahren 14 U 86/06 und 14 U 87/06 wird der Streitwert für jedes dieser beiden Verfahren auf 20.000,00 € festgesetzt.

Für die Zeit ab Verbindung wird der Berufungsstreitwert auf 40.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der (Verfügungs-) Kläger Nr. 1 ist ein bekannter deutscher Schauspieler, die (Verfügungs-) Klägerin Nr. 2 ist seine Ehefrau.

Auf der Titelseite von Heft 9/06 der von der (Verfügungs-) Beklagten herausgegebenen Zeitschrift „N. W.“ wurde mit den Worten

„H. L.
Ehebruch schon in der Hochzeitsnacht?
Sein Freund hat es erzählt“

und unter Verwendung eines die beiden Kläger und ihre Tochter zeigenden Bildes auf einen im Inneren des Heftes veröffentlichten Artikel hingewiesen, wobei der Hinweis (Bild und Text) ca. 3/5 und der Text für sich allein etwas weniger als 1/5 der Fläche der Titelseite eingenommen haben. Aufgrund dieser Veröffentlichung hat jeder der beiden Kläger - in getrennten Verfahren - beim Landgericht Offenburg beantragt, die Beklagte im Wege der einstweiligen Verfügung zum Abdruck einer Gegendarstellung zu verpflichten. Die Beklagte ist beiden Anträgen entgegengetreten.

Wegen der von den Klägern verfolgten Ansprüche und des zugrunde liegenden Sachverhalts im einzelnen, wegen des Vorbringens der Parteien sowie wegen der gestellten Anträge wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Urteile Bezug genommen (§ 540 ZPO).

Im Verfahren des Klägers Nr. 1 (H. L.; Landgericht Offenburg 2 O 110/06) hat das Landgericht der Beklagten durch Urteil vom 05.04.2006 auferlegt, auf der Titelseite der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen Ausgabe der „N. W.“ folgende Gegendarstellung abzudrucken:

Auf der Titelseite von „N. W.“ Nr. 9 vom 25.02.2006 schreiben Sie über mich:

„H. L.
Ehebruch schon in der Hochzeitsnacht?
Sein Freund hat es erzählt“

Hierzu stelle ich fest:

Weder in der Hochzeitsnacht noch zu einem späteren Zeitpunkt habe ich Ehebruch begangen.

Berlin, 01. März 2006

H. L.

Dabei hat das Landgericht bestimmt, daß das Wort „Gegendarstellung“ als Überschrift durch entsprechende drucktechnische Anordnung und dadurch hervorgehoben wird, daß es die gleiche Schrifttype und Schriftgröße wie die Wörter „Ehebruch schon in der Hochzeitsnacht“ aufweist. Weiter hat das Landgericht angeordnet, daß die Schriftgröße des Fließtextes gegenüber der der Erstmitteilung nur in der Weise reduziert sein darf, daß der Abdruck die gleiche Fläche wie die Erstmitteilung einnimmt.

Im Verfahren der Klägerin Nr. 2 (V. L.; Landgericht Offenburg 3 O 110/06) hat das Landgericht der Beklagten durch Urteil vom 05.04.2006 auferlegt, auf der Titelseite der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen Ausgabe der „N. W.“ folgende Gegendarstellung abzudrucken:

Auf der Titelseite von „N. W.“ Nr. 9 vom 25.02.2006 schreiben Sie über mich:

„H. L.
Ehebruch schon in der Hochzeitsnacht?
Sein Freund hat es erzählt“

Hierzu stelle ich fest:

Mein Mann hat in der Hochzeitsnacht keinen Ehebruch begangen. Vielmehr habe ich die gesamte Hochzeitsnacht mit ihm verbracht.

Berlin, 01. März 2006

V. L.

Zur Gestaltung der Gegendarstellung hat das Landgericht bestimmt, daß der Abdruck mit gleicher Schrift und unter Hervorhebung des Wortes „Gegendarstellung“ als Überschrift durch entsprechende drucktechnische Anordnung und Schriftgröße wie „Ehebruch schon in der Hochzeitsnacht“ und der Fließtext mit gleicher Schrift durch entsprechende drucktechnische Anordnung und Schriftgröße wie die Worte „H. L.“, wobei der gesamte Fettdruck aufzuweisen habe.

Gegen beide Urteile hat die Beklagte Berufung eingelegt. Mit ihren Berufungen verfolgt sie ihre Anträge auf Zurückweisung der Anträge auf Erlaß der einstweiligen Verfügung weiter. Sie ist der Auffassung, Ansprüche auf Abdruck der von den Klägern verlangten Gegendarstellungen bestünden nicht, weil es sich bei der jeweils beanstandeten Äußerung „Ehebruch schon in der Hochzeitsnacht“ nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine Meinungsäußerung handele, woran auch die sich anschließende Unterzeile „Sein Freund hat es erzählt“ nichts ändere. - In Hinblick auf die vom jeweils anderen Ehepartner erstinstanzlich erwirkte einstweilige Verfügung meint die Beklagte, es fehle am schutzwürdigen Interesse für zwei Gegendarstellungen. - Weiter beanstandet die Beklagte, das Landgericht habe jeweils nicht berücksichtigt, daß durch den Abdruck zweier Gegendarstellungen in der jeweils erstinstanzlich ausgeurteilten Form mehr als die gesamte Titelseite beansprucht würde, was für die Beklagte unzumutbar sei.

Die Kläger verteidigen jeweils das in ihrer Sache ergangene erstinstanzliche Urteil und beantragen die

Zurückweisung der jeweiligen Berufung.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

Durch Senatsbeschluß vom 23.06.2006 wurden die beiden Berufungsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.

II.

Die beiden Berufungen führen zu einem Teilerfolg in der Sache.

1. Die Rechtsmittel sind unbegründet, soweit sich die Beklagte dagegen wendet, daß den Klägern mit den angefochtenen Urteilen jeweils ein Gegendarstellungsanspruch mit dem beantragten Inhalt zugebilligt wurde. Die diesbezüglichen Voraussetzungen gemäß § 11 bad.-württ. LPG hat das Landgericht in beiden Fällen zutreffend bejaht, insbesondere hat es die inkriminierte Äußerung mit Recht als gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptung angesehen. Zwar ist ihr erster Teil - „Ehebruch schon in der Hochzeitsnacht?“ - als Frage formuliert. Daß es sich dabei aber nicht um eine offene, sondern um eine rhetorische Frage handelt, ergibt sich indessen, wie das Landgericht richtig ausgeführt hat, aus dem zur Beurteilung des Aussagegehalts heranzuziehenden (vgl. etwa Seitz/Schmidt/Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl. 1998, Rdn. 374; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rdn. 15 - j.m.w.N.) Kontext. Die sich der Frage anschließende Mitteilung „Sein Freund hat es erzählt“ kann - was für die Bejahung eines Gegendarstellungsanspruchs genügt (Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rdn. 11.41) - als bejahende Antwort durch den sich Äußernden selbst interpretiert werden, weil sie als Hinweis auf eine sichere Quelle zu verstehen ist.

2. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht beiden Klägern ein Anspruch auf Abdruck einer eigenen Gegendarstellung zu. Dies ergibt sich daraus, daß von der Erstmitteilung nicht nur der Kläger Nr. 1, sondern - was mit der Berufung auch nicht (mehr) in Frage gestellt wird - die Klägerin Nr. 2 als seine Ehefrau betroffen ist (hierzu Burkhardt, a.a.O. Rdn. 11.77 ff.). Grundsätzlich hat nämlich jeder, der Gegenstand einer Erstmitteilung geworden ist, das Recht, mit einer eigenen Darstellung zu Wort zu kommen (Burkhardt, a.a.O., Rdn. 11.59 m.w.N.). Eine Einschränkung dieses Prinzips dahin, daß mehrere Betroffene lediglich eine gemeinsame Gegendarstellung abgeben können, ist nur für den Fall anerkannt, daß der Abdruck mehrerer gleichlautender Gegendarstellungen zu einer unbilligen Belastung des Anspruchsverpflichteten führen würde, ohne daß dies einen zusätzlichen Rechtsschutz der Betroffenen zur Folge hätte (vgl. etwa Burkhardt, a.a.O., Rdn. 11.59; Seitz/Schmidt/Schoener, a.a.O., Rdn. 189). Indessen kommt eine gemeinsame Gegendarstellung wegen des Grundsatzes „ganz oder gar nicht“ überhaupt nur dann in Betracht, wenn die Beteiligten durch die Erstmitteilung in völlig gleicher Weise beeinträchtigt worden sind, so daß sie auch wortgleich erwidern können. Eine derartige Situation liegt hier aber deshalb nicht vor, weil die Betroffenheit des Klägers Nr. 1 nur zum Teil mit der der Klägerin Nr. 2 übereinstimmt: In der Formulierung „Ehebruch schon in der Hochzeitsnacht“ kann dem Adverb „schon“ nicht nur die Bedeutung zukommen, daß „der Ehebruch“ (im Sinne von „der einzige in Rede stehende Ehebruch“) unerwartet früh erfolgt ist; ein Verständnis ist vielmehr auch dahin möglich, daß - angeblicher - weiterer Untreue in der Ehe der - angebliche - Ehebruch in der Hochzeitsnacht vorausgegangen war. Dabei ist der Klägerin Nr. 2 als der Ehefrau des Klägers Nr. 1 - anders als diesem selbst - eine authentische Stellungnahme zu dessen Verhalten nur in bezug auf die zeitlich exakt eingrenzbare Hochzeitsnacht, nicht aber hinsichtlich der nicht näher bestimmten Zeit danach möglich.

3. Erfolg hat die Berufungsführerin jedoch, soweit sie sich dagegen wendet, daß der für beide Gegendarstellungen wortgleiche Hinweis auf die Erstmitteilung doppelt wiedergegeben ist. Weiter wendet sich die Beklagte mit Recht dagegen, daß der Abdruck beider Gegendarstellungen bei Verwendung der erstinstanzlich jeweils angeordneten Schriftgröße die gesamte Titelseite einnehmen würde, was deren „Zerstörung“ zur Folge hätte.

Es ist zwar richtig - und wird von der Beklagten auch nicht bestritten -, daß auf Tatsachenbehauptungen, die auf der Titelseite erschienen sind, aus Gründen der Waffengleichheit auch auf der Titelseite erwidert werden kann (vgl. nur die zahlreichen Nachweise bei Prinz/Peters, a.a.O., Rdn. 593 [dort Fn. 623] und bei Burkhardt, a.a.O., Rdn. 11.188). Der Pressefreiheit, zu der auch die die Präsentation des Presseprodukts betreffende Gestaltungsfreiheit gehört, ist aber nur dann Rechnung getragen, wenn „die Titelseite durch Umfang und Aufmachung der Gegendarstellung nicht ihre Funktion verliert, eine Identifizierung des Blattes zu ermöglichen, die als besonders wichtig erachteten Mitteilungen aufzunehmen und das Interesse des Publikums zu erregen“ (BVerfGE 97, S. 125 ff., 151). Die Kläger haben daher eine gewisse Reduzierung der Schriftgröße hinzunehmen (Seitz/Schmidt/Schoener, a.a.O., Rdn. 424; Burkhardt, a.a.O., Rdn. 188), was allerdings auf der anderen Seite nicht zu einer Entwertung der Gegendarstellung führen darf. Weiter haben sie es hinzunehmen, daß vermeidbare Wiederholungen ohne zusätzlichen Informationswert vermieden werden. Nach Auffassung des Senats wird den Interessen der beiden Kläger einerseits und der Beklagten andererseits durch eine Anordnung dahingehend Rechnung getragen, daß die Gegendarstellungen auf der Titelseite im gleichen Bereich wie die Erstmitteilung abgedruckt werden, wobei der für beide Mitteilungen identische Hinweis auf die Erstmitteilung zusammengefasst wird und die Schriftgröße in der Weise reduziert wird, daß der Abdruck beider Gegendarstellungen einschließlich gemeinsamem Hinweis auf die Erstmitteilung und der gemeinsamen Überschrift „Gegendarstellung“ nicht weniger als 150 % der Fläche des Textteils der Erstmitteilung einnimmt. Zur leichteren Zuordnung der beiden Stellungnahmen ist der sie jeweils einleitende Satz („Hierzu stelle ich fest“) durch Einfügung des Namens des Klägers Nr. 1 bzw. der Klägerin Nr. 2 zu ergänzen. Diese geringfügige Abweichung von den jeweiligen Anträgen ist durch § 938 Abs. 1 ZPO gedeckt.

III.

Dementsprechend waren die beiden angefochtenen Urteile unter Zurückweisung der weitergehenden Berufungen abzuändern. Da die Kläger nur zu einem geringfügigen Teil unterlegen sind, waren die Kosten beider Instanzen der Beklagten aufzuerlegen (§§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO).

Das Urteil ist rechtskräftig (§ 542 Abs. 2 S. 1 ZPO), so daß es keines Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf.